Keine Bewegung mit Ugandas »Movement«
Ein politischer Reisebericht aus dem Land des alten Mannes mit dem Hut
von Johannes Maaser und Lydia Koblofsky
Als Yoweri Museveni am 18. Februar 2011 mit fast 70 prozentiger Mehrheit die Präsidentschaftswahlen in Uganda gewann, gratulierte ihm EU-Präsident Manuel Barroso für seine Erfolge und ermutigte ihn, den „eingeschlagenen Weg Richtung Demokratie“ fortzusetzen.1 Noch vor der feierlichen Vereidigung des neuen und alten ugandischen Staatsoberhauptes am 12. Mai sollten diese Worte allerdings eine bittere Ironie offenbaren: Nur sieben Wochen nach der Stimmabgabe treibt der Unmut über ihre Regierung die Menschen2 in Ugandas Städten auf die Straßen. Die Demonstrationen, die als friedliche Form des Protests gegen steigende Benzin- und Lebensmittelpreise im Rahmen einer »Walk-to-Work«-Kampagne geplant waren, wurden nicht zuletzt aufgrund des repressiven Vorgehens der Sicherheitskräfte zu gewaltsamen Ausschreitungen. Lydia Koblofsky und Johannes Maaser konnten während ihres sechsmonatigen Ugandaaufenthalts einen denkwürdigen Prozess beobachten und haben ihn für W&F dokumentiert.
Die Ankunft am Flughafen in Entebbe im Dezember 2010 ist eindrucksvoll. Es ist 8.00 Uhr morgens, und beim Verlassen des klimatisierten Flugzeugs fühlt es sich an, als würde uns eine Decke aus flüssiger Luft um die Schultern gewickelt: „Uganda ist das einzige Land der Welt, in dem alle Flugzeuge auf Wasser landen“, wird uns ein einheimischer Kommilitone wenig später lachend erklären.
Nach der tropischen Feuchte auf dem Rollfeld begrüßt uns außerhalb des Flughafengebäudes ein freundlicher Herr mit Hut. Vor strahlend gelbem Hintergrund lächelt uns sein Konterfei in dutzendfacher Ausführung entgegen. Geklebt auf Wände, Masten und Koffer, hinter Autoscheiben oder auf T-Shirts ist der vitale Mittsechziger allgegenwärtig. Selbst dem unpolitischsten Besucher Ugandas wird auf den ersten Metern schnell deutlich: 2011 steht im Zeichen des Präsidentschaftswahlkampfes, und der aktuelle Amtsinhaber, Yoweri Kaguta Museveni, will wiedergewählt werden.
Auf der Fahrt vom Internationalen Flughafen Entebbe in die ugandische Hauptstadt Kampala führt uns der Weg am Statehouse vorbei. Das schneeweiße Gebäude auf dem Hügel in den mit Stacheldraht umfassten Grünflächen schwebt wie das Sinnbild eines fernen Machtzentrums über der bunten Anarchie der Straße. Während die Kalaschnikows der Soldaten über die Leere des englischen Rasens vor dem Regierungssitz wachen, strecken sich die langen Zungen der Kühe am Fahrbahnrand nach den Halmen im Staub der roten Erde.
Wir sind unterwegs zur Makerere University. Der Mann hinterm Steuer des Wagens strahlt eine Ruhe aus, die angesichts der aufregenden Lebendigkeit, die an uns vorbei pulsiert, beeindruckend erscheint. Dr. Musana ist früh aufgestanden, um seine deutschen Gäste vom Flughafen abzuholen. Nur vorsichtig trauen wir uns, über Politik zu sprechen: „Die Opposition weiß, wo die Fehler der Regierung liegen, und verspricht deshalb Krankenversorgung und Schulbildung. In Wirklichkeit passiert nicht viel, egal wer welche Wahl gewinnt. Die Politik kümmert sich hier vor allem um sich selbst.“
Vom »Movement« zum Mehrparteiensystem
Staat und Volk in Uganda haben ein schwieriges Verhältnis. Wahlen, insbesondere wenn es um die Besetzung des obersten Staatsamtes geht, sind historisch betrachtet alles andere als eine Selbstverständlichkeit in dem am Äquator gelegenen ostafrikanischen Binnenland. Seit der Unabhängigkeit 1962 gestanden die jeweiligen Regierungen der Bevölkerung erst sechsmal einen Urnengang zur Bestimmung des Präsidenten zu: 1962, 1980, 1996, 2001, 2006 und 2011. Seit dem letzten Coup d‘État durch die National Resistance Army (NRA) im Januar 1986 heißt der höchste Repräsentant des ugandischen Volkes ununterbrochen Yoweri K. Museveni. Er führte nach der Machtübernahme ein 20 Jahre währendes »No-Party«-System ein. Die vormalige Guerilla NRA wurde dabei in eine konkurrenzlose politische Basisorganisation, das so genannte National Resistance Movement (NRM), umgeformt.3
Nicht zuletzt aufgrund des Drucks von internationaler Seite4 wurden 2006 zwar erstmalig auch andere Parteien neben der regierenden NRM zur Präsidentschaftswahl zugelassen. Die Verfassungsänderung zur Einführung des Mehrparteiensystems 2005 fiel jedoch mit einer Aufhebung der Begrenzung für die Amtsperioden des Regierungsoberhauptes zusammen.5 Bei den Wahlen im Februar 2011 konkurrierten acht Bewerber. Einziger ernstzunehmender Gegenkandidat war Kizza Besigye unter dem Banner seiner Partei Forum for Democratic Change (FDC).6 Besigye war mehrfacher NRM-Minister, ehemaliger Leibarzt und Revolutionsgefährte Musevenis, mit dem er gemeinsam gegen das Regime Milton Obotes gekämpft hatte. Nach einem fundamentalen Streit über die Grundausrichtung der Movement-Politik trennte sich Besigye 1999 von Museveni, wurde dessen politischer Antagonist. 2011 trat er bereits zum dritten Mal als Herausforderer des Präsidenten an.
Tag der Entscheidung?
Zwei Tage vor der Abstimmung am 18. Februar 2011 befinden wir uns ganz in der Nähe von Besigyes Geburtsort Rukungiri. Mit einem Kollegen sind wir in den ruralen Südwesten Ugandas gereist. Die Bevölkerung ist sehr mobil in der Woche der Wahlen. Viele fahren für den Urnengang aus den urbanen Zentren zu ihren Familien aufs Land oder verlassen aus Angst vor erwarteten Unruhen die Städte. Bereits seit Jahresbeginn werden die Schlagzeilen der großen Zeitungen von Themen aus dem Umfeld der Präsidentschaftswahlen dominiert. Während sich die Presse im Januar auf Berichte über Korruptionsskandale, Affären und Manipulationsvorwürfe konzentriert, häufen sich im Februar Prognosen und Prophezeiungen über den Ausbruch von Gewalt. Über den Email-Verteiler der Deutschen Botschaft in Kampala werden „Hinweise zur Zusammenstellung von Evakuierungsgepäck“ und Pläne von Fluchtrouten verschickt. Gut 10 km von der nächsten Teerstraße entfernt, im Heimatdorf unseres Kollegen, scheint die Notwendigkeit von Fluchtplänen und Notfallversorgung weit entfernt.
Als uns unser Gastgeber am Vorabend der Wahlen seiner Nachbarschaft vorstellt, sind auch andere Besucher im Dorf unterwegs: Wahlagenten mobilisieren für ihre Kandidaten. „Die Menschen verkaufen ihre Stimmen für Schnaps und 1000 Schilling“ (das sind ca. 30 Eurocent), erklärt unser Kollege frustriert, nachdem wir zufällige Zeugen dieser zweifelhaften Praxis der Wahlwerbung geworden sind.
Der Wahltag ist ein großes Ereignis in der Abgeschiedenheit des Dorfes. Neben allen drei Wahlstationen der Region, die als eine Art Parcours unter freiem Himmel aufgebaut sind, haben sich etliche Schaulustige im Gras niedergelassen. Die Stimmung ist gut, die Wählerbildung offenbart jedoch gewaltige Lücken: Mehrmals werden wir gefragt, welchem der Kandidaten wir unsere Stimme geben werden. Ein Herr von der Electoral Commission schaut auf einem Boda Boda, dem landesüblichen Motorradtaxi, vorbei. Auch unser Freund ist als offizieller nationaler Wahlbeobachter im Einsatz, doch außer einer 60-minütigen Verzögerung bei der Schließung der Wahlstationen kann er von keinen formalen Fehlern bei der Durchführung der Wahl berichten. Die Parteiagenten haben das Dorf inzwischen längst verlassen. Am Abend des Wahltages hören wir im Radio BBC. Höhepunkt ist die Meldung von Protesten in Libyen. „Wenn Gaddafi tatsächlich abtreten muss, könnte auch Uganda einen Wandel erleben“, äußert einer unserer Mitzuhörer seine leise Hoffnung.
Noch vor Ablauf der angekündigten 48-Stunden-Frist gibt die Wahlkommission das Ergebnis der Auszählung bekannt. Erwartungsgemäß heißt der Sieger Yoweri Kaguta Museveni. Ihm werden gut 68% der Stimmen zugeschrieben; Besigye kommt auf 26, alle übrigen Kandidaten bleiben unter zwei Prozent.7 Die Deutsche Botschaft verschickt wieder eine SMS: „Jubelfeier bisher friedlich. Innenstadt meiden, weitere Entwicklung abwarten. Ausschreitungen nicht auszuschließen.“ Am Tag unserer achtstündigen Rückreise nach Kampala dominiert die Farbe des »Movement« die Straßen – Häuser, Busse, Menschen sind in strahlendem Gelb geschmückt. Im Radio laufen die Protestankündigungen der Opposition. An einzelnen Wahlstationen kommt es zu Übergriffen wegen so genannter Unregelmäßigkeiten.
Frei aber nicht fair
Wie zuvor in 2001 und 2006 war auch 2011 bereits der Vorbereitungsprozess für die Präsidentschaftswahlen hoch umstritten. Qua Artikel 60 der Landesverfassung verfügt Uganda zwar über eine Wahlkommission, die die Durchführung regelmäßiger, freier und fairer Wahlen und Referenden beaufsichtigen soll. Allerdings wird diese Kommission selbst kontrovers gesehen – nicht zuletzt deswegen, weil ihre sieben Mitglieder von Präsident Museveni persönlich ernannt werden. Des Weiteren gab das Verfahren zur Erstellung der Wahlregister viel Anlass zur Diskussion, da es keine ausreichende Identifikation der Wähler ermöglichte. Statt der versprochenen Voter’s Cards – einem amtlichen Dokument mit Passbild und persönlichen Daten – erstellte die Kommission lediglich ein Namensverzeichnis mit Geburtsort und -datum; offizielle Ausweispapiere gibt es in Uganda nicht. Damit war die Möglichkeit, im Namen Anderer zu wählen, ebenso gegeben wie die zur mehrfachen Stimmabgabe. Die Inter-Party Cooperation (IPC), ein Zusammenschluss der Oppositionsparteien, berichtete beispielsweise von Mehrfachwählung und dem Ausstaffieren von Wahlurnen mit angekreuzten Stimmzetteln in mehr als der Hälfte der von ihnen beobachteten 80 Wahldistrikte.8 Ein zusätzliches Problem war dabei das „aufgeblasene Register“.9 Laut der Democracy Monitoring Group (DEMGroup), einem Bündnis lokaler Nichtregierungsorganisationen zur Wahlbeobachtung, haben sich in einigen Regionen mehr als 100% der wahlberechtigten Bevölkerung registriert. Außerdem fanden sich über 5.000 Personen älter als 110 Jahre in der Wählerliste10 (die durchschnittliche Lebenserwartung in Uganda liegt bei ca. 52 Jahren).11 Die European Union Election Observation Mission (EU EOM) sprach diesbezüglich in ihrem am 6. Mai herausgegebenen Abschlussbericht von „vermeidbaren administrativen und logistischen Fehlern, die zu einer inakzeptablen Anzahl von dadurch entrechteten ugandischen Bürgern geführt haben“.12 Neben diesen Unzulänglichkeiten in der Organisation der Wahl war auch der Wahlkampf von zweifelhaften Praktiken geprägt. Vor allem die regierende NRM verteilte im großen Stil Geld und Naturalien an die Bevölkerung, was von den Beobachtern der Commenwealth Group als „Kommerzialisierung“ der Stimmabgabe beschrieben wurde.13 Bereits in einer kurz vor der Wahl veröffentlichten Erklärung bezeichnete DEMGroup die Wahl somit treffend als „überwiegend frei aber nicht fair“.14
Auf dem Weg zur Arbeit
Nach der Wahl feiern die regierungsnahen und -eigenen Medien den souveränen Triumph des Präsidenten. Die Opposition spricht und schreibt offen und scharf von Betrug. Besigye veröffentlicht rund zwei Wochen nach der Bekanntgabe der Ergebnisse seine eigene Auszählung der Stimmen, nach der er sich mit rund 47% zum Sieger erklärt.15 Doch die Opposition ist zerstritten, allseits und lauthals getätigten Protestankündigungen folgen lange keine Taten.
Als wir uns Anfang April drei Flaschen Wasser kaufen und – wie am Vortag – dafür 3000 Schilling (ca. 80 Eurocent) auf den Tresen legen, bleibt die Hand der Verkäuferin ausgestreckt: „Dreitausendsechshundert.“ Offenbar hat sich der Preis für Mineralwasser über Nacht um rund 20% verteuert. Die 1,5-Liter-Plastikflaschen mit sauberem Wasser sind bei Weitem nicht das einzige Produkt, dessen Kosten sich dramatisch gesteigert haben. Laut einer Meldung der Nachrichtenagentur Reuters erfuhr der Ugandische Schilling in den vergangenen 12 Monaten einen Wertverlust von mehr als 15% gegenüber dem US-Dollar.16 Der Preis der Kochbananen Matoke, die das Grundnahrungsmittel schlechthin in Uganda darstellen, hat sich seit November 2010 verdoppelt.
Am 11. April ist unser täglicher Weg entlang der Gaddafi Road, die zum Makerere Hill hinauf führt, mit schwer bewaffneten Soldaten und Polizisten gesäumt. Die Activists for Change, ein loses Oppositionsbündnis um Kizza Besigye, haben wegen der teuren Lebenshaltungskosten für heute »Walk-to-Work«-Proteste angekündigt. Als symbolische Benzinsparmaßnahme wollen die Spitzenpolitiker sämtlicher Oppositionsparteien zweimal wöchentlich aus ihren Wohnorten in Kampalas Vorstädten zu ihren Geschäftszimmern in der Innenstadt laufen – in der Hoffnung, dass sich ihnen möglichst viele Gleichgesinnte anschließen. Im Büro sitzen wir nachmittags mit den Kollegen vor dem Fernseher und verfolgen Szenen von Straßenschlachten, die uns in den kommenden Wochen begleiten werden. Einer der Mitarbeiter hat auf dem Weg zur Arbeit den Tränengaseinsatz der Polizei zu spüren bekommen. Alle ahnen, dass der Beginn von »Walk-to-Work« einen Wendepunkt im gegenseitigen Umgang zwischen Regierung und Regierungskritikern markiert. Die Bilder, die das Vorgehen der Sicherheitskräfte im Verlauf der Proteste noch produzieren wird, rufen bei vielen Beobachtern Erinnerungen an die Ära Idi Amins wach. Der Vergleich mit der Zeit, als einer der berüchtigsten afrikanischen Diktatoren Uganda regierte, wird zukünftig auch in den Medien immer wieder auftauchen.17
Exzessive Exekutive
Bereits am ersten Tag der »Walk-to-Work«-Kampagne wurden die Demonstrationen unter Tränengaseinsatz aufgelöst und sämtliche daran teilnehmende Politiker verhaftet, jedoch gegen Kaution wieder freigelassen. Drei Tage später, beim erneuten Versuch »zur Arbeit zu laufen«, trug Oppositionsführer Besigye eine Schussverletzung an der Hand davon. Zum bisherigen negativen Höhepunkt der Gewalt kam es am 28. und 29. April: Zunächst wurde Besigye auf dem Weg in Kampalas Innenstadt von Sicherheitskräften gestoppt. Bevor er auf die Ladefläche eines Polizei-Pickup geworfen und zum fünften Male seit Beginn der »Walk-Aktion verhaftet wurde, schlugen Polizisten in Zivil die Scheiben seines Autos ein und sprühten Reizgas in den Innenraum des Wagens. Als Folge dieses Angriffs verlor Besigye zwischenzeitlich sein Sehvermögen und musste zur medizinischen Behandlung ins Nachbarland Kenia ausgeflogen werden. Das Vorgehen der Exekutive löste am nächsten Tag Proteste und Ausschreitungen im ganzen Land aus. In Kampala schossen Sicherheitskräfte mit scharfer Munition auf Demonstranten.18 UN-Menschenrechtskommissar Navi Pillay bezeichnete den Einsatz von Gewalt durch die staatlichen Sicherheitsorgane in Uganda in einer Stellungnahme als „exzessiv“ 19. Besigyes Rückkehr aus Kenia am Tag von Musevenis Vereidigung im Präsidentenamt am 12. Mai stand erneut im Zeichen von Polizeigewalt, diesmal wurden gezielt Journalisten und Fotografen zusammengeschlagen und ihre Ausrüstung zerstört.20 Die Polizeieinsätze haben im April und Mai mindestens neun Menschen das Leben gekostet – darunter ein zweijähriges Mädchen! Human Rights Watch spricht von einem Klima der Straflosigkeit, das zu ernsthaften Menschenrechtsverletzungen und Amtsmissbrauch seitens der ugandischen Polizei und des Militärs geführt habe.21 Der Direktor des Institute for Social Research der Makerere University, Prof. Mahmood Mamdani, sieht im massiven Einsatz militärischer Ressourcen eine gänzliche Auflösung der Grenze zwischen Polizeieinheiten und Armee: „Die Machthaber behandeln sogar die einfachste Form ziviler Proteste wie eine bewaffnete Rebellion.“22
Quo vadis »Walk-to-Work«?
Anders als die Wahlen bündelt die aktuelle Situation Ängste und Interessen großer Teile der ethnisch und religiös stark fragmentierten Bevölkerung Ugandas. Die Auswirkungen von Inflation und Preissteigerungen betreffen nicht nur bestimmte Personen, Parteien oder Regionen. Dies bietet Mobilisierungspotenzial bis in die Mitte der Gesellschaft hinein. Doch die „Politik der starken Männer“, wie sie ein Kollege der Makerere University mit einer griffigen Metapher beschreibt, dient nicht dem Aufbau einer starken Zivilgesellschaft: „Ein Haus, das nur auf wenigen Säulen gebaut ist, wird einstürzen, wenn zentrale Pfeiler weg brechen.“ Obwohl die Proteste nicht nur von Besigye, sondern von einer wachsenden Gruppe Kritiker getragen werden, ist die Frage angebracht, wie tragfähig das ugandische Widerstandsbündnis ist. Ansätze für eine Verwurzelung der Proteste in der Bevölkerung könnten im Zusammenschluss verschiedener Berufsgruppen liegen, der sich in den letzten Wochen zeigte. So bezogen etwa Juristen und Frauenrechtlerinnen Position.23 Ob sich der »Weg zur Arbeit« aber wirklich zu einer Bewegung ausdehnt und Museveni das Schicksal der Dauerpräsidenten in der Maghreb-Region und Ägypten bescheren wird, bleibt abzuwarten. Ein innerer Wandel des System Museveni scheint jedenfalls nicht in Sicht.
Anmerkungen
1) Alle im Text angeführten Zitate wurden von Johannes Maaser und Lydia Koblofsky aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt; Quellenangaben verweisen auf den englischen Wortlaut. Manuel Barroso wird zitiert nach einer offiziellen EU-Pressemeldung vom 22. Februar 2011.
2) Lediglich aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir in diesem Artikel ausschließlich die männlichen Begriffsformen. Bei allgemeiner Verwendung sind dabei ausdrücklich weibliche Personen mit eingeschlossen.
3) Vgl. Kakuba Sultan Juma: Multiparty politics dynamics in Uganda. In: African Journal of Political Science and International Relations, Bd. 4(3), März 2010. S.109-114.
4) Nach wie vor deckt Uganda mehr als ein Viertel seines Staatshaushaltes durch Entwicklungshilfe: Angaben der ugandischen Finanzministerin Syda Bbumba zufolge betrug der durch externe Geldgeber (Donor) gedeckte Anteil des Jahreshaushalts 2010 27%. Zahl zitiert nach der Budget Speech Financial Year 2010/11vom 10. Juni 2010; parliament.go.ug.
5) In der ersten Wahl im Mehrparteiensystem setzte sich Museveni 2006 mit gut 59% der gültigen Stimmen gegen vier weitere Kandidaten durch, doch selbst das Oberste Gericht Ugandas mahnte zahlreiche Unregelmäßigkeiten an. Vgl.: Freedom House: Freedom House, Country Report Uganda 2010; freedomhouse.org.
6) Insgesamt wurde die Opposition bereits im Vorfeld schwächer eingeschätzt als vor den Wahlen 2006. Für viel Aufsehen in Uganda sorgten beispielsweise die Veröffentlichung von Kommentaren des US-amerikanischen Botschafters Jerry Lanier über die ugandische Opposition auf der Internetplattform Wikileaks. Lanier beschrieb im Vorfeld der Wahl die Herausforderer Musevenis als zersplittert, inkompetent und unstrukturiert; vgl. UGPulse.com: Uganda Government News: Uganda opposition divided over Wikileaks reports, 12.10.2010.
7) Das amtliche Endergebnis der Wahlen, veröffentlicht am 20. Februar 2011, ist einzusehen auf der offiziellen Internetseite der ugandischen Wahlkommission; www.ec.or.ug.
8) Uganda zählte zur Präsidentschaftswahl 112 Wahldistrikte. Die Stellungnahme von IPC wird zitiert nach Gerald Bareebe: Free and Fair Election? In: Daily Monitor vom 23. Februar 2011, S.3; monitor.co.ug.
9) Vgl. Emmanuel Mulondo: Why No-Card Voting Unsettles Opposition. In: Daily Monitor vom 13. Dezember 2010; allafrica.com.
10) Zitiert nach den Angaben von DEMGroup; demgroup.org/node/80.
11) Nach der Länderstatistik der Vereinten Nationen liegt die Lebenserwartung in Uganda bei 53 Jahren für Frauen und 51,8 Jahren für Männer. Vgl. UN Data: Country Profile: Uganda; data.un.org.
12) Vgl. European Union Election Observation Mission (Hrsg.): Uganda. Final Report. General Elections 18 February 2011. Fertiggestellt am 10.03.2011, veröffentlicht auf eueom.eu. am 06.05.2011, S.4. Im Original heißt es: „[…]avoidable administrative and logistical failures which led to an unacceptable number of Ugandan citizens being disenfranchised“.
13) Zum Begriff der „Kommerzialisierung“ der Wahl vgl. Commonwealth Secretariat (Hrsg.): Report of the Commonwealth Observer Group. Uganda Presidential and Parliamentary Elections. 18 February 2011. Fertiggestellt am 24.02.2011, veröffentlicht auf thecommonwealth.org am 11.04.2011, S.19 und 38. Es gibt Indizien dafür, dass öffentliche Gelder in den Wahlkampf Musevenis bzw. der Regierungspartei NRM geflossen sind; siehe dazu ebd. S.15. Wenige Wochen vor den Wahlen wurde im Parlament ein »Notfallbudget« verabschiedet, das 150% über dem ursprünglichen Jahresbudget liegt. Die Vermutung liegt nahe, dass die zusätzlichen Mittel für den Wahlkampf der NRM genutzt wurden, auch wenn dies von der Partei bestritten wurde. „Wir haben nicht vor, öffentliche Gelder [für den Wahlkampf] zu nutzen, wir haben genug,“ teilte der Generalsekretär der NRM, Amama Mbabazi, mit, nachdem er im Januar 2011 im Parlament mit diesen Anschuldigungen konfrontiert wurde. Dennoch machte Museveni kein Geheimnis aus seinen »Geschenken«: Das Verteilen brauner Geldumschläge war ein fester Bestandteil seiner Kampagnen. Vgl. Joseph Were: Museveni, donors lock horns over election money. In: The Independent, Ausgabe 146, 21.-27. Januar 2011; independent.co.ug.
14) Zitiert nach einer offiziellen Presseerklärung von DEMGroup; siehe DEMGroup Secretariat: DEMGroup Long Term Observation Finds Elections Mostly Free but not Fair. 15.02.2011, S.1.
15) Angaben nach Mercy Nalugo und Phillipa Croome: Besigye gives self 47% of votes cast. In: Daily Monitor vom 02.03.2011.
16) Vgl. Reuters: Uganda shilling hits new record low against dollar. Reuters Meldung vom 15.03.2011.
17) In Deutschland titelte etwa Arne Peras in der Süddeutschen Zeitung am 11.05.2011: »Der Geist von Idi Amin«.
18) Dabei wurden 84 Menschen verletzt, 64 davon trugen Schussverletzungen davon: Rights body condemns brutal suppression of protests. In: Daily Monitor vom 11.05.2011.
19) Zitiert nach UN News Service: Uganda: UN rights chief deplores „excessive“ use of force by authorities. 01 .05.2011; unhcr.org.
20) Vgl. Monitor Team: Security agents beat journalists. In: Daily Monitor vom 02.03.2011;
21) Human Rights Watch: Uganda: Launch Independent Inquiry Into Killings. No Lethal Force was Needed in at Least 9 Fatal Shootings. HRW Report vom 08.05.2011; hrw.org.
22) Im Original heißt es: „The sight of military resources deployed to maintain civil order in the streets, has come to blur the line between civil police and military forces as those in power insist on treating even the simplest of civil porstst as if it were an armed rebellion.“ Zitiert nach The Independent, no. 161. May 06-12, 2011.
23) Sheila Naturinda: Lawyers call strike over government brutality. In: Daily Monitor vom 03.05.2011. Emmanuel Mulondo und Mercy Nalugo: Women to march over brutal arrests. In: Daily Monitor vom 09.05.2011.
Lydia Koblofsky und Johannes Maaser sind KulturwissenschaftlerInnen und AbsolventInnen des Marburger Masterstudiengangs Friedens- und Konfliktforschung. Von Dezember 2010 bis Juni 2011 arbeiteten sie als Volunteers für das Peace and Conflict Studies Program der Makerere University in Ugandas Hauptstadt Kampala.