W&F 2008/2

Krieg ohne Ende

von Jürgen Nieth

Am 1. Mai 2003 landete Georg W. Bush in Bomberjacke auf einem Flugzeugträger, um den Sieg im Irak-Krieg zu verkünden. Stolz „posiert er später gar vor einem Plakat mit der Siegesparole: »Mission accomplished«, Mission erfüllt.“ (Spiegel, Nr. 13/2008, S.36) Fünf Jahre später hat die US-Truppenstärke mit 160.000 Soldaten den höchsten Stand seit der Invasion erreicht. Die deutschsprachigen Zeitungen ziehen eine durchweg negative Bilanz.

Kriegsbegründnung erlogen

Alle (durchgesehenen) Zeitschriften registrieren, dass die zur Begründung der Invasion vorgetragenen Argumente sich als unwahr herausgestellt haben. Karl Grobe bringt es in der Frankfurter Rundschau auf den Punkt: „Die Behauptung, der Irak habe Massenvernichtungswaffen (es gab sie nicht); die Lüge, Saddam Husseins Regime unterstütze El Kaida (seit der Invasion erst hat es sich nachhaltig eingenistet)... Wahr war nur die Feststellung, dass Saddam Husseins Regime eine brutale Diktatur war.“ (20.03.08) Heute sind die USA im Irak länger im Krieg als im jedem der beiden Weltkriege.

Hunderttausende Tote

Am 23. März ist im Irak der 4.000ste US-Soldat getötet worden. „29.000 US-Soldaten wurden bisher im Irak verwundet.“ (TAZ 25.03.08). Mehr als 300 Soldaten der Koalitionsstreitkräfte starben. Die Toten auf irakischer Seite wurden nicht gezählt. Der Stern spricht von „nach neueren Schätzungen - bis zu 600.000“ (19.03.08, S.45). Der Spiegel spricht von 8.000 getöteten irakischen Soldaten und Polizeiangehörigen und bis zu einer Million ziviler Opfer (Nr. 13/2008, S.38). Die Kosten explodieren. Allein die direkten Kriegskosten der USA übersteigen schon heute die des Vietnam- und Koreakrieges zusammen.

Kriegskosten

„Die Kriegskosten, die zu Beginn des Feldzuges auf 50 bis 60 Milliarden Dollar geschätzt worden waren, werden jetzt von Weißen Haus mit 500 Milliarden Dollar angegeben. Allerdings ist diese Zahl stark umstritten. Das Haushaltsamt des Kongresses und andere Experten halten 1 bis 2 Billionen für eine realistischere Einschätzung.“ (Neue Zürcher Zeitung, 20.03.08, S.1) Der Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz und die Ex-Beraterin der Clinton-Regierung Linda Bilmes schätzen, „dass der Krieg die USA drei Billionen Dollar gekostet hat und den Rest der Welt noch einmal so viel. Insgesamt also sechs Billionen.“ (FR 29.02.08, S.33)

Verlierer 1

2008 wird das teuerste Jahr des Irak-Krieges werden. Kritiker rechnen nun auch in den USA vor, was mit den enormen Summen finanziert werden könnte. „Mit einer Billion Dollar könnte man 15 Millionen Lehrer zusätzlich einstellen, die Gesundheitsversorgung für 530 Millionen Kinder sichern, die Stipendien für 43 Millionen Studenten finanzieren... Mit einem Teil der Summe, die für die Demonstration militärischer Übermacht verpulvert wird, könnten sich die USA einen halbwegs modernen Sozialstaat leisten.“ (Freitag, 28.03.08, S.3)

Verlierer 2

Der größte Verlierer ist aber das irakische Volk und das nicht nur gemessen an der Zahl der Opfer. „Die medizinische Versorgung ist katastrophal: Von den 34.000 irakischen Medizinern, die das Land 1990 noch hatte, sind 20.000 geflohen. Statt der Mindestzahl von 80.000 staatlichen Klinikbetten gibt es gerade einmal 30.000. das durchschnittliche Tageseinkommen liegt bei fünf Dollar - ein einziger Arztbesuch kostet mehr. Die Versorgung mit Trinkwasser ist mangelhaft. Elektrizität gibt es selten mehr als zwei Stunden täglich.“ (Süddeutsche Zeitung, 20.03.08, S.3) Jeder siebte Iraker ist auf der Flucht. „Und: mehr Iraker als je zuvor (36 Prozent) würden ihr Land gerne verlassen; 18 Prozent schmieden sogar konkrete Auswanderungspläne. Das sind vier Millionen weitere potenzielle Flüchtlinge.“ (FR 18.03.08, S.8) Doch die Nachbarstaaten verschärfen die Einreisebedingungen. „Jordanien schloss Anfang 2007 seine Grenzen, Saudi Arabien lehnt eine Aufnahme ab - und errichtet stattdessen für sieben Millionen US-Dollar eine Mauer um Flüchtlinge abzuhalten. In Syrien hat der Bevölkerungszuwachs um 10 Prozent die Gesundheits- und Bildungssysteme an die Grenze der Belastbarkeit gebracht.“ (Der Tagesspiegel, 20.03.08, S.9)

Die Gewinner

Bisher hat es die Bush-Propaganda nicht gewagt, die Gewinner dieses Krieges zu nennen, „die in der Tat enormen Profite, die US-Ölkonzerne, Bauunternehmen, Sicherheitsfirmen und die Rüstungsindustrie eingestrichen haben.“ (Freitag, 28.03.08, S.3) Nach den Berechnungen von Stiglitz und Bilmes hat „allein die Firma Halliburton, eines der Privatunternehmen, die sich auf Kriegführung spezialisiert haben, von der US-Regierung für ihre Arbeit im Irak 19,3 Milliarden Dollar erhalten.“ (FR 29.02.08, S.33) Übrigens: US-Vizepräsident Dick Cheney war Vorstandsmitglied eben dieser Firma Halliburton (W&F 1-2006, S.13). So bestätigt dieser Krieg: Die Kosten haben die Völker zu tragen - Die Gewinne werden privatisiert!

Perspektive

„Der Regimewechsel, den politische und intellektuelle Ratgeber des Präsidenten Bush ins Werk setzen wollten“, war als Fanal gedacht, „für ein großes Umwälzen der Verhältnisse im Mittleren Osten, als militärischer Impuls zur Lösung der soziopolitischen Modernisierungsblockade der arabischen Welt, was wiederum zu deren Versöhnung mit der liberalen Moderne des Westens führen sollte“, heißt es in der FAZ (19.03.08, S.10). Und weiter: „Der Kampf der so genannten Neokonservativen gegen mörderische Regime und mörderische Ideologien sollte im Irak beginnen - dort ist er auch stecken geblieben.“ Der Autor sieht trotzdem Grund für „vorsichtigen Optimismus“, obwohl auch er feststellen muss: „Niemand mag heute voraussagen, wie der Irak in fünf Jahren aussehen wird... Vermutlich werden auch in fünf Jahren noch Amerikaner im Land sein (müssen).“ Irakische Intellektuelle sehen die Situation kritischer. Der Schriftsteller Najem Wali hat Stimmen von Kolleginnen und Kollegen gesammelt. Sein Fazit: „Eines aber wissen die Menschen im Irak genau: dass die »Ära« der vergangenen fünf Jahre so schwer auf ihnen lastet wie ein Albtraum und das die kommende »Ära« lediglich noch größeren Verfall verspricht.“ (Neue Zürcher Zeitung 20.03.08, S.47)

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2008/2 Migration und Flucht, Seite