W&F 1993/3

Los Alamos im Umbruch?

Grenzen und Umgehungsversuche von Kernwaffenteststopp und Forschungskonversion in den USA

von Erdmute Otto & Martin Kalinowski

Vor gut 50 Jahren – im März 1943 – begann in Los Alamos (New Mexico, USA) die Arbeit an einem der größten wissenschaftlich-technischen Gewaltakte, dem Manhattan-Projekt zum Bau der ersten Kernwaffe. Rund 2500 WissenschaftlerInnen wurden von General Leslie Groves und Dr. Robert Oppenheimer an diesen – bis August 1945 streng geheimen – Ort gebracht (siehe Kasten 1). 28 Monate später – am 16. Juli 1945 – zündeten sie im Süden von New Mexico den ersten Kernsprengsatz mit dem Namen »Trinity«. Weniger als einen Monat später töteten die USA mit der zweiten und dritten Kernwaffe über 210.000 japanische ZivilistInnen (allein bis Ende 1945).

„… I have been calling myself an addict with respect to nuclear weaponry. Becoming involved with it, being close to it, working on it, creates an altered state of mind. I’m convinced that the real driving force in the nuclear arms race is the weaponeers, the people who come up with the concepts. It all starts with that devilishly creative act of imagining something which is infinitely destructive. Then they go to Franklin Roosevelt or Harry Truman or Ronald Reagan and say, ,Here’s this thing, do you want that?’ The answer is invariable, ,you bet we do!’“ (Ted Taylor)

Mittlerweile ist der Kalte Krieg vorbei. Die USA haben heute über 10.000 Kernwaffen im aktiven Arsenal, und allein in Los Alamos (mit rund 8000 WissenschaftlerInnen) wird immer noch mehr als die Hälfte der Mittel für Kernwaffenforschung vergeben. Das Budget des Los Alamos National Laboratory (LANL, »Lab«) für dieses Jahr sieht insgesamt $ 1122 Mill. vor, davon $ 589 Mill. für Kernwaffenforschung und -produktion. Diese Zahl wird aller Voraussicht nach reduziert werden, aber ein Ende der Kernwaffenforschung ist nicht in Sicht. Andere Arbeitsschwerpunkte des LANL sind: Nicht-nukleare Waffen und Geheimdienst, Reaktor- und andere Kernforschung, Säuberung der Umwelt, Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen, Biologie, Materialien, Energie (v.a. Geothermik) u.a..

Welche Kräfte und Interessen derzeit im und um das Los Alamos National Laboratory im Spiel sind und seine Zukunft bestimmen, soll in diesem Aufsatz beleuchtet werden.

Die zahlreichen, selten selbstkritischen, Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen des LANL bieten viele Gelegenheiten zum Nachdenken über die zukünftige Rolle der Kernwaffenforschung nach dem Ende des Kalten Krieges. Im April wurden geschlossene und öffentliche Vortragsreihen veranstaltet; dabei auch eine Podiumsdiskussion unter dem Titel „What is the legacy of the Nuclear Age?“, zu der scharfe Kritiker wie der Ökonom Prof. emer. Seymour Melman und der Physiker Prof. Frank v. Hippel eingeladen waren; im Mai war Präsident Clinton zu Besuch; im Juni gab es eine große »Reunion« der Beteiligten am Manhattan-Projekt; immer wieder führen die BürgerInneninitiativen aus dem Umland zahlreiche, z.T. auch humorvolle Aktionen, Gespräche mit Verantwortlichen im »Lab« und Veranstaltungen durch, die das Ziel haben, Veränderungen in der inhaltlichen Ausrichtung und formalen Offenheit gegenüber der Öffentlichkeit zu bewirken.

Bei diesen Gelegenheiten wird immer wieder über die zukünftige Entwicklung des LANL bzw. über persönliche Konsequenzen nachgedacht. Alle denkbaren Extreme werden artikuliert: von totaler Forschungskonversion mit zukünftiger »Mission« im Umwelt- und Energiebereich bis hin zu einer in Zukunft noch größeren Bedeutung des LANL im Kernwaffenkomplex der USA.

Das einzige, was unbestritten scheint: Das LANL bekommt viel zu tun mit dem Aufräumen des eigenen, meist radioaktiven Drecks, dessen massenhafte Existenz in einem scharfen Kontrast zu den heute so hohen Sicherheitsbestimmungen steht.

Verheerende Umweltbilanz

Obwohl das LANL nicht mit so großen Mengen an radioaktiven Materialien umgehen mußte wie die Produktionsanlagen für spaltbare nukleare Materialien und Tritium in Hanford (Washington) und Savannah River (South Carolina), ist es erstaunlich, wieviel radioaktiven Müll das Lab produziert hat und was es heute noch für Probleme hat, die staatlichen Umweltschutz-Richtlinien einzuhalten. Ein paar Beispiele sollen das belegen:

  • Wegen verbotenen Vergrabens von plutoniumhaltigen radioaktiven Abfällen in tausenden z.T. korrodierenden Fässern und wegen anderer Gesetzesbrüche und Schlampereien mit radioaktivem Müll ist das LANL (auf Druck von BürgerInneninitiativen) Anfang 1993 zu der höchsten Geldstrafe verurteilt worden, die das Land New Mexico je für Umweltvergehen verhängen mußte ($ 1,6 Mill.).
  • Die Messungen von Emissionen radioaktiver Substanzen der 149 Schornsteine des LANL werden größtenteils nicht adäquat durchgeführt, so daß das Lab seit 1989 die Bestimmungen des damals verschärften Clean Air Act verletzt.
  • An 150 Stellen werden Abwässer abgelassen, ohne daß das Lab dafür eine Genehmigung gemäß dem gültigen Clean Water Act besitzt. Es hat lediglich eine Ausnahmegenehmigung von der Environmental Protection Agency, die jedoch vom Land New Mexico angefochten wird.
  • Ende 1993 wird die bisher genutzte oberflächennahe Lagerstätte für radioaktive Abfälle auf dem Gelände, das das Lab 1943 den IndianerInnen weggenommen hat, voll sein. Dann liegen dort insgesamt 200.000 m³ Abfall und jedes Jahr fallen weitere 5000 m³ an.

Eine Entscheidung, wo eine neue Deponie aufgemacht wird, ist noch nicht gefallen. Auf einem der zwei vorgeschlagenen Gelände befinden sich Ruinen indianischer Vorfahren, die den heute in der Nähe lebenden Pueblo-IndianerInnen heilig sind. Es bestehen außerdem Konflikte mit den Wasserstandards eines stromabwärts liegenden Pueblos. Seit neuestem wird erwogen, die Lage durch Verbrennung radioaktiven Mülls zu entschärfen.

  • Insgesamt sind offiziell 1800 radioaktive Altlasten registriert worden. Bevor sie »beseitigt« werden können, müssen sie erst mit hohem meßtechnischen Aufwand charakterisiert werden.
  • Ende Januar 1993 wurde der Forschungsreaktor »Omega« aufgrund eines Lecks abgeschaltet, das die in demselben Canyon gelegenen Quellen mit Tritium verseucht hat. Niemand kann sagen, ob das Leck nicht sogar schon 30 Jahre alt ist.

Das Lab ist bei seinen Säuberungsbemühungen nicht allzu ehrgeizig: Der strategische Entwicklungsplan hat als Ziel formuliert, bis Oktober 1995 die Hälfte der Gesetzesverletzungen auszubügeln.

Im Norden New Mexicos hat sich eine große Koalition verschiedenster (Umwelt-) BürgerInneninitiativen zusammengetan, die sich mit dem LANL sehr effektiv kritisch auseinandersetzt, z.B. indem sie versucht, Umweltverträglichkeitsprüfungen u.a. durchzusetzen. Eine wichtige Rolle spielen dabei auch RepräsentantInnen der nahen Pueblos.

Diese Koalition meint, daß das LANL sich hinsichtlich der Beseitigung der von ihm verursachten Umweltschäden noch einmal genauso anstrengen sollte wie in den ersten 2 Jahren seiner Existenz hinsichtlich des Baus der Atombombe. Im Juli 1995, 50 Jahre nach dem ersten Kernwaffentest, sollte der Erfolg überprüft werden.

Die BürgerInneninitiativen fordern Konversion

Die »No-Nukes«-AktivistInnen verbinden die Entwicklung der mächtigsten Zerstörungswaffe der Menschheit mit ihrem eigenen Land, und sie träumen davon, daß von New Mexico auch Lösungen ausgehen sollen, durch die die Welt von eben den Gefahren befreit wird, die mit der Entwicklung der ersten Kernwaffe hier ihren Ausgangspunkt genommen haben.

Diese Vision ist von Daniel Ellsberg als das Manhattan-Projekt II beschrieben worden.1 Die US-weit organisierten »Ärzte für soziale Verantwortung« haben ein solches Projekt gestartet und Ellsberg, der selber bis 1971 im Pentagon gearbeitet hat, die Leitung übertragen. Ziel des Projekts ist es, zu erforschen, wie die völlige Beseitigung aller Kernwaffen erreicht werden kann. Ganz im Gegensatz zum ersten Manhattan-Projekt muß dieses in aller Öffentlichkeit und unter internationaler Beteiligung, auch von sog. Dritt-Welt-Ländern, durchgeführt werden.

Beachtlich ist, wie sich das LANL dieser Art Kritik und Gegen-Utopie vorsichtig öffnet. Die Los Alamos Study Group (LASG), die die große Koalition koordiniert, und die »People for Peace«2 gehören zu den aktivsten und erfolgreichsten Gruppen besorgter BürgerInnen. Mit großem Sachverstand, Durchhaltevermögen und menschlichem Geschick3 haben sie dazu beigetragen, daß insgesamt die Anzahl und Qualität der konstruktiven Gespräche mit dem LANL und dazugehörenden Organisationen zugenommen hat, gerade in der letzten Zeit.

Beispielsweise durften sie und andere Gruppen während des Besuchs von Clinton im Mai an strategisch optimal gelegenen Punkten, einer davon auf dem Gelände des LANL, mit Transparenten für den vollständigen Atomteststopp demonstrieren. (Sie bekamen später positive Rückmeldungen darüber, wie die Botschaft bei Clinton angekommen war.) Noch im letzten Winter hatte es bei einer Flugblattaktion auf dem Lab-Gelände eine Verhaftung gegeben. Im April dagegen reichte es, das LANL lediglich vorher über das geplante Verteilen zu informieren, und diesmal wurde es geduldet. Mehr noch: Das LANL hat inzwischen dazu eingeladen, in einem Gespräch darzulegen, welche Wünsche an den Umgang mit DemonstrantInnen bestehen.

Ähnlich offen zeigt sich das in neuen Räumen Anfang April wiedereröffnete Bradbury Science Museum, das als öffentliche Visitenkarte des LANL dient. Die LASG durfte neun eigene Informationstafeln im Museum aufhängen, die im Vergleich zu dem eher bildreichen, oberflächlich technikfreudigen und Mythen über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beschwörenden Museum sehr informativ und kritisch gegen das Lab gerichtet sind. Dem Entgegenkommen vorausgegangen war allerdings ein ähnlicher Fall in Californien, bei dem eine BürgerInneninitiative die Aufhängung ihrer Tafeln per Gerichtsbeschluß durchgesetzt hatte.

Eine bemerkenswerte Zusammenarbeit zwischen LANL und einer anderen BürgerInnengruppe (CCNS – Concerned Citizens for Nuclear Safety) war die gemeinsame Konferenz »LANL 2000« im August 1993, an der rund 200 Personen teilgenommen haben, darunter etwa ein Viertel aus dem Lab, inklusive Direktor.

Die neue Regierung in Washington

Bezüglich Kernwaffentests fällte Clinton lange keine klare Entscheidung (siehe vorige Ausgabe von W&F4). Erst zwei Tage nachdem das Testmoratorium am 1. Juli ausgelaufen war, verkündete Clinton die Verlängerung bis mindestens Ende September 1994, solange kein anderes Land testet (»no-first-testing-policy«; die Fähigkeit, doch wieder zu testen, soll dabei erhalten bleiben). Begründung: Die US-Kernwaffen seien sicher und zuverlässig. Der Vorteil, sich durch zusätzliches Testen auf einen Teststopp vorzubereiten, werde von den zu erwartenden Nachteilen übertroffen: Proliferationsgefahr und Wiederaufnahme der Tests durch andere Staaten.

Diese Entscheidungen sind wohl besonders auch dem Einfluß der neuen Chefin des Department of Energy (DoE), Hazel O'Leary, zu verdanken, die sich von den Labs nicht mehr so bestimmen läßt. Mit ihrem neuen Haushaltsentwurf für 1994 gab die Clinton Administration zu erkennen, daß sie neue Schwerpunkte setzen will. Im gesamten vom Department of Energy (DoE) finanzierten Kernwaffenkomplex (Forschung, Produktion, Wartung, etc.) sind deutliche Einschränkungen vorgesehen, bei geringen neuen Aufgaben, die wieder Zuwächse bringen. Etwa 9000 Arbeitsplätze stehen zur Disposition, 3000 alleine in der Savannah River Plant (South Carolina), rund 1500 in der Kernwaffenforschung, wobei LANL 300 verlieren könnte.

Allerdings sind die Einschnitte im Verteidigungshaushalt (DoD) ziemlich moderat (10 % in fünf Jahren), und für 1994 sollen die Ausgaben für den Einzelposten militärischer Forschung und Entwicklung sogar um 2.3 % auf $ 38.3 Mrd. steigen. Das nun nur noch bodengestützte ehemalige SDI-Programm wird mit einer fast-Rekordsumme von $ 4 Mrd. vorangetrieben. Unter dem Namen GPALS (Global Protection Against Limited Strikes) soll es vor vermeintlichen Raketenangriffen aus der sog. Dritten Welt schützen können.

Eine Zukunft ohne Kernwaffentests?

Eine der brennenden Fragen für viele Lab-MitarbeiterInnen ist, ob und wie man in Zukunft ohne Kernwaffentests auskommen kann. Der Associate Director for Nuclear Weapons Technology, John D. Immele, sagte auf einem öffentlichen Vortrag: „We need to develop a strategy to work within a test ban.“ Ganz offen zählte er einiges auf, was getan werden müßte, um im Falle eines umfassenden Kernwaffen-Teststopps (CTB) die Expertise für Kernwaffenforschung erhalten, wissenschaftlichen Nachwuchs ausbilden und so weit wie möglich die Aufgaben von unterirdischen Tests mit anderen Mitteln bewältigen zu können (siehe Kasten 2 »Technologien zur Umgehung eines Kernwaffenteststopps«). Diese anderen Mittel seien zwar kein echter Ersatz für unterirdische Tests, sie würden aber als Magnet und als Übungsfeld dienen für die WissenschaftlerInnen, die in den für Kernwaffen wesentlichen Feldern der Physik arbeiten. Es gehe darum, daß das LANL jederzeit bereit bleiben müsse, das Entwickeln und Testen von Kernwaffen wieder aufzunehmen, falls nationale Erfordernisse dies wieder »diktieren« würden.

Derartige Aussagen sind keine Überraschung, aber es zeichnet sich jetzt klarer ab, wie das organisiert werden soll und welche Technologien verwendet werden. Es sollen sogar neue Einrichtungen gebaut werden, und es wird als sehr wahrscheinlich bezeichnet, daß der Etatposten für Kernwaffenforschung durch den Teststopp deswegen sogar wieder erhöht wird. Bei der Formung von entsprechenden Teams mit jungen WissenschaftlerInnen streben die entsprechenden Abteilungen des Lab eine zivil-militärische Doppelverwendbarkeit der Forschung an.

Zwar gibt es derzeit keine offiziellen Aufträge vom DoE zur Entwicklung von neuen Kernwaffen. Das LANL erhält aber institutionelle Förderung und hat aus eigener Initiative neue Kernwaffen in der Entwicklung (siehe Kasten 3). Die an AGEX u.a. beteiligten WissenschaftlerInnen werden sicherlich ihr Wissen und ihre Fertigkeiten nicht alleine durch das Wiederholen von Bekanntem schulen und frisch halten. Das wäre für sie langweilig und sie werden ihre eigene Leistung mit originellen neuen Ideen für Kernwaffen unter Beweis stellen wollen, wie es im Wissenschaftsbereich üblich ist. Die Bereithaltung von KernwaffenforscherInnen auf Abruf wird es also nicht ohne eine Fortsetzung der Kernwaffenentwicklung geben.

Die Zukunft des »LAB«

Wie sieht das LANL seine neue Rolle im Rahmen des U.S. Kernwaffenkomplexes nach Ende des Kalten Krieges? Daß die Zukunft des LANL anders aussehen wird als die Vergangenheit, ist wohl allen MitarbeiterInnen klar. Das Management wagt die Flucht nach vorne und proklamiert für das LANL in der Zukunft die Führungsrolle für das nationale Kernwaffenarsenal („prime … steward for the nations' stockpile“). Was sich dahinter verbirgt, geht aus dem (mittlerweile überholten) Strategieplan des LANL hervor, dessen ungekürzte Fassung geheim gehalten und von einem »Whistleblower« an die Los Alamos Study Group weitergegeben worden war. Demnach möchte das LANL von der geplanten Umstrukturierung des Kernwaffenkomplexes der USA zum »Complex 21« profitieren, indem es bestimmte Aufgaben übernehmen will, die bei anderen Einrichtungen abgebaut werden. Der Aufbau von Produktionskapazitäten im LANL für bestimmte Kernwaffenkomponenten würde eine qualitative Veränderung bedeuten, da damit das reine Forschungsfeld verlassen würde.

Die im LANL für den Zeitraum 1992 bis 1997 geplanten Neubauten bestätigen die geschilderte Entwicklungsrichtung. Von 29 neuen Anlagen sollen 26 der Kernwaffenmission des Lab dienen. über $ 600 Millionen (von rund 700 Mill.) sollen allein dafür investiert werden.

Die folgenden angestrebten Aufgaben sind im Strategiepapier genannt:

(a) Neue Technologien zum Bearbeiten von Uran und Plutonium sollen entwickelt und im industriellen Maßstab demonstriert werden. In der Plutonium Facility des LANL sind bereits mehr als 3,5 t (Tonnen!) Plutonium separiert worden. Dort wird Plutoniummetall gegossen und mechanisch bearbeitet.

(b) In der Weapons Engineering Tritium Facility sollen die Tritiumampullen für die noch im Arsenal verbleibenden Kernwaffen nachgeladen werden. Dies dient der Erneuerung von Tritium, das mit einer Halbwertszeit von 12,3 Jahren zerfällt.

(c) In der Tritium Salt Facility wird Lithiumdeuterid hergestellt, das für thermonukleare Kernwaffen verwendet wird.

(d) Eine neue Technologie zur Produktion von Tritium mithilfe des Protonenbeschleunigers soll entwickelt und getestet werden. Dieses Programm ging Anfang 1993 in die Designphase.5

(e) Das LANL hat Erfahrung mit der Bearbeitung von hochgiftigem Beryllium, das in Kernwaffen als Reflektor für Neutronen verwendet wird.

(f) In der Detonator Facility sollen Hochleistungsdetonatoren hergestellt werden.

(g) Auch spezielle Edelstahlteile für Kernwaffengehäuse sollen hergestellt werden.

(h) Komplette Prototypen von neuen Kernwaffen sollen im LANL produziert werden können.

Auch wenn im Strategiepapier eine so eindeutige Richtung mit Schwerpunkt auf Kernwaffen anvisiert wird, ist noch lange nicht entschieden, ob es dem LANL gelingt, die anstehenden Kürzungen im bisherigen Bereich (Forschung und Entwicklung) wett zu machen oder sogar zu übertreffen durch Zuwächse, die man sich erhofft.

Es gibt aber auch Stimmen im Lab, die offen über ganz andere Perspektiven und Visionen reden.

Paul Cunningham, Programm Director for Nuclear Materials, strebt als Fernziel an, daß alle Kernwaffen auf der Welt abgeschafft werden und daß ein internationaler Konsens gebildet wird, keine Urananreicherung und keine Plutoniumseparation mehr durchzuführen. Zur »Vernichtung« des vorhandenen Plutoniums schlägt er das im LANL in der Entwicklung befindliche Konzept des Verbrennens von Aktiniden in schnellen Reaktoren vor, die von einem Protonenbeschleuniger getrieben werden (ABT: Accelerator-Based Transmutation). Zuerst sollten die rund 50 Tonnen Plutonium verbrannt werden, die bis zum Jahre 2005 aus der Abrüstung amerikanischer Kernwaffen anfallen können. Mit der vom LANL vorgeschlagenen Anlage würde man 40 Jahre dafür benötigen. Entwicklung und Bau einer derartigen Anlage veranschlagen die beteiligten WissenschaftlerInnen auf 15 Jahre. Der Direktor des LANL, Sig Hecker, geht jetzt sogar so weit, daß er die Transmutation zu einer zentralen Aufgabe für das LANL machen möchte. Die mit der Transmutation zusammenhängenden Probleme sind allerdings erheblich.

Die Los Alamos Study Group wurde kürzlich von Cunningham zu einem Gespräch eingeladen, in dem er sich interessiert ihre Sichtweise und Wünsche an das LANL erklären lies. Er hatte vorgehabt, diese Ideen in den neuen Strategieplan des LANL einzubringen, der dann aber doch schon zu weit fortgeschritten war.

Überraschend deutliche Worte hat auch der Public Affairs Director des LANL, Scott Duncan, gegen die etablierten KernwaffenforscherInnen gerichtet, als er in einem mit dem Management – wie sich später herausstellte – nicht abgestimmten Interview im April 1993 einige Umstrukturierungspläne des LANL der lokalen Zeitung erläuterte. Die Neuerungen hätten zum Ziel, das Laboratorium wettbewerbsfähig zu machen, um unabhängiger von Mitteln des DoE und kooperationsfähiger für die Industrie zu werden. Mit Technologietransfer sollten Drittmittel eingeworben werden. Die kommerziellen Interessen der Industrie zählten dann mehr als das, was dem LANL seit 1943 die Identität verliehen hätte: Arbeit für die »nationale Sicherheit«.6

Scott Duncan wörtlich: „The feeling of importance attached to national security work means people have a feeling that their job is almost an entitlement. Those who perform will get to keep their jobs. Those who don't will be history.“ 7

Hier wird ein allgemeiner Trend erkennbar: Bei abnehmender Legitimation und Finanzierung mit Staatsmitteln für die Rüstungsforschung ist ein starker Anreiz gegeben, die bisher vorrangig militärisch orientierte Forschung für zivile Anwendungen stärker zu öffnen und zukünftige Projekte von vornherein so anzulegen, daß sie nicht von – für militärische Zwecke ausgewiesenen – staatlichen Mitteln abhängig sind. Auch andere Waffenlaboratorien suchen jetzt vor allem nach »dual-use« Forschungsprojekten. Umgekehrt wird versucht, die für die militärischen Zwecke für notwendig gehaltene Forschung durch zivil orientierte und finanzierte Forschung aufrecht zu erhalten, so daß militärische Anwendungen sich z.T. aus einem umgekehrten »Spin-Off« von zivilen Programmen speisen können.

Ost-West-Kooperation der Kernwaffenlabors

Im LANL »Newsbulletin«8 erschien ein Foto, auf dem sich die Direktoren des LANL und des entsprechenden Kernwaffenlabors aus Russland in die Augen schauen. Darunter war zu lesen: „,From Russia with love` was the inscription on the piece of a dismantled Russian nuclear weapon presented to LANL Director Sig Hecker from his Russian equivalents.“ Unter den Gästen aus Russland war u.a. Yuri Trutnev, der als Hauptgestalter des russischen thermonuklearen Arsenals bezeichnet wird. Dieser Besuch war einerseits eine Geste der Versöhnung, die Hoffnung darauf macht, daß die WissenschaftlerInnen in den miltärischen Forschungslabors der Kernwaffenstaaten in Zukunft keine Motivation mehr für Arbeit an Waffen von einem gegenseitigen Feindbild und gegenseitigem Argwohn her nähren.

Die Versöhnung ging aber noch weiter. Die russischen Gäste waren auch da, um gemeinsame Experimente mit dem LANL zu planen, die für die weitere Kernwaffenforschung relevant sein können. Stephen Younger, der Programmdirektor für Hochenergiedichtephysik am LANL, bewertet die Kooperation mit den Worten: „Interaction of this type – true scientific collaborations among equals – lay the foundation of trust essential for the new world order.“ 9

Dabei entsteht jedoch der Eindruck, hier könnten sich neue Fronten bilden, bei denen sich die EntwicklerInnen von Kernwaffen solidarisch verbünden und ihre Position stärken gegenüber allen diffus auftretenden Kräften, die für die Beendigung der Kernwaffen-relevanten Forschung eintreten. Noch schlimmer ist allerdings, daß es so aussieht, daß in Zukunft weiterhin Motivation zur Kernwaffenforschung aus Feindbildern gezogen wird, für die nach der beschriebenen Verbrüderung des Nordens jetzt Länder des Südens benutzt werden.

Der erste Kontakt fand im Februar 1992 statt und im August 1993 begann die konkrete Zusammenarbeit. LANL Wissenschaftler beteiligten sich daran, in Arzamas-16 (Sibirien) einen »Disk-Generator« für die Erzeugung von extrem hohen elektromagnetischen Pulsen aufzubauen und mit ihren mitgebrachten Diagnoseinstrumenten zu testen. Der von Wladimir Tschernischew entwickelte Generator verwendet hochexplosive Sprengstoffe, um ein magnetisches Feld zu komprimieren und damit einen extrem starken Puls von elektromagnetischer Energie zu formen. Für einige Nanosekunden soll die Energie des Pulses höher sein als die gesamte Stromproduktionskapazität auf der Erde. Im Oktober werden die Russen vier kleinere Generatoren nach Los Alamos bringen, um dort den Effekt derartig starker Magnetfelder auf Hochtemperatursupraleiter zu studieren.

Die technische Ausrüstung, die in den gemeinsamen Experimenten zum Einsatz kommt, wurde in beiden Ländern ursprünglich für Kernwaffenforschung entwickelt.10 Es ist fraglich, ob man diese heute als zivil bezeichneten Experimente als gelungene Forschungskonversion bezeichnen kann, zumal sie auch militärisch verwendbare Erkenntnisse liefern.

An Forschungskonversion kommt das Lab nicht mehr vorbei

Die Reduzierung der Mittel für militärische Forschung und Entwicklung zwingt die betroffenen Abteilungen zu einer stärkeren Orientierung auf den zivilen Markt hin. Aber bei voreiliger Freude über diese Konversion ist doch Vorsicht geboten. Wenn dieselben technologischen Linien fortgeführt werden, die in den militärischen Programmen ihren Ausgangspunkt nahmen, und wenn dieselben Personen mit kaum veränderter Motivation daran arbeiten, dann ist fraglich, ob nicht in Wahrheit ein Weg gesucht wird, unter neuen (Deck-)Namen und vermeintlich neuen Zielsetzungen, die Arbeit an den militärischen Projekten fortzuführen. Selbst wenn diese Unterstellung nicht zutrifft, wäre die Rück-Konversion zur militärisch orientierten Forschung leicht möglich. Die Grenzen verschwimmen.

Eine wesentliche Voraussetzung für erfolgreiche Forschungskonersion ist eine neue integrierende Aufgabe, die die vorhandenen Kenntnisse und Technologien nutzen kann. Sobald die alte »Mission« sich auflöst und schließlich fortfällt, fehlt oft der verbindene Kitt, der Arbeitsgruppen von kompetenten Leuten zusammengehalten hat.

Es liegt daher nahe, neue Missionen zu definieren, bei denen es um die Beseitigung der negativen Folgen des Kernwaffenprogramms geht. Auf diesem Gebiet entfaltet das LANL bereits zahlreiche Aktivitäten, aber es könnten wesentlich mehr sein.

Auch die Bemühung um Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen scheint eine neue »Mission« zu sein, die ein breites Forschungsfeld bietet.11

Das DoE hat z.B. 1992 ein Programm mit dem Titel »Proliferation Detection Technology« ausgerufen, und seitdem kramen WissenschaftlerInnen aus den verschiedensten Abteilungen ihre Labors nach Ideen durch, wie sie für das, was sie ohnehin gerne machen würden, Geld aus diesem neuen Etatposten bekommen können. Passiert ist noch nicht viel, außer daß im Wettbewerb um diese Gelder trotz strenger Geheimhaltung dieser als hoch sensibel eingeschätzen Geheimdiensttechnologien einige ExpertInnen ihre Ideen lautschreiend in Vorträgen und Hochglanzbroschüren auf den Markt tragen – ohne über Datenschutz, Ethik und Taktgefühl anderen Ländern gegenüber nachzudenken.

Ein Beispiel dafür sind die Sensoren und Mini-Satelliten (»Brilliant Pebbles«), die für SDI entwickelt worden sind und jetzt als »Distributed Remote Sensing« wieder auftauchen.12 Als Anwendungen werden jetzt Umweltschutz und Non-Proliferation in den Vordergrund gestellt, wobei kein Hehl daraus gemacht wird, daß es auch weiterhin für die neue Version des SDI-Projekts sehr nützlich wäre, diese Technologien weiterzuentwickeln.

Der Chef der Kernwaffenforschung am LANL, John D. Immele, bezeichnet es als ein Ziel der Konversion, daß die ExpertInnen gehalten werden, die für mögliche zukünftige Kernwaffenaufgaben gebraucht werden.

Derartige Forschungshalbkonversion, die die militärischen Optionen weiterhin erfüllbar macht, reicht nicht und birgt nur eine subtilere und verstecktere vertikale(!) Proliferationsgefahr. Sie sollte mit ähnlicher Sorge betrachtet werden wie die befürchtete (aber bisher nicht real gewordene) Abwanderung ehemaliger Kernwaffenexperten aus der GUS in Länder der sog. Dritten Welt.

Eine radikale Lösung brachte der Abgeordnete Brown für eines der Labs als Gesetzesvorschlag ein, der von der neuen DoE-Chefin, O'Leary, unterstützt wird und der wohl am ehesten vom Lawrence Livermore National Laboratory realisiert werden könnte: Der totale Ausstieg aus der Kernwaffenforschung.

Literatur

Canavan, G.; E. Teller: Distributed Remote Sensing for Defense and the Environment. Los Alamos National Laboratory Report LA-UR-91-1169. May 1991.

Ellsberg, D.: Manhattan Project II: To End the Threat of Nuclear War.

Harvard Journal of World Affairs. Spring 1992. Seiten 1-16.

Schaper, A.: Arms Control at the Stage of Research and Developement – The Case of Inertial Confinement Fusion. Science and Global Security 2 (1991) 279-299.

Quellen: Los Alamos Monitor, LANL Newsbulletin, verschiedene interne Papiere des LANL, Wandtafeln der Los Alamos Study Group im Bradbury-Museum von Los Alamos, Capital Crosswinds.

1000 Dank: Wir bedanken uns besonders bei Mary Riseley und Greg Mello (Santa Fe) von der Los Alamos Study Group für die Einführung und herzliche Aufnahme in ihre Kreise und Aktivitäten und für die vielen Informationen. Dadurch sind für uns das Unfaßbare und die Widersprüche von Los Alamos greifbarer und realer geworden.

Annotation

I.

Los Alamos (Span.: Pappeln) liegt nordwestlich von Santa Fe in wunderschöner Landschaft am Hang eines riesigen, sehr alten Kraters, dessen Basis von tiefen und steilen Canyons durchzogen ist. In der Ebene fließt der Rio Grande südwärts. Das heutige Zentrum von Los Alamos, die Wohngebiete und die verschiedenen Teile des Laboratoriums wurden weitläufig auf den stehengebliebenen Mesas (schmale Hochebenen) gebaut. Der größte Teil des Geländes gehörte vorher zu einem der 19 Reservate der Pueblo-Indianer. Nach dem Krieg wurde beschlossen, die Arbeit im Laboratorium weiterzuführen. Viele wichtige Wissenschaftler kündigten, dafür kamen neue. Aber erst 1957 wurde das Tor an der Einfahrt zur Stadt entfernt und Los Alamos begann, eine normale Stadt zu werden, in die jedeR kommen konnte. Heute gehört die Gemeinde Los Alamos zu den privilegiertesten in den USA überhaupt, was Finanzen, Bildung, Kriminalität u.a. betrifft. Viele PendlerInnen kommen zur Arbeit aus der ganzen Region (auch aus den Pueblos), die teilweise sehr arm ist. New Mexico ist in der Wohlstandsstatistik der USA stetig abgesunken und lag 1992 an 46. Stelle von 51 Bundesstaaten. Nicht sehr überraschend ist es wohl, daß Los Alamos der einzige Landkreis New Mexicos war, in dem Bush letztes Jahr die Mehrheit bekam.

Weitere sieben atomare Brennpunkte in New Mexico sind:

Ebenfalls im Norden, bei Albuquerque: Sandia National Laboratory (Waffen- und Kernwaffenforschung und -entwicklung; ähnlich wie Los Alamos), Manzano Base (eins von den vier größten Kernwaffen-Lagern der USA), Kirtland Air Force Base;

Im Nordwesten, bei Grants und Shiprock: Zahlreiche stillgelegte Uranminen (auch in Zukunft noch umweltbelastend; 1979 bei einem Dammbruch größte Freisetzung von radioaktivem Müll in den USA bisher);

Im Süden, bei Alamogordo: White Sands Missile Ranch (Raketen-Testgelände) mit Trinity Site (1. Atomtest; alle späteren Tests fanden in Nevada statt), Monitored Retrievable Storage (umstrittenes atomares Zwischenlager in Planung im Reservat der Mescalero-Apachen, die ihr Land gegen Geld zur Verfügung stellen wollen);

Im Südosten, bei Carlsbad: WIPP (Waste Isolation Pilot Plant: weltweit einziges gebautes, aber ungenehmigtes und stark bekämpftes Endlager für hochradioaktive Abfälle, die aus zehn Standorten des Kernwaffenkomplexes der USA (auch Los Alamos) kommen sollen.)

II. Technologien zur Umgehung eines Kernwaffenteststopps1)

Unterirdische »Low Yield« Tests: Das LANL schlug zusammen mit den beiden anderen Kernwaffenforschungslabors in Albuquerque (New Mexico) und Livermore (Californien) vor, unterirdisches nukleares Testen mit einer Sprengkraft kleiner als 1000 Tonnen (1 kT) TNT auf unbegrenzte Zeit fortzusetzen. Diese Idee ist allerdings vorerst vom Tisch.

»Friedliche Kernexplosionen«: Manche KernwaffentesterInnen sehen anscheinend ihre Zukunft nur gesichert, wenn sie sogenannte »friedliche« Tests durchführen können. Die Ideen umfassen u.a.

  • unterirdische Energiegewinnung durch Zündung von Fusionsreaktionen in flüssigem LiBeF-Salz durch eine Kernspaltexplosion,
  • die Ablenkung großer Meteoriten aus ihrer Bahn zur Erde und
  • die sogenannten »physics shots« für physikalische Grundlagenforschung, z.B. zur Bestimmung von Wirkungsquerschnitten kurzlebiger Isotope. Lokales Testen bzw. AGEX (Above Ground EXperiments): Mit diesem umfassenden Terminus werden alle Experimente mit Kernwaffenkomponenten oder fast kompletten Kernwaffen umschrieben, die oberirdisch durchgeführt werden bzw. werden sollen. Dazu gehören auch Experimente, mit denen Plasmazustände und die Strahlung von Kernwaffen imitiert werden können. Im Einzelnen ist dem zuzurechnen:
  • Contained Hydrodnuclear Tests: Dieses war bereits während des Testmoratoriums Anfang der 60er Jahre die wichtigste Technologie. Dabei werden Dummy-Kernwaffen in einer Weise gezündet, bei der keine längere Kettenreaktion stattfindet und die Sprengkraft von einem mächtigen Stahlcontainer eingeschlossen bleiben kann. Eine solche Advanced Hydrotest Facility soll ab diesem Jahr für $ 92 Mill. in Los Alamos gebaut werden.
    Diese Anlage soll hochaufgelöste Radiographieaufnahmen auf zwei Achsen machen, tomographische Bilder anfertigen und dreidimensionale Filme vom Inneren der Explosion drehen können.
  • Der Particle Beam Fusion Accelerator II im Sandia National Laboratory (Albuquerque, New Mexico), wird auch von WissenschaftlerInnen des LANL genutzt. Mit diesem Teilchenbeschleuniger kann der hochenergetische Puls einer Kernexplosion in einem kleinen Volumen eingeschlossen simuliert werden.
  • Trailmaster ist der Name eines Projektes im LANL zur Erzeugung einer intensiven Röntgenquelle, mit der viele Aspekte von Kernwaffen studiert werden sollen. In diesem Kontext wird ein Joint Venture mit den Russen durchgeführt (siehe Text).
  • Weitere AGEX-Technologien im LANL sind: Andere plasmaphysikalische Experimente (z.B. Z-Pinch), Gigabar-Schockexperimente mit der »Bright Source«, Röntgenspektroskopie an LABS-II (ein hochenergetischer Excimer Laser) und verschiedene Neutronenstreuexperimente in der Abteilung WNR (Weapons Neutron Research) mit einer Spallationsneutronenquelle.

Trägheitseinschlußfusion (Inertial Confinement Fusion – ICF): Dieser Bereich der Physik könnte zwar auch unter AGEX subsumiert werden, wird vom LANL aber eigenständig behandelt. Mit Trägheitseinschlußfusion kann man die zugrundeliegende Hochenergiedichtephysik von thermonuklearen Explosionen studieren.2)

  • TRIDENT heißt die Anlage, die im LANL steht.
  • NOVA ist der Laser in Livermore, der intensiv vom LANL mitgenutzt wird. Das LANL steuert verschiedene Diagnoseinstrumente bei und produziert geeignete Pellets in der Target Fabrication Facility.

Simulation mit Supercomputern: Die Entwicklung von Supercomputern und zugehöriger Software ist so weit fortgeschritten, daß heute sehr viel per Simulation ermittelt werden kann, wofür man früher getestet hat. Zur Validierung der Ergebnisse wird auf Daten von alten Tests zurückgegriffen. Am LANL soll dafür vor allem der gerade in Betrieb genommene Supercomputer CM-5 (Connection Machine Modell 5) verwendet werden, mit dem auf der Basis von vielfach parallelen Prozessoren eine 1000-fach höhere Rechengeschwindigkeit erreicht wird als mit konventionellen Vektorrechnern. Aber es sind auch bereits PCs im Einsatz, die fast so schnell wie eine Cray rechnen können.

Anmerkungen

1) Frankreich hat ein ähnliches Programm mit dem Namen PALEN (Preparation a la Limitation Experimentation Nucleaire) aufgelegt.

2) Ausführlich diskutiert in Schaper (1992).

III. Neue Kernwaffenprojekte des LANL

Fiscal Year 1993:

  • Aircraft Delivered Precision Low-Yield Weapon (»Mini-Nukes«)
  • Hypervelocity Aircraft-Delivered Weapon (eine Kernwaffe, die tief in den Boden und in Bunker dringen soll)
  • Tactical High Power Radio Frequency Weapon
  • MARV (Manoeuvering Reentry Vehicle) Warhead
  • Strategic High Power Radio Frequency Weapon

Fiscal Year 1994:

  • High Power Radio Frequency Warhead
  • Cruise Missile-type Warhead
  • 8-61 diameter bomb
  • new designs with enhanced concepts for use of nuclear materials

(Quelle: LANL Budget Plan für das Weapons R&D Program)

Anmerkungen

1) Ellsberg (1992) Zurück

2) Diese Gruppe nährt ihre Kraft sicher großenteils aus einer nachahmenswerten Strukturierung des wöchentlichen Treffens: Im ersten Teil wird von einigen über die letzten Aktivitäten und nächsten Vorhaben berichtet, Neues ausgeheckt und gegebenenfalls auf die bewährte Telefonkette verwiesen. Im Hauptteil (»Sharing«) hat jede Person nacheinander die Gelegenheit, in Ruhe etwas Persönliches mitzuteilen, das i.a. im Kontext der Bemühung um Frieden steht. Es kann auch ein bestimmtes Thema vereinbart sein, das u.U. durch Artikellektüre vorbereitet wird. Es ist überzeugend, wie bereichernd, anregend und verbindend so ein Treffen ist, bei dem nur so WENIG wie nötig DISKUTIERT wird! Zurück

3) aber zu wenig Geld …: Wer Näheres über die LASG lesen und sie eventuell unterstützen möchte (es müssen die Arbeit von zwei Personen, ein kleines Büro und zahlreiche Aktionen finanziert werden), kann sich an die AutorInnen dieses Artikels wenden: Sandbergstr. 27, 64285 Darmstadt, 06151-664696. Zurück

4) In unseren Beitrag im Juli-Heft über Atomteststopp in den USA haben sich leider aus verschiedenen Gründen ein paar kleinere Fehler eingeschlichen. Glücklicherweise hat aber die Geschichte den Artikel schon überholt. Statt einer Richtigstellung beschränken wir uns hier auf die guten Neuigkeiten. Zurück

5) Die USA hat keine Anlage zur Tritiumproduktion mehr, nachdem im Frühjahr diesen Jahres endgültig beschlossen wurde, daß die Produktionsreaktoren in der Savannah River Plant (South Carolina) aus Sicherheits- und Kostengründen nicht wieder in Betrieb genommen werden. Der letzte Reaktor wurde dort 1988 abgeschaltet. Zurück

6) »National Security« ist ein Begriff, der nie definiert und ständig wie ein Mythos beschworen wird. Zurück

7) Los Alamos Monitor, 11. April 1993 Zurück

8) Newsbulletin, Vol. 13, Nr. 16, 23.4.1993, S.7 Zurück

9) Los Alamos Monitor, 28. April 1993 Zurück

10) Die russische Expertise in diesem Feld geht auf Andrey Sacharow zurück, der die ehrgeizige Idee hatte, eine thermonukleare Reaktion (Fusion) mit genügend hohen Energiepulsen zu starten. Zurück

11) Und leider auch eins, bei dem leicht neue Feindbilder und Rechtfertigungen für eigene Sonderrollen, Macht- und Gewaltausübung gefunden werden können. Unkonventionelle Arten der Konfliktlösung sind in der Forschung in Los Alamos kein Thema; wie dargelegt, scheint sich aber bei den Umgangsformen im Lab und nach außen hin ein wenig in diese Richtung zu bewegen. Zurück

12) Siehe Canavan/Teller (1991) Zurück

Erdmute Otto, Psychologin und Martin Kalinowski, Kernphysiker bei IANUS verbrachten dreieinhalb auf- und anregende Monate in Los Alamos (USA).

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1993/3 Medien und Gewalt, Seite