Kann die UN den Terrorismus effektiv bekämpfen?
von David Cortright
Das Konzept des »Kriegs gegen den Terror« könnte als politische Metapher nützlich sein, aber die Bekämpfung von Al-Kaida und ähnlich gesinnter Gruppen ist vorrangig eine Aufgabe der internationalen Strafverfolgung.1 Al-Kaida ist keine Regierung, die mittels Krieg unter Kontrolle gebracht werden kann, sondern ein facettenreiches Netzwerk nicht-staatlicher Akteure, das über mehr als sechzig Länder verteilt ist. Die Bekämpfung eines solchen Gegners erfordert die Kooperation vieler Staaten, eine Aufgabe, für die die Vereinten Nationen bestens geeignet sind.
Unmittelbar nach den Anschlägen des 11. September verabschiedete der UN-Sicherheitsrat Resolution 1373, die allen 191 UN-Mitgliedsstaaten umfassende gesetzliche Verpflichtungen auferlegte. Sie verlangt von jedem Land die Finanzanlagen von Terroristen und ihren Unterstützern einzufrieren, ihnen die Durchreise oder einen sicheren Zufluchtsort zu verweigern, terroristische Rekrutierungsmaßnahmen und Waffenlieferungen zu verhindern und mit anderen Ländern bei der gemeinsamen Nutzung von Informationen sowie bei der Strafverfolgung zusammenzuarbeiten. Resolution 1373 verpflichtete die Staaten zu einer Kampagne nicht-militärischer kooperativer Strafverfolgungsmaßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus.2
Um die staatliche Einhaltung dieser neuen Anti-Terror Mandate zu überwachen, wurde mit der Resolution 1373 das »Counter-Terrorism-Committee« (CTC) ins Leben gerufen, das Generalsekretär Kofi Annan als „das Zentrum der globalen Anstrengungen zur Bekämpfung des Terrorismus“ bezeichnete.3 Die vorrangige Aufgabe des CTC ist die Stärkung der Anti-Terror Kapazitäten der UN-Mitgliedsstaaten. Das Komitee dient als eine »Schaltzentrale«, die helfen soll die Bereitstellung technischen Beistands für Länder zu erleichtern, die Unterstützung bei der Umsetzung von Anti-Terror Mandaten benötigen. Es versucht ebenfalls die Anti-Terror Anstrengungen einer großen Zahl internationaler, regionaler und subregionaler Organisationen innerhalb des UN-Systems und darüber hinaus zu koordinieren.4
Das CTC hat seitens der UN-Mitgliedsstaaten eine große Unterstützung erfahren, aber es steht trotzdem vor erheblichen Problemen: Es ist ausschließlich auf Berichte der Mitgliedsstaaten angewiesen und verfügt über keine unabhängigen Mittel um zu entscheiden, ob Länder die Anti-Terror Mandate tatsächlich umsetzen. Außerdem wurde es in seinen Anstrengungen, die Aktivitäten internationaler, regionaler und subregionaler Organisationen zu koordinieren, mehrfach behindert. Anfang 2004 entwickelte sich im Sicherheitsrat ein Konsens über die Notwendigkeit das CTC durch die Bereitstellung zusätzlicher Ressourcen und Kompetenzen wieder zu beleben. Diese Überlegungen veranlassten den Sicherheitsrat im März 2004 zur Verabschiedung der Resolution 1535.5 Mit ihr wurde ein neues »Counter Terrorism Executive Directorate« (CTED) geschaffen, das die Komiteebesetzung mit qualifiziertem Personal erheblich ausweitete und seine Kapazitäten zur Unterstützung der Mitgliedsstaaten verbesserte.
Im April 2004 wurde mit der Resolution 1540 das UN-Anti-Terror Programm weiter gestärkt.6 Die neue Resolution verbietet Staaten jegliche Form von Unterstützung für nicht-staatliche Akteure, die versuchen nukleare, chemische oder biologische Waffen zu erlangen. Es ordnet eine Reihe von Vollzugsmaßnahmen an, die Staaten umsetzen müssen um solch eine Proliferation zu verhindern und richtete ein Komitee ein, um über die Implementierung zu berichten. Im Oktober 2004 befürwortete der Sicherheitsrat – als Antwort auf das Massaker in einer Schule im nordossetischen Beslan – die Resolution 1566, die größere Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Terrorismus fordert und eine Arbeitsgruppe einrichtete um zusätzliche Anti-Terror Maßnahmen zu prüfen. Diese neuen Resolutionen unterstrichen die Entschlossenheit des Rates zur Bekämpfung des Terrorismus aber sie schufen auch potenzielle Überschneidungen mit den Aufgaben des CTC und Verunsicherung darüber, wie diese neuen Gremien zusammenarbeiten werden.
Die Abschätzung der Fortschritte
Annähernd drei Jahre nach Arbeitsantritt weist das CTC eine beachtliche Liste an Leistungen hinsichtlich der Förderung der Anti-Terror Kooperation auf. Unter Kapitel sieben der UNO-Charta agierend hat das CTC geholfen politische und gesetzliche Behörden für die globalen Anti-Terror Bemühungen einzurichten. Vor allem hat es die Schaffung spezialisierter Systeme für die Koordination der weltweiten Anstrengungen zur Bekämpfung der Gefahren durch Terrorismus gefördert. Der kooperative Ansatz, den das UN-Anti-Terror Programm verkörpert, hat dabei geholfen internationale Normen zu entwickeln und zu stärken. Auf diese Weise spielte das CTC eine wichtige Rolle bei der Schaffung und Aufrechterhaltung der internationalen Dynamik zur Stärkung der Anti-Terror Bemühungen.
Die Anstrengungen des Komitees, Informationen von Mitgliedsstaaten über Anti-Terror Kapazitäten und die Implementierung zu sammeln, sind außerordentlich erfolgreich gewesen. Den CTC-Ersuchen nach Berichterstattung wurde seitens der Mitgliedsländer in weit größerem Maße nachgekommen als bei jeglichen vorherigen Sicherheitsratsbeschlüssen. Alle 191 UN-Mitglieder übermittelten dem CTC Erstrundenberichte, die ihre Anstrengungen, die Resolution 1373 zu befolgen, erklärten.7 Die Komiteeexperten reagierten auf diese Berichte mit dem Ersuchen nach Klarstellungen und zusätzlichen Informationen, was zu weiteren Berichtsrunden führte. Alles in allem erhielt das CTC mehr als 550 staatliche Berichte, was es zur Lagerstätte dessen macht, was ein Beobachter den „möglicherweise größten Informationsträger über die weltweiten Anti-Terror Kapazitäten“ nannte.8 Dass die staatlichen Reaktionen auf CTC-Ersuchen auf höchster Ebene erfolgten, bestätigt die Bedeutung, die viele Staaten der Einhaltung des UN-Anti-Terror Programms beimessen. Die Berichte weisen darauf hin, dass viele Staaten konkrete Schritte unternehmen, ihre Gesetze zu überarbeiten und ihre Vollstreckungskapazitäten für die Einhaltung der UN-Anti-Terror Mandate zu verbessern.
Einer der objektivsten und verlässlichsten Indikatoren für die Zustimmung zum Anti-Terrorismus besteht in der wachsenden Zahl von Staaten, die den zwölf UN-Anti-Terror Konventionen beitreten. Diese Konventionen schaffen eine Basis zur Kooperation von Staaten bei der Verhinderung von Terrorfinanzierung, der Ausübung gemeinsamer Strafverfolgung und den geheimdienstlichen Anstrengungen gegen Terroranschläge. Sie schaffen für die Staaten ebenfalls die gesetzliche Grundlage um ihre Strafjustiz zu harmonisieren und Vereinbarungen über gegenseitige Rechtshilfe auszuhandeln. Die wichtigsten dieser Rechtsvereinbarungen sind die »International Convention for the Supression of Terrorist Bombings« (1997) und die »International Convention for the Suppression of the Financing of Terrorism« (1999). Beide erfuhren eine deutliche Steigerung ihrer Ratifikationsquote seit September 2001. Der Anstieg der Unterstützung für die anderen zehn UN-Konventionen war weniger dramatisch, teilweise weil einige der Vereinbarungen, wie die Konvention über Luftsicherheit, bereits vor dem September 2001 breite Unterstützung genossen. Konventionen die bestimmte Felder terroristischer Aktivitäten behandeln (die Verhinderung und das Bestrafen von Verbrechen gegen international geschützte Personen, Maßnahmen gegen Geiselnahme, der Schutz von Nuklearmaterialien und die Kennzeichnung von Plastiksprengstoff) erfuhren einen zwanzig bis vierzigprozentigen Anstieg der Ratifikationsquote seit September 2001.
In ihren ersten vier Jahren ratifizierten nur 28 Staaten die Konvention über terroristische Bombenattentate. Zwischen September 2001 und Mai 2004 ratifizierten weitere 87 Staaten die Konvention. In den ersten beiden Jahren ratifizierten nur fünf Staaten die Konvention über die Finanzierung des Terrorismus, aber seit September 2001 folgten weitere 102 Nationen. Diese Ergebnisse veranschaulichen, dass die Vereinten Nationen in den meisten Weltregionen bei der Mobilisierung der internationalen Gemeinschaft eine gesetzliche Grundlage für den institutionalisierten Kampf gegen den Terrorismus zu schaffen, erfolgreich gewesen sind.
Diese ganzen Aktivitäten werden von einem stetig steigenden Grad internationaler Kooperation in der Anti-Terror Kampagne ergänzt. Eine Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten arbeitet jetzt zusammen bei der internationalen Strafverfolgung und in dem Bemühen Al-Kaida – und Al-Kaida ähnlichen Gruppen – sichere Rückzugsgebiete, Finanzmittel und Reisemöglichkeiten zu verwehren. Durch die Handlungen einzelner Staaten und internationaler Behörden wurden Mittel in Höhe von schätzungsweise $200 Millionen zur Finanzierung von Terrorismus eingefroren.9 Durch unilaterale, bilaterale und multilaterale Strafverfolgungsanstrengungen in dutzenden von Ländern wurden mehr als 4.000 Terrorverdächtige, inklusive vieler hochrangiger Al-Kaida Funktionäre in Gewahrsam genommen.10 Obwohl Al-Kaida ein gefährliches und aktives Terrornetzwerk bleibt und es einen unerwarteten Rekrutierungsschub aufgrund des in der Folge der Invasion und Besetzung des Iraks erhöhten »Anti-Amerikanismus« erfuhr, hat das internationale Anti-Terror-Programm einige Erfolge erzielt.
Die Erleichterung technischer Unterstützung
Bei dem Treffen auf Ministerebene im November 2001 verabschiedete der Sicherheitsrat Resolution 1377 die die CTC auffordert mit internationalen, regionalen und subregionalen Organisationen zusammenzuarbeiten, um Möglichkeiten auszuloten wie Staaten technische, finanzielle, behördliche, gesetzliche und andere Unterstützung erhalten können, um die Umsetzung von Resolution 1373 zu verbessern.11 Der Rat erkennt an, dass relativ wenige Staaten über die umfassenden legalen, administrativen und behördlichen Kapazitäten verfügen, die benötigt werden, um Finanzanlagen einzufrieren, das Reisen bestimmter Personen zu verhindern, Terroristen und ihren Unterstützern »sichere Häfen« zu verwehren und die Rekrutierung und militärische Versorgung terroristischer Gruppen abzustellen.
Die Erfordernisse für die Umsetzung von Resolution 1373 beinhalten häufig ein beträchtliches Ausmaß an Training, den Aufbau neuer administrativer Systeme und den Erwerb sowie die Installation technisch anspruchsvoller Ausrüstung. Viele Staaten benötigen Hilfe um ihre Polizei- und Strafverfolgungssysteme zu verbessern sowie Finanzregulierungsmechanismen und Finanzaufklärungseinheiten zu schaffen. Unterstützung wird ebenfalls gebraucht bei der Entwicklung computerisierter Verbindungen zwischen sicherheitsbezogenen Einheiten, für verbesserte Systemen zur Identifizierung gefälschter Reisedokumente, für bessere Mechanismen zur Zoll- und Einwanderungskontrolle sowie computerisierte Ausrüstung zur Durchleuchtung von Passagieren und Frachtgütern an Grenzübergängen.
Die Kosten für den Ausbau administrativer Systeme und die Beschaffung und Wartung technischer Ausrüstung können erheblich sein.12 Viele Staaten insbesondere in der Dritten Welt benötigen deshalb bei der Beschaffung dieser Kapazitäten Unterstützung. Wie ein afrikanischer Botschafter gegenüber dem Sicherheitsrat im Juli 2003 anmerkte, verfügen viele Länder, die Anti-Terror Gesetze verabschiedet haben, nicht über die notwendigen finanziellen, technischen und menschlichen Ressourcen um diese neuen Gesetze auch umzusetzen.13 Dies löste eine Diskussion um einen multilateralen Treuhänderfonds zur Förderung solcher Anstrengungen aus. Einige Geberländer deuteten den Wunsch an, die fehlende Unterstützung bereit zu stellen, verfügen aber nicht über die menschlichen Ressourcen und die Fachkompetenzen den Unterstützungsbedarf zu ermitteln und die Lieferung nachgefragter Hilfe zu gewährleisten. Diese Staaten ziehen es vor, ihre Anstrengungen über das CTC und andere multilaterale Gremien zu koordinieren.14
Viele der Maßnahmen, die für die Einhaltung der Anti-Terror Verpflichtungen von Resolution 1373 erforderlich sind – die Schaffung effektiverer Strafverfolgungskapazitäten, die Verbesserung der Grenz-, Einwanderungs- und Zollkontrollen, die Regulierung von Banken- und Finanzinstitutionen, die Verbesserung der Sicherheit an Flughäfen und Grenzübergängen – gehen Hand in Hand mit Schritten zur Stärkung verantwortungsbewusster Regierungsführung (Good Governance). Diese Schritte werden zunehmend als unverzichtbar für die wirtschaftliche Entwicklung und die Entfaltung sozialer und ökonomischer Möglichkeiten erachtet. Technische Hilfsmaßnahmen, die Regierungskapazitäten schaffen, fördern somit auch die Perspektiven wirtschaftlicher Entwicklung.
Diese Verknüpfung zwischen technischer Unterstützung und wirtschaftlicher Entwicklung legt die Notwendigkeit integrierter Entwicklungshilfestrategien nahe, die das UN-Anti-Terror Programm berücksichtigen. Gelingt es das größere internationale Engagement zur Schaffung von Anti-Terror Kapazitäten mit der breiter gefassten UN-Entwicklungsagenda zu verknüpfen, dann könnte sich das genauso positiv auswirken auf die Modernisierung und Transparenz im Banken-, Investitions- und Finanzsektor wie auf die Bekämpfung des Terrorismus.
Die Verbesserung internationaler Kooperation
Das CTC hat die Koordination eines großen Spektrums spezialisierter internationaler Agenturen sowie regionaler und subregionaler Organisationen bewerkstelligt. Der Versuch, internationale Kooperation zu verbessern, ist immer eine große Herausforderung, aber die Aufgabe des CTC in diesem Bereich ist wahrlich gigantisch. Die Spannbreite regionaler und internationaler Organisationen mit tatsächlicher oder potenzieller Beteiligung am UN Programm zur Bekämpfung des Terrorismus ist riesig. Jede Region der Welt ist beteiligt und Anti-Terror Programme sind in vielen regionalen und subregionalen Organisationen entstanden. Die Mandate von Resolution 1373 betreffen ein weites Feld öffentlicher Aktivitäten – Finanzierung, Handel, Zölle, Strafverfolgung, die gemeinsame Nutzung von Geheimdienstinformationen, militärische Rekrutierung und Versorgung – und sie beeinflussen die Missionen dutzender spezialisierter Agenturen.
Das CTC hat bedeutende Schritte gemacht, regionale Organisationen zur Stärkung ihrer Anti-Terror Kapazitäten zu ermuntern. Viele regionale Organisationen, insbesondere in Europa, der asiatisch-pazifischen Region und Lateinamerika, haben eigene Anti-Terror Einheiten gebildet. Einige Regionen hinken dennoch hinterher. Die Region Mittlerer Osten/Nordafrika beispielsweise hat keinen adäquaten regionalen Kooperationsmechanismus entwickelt um der vollen Bandbreite der Anti-Terror Prioritäten gerecht zu werden. Eine breitere regionale Abdeckung wird ebenso in Südasien sowie in Ost- und Südafrika benötigt.
Eine verbesserte Kooperation ist auch unter den Organisationen innerhalb des UN-Systems gefragt. Das CTC war bei der Koordination mit der Expertengruppe, die die Umsetzung der Sanktionen gegen Al-Kaida und die Taliban überwacht (ursprünglich 1999 mandatiert durch Sicherheitsratsresolution 1267) langsam. Es gab Bedenken über die Notwendigkeit einer Kooperation zwischen dem CTC und den Komitees die nach den Resolutionen 1540 und 1566 eingerichtet wurden. Das Problem der Kooperation zwischen diesen verschiedenen Gremien hat nicht genügend Aufmerksamkeit erfahren. Es gibt augenblicklich vier spezialisierte Sicherheitsratsgremien die sich mit Anti-Terror Fragen beschäftigen: das CTC, das Al-Kaida und Taliban Überwachungsteam, das 1540 Komitee und die 1566 Arbeitsgruppe. Während die Mandate dieser Gremien voneinander unabhängig sind haben sie auch überlappende Pflichten und Verantwortlichkeiten.
Den politischen Herausforderungen begegnen
Während viele der Herausforderungen denen sich das UN-Programm zur Bekämpfung des Terrorismus gegenübersieht prozedural sind, sind andere mehr politischer Natur. Zu den sensibelsten Aspekten gehören diejenigen, die mit dem Schutz der Menschenrechte verbunden sind. Es gab Kontroversen um Fälle, in denen Individuen ohne Rechtsbehelf oder andere rechtsstaatliche Mittel festgesetzt oder finanziellen Restriktionen unterworfen wurden. In einigen Fällen haben Regierungsvertreter den Kampf gegen den Terrorismus als Rechtfertigung für die Unterdrückung langjähriger Dissidenten oder Minderheitengruppen benutzt, zu denen auch Verfechter von mehr Demokratie und Menschenrechten gehörten. Generell machen sich viele Beobachter Sorgen, dass Anti-Terror Maßnahmen – größere Überwachung durch die Regierung, verschärfte Strafverfolgung, verschärfte Grenzkontrollen, striktere Einkommenskontrolle – unweigerlich individuelle und soziale Rechte einschränken und grundlegende Freiheitsrechte gefährden werden.15 Indem die strikte Einhaltung menschenrechtlicher Standards im globalen Kampf gegen den Terrorismus gefordert wurde, waren UN-Erklärungen und Resolutionen eindeutig. Es gibt keinen Tauschhandel zwischen Menschenrechten und Terrorismus. Generalsekretär Kofi Annan sagte im September 2003: „Die Menschenrechte hoch zu halten widerspricht sich nicht damit, den Terrorismus zu bekämpfen: im Gegenteil, die moralische Vision der Menschenrechte – der tiefgehende Respekt für die Würde jedes Menschen – gehört zu unseren mächtigsten Waffen gegen ihn. Beim Schutz der Menschenrechte Kompromisse zu machen würde den Terroristen einen Sieg verschaffen, den sie aus eigenen Stücken nicht erlangen könnten. Die Förderung und der Schutz der Menschenrechte … sollte deshalb im Zentrum unserer Anti-Terror Strategien stehen.“16
Auf dem Ministertreffen im Januar 2003 verabschiedete der Sicherheitsrat Resolution 1456, die eine größere internationale Beachtung der UN-Anti-Terror Mandate fordert, die Staaten aber ebenso an ihre Pflichten erinnert im Einklang mit internationalen gesetzlichen Verpflichtungen zu handeln, besonders hinsichtlich den „internationalen Menschenrechten, Flüchtlingen und humanitärem Recht.“17
Es kann plausibel begründet werden, dass Menschenrechtsschutz und die Stärkung der Demokratie zentral im langfristigen Kampf gegen den Terror sind. Terroristische Bewegungen tauchen häufig in Gesellschaften auf, in denen zivile und humanitäre Rechte verwehrt werden und politische Ausdrucksmöglichkeiten fehlen.18 Menschenrechte zu schützen und die Freiheit abweichende Meinungen ohne Einmischung der Regierung äußern zu können, können dabei helfen dem Aufstieg von politischem Extremismus und Terrorismus vorzubeugen.19 Nichts wird die Unterstützung für Anti-Terror Mechanismen wie das CTC schneller untergraben als ein Eindruck unter normalen, gesetzestreuen Bürgern, dass solche Programme unweigerlich grundsätzliche Freiheiten einschränken.
Die langfristige und heikelste politische Herausforderung vor der das CTC steht, ist das Fehlen einer gemeinsam akzeptierten Definition von Terrorismus innerhalb der Vereinten Nationen. Die Definitionsfrage belastet die UN seit vier Jahrzehnten. Einige Staaten verdammen als Terrorismus alle Handlungen, die unschuldiges Leben in Gefahr bringen oder kosten, während andere versuchen zwischen dem was sie als legitime Widerstandshandlungen gegen Unterdrückung ansehen und Terrorismus zu differenzieren. Insbesondere Staaten im Mittleren Osten haben es abgelehnt Anti-Terror Initiativen zu unterstützen, die benutzt werden können, um den palästinensischen Widerstand gegen die israelische Besatzung zu verurteilen. Es ist kein Zufall, dass die Ratifizierung von Anti-Terror Konventionen und die Teilnahme an CTC-Initiativen im Mittleren Osten am niedrigsten ist.
Bislang hat sich das CTC aus diesem Dilemma herausgehalten indem es sich primär auf prozedurale Fragen und die Schaffung von Anti-Terror Kapazitäten konzentrierte. Klugerweise hat es die Meinungsverschiedenheiten über gegenläufige Definitionen ausgeklammert, indem es an den Konsens unter den UN-Mitgliedsstaaten appellierte, dass es größerer Anstrengungen bedarf, der von Al-Kaida ausgehenden globalen Gefahr des Terrorismus zu begegnen. Wie lange das CTC in der Lage sein wird, diese Balance aufrecht zu erhalten, ist Gegenstand vieler Debatten.20
Eine weitere politische Herausforderung betrifft die Frage der Vollstreckung. Das CTC hat sich entschieden nicht über UN-Mitglieder zu Gericht zu sitzen oder dem Sicherheitsrat Staaten zu melden, die es als unwillig erachtet. Es schränkt aber die Effektivität des Komitees ein, wenn es bestimmten Ländern erlaubt, sich ihrer Verantwortung für spezifische Handlungen zu entziehen.21 Wenn das CTC erfolgreich sein will, muss diese zurückhaltende Praxis überprüft werden. In der augenblicklichen »revitalisierten« Phase der UN-Bemühungen zur Bekämpfung des Terrorismus, ist die Frage, was der Sicherheitsrat mit Staaten tun soll, die es ablehnen Anti-Terror Mandate umzusetzen, drängender geworden. Wird der Sicherheitsrat gewillt sein Sanktionen gegen Staaten in Betracht zu ziehen, die technische Hilfe erhalten haben, es aber weiterhin ablehnen den Verpflichtungen aus Resolution 1373 nachzukommen?
Das sind einige der neuen Herausforderungen, vor denen die künftigen UN Anti-Terror Anstrengungen stehen.
Anmerkungen
1) Die Recherche für diesen Artikel wurde durch eine großzügig vom Royal Danish Ministry for International Affairs und dem United States Institute of Peace unterstützt. Der Autor weist auch auf die wissenschaftliche Unterstützung seitens Benjamin Rooney und Olda Bures ebenso wie der Studenten des Counter-Terrorism Research Seminar und der University of Notre Dame im Frühjahr 2004 hin. Dieser Artikel ähnelt in einigen Teilen stark einem Dokument mit dem Namen »An Action Agenda For Enhancing the United Nations Program on Counter-Terrorism« (Goshen, Ind.: Fourth Freedom Forum, October 2004).
2) Nicholas Rostow: Before and After: The Changed UN Response to Terrorism Since September 11, 35 CORNELL I.L.J., no. 3, 482, 475-490 (Winter 2002); David Cortright and George A. Lopez: Sanctions and the Search for Security: Challenges to UN Action (Boulder, Colo.: Lynne Rienner Publishers, 2002), 126-130; Edward C. Luck: Tackling Terrorism, in David M. Malone (ed): The United Nations Security Council (Boulder, Colo.: Lynne Rienner Publishers, 2004), 85-100.
3) United Nations Secretary-General Kofi Annan: Statement at Ministerial Level Meeting of the UN Security Council. Vgl. United Nations Security Council, High-level Meeting of the Security Council: Combating Terrorism, S/PV.4688, New York, 20 January 2003.
4) Rostow: Before and After, 485.
5) United Nations Security Council: Proposal for the Revitalisation of the Counter-Terrorism Committee, S/2004/124, New York, 19 February 2004.
6) Einem ähnlichen Modell folgend, das mit Resolution 1373 verabschiedet wurde, entschied Resolution 1540, dass „alle Staaten effektive Maßnahmen ergreifen und die Schaffung angemessener und effektiver Gesetze durchsetzen“, die nicht-staatlichen Akteuren die Unterstützung oder Beteiligung an bestimmten terrorbezogenen Aktivitäten verbieten.
7) Eric Rosand: Current Developments: Security Council Resolution 1373, the Counter-Terrorism Committee, and the Fight Against Terrorism, 97 American J.I.L., no. 2, 337, 332-341 (April 2003).
8) Rosand: Security Council Resolution 1373 and the Counter-Terrorism Committee, 616.
9) White House: Progress Report on the Global War on Terrorism, U.S. Department of State, September 2003. Erhältlich online auf U.S. Department of State (eingesehen 2 Februar 2004).
10) United Nations Security Council: Second Report of the Monitoring Group Established Pursuant to Security Council Resolution 1363 (2001) und Extended by Resolution 1390 (2002) und 1455 (2003) on Sanctions Against Al-Qaida, the Taliban and Individuals and Entities Associated with them, S/2003/1070, New York, 2 December 2003.
11) United Nations Security Council: Security Council Resolution 1377 (2001), S/RES/1377, New York, 12 November 2001.
12) Ward: Purposes and Scope, 14.
13) Cited in Rosand: Security Council Resolution 1373 and the Counter-Terrorism Committee, 623.
14) Ward, Purposes and Scope, 20.
15) Vgl. Neil MacFarlane: Charter Values and the Response to Terrorism, in Jane Boulden and Thomas G. Weiss (eds.): Terrorism and the UN: Before and After September 11 (Bloomington, Ind.: Indiana University Press, 2004), 43-46.
16) Kofi Annan: Conference Report (keynote address, Conference on »Fighting Terrorism for Humanity«, International Peace Academy, New York, 22 September 2003), 10.
17) United Nations Security Council: Security Council Resolution 1456 (2003), S/RES/1456, New York, 20 January 2003, para. 6
18) Analytiker haben eine signifikante statistische Korrelation zwischen Maßnahmen politischer Repression und dem Aufkommen terroristischer Bewegungen festgestellt. Vgl. Alan B. Krueger and Jitka Malesckova: Education, Poverty and Terrorism: Is There a Causal Connection?, Journal of Economic Perspectives 17, no. 4 (Fall 2003): 142.
19) Alan Krueger: Economic Scene, New York Times, 29 May 2002.
20) M.J. Peterson: Using the Security Council, in Boulden and Weiss (eds.): Terrorism and the UN, 180-187.
21) Rosand: Security Council Resolution 1373 and the Counter-Terrorism Committee, 612-13.
David Cortright ist Präsident des Fourth Freedom Forum in Goshen, Indiana und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Joan B. Kroc Institute for International Peace Studies an der University of Notre Dame. Übersetzung aus dem Englischen von Brigitte Keinath