W&F 2009/3

Konflikt und Umwelt im Sudan

Aus dem Bericht der UN-Umweltprogramms 2007

von UNO, Albert Fuchs

Im Juni 2007 hat das UN-Umweltprogramm (UNEP) einen umfänglichen Bericht über Umweltprobleme und militärische Konfliktaustragung im Sudan vorgelegt.1 Im Vorwort wird betont, damit solle nicht zuletzt eine Grundlage geschaffen werden für »recovery, reconstruction and development«, nachdem Anfang 2005 nach einem rund 20-jährigen Krieg zwischen dem vorwiegend arabisch-muslimischen Norden und dem schwarzafrikanisch-christlichen Süden ein umfassendes Friedensabkommen (Comprehensive Peace Agreement/CPA) zustande gekommen war. UNEP sieht »recovery, reconstruction and development« zwar durch den anhaltenden und seit 2006 verschärften Darfur-Konflikt weiterhin gefährdet, erhofft sich jedoch von seiner Analyse auch einen Beitrag zur Regelung dieses Konfliktes. Wir veröffentlichen die wesentlichen Teile des zentralen Kapitels 4 des UNEP-Reports. Es könnte ein Korrektiv darstellen für die herrschende undifferenzierte und voreingenommen moralisierende Sicht der Dinge.

Der Sudan wurde über die meiste Zeit des letzten halben Jahrhunderts von Bürgerkriegen und regionalen Auseinandersetzungen heimgesucht und aktuell wütet ein größerer Konflikt in Darfur. Zur gleichen Zeit leidet der Sudan unter gravierenden Umweltproblemen innerhalb wie außerhalb der aktuellen und historischen Konfliktzonen. Nach Einschätzung des UN-Umweltprogramms sind die Konflikt-Umwelt-Zusammenhänge komplex und tiefgreifend. Viele Konflikte entstanden teilweise aus Spannungen um gemeinsam in Anspruch genommene Ressourcen und zugleich werden diese Ressourcen durch die Konflikte in Mitleidenschaft gezogen. Im Folgenden geht es zunächst um einen geschichtlichen Überblick über Konflikte jüngeren Datums im Sudan. Sodann wird die Rolle natürlicher Ressourcen für Entstehung und Fortdauer historischer und aktueller Konflikte dargestellt. Schließlich werden die direkten und indirekten ökologischen Konfliktauswirkungen kurz dargestellt. Dabei ist davon auszugehen, dass die Grenzen zwischen chronischen und konflikt-bezogenen Umweltproblemen vielfach unklar sind.

Konflikte im Sudan

Konflikte haben in den letzten 50 Jahren im Sudan mehr als 60 Prozent des Landes direkt betroffen und seine Entwicklung erheblich beeinflusst. Um die Konflikt-Umwelt-Verbindungen zu klären, muss man das bestehende komplexe Konflikt-Mosaik zur Kenntnis nehmen.

Konflikttypen

Zu Stammes- und nur mit Kleinwaffen ausgetragenen Konflikten geringer Reichweite kam es immer wieder in der Geschichte des Sudan. Kein Teil des Landes blieb verschont davon; aber in den letzten dreißig Jahren konzentrierten sie sich auf den Süden, den Westen und den Norden des Landes. Ihre Ursachen sind im Allgemeinen nur dürftig erfasst, darunter jedoch Viehdiebstahl, Streit um Wasser und Weideland, lokalpolitische Auseinandersetzungen. Viele – keineswegs alle – Konflikte großer Reichweite sind mit Friktionen auf Stammesebene verbunden.

Die meisten größeren Konflikte im Sudan waren länger (fünf oder mehr Jahre) andauernde Konfrontationen zwischen Streitkräften auf Seiten der Zentralregierung in Khartum und einer Vielzahl von regierungsfeindlichen Kräften. Die Regierungsseite umfasste konventionelle Land- und Luftstreitkräfte und alliierte Milizen. Die gegnerischen Kräfte bestanden aus lokalen Milizen, die sich – im Falle der Sudan People’s Liberation Army (SPLA) im Süd-Sudan – zu einer vereinigten Armee mit paralleler Regierungs- und Verwaltungs-Struktur (dem Sudan People’s Liberation Movement, SPLM) – entwickelten. Größer Konflikte erfassten zeitweise bis zu 60 Prozent des Territoriums, vor allem in den südlichen Teil-Staaten, aber auch im Westen (alle drei Darfur-Staaten), im Zentrum (die Staaten Blauer Nil und Süd-Kordofan), im Osten (Kassala) und im Nord-Osten (Roter Nil). Insgesamt waren mehr als 15 Millionen Menschen direkt davon betroffen, nicht eingeschlossen die ungefähr 6 Millionen, die z.Z. in Darfur noch davon betroffen sind. Die Gesamtzahl der konfliktbedingten Opfer ist unbekannt, wird aber von mehreren Quellen auf zwei bis drei Millionen geschätzt. Obwohl die Regierungs-Streitkräfte über Panzer und schwere Artillerie verfügen, wurden die Kämpfe hauptsächlich mit leichten Waffen wie AK47 Sturm-Gewehren ausgetragen. Die gegnerischen Kräfte waren durchgehend nur leicht bewaffnet, abgesehen von ein paar Panzern und anderen schweren Waffen. Nur die Regierungskräfte verfügten über eine Luftwaffe. In den meisten größeren Konflikten wurde ausgiebig von Landminen Gebrauch gemacht. In der Folge leidet der Sudan unter einer gravierenden Landminen-Hinterlassenschaft, die immer noch zivile Opfer fordert.

Hauptkonflikte

Aus der Sicht von UNEP stellen sich Geschichte und Stand der Dinge in jedem der Hauptkonfliktgebiete wie folgt dar:

Darfur

Die Kämpfe in Darfur ziehen sich mit Unterbrechungen seit wenigsten 30 Jahren hin. Bis 2003 waren sie im Wesentlichen auf eine Reihe teilweise zusammenhängender tribaler und lokaler Auseinandersetzungen beschränkt. In den ersten Monaten des Jahres 2003 eskalierten diese Feindseligkeiten zu einer regelrechten militärischen Konfrontation in allen drei Darfur-Staaten, die vielfach auf den benachbarten Tschad und die Zentralafrikanische Republik übergreift. Charakteristisch für den aktuellen Konfliktverlauf ist die von Milizen über ausgedehnte Gebiete angewandte Strategie der »verbrannten Erde«. Sie führt zu einer weiträumigen Zerstörung von Dörfern und Wäldern und zur Vertreibung in Schutz- und Versorgungslager. Die Zahl der Vertriebenen beläuft sich z.Z. auf mehr als zwei Millionen, die Opferzahl wird von verschiedenen Quellen auf 200 000 bis 500 000 geschätzt.

Süd-Sudan

In den 50 Jahren seit der Unabhängigkeit des Sudan hat der Süden nur 11 Jahre Frieden genossen. Während der längsten Zeit des Bürgerkriegs hielt die zentralsudanesische Regierung mehrere größere Städte besetzt und startete Luftangriffe und in Trockenzeiten Bodenoffensiven in die Umgebung. Die gegnerischen Streitkräfte der SPLA und ihre Verbündeten rekurrierten auf Guerilla-Aktionen, belagerten Städte und führten in Regen- wie in Trockenzeiten Bodenoffensiven durch. Ländliche Gegenden bekamen großteils keine oder wenig Militäraktivität zu Gesicht. Die Frontlinien, an denen anhaltend aktiv gekämpft wurde, waren beschränkt auf die zentral-nördlichen Grenzregionen und die belagerten Städte. Zu den härtesten Kämpfen kam es in den 1990er Jahren, als der Frontverlauf ständig wechselte und mehrere Städte oftmals eingenommen wurden. Der Konflikt griff über auf Gebiete in Zentral-Sudan, wie Abyei-Distrikt, Blauer Nil und Nuba-Berge in Süd-Kordofan. Diese sog. »Drei Gebiete« sind immer noch politisch hoch instabil. Zu kleineren, der ugandischen Lord’s Resistance Army (LRA) zuzuschreibenden Konflikten kam es hin und wieder im tiefen Süden auch nach Unterzeichnung des Comprehensive Peace Agreement (CPA) im Januar 2005, und eine gewissen Instabilität besteht weiter in anderen Grenzgebieten, insbesondere am Oberen Nil.

Nuba-Berge

Die Nuba-Berge waren in den 1990er Jahren eine Hochburg der SPLA. Sie hatte die Wald- und Berggebiete in Besitz, während die Regierungs-Streitkräfte das offene Gelände und die Ebenen in der Umgebung weitgehend kontrollierten. Das Gebiet war ausgedehnten Kämpfen und Bombardierungen ausgesetzt.

Kassala/Ostfront

Die Gegend an der Grenze zu Eritrea im Teil-Staat Kassala war fest im Besitz der mit der SPLA verbündeten Bedscha. Der Konflikt loderte in den 1990er Jahren auf, aber im Oktober 2006 wurde ein als Eastern Sudan Peace Agreement bekannter Separat-Friedensvertrag zwischen der Zentralregierung und den Streitkräften im Osten geschlossen.

Rotes Meer/Eritrea

Das Gebiet Tokar im Staat Rotes Meer wurde von einem 1992 einsetzenden und 12 Jahre andauernden Konflikt geringer Intensität zwischen Sudan und Eritrea und lokalen Verbündeten in Mitleidenschaft gezogen. Die Feindseligkeiten erloschen erst mit dem Abschluss des CPA.

Uganda/LRA

Ursprünglich verankert in Nord-Uganda, unmittelbar südlich von Ost-Äquatorial-Sudan, kämpft die Lord’s Resistance Army (LRA) seit über 20 Jahre gegen die Streitkräfte Ugandas. 2005 und 2006 breitete sich der Konflikt nach Süd-Sudan und in die Demokratische Republik Kongo aus. Seit Juni 2007 ist ein Waffenstillstand in Kraft, aber Friedensverhandlungen sind festgefahren und sporadisch wird der Konflikt weiter ausgetragen.

Umweltfaktoren als Konfliktdeterminanten

Viele Faktoren tragen zu Konfliktkonstellationen im Sudan bei, die wenig oder nichts mit der Umwelt oder natürlichen Ressourcen zu tun haben. Dazu zählen politische, religiöse, ethnische und Stammes- und Clan-Spaltungen, ökonomische Faktoren, unzulängliche Landbesitztitel, historische Fehden. Wo zudem Umweltfragen und Fragen der Ressourcenbewirtschaftung von Bedeutung sind, handelt es sich im Allgemeinen um Kontextfaktoren, nicht um (alleinige) Konfliktursachen.

Konfliktrelevanz von Ressourcen im Allgemeinen

Vier Kategorien natürlicher Ressourcen stehen im Sudan in enger Beziehung zu den Konflikten: Öl- und Gasreserven, Nilwasser, Nutzholz sowie offenes Weideland und nicht bewässertes Ackerland. Potenzielle Konflikte wegen Öl, Nilwasser und Hart-Nutzholz sind eine landesweite Angelegenheit. Konflikte um Weide- und nicht bewässertes Ackerland sind grundsätzlich lokaler Natur, können aber eskalieren und Konflikte anderen Ursprungs so verschärfen, dass sie zu landesweiten Problemen werden, wie z.Z. im Fall Darfur.

Öl- und Gasreserven: Obwohl der große Nord-Süd-Konflikt lange vor der Entdeckung von Öl in Zentral-Sudan einsetzte, war die Konkurrenz um den Besitz der Öl- und Gasreserven des Landes und die Beteiligung am Gewinn daraus doch eine Triebfeder und bleibt bis heute eine Quelle politischer Spannungen. Diese Verbindung gilt allerdings hauptsächlich als wirtschaftliche, politische und soziale Frage und wird daher hier nicht eingehender thematisiert. Von größerer Bedeutung für UNEP sind hier die Auswirkungen der Ölindustrie auf die Umwelt und das daraus resultierende Konfliktpotenzial.

Wasserrechte und Nil-Nutzung: Konkurrenz um den Gewinn aus der Nutzung von Oberflächenwasser trug ebenfalls in bedeutsamer Weise zum Bürgerkrieg bei, wie aus dem Jonglei Kanal-Projekt hervorgeht, das sowohl Ursache wie »Opfer« des Konflikts war, der 1983 in Süd-Sudan aufloderte.2 Die Bedeutung dieser Angelegenheit hat mit der Zeit nicht abgenommen und nach wie vor bestehen starke Spannungen wegen der Versuche, das Projekt wieder in Gang zusetzen

Nutzholz und Kriegsökonomie: Zwar gibt es keine Hinweise darauf, dass Nutzholz wesentlich zur Konfliktentstehung im Sudan beigetragen hat, wohl aber eindeutige Belege dafür, dass Einkünfte aus dem Verkauf von Hart-Nutzholz mit dazu geführt haben, den Nord-Süd-Bürgerkrieg in Gang zu halten. Nutzholz war Teil der Kriegökonomie und das scheint sich jetzt in Darfur mit der Holzkohle zu wiederholen. Insgesamt aber gilt die Nutzholz-Konflikt-Verbindung eher als Aspekt umweltbezogener Konfliktauswirkungen, weniger als Aspekt der Konfliktauslösung.

Weideland und nicht-bewässertes Ackerland: Zu lokalen Auseinandersetzungen um Weideland und nicht-bewässertes Ackerland kam es während der gesamten aufgezeichneten Geschichte des Sudan. Bei demographischer Stabilität und ohne Umweltveränderung gelten solche Konflikte in der Regel als gesellschaftliche, politische oder wirtschaftliche Angelegenheiten, die aus rein umweltbezogenen Gründen keine besondere Beachtung rechtfertigen. Umweltfragen wie Desertifikation, Landdegradation und Klimawandel werden allerdings mehr und mehr zu bedeutsamen Konfliktfaktoren.

Umweltfaktoren und lokale Konflikte

Umweltprobleme beeinträchtigen zwar Weideland und nicht-bewässertes Ackerland im gesamten Sudan, stehen jedoch nur in einer geringen Anzahl von Fällen und Regionen eindeutig und fest mit Konflikten in Verbindung. Belastbare Evidenz für einen starken Zusammenhang von Umweltschäden bei Weideland und nicht-bewässertem Ackerland und lokalen Konflikten jüngeren Datums gibt es für die trockeneren Gegenden.

Die wissenschaftliche Erforschung und Erörterung der Rolle von Ressourcenknappheit als Konfliktursache hat sich im Laufe der letzten 10 Jahre bedeutsam entwickelt. Vor dem Hintergrund der Darfur-Krise ist der Sudan ein herausragendes Beispiel für Bedeutung, Komplexität und Brisanz dieses Themas. Zur Strukturierung der Diskussion wurden die im Zusammenhang von Konflikten um Weideland und nicht-bewässertes Ackerland relevanten Umweltfaktoren von führenden Forschern in diesem Bereich in vier Gruppen eingeteilt: a) Bestand: die verfügbaren Ressourcen als solche beeinflussende Faktoren, b) Bedarf: den Ressourcenbedarf beeinflussende Faktoren, c) Land-Verwendung: die Verfügung über verbleibende Ressourcen beeinflussende Veränderung und d) Institutionelle und Entwicklungsfaktoren. Während alle Umweltfaktoren im engeren Sinn zum Thema Bestand gehören, müssen sie doch in den Kontext von Bedarf und institutionellen Bedingungen gesetzt werden.

Alle Umweltprobleme, die für die Landwirtschaft im Sudan von Bedeutung sind, führen zu einem abnehmenden Ressourcen-Bestand:

Desertifikation, Bodenerosion und Bodenerschöpfung verringern die landwirtschaftliche Produktivität und entziehen das Land auf längere Sicht der landwirtschaftlichen Nutzung.

Waldzerstörung, vor allem in den Trockengebieten, hat zu einem nahezu kontinuierlichen Ressourcenverlust geführt.

Bisheriger Klimawandel hat in einigen Gebieten die Produktivität aufgrund abnehmenden Niederschlags vermindert.

Absehbarer Klimawandel wird aufgrund abnehmenden Niederschlags und zunehmender Niederschlagsvariabilität, insbesondere in der Sahel-Zone, die Produktivität weiter vermindern. Für die am meisten betroffenen Gebiete wird ein Rückgang um 70 Prozent erwartet.

Der Ressourcen-Bedarf nimmt aufgrund eines kontinuierlichen Bevölkerungswachstums ständig zu. Der Sudan hat eine Gesamtwachstumsrate von jährlich 2,6 Prozent, unter der allerdings viel höhere lokale Raten verbergen. Damit einher geht starke Vergrößerung des Viehbestands seit den 1960er Jahren. Man schätzt, dass er zwischen 1961 und 2004 allein in Nord- und Zentral-Sudan um 400 Prozent zugenommen hat.

Land-Verwendung: Die Ausbreitung des Ackerbaus in früheres Weideland oder Waldgebiet über die letzten vier Jahrzehnte ist wohlbekannt. Die Ausbreitung von Regen-Feldbau nach Norden in Randgebiete, die historisch nur zu Weidezwecken verwandt wurden, ist besonders schädlich. Hinzu kommt, dass die Ausbreitung des Ackerbaus die Wanderrouten des Viehs zwischen den weit auseinander liegenden Trocken- und Regenzeit-Weiden versperrt und ebenso die Wege zu den täglichen Wasserstellen. Zudem halten sesshafte Bauern zunehmend ihr eigenes Vieh und sind daher immer weniger bereit, umherziehenden Nomaden Weiderechte einzuräumen.

Die ländlichen Bezirke sind schließlich auch belastet durch eine Kombination problematischer Reform- und Entwicklungsprogramme und durch gesetzgeberische Reformen und mangelhafte Umweltverwaltung. Ein zentrales Problem besteht darin, in einer ethnisch komplexen, mit sesshaften Bauern und Nomaden durchmischten Gesellschaft ein brauchbares gerechtes und stabiles System des bäuerlichen Landbesitzes zu entwickeln und implementieren. Dieses Problem ist im Sudan bisher nicht gelöst. Außerhalb der größeren städtischen Gebiete ist der Sudan weiterhin sehr arm und unterentwickelt. Die Landbevölkerung hat demnach kaum Möglichkeiten, die landwirtschaftlichen Krisen zu bewältigen. Setzt man die verschiedenen Elemente in Beziehung zueinander, ergibt sich ein eindeutiger Trend: Eine signifikante Zunahme des Viehbestands und die gleichzeitige Abnahme des Gesamtweidelands sowie seiner Erreichbarkeit und Qualität. Im Hinblick auf die Umwelt bedeutet das Netto-Ergebnis Überweidung und Landzerstörung, im Hinblick auf die Gesellschaft kontinuierlicher Verlust von Lebensgrundlagen und tief verwurzelte Armut.

Viehhüter-Gesellschaften im Sudan waren infolge unregelmäßigen Niederschlags immer vergleichsweise anfällig für den Verlust ihrer Lebensgrundlagen. Die skizzierte Faktorenkombination hat jedoch viele Viehhüter in eine Negativspirale von Armut, Verdrängung und, im schlimmsten Fall, Gewaltkonflikten getrieben.

Auswirkungen von Konflikten auf die Umwelt

Unter diesem Titel geht es darum, ob und wie sich bewaffnete Konflikte im Sudan negativ oder positiv auf die Umwelt ausgewirkt haben. Hier werden direkte Auswirkungen sowie indirekte Folgen und konfliktbezogene Schlüsselfragen unterschieden. Direkte Auswirkungen ergeben sich unmittelbar und allein aus militärischen Aktionen. Dazu gehören: Landminen und explosionsgefährliche Kriegsrelikte, Angriffszielzerstörungen, Verteidigungsanlagen, gezielte Ressourcenvernichtung. Indirekte und sekundäre Auswirkungen können insgesamt oder in Teilen verlässlich auf Konflikte und die damit verbundene Kriegsökonomie zurückgeführt werden, ohne direkt daraus hervorzugehen. Dazu gehören: Umweltveränderung im Zusammenhang von Flucht und Vertreibung, Ressourcenplünderung und kriegsökonomische Ressourcenausbeutung, defizitäre Umweltverwaltung und Informationsversorgung, Finanzierungskrisen und Stornierung von Entwicklungs- und Naturschutzprogrammen.

Direkte Auswirkungen

Landminen und explosionsgefährliche Kriegsrelikte stellen ein großes Problem dar. Zweiunddreißig Prozent des Landes gelten als dadurch beeinträchtig, mit Schwerpunkt im Süden. Mindestens 21 der 25 Bundesstaaten dürften betroffen sein. Das wahre Ausmaß des Landminen-Problems ist allerdings unbekannt ist, da bisher noch keine umfassende Untersuchung der Frage durchgeführt wurde. Die Zahl der registrierten und dokumentierten Landminen-Opfer in den letzten 5 Jahren beläuft sich auf 2.200 – wobei es abermals keine systematische Datenerhebung und -überprüfung gibt. Abgesehen von den Opfern beeinträchtigen Landminen seit Jahrzehnten für Mensch und Vieh den Zugang zu ausgedehnten Gebieten in vielen Landesteilen.

In allen Regionen außer den besonders trockenen führte diese eingeschränkte Zugänglichkeit allerdings zu einem relativ ungehinderten Wachstum der Vegetation. Dieser Neubewuchs kann einen günstigen Einfluss auf die betroffenen Gebiete haben und insbesondere auf den Bestand wild lebender Tiere, aber die Vorteile für die Bevölkerung halten sich in der Regel in engen Grenze, da die Ressourcen (wie Wasser, Brennholz, Futter) nicht verfügbar sind.

Beim Thema Angriffszielzerstörungen geht es um Auswirkungen auf die Umwelt infolge militärischer Aktionen gegen bestimmte Ziele, gleichgültig welcher Art. Die physische Umweltzerstörung durch konventionelle Waffen (Bomben, Artilleriegranaten und Mörser) besteht grundsätzlich in Kraterbildung, Beschädigung oder Zerstörung von Gebäuden, Bäumen, Industrieanlagen. Obwohl vom Minenräum-Personal über Kraterbildung im Süd-Sudan berichtet wurde, gibt es keine Hinweise, dass mehr als ein paar Hektar an jedem Austragungsort betroffen sind. Ebenso ist die Zerstörung des Baumbestands durch direkte militärische Aktionen im Vergleich zu anderen Ursachen der Entwaldung vernachlässigbar. Anhaltende Umweltschäden sind auch nicht aufgrund der Zerstörung von Gebäuden zu erwarten, abgesehen von Entwaldung durch Schutterzeugung. Weder die Ölfelder im Süden noch die Pipeline nach Port Sudan wurden jemals so effektiv attackiert, dass bedeutsame Umweltschäden entstanden wären. Das Fehlen militärisch angreifbarer industrieller Ziele hat verhindert, dass irgendeine größere Umweltverschmutzung durch Chemieunfälle entstanden ist.

Verteidigungsanlagen wie Schützengräben- und Bunkersysteme gibt es im gesamten Land offensichtlich nicht, aber das Minenräum-Personal im Süd-Sudan berichtete über begrenzte Verteidigungsanlagen in Außenbezirken belagerter Garnisonsstädte. Gemeinden im Süden haben verlässlich berichtet, dass Regierungsstreitkräfte Bäume aus der Peripherie von Garnisonsstädten beseitigt haben, um Angreifern keine Deckung zu lassen.

Durch Berichte von NGOs und der AU-Mission im Sudan sind in Darfur gezielte Angriffe auf mit natürlichen Ressourcen in Verbindung stehende Infrastruktur wie ländliche Wasserpumpanlagen gut belegt. Von Lokalbevölkerungen in Darfur wird auch über zahlreiche Fälle gezielter Ressourcenzerstörung bei Milizüberfällen berichtet. Vor allem geht es dabei um den Baumbestand, Ernten und Viehweiden. Ernten und Viehweiden werden niedergebrannt, Bäume abgeholzt. Mangels statistischer Daten auf der Basis von Felduntersuchungen lässt sich die Tragweite dieses Phänomens kaum einschätzen.

Indirekte und sekundäre Auswirkungen

Nach den getöteten und verletzten Zivilisten sind Flucht und Vertreibung die bedeutendste Konfliktfolge für die Bevölkerung. Man schätzt, dass bis zum Zeitpunkt der Erhebungen für den vorliegenden Bericht fünf Millionen (das sind 7 bis 12 Prozent der vermutlichen Gesamtbevölkerung) vertrieben wurden und weniger als eine Million zurückgekehrt sind. Die Zahl steigt aufgrund des anhaltenden Konflikts in Darfur. Die meisten Vertriebenen kommen aus ländlichen Gegenden und zogen in Lager in den Außenbezirken von Ortschaften und Städten, über zwei Millionen in die Hauptstadt Khartum.

Zu den ernsten und komplexen Auswirkungen auf die Umwelt gehören:

Entwaldung in Lagerbereichen;

Zerstörung der Vegetation in Lagerbereichen;

nicht-nachhaltiger Grundwasserentnahme in den Lager;

Wasserverschmutzung in Lagerbereichen;

unkontrolliertes Wachstum der städtischen Elendsviertel;

Entwicklung einer Fürsorge-Ökonomie (die den lokalen Bedarf an natürlichen Ressourcen verschlimmern kann);

Neubildung von Brachland und Unkrautflächen;

rückkehr- und wiederaufbaubedingte Entwaldung.

Nicht jede Umsiedlung im Sudan ist allerdings konfliktbedingt; Dürre und ökonomische Faktoren tragen in großem Ausmaß ebenfalls dazu bei.

Unter Ressourcenplünderung und -ausbeutung versteht man die unkontrollierte und vielfach illegale Entnahme von Naturschätzen, die zu Zeiten ausgedehnter Konflikte zu beobachten ist. Die Ressourcen unterliegen dann Beeinträchtigungen und begünstigen zugleich die Aufrechterhaltung des Konflikts. Im Sudan sind die fraglichen Ressourcen Nutzholz (Bauholz und Holzkohle), Elfenbein und Wildfleisch. Obwohl Öl ein im Sudan umstrittener Bodenschatz ist, kann es hier unberücksichtigt bleiben, weil es keine Belege für unkontrollierte, geheime oder illegale Förderung gibt.

Zur Plünderung von Nutzholz kam es im Nord-Süd-Konflikt auf beiden Seiten. Die bedeutsamsten Entnahmen betrafen hochwertiges Nutzholz im Süden und Brennholz zur Holzkohlegewinnung in den Nuba-Bergen. Die Elefantenpopulation im Süd-Sudan wurde während des Nord-Süd-Konflikts dezimiert. Obwohl das Elfenbein sehr wahrscheinlich großteils nach Khartum, dem Zentrum der Elfenbeinschnitzerei in der gesamten Gegend, befördert wurde, gibt es keine verlässliche Information über die Hauptakteure der Elefanten-Wilderei und des Elfenbeintransports. Bemerkenswerterweise war Rhinozeroshorn zwar während der frühen Konfliktphasen ein Ziel von Wilderei im Süd-Sudan, der Handel damit wurde aber eingestellt, als die Auslöschung des Nashorns in der Region bevorstand. UNEP fand keine Belege für einen ausgedehnten kommerziellen Handel mit Wildfleisch; Einheimische im Süd-Sudan berichteten allerdings, beide Parteien hätten ihre Streitkräfte mit Wildfleisch ernährt, so dass die größeren essbaren Säugetiere wie Büffel, Giraffen, Zebras und Antilopen in bestimmten Gebieten eines großen Teils von Süd-Sudan ausgelöscht sind. Alles in allem gab es ohne Zweifel Plünderung natürlicher Ressourcen, die zu gravierenden Schäden führte. Die Unterzeichnung des CPA hat das Ausmaß solcher Aktivitäten verringert. Gleichwohl bleibt Ressourcenplünderung ein Problem in Darfur und in gewissem Maße auch in den Nuba-Bergen.

Konfliktzonen leiden in der Regel unter dem Fehlen einer stabilen Amtsgewalt und unter nur beschränkter Beachtung rechtlicher Regelungen. Das bedeutet vollkommenes Fehlen von Umweltschutz und Straflosigkeit für alle – ob Militär oder andere –, die Naturschätze unkontrolliert entnehmen oder verarbeiten oder die Umwelt anderweitig schädigen. Konfliktzonen sind zudem für gewöhnlich unzugänglich für wissenschaftliche Datenerhebungen. Im Sudan war der Umweltwissenschaft der Zugang zu mehr als der Hälfte des Landes über zwei Jahrzehnte wegen konflikt-bezogener Sicherheitsbeschränkungen verwehrt. Infolgedessen ist der tatsächliche Zustand umweltbasierter Ressourcen unbekannt oder Gegenstand von bloßen Vermutungen. Rationales Entscheiden zum Zweck der Ressourcen-Bewirtschaftung und des Ressourcen-Schutzes ist demnach nur begrenzt möglich.

Ausgedehnte und gravierende Konflikte kanalisieren schließlich den Fluss nationaler Mittel und können zur Isolation auf internationaler Ebene führen. Der jahrzehntelange Krieg im Sudan hat dazu beigetragen, dass das Land eins der ärmsten Länder geblieben ist. Politische Streitfragen haben auch den Fluss weltweit verfügbaren Wissens und internationaler Unterstützung eingeschränkt. Umweltschutz und nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen wurden infolgedessen seit der Unabhängigkeit nicht priorisiert. Und selbst wenn sie berücksichtigt wurden, wurden sie im Allgemeinen nicht hinreichend finanziert, um ein positiven Wandel herbeizuführen. Die finanzielle Belastung durch die effektiv ununterbrochene Kriegführung und die daraus resultierende Armut ist mit eine der Hauptursachen für die herrschende Umweltmisere im Sudan.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Die Konflikt-Umwelt-Beziehungen im Sudan sind zweifältig. Einerseits hat die lange Konfliktgeschichte des Landes bedeutsame Auswirkungen auf die Umwelt gehabt. Zu den gravierendsten gehören bis heute die indirekten Auswirkungen über Flucht und Vertreibung, konflikt-bezogene Ressourcen-Ausbeutung und fehlende Investitionen in nachhaltige Entwicklung. Anderseits trugen und tragen Umweltfragen zur Konfliktentstehung bei. Konkurrenz um Öl- und Gasreserven, Nil-Wasser und Nutzholz sowie Landnutzungsfragen sind wichtige Faktoren für Ausbruch und Fortdauer von Konflikten. Auseinandersetzungen um Weideland und nicht-bewässertes Ackerland in den trockeneren Landesteilen exemplifizieren besonders eindrucksvoll die Verbindung zwischen Ressourcenknappheit und Gewaltkonflikten. Umweltaspekte sind allerdings durchgehend verwoben mit zahlreichen anderen sozialen, politischen und ökonomischen Faktoren.

Nach der UNEP-Analyse besteht im Darfur-Konflikt eine sehr starke Verbindung zwischen Landdegradation, Wüstenbildung und Konflikt. Nord-Darfur – wo ein exponentielles Bevölkerungswachstum und eine entsprechende Umweltbelastung die Voraussetzungen dafür darstellen, dass Konflikte durch politische, tribale und ethnische Differenzen hervorgerufen und in Gang gehalten werden – kann als tragisches Beispiel für sozialen Zusammenbruch infolge eines ökologisches Zusammenbruchs gelten. Anhaltender Frieden in dieser Region ist nur möglich, wenn die zugrundeliegenden und in enger Beziehung dazu stehenden Umwelt- und Lebensunterhaltprobleme gelöst werden.

Die Analyse der Konflikt-Umwelt-Verbindung im Sudan war bisher weitgehend auf akademische Kreise beschränkt. Nur USAID hat ausdrücklich Peacebuilding in sein umweltpolitisches Programm in Süd-Sudan integriert.3 Diese Diskussion muss so erweitert werden, dass Zentral-Regierung und Vereinte Nationen einbezogen sind. Im Besonderen müssen Internationale Peacekeeping-Initiativen und Aufbau-Organisationen wie AMIS (African Union Mission to Sudan) und UNMIS (United Nations Mission to Sudan) diese Thematik berücksichtigen.

Über die politischen Lösungen hinaus sind dringend praktische Maßnahmen zur Verminderung der Konkurrenz um natürliche Ressourcen erforderlich, um aktuelle Konflikte einzudämmen und dem ländlichen Raum in Darfur eine realistische langfristige Entwicklungsperspektive zu geben. Im übrigen Sudan sollten die Anstrengungen auf klar erkannte Umwelt-Schwachstellen konzentriert werden, d.h. auf spezifische Probleme, die den Konflikt erneut auslösen könnten. Zu den bedeutendsten Schwachstellen dieser Art gehören die ökologischen Auswirkungen der Öl-Industrie, aber auch der Holzkohle-Industrie in Zentral-Sudan, die Elfenbein-Wilderei und die Entwicklung einer Nutzholz-Mafia in Süd-Sudan. Mögliche Maßnahmen schließen agrarpolitische Reformen ein, die Entwicklung einer Nutzholzindustrie und eine Stärkung der Umweltverwaltung. Solche Maßnahmen sollten als grundlegende Investitionen in Konflikt-Prävention und -Lösung gelten und nicht nur als Umweltschutzprojekte.

Anmerkungen (Red.)

1) United Nations Environmental Programme (UNEP) (Ed.) (2007): Sudan – Post-Conflict Environmental Assessment. Nairobi, Kenya. URL: http://www.unep.org/sudan

2) Der Jonglei-Kanal ist ein seit 1974 in Bau befindlicher Kanal am Weißen Nil. Er soll schließlich sich über 360 km erstrecken und die Städte Bur und Malakal verbinden. Aufgrund des Bürgerkriegs ist der Bau jedoch ins Stocken geraten und bis dato (2009) erst zu 70% fertig gestellt.

3) United States Agency for International Development (USAID): US-amerikanische Behörde für internationale Entwicklung – koordiniert die gesamten Aktivitäten der Vereinigten Staaten im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit.

Das Umweltprogramm der UNO (UNEP) wurde 1972 als »Stimme der Umwelt« bei den Vereinten Nationen ins Leben gerufen. Hauptssitz: Nairobi, Kenia.

Übersetzung und Bearbeitung: Albert Fuchs

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2009/3 Okkupation des Zivilen, Seite