• Archiv
  • Alle Ausgaben
  • 1986/2
  • Artikel: Kein Schild, sondern ein Schwert. Laserwaffen im Weltraum und strategische Stabilität
W&F 1986/2

Kein Schild, sondern ein Schwert. Laserwaffen im Weltraum und strategische Stabilität

von Jürgen Altmann

Seit der Entdeckung des Lasers 1960 wird in den großen Industrieländern an möglichen Waffenanwendungen der Laserstrahlung geforscht. In den 70er Jahren wurden z. B. in den USA Prototypen von Laserwaffen mit Strahlleistungen von einigen 10 bis einigen 100 Kilowatt in einen Panzer und in ein Flugzeug montiert. (Die unten stehende Tabelle gibt einige Vergleichswerte.) Für den atmosphärischen Einsatz ist dabei bisher noch keine militärisch einsetzbare Laserwaffe herausgekommen.

Mit dem SDI-Programm der USA haben Arbeiten an Laserwaffen eine ganz neue Dynamik bekommen, nun aber für den Weltraum; Entwicklungsprojekte konzipieren mittlere Strahlleistungen von einigen 10 Megawatt und Sendespiegel von über 10 Meter Durchmesser. Die Laser umkreisen dann entweder auf Satelliten die Erde, oder sie sind am Boden stationiert und richten ihre Zerstörungsenergie über Satellitenumlenkspiegel auf die anfliegenden Interkontinentalraketen. Es ist heute nicht klar, ob Laser dieser Leistung und Spiegel dieser Größe mit den anderen Systemen wie Sensoren und Steuercomputern überhaupt zu militärisch effizienten und kosteneffektiven Waffensystemen integriert werden können; es gibt jedoch kein physikalisches Gesetz, das die prinzipielle Unmöglichkeit solcher Laser oder Spiegel beinhaltet. Von daher ist es sinnvoll und notwendig, sich frühzeitig mit den möglichen Auswirkungen von Weltraum-Laserwaffen auf die strategische Situation und vor allem auf die Stabilität in der Krise auseinanderzusetzen.

Vergleichsdaten heutiger ziviler Lasersysteme und eventueller Laserwaffen. Typische Werte der Dauerleistung in Watt und des Strahlendurchmessers in Meter. Der stärkste in Bau befindliche experimentelle Waffenlaser (USA) hat etwa 5 Megawatt Strahlleistung.

Anwendung Strahlleistung Strahldurchmesser
Labor 10 Watt 0,01 Meter
Industrie 1 Kilowatt 0,1 Meter
taktische Laserwaffe 50 Kilowatt 1 Meter
Weltraum-Laserwaffe 25 Megawatt 10 Meter

Während Laserstrahlung in der Atmosphäre durch verschiedene Effekte geschwächt wird (bis zur totalen Absorption etwa bei Nebel oder in Wolken), würde im Weltraum nur die Strahlaufweitung mit der Entfernung zu einer Schwächung der sog. Bestrahlung führen (das ist der Quotient aus auftreffender Energie und Fläche; diese Größe ist für die Zerstörung von Material entscheidend). Weltraum-Laserwaffen müßten die Erde als Satelliten umkreisen (entweder die Laser selbst oder die Umlenkspiegel), sie wären pro Umlaufperiode von 1,5 bis 2 Stunden nur einige Minuten über den Startgebieten der Interkontinentalraketen der anderen Seite. Wer die Startgebiete jederzeit abdecken möchte, muß ein globales Netz von Weltraum-Laserwaffen stationieren. Das wären also Waffen neuer Qualität, die durch ihre Stationierungsart ständig weltweit präsent wären und momentan ausgelöst werden kannten

Reagan: „Defensive Systeme, die niemanden bedrohen“

Diese Aussage Präsident Reagans 1, läßt sich für Weltraum-Laserwaffen nicht aufrechterhalten. Laserwaffen sind wirklich Waffen; sie zerstören ihre Ziele entweder thermisch, durch langsames Aufheizen der Wandung bis zum Schmelzen bzw. Verdampfen, oder bei sehr kurzer Strahldauer (und entsprechend hoher momentaner Leistung) durch den mechanischen Rückstoß der explosionsartig abdampfenden obersten Schicht. Die Laserenergie, die ausgesandt werden muß, um Zerstörung zu bewirken, steigt mit der Entfernung und der Wellenlänge und fällt mit der Größe der Sendeoptik. Ziele, bei denen durch eine sammelnde Optik die einfallende Strahlung konzentriert und auf einen empfindlichen Detektor geleitet wird (Augen, Sensorsysteme) können schon mit heutigen Lasern (Energie in 10 Sekunden: einige Joule) geschädigt oder zerstört werden. Massive Objekte über Schlachtfeldentfernungen von einigen Kilometern zu zerstören, braucht ca. 100 Kilojoule, über Weltraumentfernungen (einige 1000 km) sind Energien um 100 Megajoule erforderlich – das letzte ist ca. einen Faktor 10 über den heutigen stärksten experimentellen Waffenlasern.

Weltraum-Laserwaffen können eingesetzt werden, um Sensoren auf Satelliten zu blenden oder zu unterdrücken. Sie können wichtige Aufklärungs-, Frühwarn-, Kommunikations- und Navigationssatelliten ausschalten, was die Fähigkeit zur koordinierten Kriegführung stark beeinträchtigen könnte. Wenn die Wellenlänge geeignet gewählt ist und keine Wolken im Wege sind, können Weltraum-Laserwaffen auch Ziele in der Luft oder am Boden zerstören. Das könnten militärisch wichtige Einrichtungen sein wie Weltraum-Antennen, Radaranlagen, fliegende Führungszentralen. Mit starken Weltraum-Laserwaffen könnten aber auch Öltanks in Brand gesetzt werden; es ist sogar vorstellbar, daß durch Erzeugen sehr vieler kleiner Zündbrände in kurzer Zeit Großbrände in städtischen Gebieten hervorgerufen werden könnten. Feuerstürme wie nach den Luftangriffen des Zweiten Weltkriegs könnten solche Mengen von Rauch in die Atmosphäre transportieren, daß eine mehrmonatige Klimaverschiebung ähnlich wie beim „Nuklearen Winter“ entsteht.2 Starke Weltraum-Laserwaffen müssen demnach als potentielle Massenvernichtungswaffen eingestuft werden.

Angriff gegen Weltraum-Laserwaffen der anderen Seite

Weltraum-Laserwaffen wären sicher in gewissem Maße gegen feindliche Laserstrahlung gepanzert. Dennoch hätten sie verwundbare Stellen, etwa Sensoren oder Antennen. Eine besonders empfindliche Fläche ist der Sendespiegel: Er muß, schon um die Strahlung des eigenen Lasers auszuhalten, intensiv gekühlt werden. Gelingt es einem gegnerischen Laser, seine Strahlung auf eine deutlich kleinere Fläche des Spiegels zu bündeln, wird der dort überhitzt und schmilzt bzw. verdampft. Durch Ablagerungen steigt dann die Absorption auch auf den benachbarten Flächen; die eigene Strahlung kann den gesamten Spiegel zerstören, wenn sie nicht schnell abgeschaltet wird.

Aber auch an einer gepanzerten Wandung kann kein zuverlässiger Schutz gegen Durchbohren gewährleistet werden. Ein Angreifer kann sich die Stelle aussuchen, und der bestrahlte Fleck wird mit wachsender Spiegelgröße immer kleiner. Bei wachsender Stationsgröße müßte ein massiver Panzer nach Fläche und Dicke wachsen, so daß seine Masse viel schneller steigen würde als die zu seinem Durchbohren notwendige Masse an Lasertreibstoff.

Waffen mit großer Reichweite in geringem Abstand voneinander. Stationierungsmöglichkeiten zweier Flotten aus Weltraum-Laserwaffen

Die Wirksamkeit der Zerstörung steigt quadratisch, wenn die Entfernung geringer wird. Wenn eine Laserwaffe Raketen bis in typische Entfernungen von 3000 km zerstören kann, kann sie bei Objekten in nur 300 km Entfernung (in derselben Zeit) die hundertfache Bestrahlung aufbringen. Die gegenseitigen Zerstörungsmöglichkeiten der Weltraum-Laserwaffen von zwei Seiten hängen also drastisch davon ab, welche gegenseitigen Abstände sich während des Umlaufs ergeben. Wenn beide Seiten z.B. Kreisbahnen unterschiedlicher Bahnhöhen benutzen, kommen sich die Waffensatelliten nie näher als der Bahnhöhen-Unterschied. Weil die Wirksamkeit der Raketenbekämpfung aber mit wachsendem Abstand fällt, wäre die obere Seite benachteiligt. Mehr als z. B. 300 km Differenz (etwa bei 900 und 1200 km Höhe) wird nicht akzeptabel sein; das ergäbe schon um einen Faktor (1200/900)2 = 1,8 unterschiedliche Zerstörungswirksamkeit. Satelliten in unterschiedlichen Bahnhöhen haben aber unterschiedliche Geschwindigkeiten; auch die Präzession der Bahnebenen um die Erdachse erfolgt unterschiedlich schnell. Bei verschiedenen Bahnhöhen wird es also immer wieder passieren, daß die Satelliten beider Seiten fast gleichzeitig unter- bzw. übereinander hindurchlaufen und dann nur den niedrigen Bahnhöhenunterschied als Abstand haben (300 km im Beispiel). Sie könnten sich gegenseitig also mit hoher Wirksamkeit bekämpfen; dabei hätte die obere Seite einen taktischen Vorteil, weil sie ihre Strahlspiegel ständig zur Raketenbekämpfung nach unten gerichtet halten würde und die untere Seite also immer mit im Visier hätte. Die unteren Laserwaffen müßten dagegen ihre Strahlsysteme von der Richtung zum Erdboden weg – und nach oben hinschwenken, wenn sie die Stationen der anderen Seite (egal, ob als Angriff oder als Reaktion) bekämpfen wollten. Es ist bei nicht-kooperativer Stationierung in verschiedenen Höhen durchaus möglich, daß jede Seite versucht, eine weitere, noch höhere Strahlenwaffenhülle um die jeweils äußerste der anderen Seite zu legen. (Das setzt natürlich voraus, daß die schon vorhandenen Kampfschichten die Transporte durchlassen.)

Wollten beide Seiten kooperativ Weltraum-Laserwaffen stationieren, die sich möglichst wenig gegenseitig zerstören könnten, könnten gleiche Bahnhöhen und dieselbe Inklination (Neigungswinkel der Bahnebene gegen die Äquatorebene) gewählt werden.

Maximale gegenseitige Abstände gibt es bei gleichmäßig verteilten Bahnen und in ihnen gleichmäßig verteilten Satelliten. Abb. 3 zeigt ein Beispiel. Hier, mit „nur“ 112 Weltraum-Laserwaffen jeder Seite, finden pro Umlaufperiode von knapp 2 Stunden 1792 Begegnungen je einer Station beider Seiten statt, davon 1344 mit dem minimalen Abstand von 800 Kilometern. Eine Standard-Konzept-Laserwaffe mit chemischem Laser (25 Megawatt Lichtleistung, Spiegeldurchmesser 10 Meter, Wellenlänge 2,8 Mikrometer) könnte während solcher einige Minuten dauernden Begegnungen massive Panzer der anderen Station von z. B. einem halben Meter Aluminium durchbohren. „Fortgeschrittenere“ Waffenlaser mit zehnfach kleinerer Wellenlänge (z. B. Excimer- oder Freie-Elektronen-Laser) könnten hundertfach schneller und tiefer Material abtragen.

Die zur Raktetenabwehr notwendige Anzahl von Stationen richtet sich nach den Parametern des Lasersystems, besonders kritisch geht die Zeitdauer ein, die das System braucht, um von einem Ziel zum anderen zu schwenken. 3 Es können (bei den erwähnten Standard-Konzept-Laserwaffen) einige hundert bis über 1000 Laser werden. Versucht man, so viele Satelliten in gleiche Bahnhöhe zu stationieren, werden die Begegnungsabstände sehr klein (bei 500 Stationen gibt es schon Begegnungen mit Abständen um 100 km). Bei gleichmäßiger Verteilung so vieler Laserwaffen wäre dann die gegenseitige Zerstörung praktisch jederzeit möglich. Oberhalb einer bestimmten Zahl wird es dann – was den gegenseitigen Abstand angeht – wieder günstiger, verschiedene Bahnhöhen zu wählen, weil man dann einen festen Minimalabstand hätte. Das Grundproblem bliebe aber in jedem Fall bestehen: Beide Seiten hätten Waffen, die einige 1000 km Reichweite haben, in einigen 100 km Abstand voneinander stationiert.

Strategische Stabilität bei Weltraum-Laserwaffen?

Der Begriff „strategische Stabilität“, der auch im Genfer Kommunique von Reagan und Gorbatschow vorkommt, hat zwei Dimensionen, eine kurz- und eine langfristige. Die erste betrifft die Stabilität in der Krise; sie ist gegeben, wenn keine Seite in einer Krise durch Zuschlagen einen (entscheidenden oder relativen) Vorteil hätte, wenn also das Abwarten günstiger ist. Die zweite ist die Stabilität gegen Wettrüsten; sie liegt idealtypsich dann vor, wenn durch die Waffensysteme einer Seite kein Druck auf die andere Seite ausgeübt wird, ihre Waffen nach Art oder Anzahl zu verstärken. Bezüglich beider Dimensionen ist mit Weltraum-Laserwaffen starke Instabilität abzusehen.

Instabilität bezüglich Wettrüsten

Wenn eine Seite beginnt, Weltraum-Laserwaffen zu entwickeln, zu erproben und zu stationieren, wird die andere Seite einerseits versuchen, deren Wirksamkeit zu verringern, etwa durch passiven Schutz der eigenen Satelliten und Raketen, aber auch durch Entwicklung von Antisatellitenwaffen usw. Sollten sich Laserwaffen als militärisch effektiv herausstellen, wird sie aber andererseits auch eigene Laserwaffen für den Weltraum entwicklen und stationieren. Zum Schutz der eigenen Stationen gegen die verschiedenen Klassen von Weltraumwaffen werden verschiedene Klassen von Gegenwaffen entwickelt werden, es wird verschiedene Arten von Kampfsatelliten geben, die wieder Gegenmaßnahmen hervorrufen usw. Es ist schon spekuliert worden, daß eine sehr aufwendige Weltraum-Laserstation zu ihrem Schutz eine ähnliche gestaffelte Begleitflottille brauchen wird, wie Flugzeugträger auf dem Meer.

Es wird eine steigende Anzahl von Satelliten geben, einerseits, damit wichtige Funktionen auf viele redundante Satelliten verteilt werden, andererseits als Attrappen, von denen die andere Seite nicht weiß, ob sie wichtig sind.

Spezifisch bei Laserwaffen ist abzusehen, daß es ein Wettrennen geben wird, in dem vor allem größere Spiegel und kürzere Wellenlängen angestrebt werden. Die Seite, die als erste funktionierende Weltraum-Laserwaffen am Boden stationierte, hätte einen großen Vorteil, weil die Strahldauer nicht mehr durch den Energievorrat auf Satelliten begrenzt wäre. Beide Seiten würden versuchen, das so schnell wie möglich zu erreichen. Auch wer als erster große Kernreaktoren im Weltraum hätte, könnte einen strategischen Vorteil daraus ziehen.

Insgesamt ist abzusehen, daß mit dem Beginn einer Weltraum-Aufrüstung überhaupt – und besonders bei Einführung von Laserwaffen – eine längere Phase gegenseitigen massiven Aufschaukelns im Wettrüsten einsetzen würde. Es würde sehr schwierig werden, die Entwicklung aufzuhalten, geschweige denn, sie rückgängig zu machen.

Instabilität in der Krise

Es ist schwierig, beim heutigen Kenntnisstand genaue Aussagen über Mechanismen der Eskalation im Weltraum oder über die Einzelheiten möglicher Entwaffnungsangriffe zu machen. Man kann jedenfalls sicher davon ausgehen, daß die strategische Lage im Weltraum äußerst komplex sein wird; es wird Raketenabwehrwaffen verschiedener Arten geben, Antisatellitenwaffen verschiedener Arten, besondere Waffen gegen Weltraum-Raketenabwehrwaffen, besondere Waffen zum Blenden von Sensoren. Dazu kommen verschiedene Gegenmaßnahmen, z. B. viele zusätzliche Satelliten und Attrappen. Beide Seiten müssen sich auf die Möglichkeit einstellen, daß innerhalb von Sekunden Angriffe auf empfindliche Stellen im Weltraum oder am Boden erfolgen können. Wegen der kurzen Warn- und Reaktionszeiten müssen die Waffensysteme global durch Computerprogramme gesteuert werden. Es wird nicht möglich sein, sich nur auf passiven Schutz durch Panzerung oder durch Schutzverschlüsse zu verlassen – es wird nötig sein, genauso schnell zurückzuschießen, um nach Beginn eines Angriffs Schlimmeres zu verhindern. Vor dem Angriff ist Drohung mit ebenso schneller Vergeltung nötig. Dennoch kann es sein, daß ein intelligenter Angriff, der koordiniert erfolgt, mit einem deutlich stärkeren Verlust für den Angegriffenen endet. All dies würde einen ungeheuren Präemptionsdruck ergeben. Ein Konflikt könnte mit dem Bestrahlen der optischen Sensoren der anderen Seite beginnen, um sie zunächst vorübergehend zu unterdrücken. Das würde mindestens eine entsprechende Gegenreaktion auslösen; wahrscheinlicher ist aber, daß wegen des entscheidenden Vorteils, den derjenige bekäme, der als erster entschlossen die Weltraumwaffen der anderen Seite angreift, mit dem Beginn von Feindseligkeiten im Weltraum eine sehr schnelle, automatische Eskalation (in Sekunden oder Minuten) stattfinden würde, die die gesamte globale Weltraumwaffen-Kapazität beider Seiten einbeziehen würde.

Weil Weltraumsysteme für die strategische Lagebeurteilung und Kriegführung immer wichtiger werden und weil Weltraum-Laserwaffen auch Bodenziele angreifen können, ist es nicht sehr wahrscheinlich, daß ein solcher Krieg auf den Weltraum beschränkt bliebe. Es sind verschiedene Mechanismen vorstellbar, wie es zur Auslösung von Kernwaffen gegen Ziele auf der Erde kommen könnte, etwa wenn schon Kernwaffen im Weltraum eingesetzt wurden oder wenn eine Seite Raketen mit Weltraumwaffen startet, die von der anderen Seite nicht von Atomraketen zu unterscheiden sind. Das Kapitel „Gefechtsführungssystem“ des Berichts der Fletcher-Kommission sieht die Freigabe von Kernwaffen ausdrücklich als Bestandteil der SDI-Computerprogramme vor.4

Sowohl während einer Aufbauphase als auch danach (ein stationärer „Endzustand„ ist äußerst unwahrscheinlich) können sich durch das Vorhandensein umfassender Weltraumwaffen-Systeme selbst Krisen ergeben. Das kann z.B. an Computer-Fehlern liegen; auch die wachsende Zahl schwächerer Laser, die zum Orten von Objekten gedacht sind, aber auch Sensoren unterdrücken können, kann unklare Ereignisse mit Überreaktionen der auf vielfältige Weise global gekoppelten Systeme beider Seiten produzieren. Ein weitere Möglichkeit sind Zusammenstöße mit Weltraummüll; jeder Test einer Stoßwaffe produziert Tausende von kleinen Splittern, die unkontrollierten Bahnen folgen. Bei den hohen Relativgeschwindigkeiten im Weltraum können schon kleine Splitter starke Schäden hervorrufen.

Einziger Ausweg: Rüstungsbegrenzung

Es ist eine Illusion zu glauben, mit der Erschließung des Weltraums für langreichweitige und sehr schnelle Waffen könne die Sicherheit vor Atomkrieg erhöht werden oder es sei damit möglich, Atomwaffen „unwirksam und überflüssig„ zu machen. Wer das wirklich möchte, der muß heute für ein Verbot aller Weltraumwaffen, für Bekräftigung des ABM-Vertrags und für einen vollständigen Atomteststopp eintreten. Um zu verhindern, daß die dann noch nicht erfaßten atmosphärischen Laserwaffen bis zu einer Kapazität gegen Weltraumobjekte vergrößert werden, sollten Laserwaffen generell verboten werden, unabhängig vom Einsatzort. Ein solches Verbot würde einige Beschränkungen für die sonstige militärische Lasernutzung und für zivile Laseraktivitäten (einschließlich von Forschung) erfordern, 5 ist aber – politischen Willen zur Rüstungsbegrenzung vorausgesetzt – adäquat verifizierbar und kann akzeptiert werden.

Anmerkungen

1 R. Reagan, Presidential Foreward, The President´s Strategie Defense Initiative, White Hause, Jan. 85 Zurück

2 s. auch: C. L. Herzenberg, Nuclear Winter and the Strategie Defense Initiative, Physics & Society, Vol. 15, No. 1, 2-5 Jan. 1986 Zurück

3 R. L. Garwin, How many orbiting lasers of boostphase intercept, Nature, Vol. 315, 286-290, 23 May 1985 Zurück

4 Report of the Study an Eliminating the Threat Posed by Nuclear Ballistic Missiles (U), J. Fletcher (Chairman), Vol. V, Battle Management, Communications and Data Processing (U), S. 15, Febr. 1984 Zurück

5 Das betrifft Hochenergielaser mit Strahlausbreitung im Freien. Es sind nur wenige zivile Anwendungen von Lasern mit Dauerleistungen im Megawattbereich und Strahl im Freien denkbar (etwa Sonnenenergieübertragung von Satelliten auf die Erde oder Flugzeugantrieb mit Weltraum-Lasern). Sonnenenergie aus dem Weltraum könnte mit anderen Techniken ebenfalls erschlossen werden, ohne daß eng gebündelte Strahlen verwendet werden müssen, die prinzipiell auch als Waffe benutzt werden könnten (etwa durch Mikrowellen mit wegen der längeren Wellenlänge erheblich größerer Strahlaufweitung.) Zurück

Dr. Jürgen Altmann, Physiker, Mitarbeiter d. Hess. Stiftung Friedens- u. Konfliktforschung

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1986/2 Europa wird verteidigt, Seite