W&F 2003/2

Krieg

Am 20. März haben die USA den Irak überfallen

von Jürgen Nieth

In bisher nicht gekannter Dreistigkeit haben sie sich hinweggesetzt

  • über die deutliche Mehrheit der Internationalen Staatengemeinschaft,
  • über den Willen der Weltbevölkerung, der sich in unzähligen Friedensdemonstrationen manifestierte,
  • über die Voten der christlichen Kirchen,
  • und selbst über die Bilanzen der von den USA mit eingesetzten UN-Inspekteure.

Nachdem die Bush-Regierung weder mit Bestechung noch Drohung in der UNO eine Legitimation für diesen Kriegskurs durchsetzen konnte, hat sie bewusst das Völkerrecht gebrochen.

Es ist der zweite Waffengang im Rahmen des angekündigten Jahre dauernden »Krieges gegen den Terror«. Doch der Irak wurde angegriffen, obwohl – im Gegensatz zu Afghanistan – keinerlei Verbindungen zu Al Qaida existierten und obwohl es für die angebliche Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen keinerlei Beweise gab. Es bedarf keiner Phantasie um vorauszusagen, dass die irakische Zivilbevölkerung, die seit Jahren unter dem Embargo leidet, auch die Hauptlasten dieses Krieges zu tragen hat. Internationale Hilfsorganisationen rechnen mit Zehntausenden Toten und Hundertausenden Flüchtlingen.

Die deutsche Regierung hat – nach anfänglichem Schwanken – auf der internationalen Bühne eine klare Antikriegsposition bezogen. Sie hat einen deutlichen Anteil daran, dass eine Mehrheit der Regierungen im UN-Sicherheitsrat nicht vor dem Druck der US-Regierung zurückgewichen ist. Das verdient Anerkennung, diese Politik hat dem Ansehen unseres Landes gut getan. Trotzdem darf nicht übersehen werden, dass dieser Krieg auch von deutschem Boden aus vorbereitet wurde:

  • Über die Flugplätze Frankfurt, Ramstein und Spangdahlem wurden Kriegsmaterial und Soldaten an den Golf verlegt;
  • deutsche Häfen und Bahnhöfe waren Zwischenstation für die Reise in den Krieg;
  • die europäische Kommandozentrale der US-Armee in Stuttgart (EUCOM) koordiniert Nachschub für die Kriegführung.

Bisher haben sich verantwortliche Politiker damit rausgeredet, dass man die »Verbündeten« nicht kontrollieren könne, dass es nur um den Aufbau einer »Drohkulisse« gehe, um Saddam Hussein zur Abrüstung zu zwingen. Einige hatten wohl auch mit einem UN-Mandat gerechnet.

Diese Zeit ist vorbei! Jetzt steht fest: Die USA und Großbritannien führen einen Angriffskrieg! Die Unterstützung eines Angriffskrieges ist aber durch das Völkerrecht und auch durch das deutsche Grundgesetz verboten.

Dem Antikriegskurs auf internationaler Ebene müssen dementsprechend auch national Taten folgen:

  • Keine Überflugrechte für die US-Luftwaffe während des Irakkrieges,
  • Rückzug der deutschen Besatzungen aus den AWACS-Flugzeugen, da diese für die Luftkriegsführung der USA genutzt werden können,
  • Rückzug der Spürpanzer Fuchs aus Kuwait.

Der neue Irakkrieg dokumentiert die Bereitschaft der US-Regierung, notfalls gegen den »Rest der Welt« die eigene Position durchzusetzen. Bush und die hinter ihm stehende ideologisch-fundamentalistische Clique scheinen wild entschlossen zu sein, mit ihrem »Weltbild« die ganze Welt beglücken zu wollen. Und die nächsten Kriege sind bereits eingeplant.

Aber es ist noch keine anderthalb Jahre her, dass fast alle Regierungen den USA ihre Solidarität im Antiterrorkampf versicherten. Heute haben die USA diese Position eingetauscht gegen die einer vulgären Kriegsmacht, die gerade mal eine Hand voll »Williger« um sich scharren kann, die allesamt zu Hause die Mehrheit der Bevölkerung gegen sich haben.

Die gegenwärtige Situation zeigt damit einerseits die Gefahren, die auf uns zukommen, wenn Fanatiker mit einem geschlossenen Weltbild über dominierende militärische Macht verfügen.

In dieser Situation werden andererseits aber auch die Chancen deutlich:

Bushs Pläne für einen lang anhaltenden »Kreuzzug« können durchkreuzt werden.

Das Engagement eines Jeden ist gefordert – für eine sofortige Einstellung der amerikanischen Kriegshandlungen, für die zivile Lösung von Konflikten.

Das millionenfache Nein zum Krieg, die Verstärkung des Widerstandes auf allen Ebenen, auch der der Regierungen, die nicht bereit sind, sich in eine totale Abhängigkeit von den USA zu begeben, wird den Boden dafür vorbereiten, dass die »Stärke des Rechts« letztendlich über das von den USA demonstrierte »Recht des Stärkeren« dominieren wird.

Bonn, den 21. März 2003
(Jürgen Nieth)
Verantw. Redakteur

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2003/2 Machtfragen, Seite