W&F 2014/3

Mani Stenner

† 17. Juli 2014

von Corinna Hauswedell

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Wir kannten uns die zweite, erwachsene Hälfte unserer beider Leben – zusammen 60 Jahre. Und so alt ist er geworden, bevor am 17. Juli sein Herz aufhörte zu schlagen.

Für Mani Stenner trifft das Wort Weggefährte zu und hat dabei nichts von dem etwas altmodischen oder biederen Klang, der ihm sonst vielleicht anhaften mag. Denn Mani war keines von beidem. Seine Art zu arbeiten und zu leben kam zwar aus einer „anderen Zeit“, wie er selbst einmal sagte. Aber eben das machte ihn glaubwürdig und gut gegründet, sodass er es mit der tiefen Frustration über diese nicht friedlich werdende Welt immer wieder kreativ aufnehmen konnte. Er hat die Bögen der Proteste für und mit den Menschen gespannt vom Hofgarten nach Heiligendamm, von der Startbahn nach Straßburg, von Rheinmetall nach Riad. Sich dabei nicht zu schonen, sondern mit der notorischen Selbstgedrehten in der Hand oder im Mundwinkel, jedenfalls am Rechner, den nächsten Aufruf zu entwerfen oder die Kontoauszüge des chronisch unterfinanzierten »Netzwerks Friedenskooperative« zu wälzen – das war zuweilen schon etwas »freaky«, im besten Sinne dieses Wortes unserer Generation – »burning the candle from both ends« …

Wenn man ihn abends in Bonn manchmal in der Ermekeilstraße traf zwischen seiner Stammkneipe »Südbahnhof« und der Gründungskaserne der Bundeswehr, die trotz vieler, auch Manis, Initiativen immer noch auf ihre vollständige Konversion wartet, ahnte man, dass die Pausen zu kurz waren, die er sich gönnte, dass zuhause um die Ecke noch Arbeit wartete – „viel zu tun“.

Ich hatte es mir deshalb dreimal überlegt, ob ich ihm noch ein Bitte aufhalsen dürfe, als im Herbst 2011 die junge Occupy-Bewegung hohe Wellen schlug: einen Artikel für das »Friedensgutachten« zu schreiben über »Politik aus dem Netz und von der Straße«. Er hatte gezögert, nicht wegen Arbeitsüberlastung, sondern aus Angst, ob er denn „für sowas der Richtige“ sei. Wer denn sonst?? In der gemeinsamen Arbeit an dem Text lernte ich Mani nochmal neu und tiefer kennen: den klugen, differenzierenden Denker und uneitlen Zweifler, der uns nicht nur mit eigenen Schreibhemmungen und Erkenntnisgrenzen konfrontierte, sondern umgetrieben wurde von der Frage, was denn akademische Analyse einerseits und politische Bewegung andererseits miteinander – oder notfalls nebeneinander – für Frieden und Demokratie bewirken können. Im Globalisierungsschock der Finanzkrise erkannte er eine neue Qualität der Herausforderung, auch für den »alten« Pazifismus: „ […] Joachim Gauck mag Occupy Wallstreet ‚unendlich albern‘ finden, die Politik ist aber gut beraten, die Empörten in ihren jeweiligen Anliegen wie in dem allen gemeinsamen Anspruch auf mehr Teilhabe an Entscheidungsprozessen ernst zu nehmen. Auch die Wissenschaft hatte die neue Dynamik der globalen Proteste nicht antizipiert. Sie sollte genauer hinsehen, welche Prozesse zu welchem Protestpotenzial führen, und ihre Analyseanstrengungen verstärkt auch in den Dienst der Bürgerproteste stellen […] Soziale Bewegungen als fünfte Kraft im demokratischen Gefüge der Republik und nicht als fünftes Rad am Wagen.“ 1

Es lohnte sich, mit dem Macher und Moderator von Bewegung in die Tiefe zu diskutieren – beim Wein, bei seiner legendären Martinsgans oder beim Connemara Seafood Chowder. Der November mit seinen grauen Nebeln war eine geeignete Zeit dafür.

Ich schreibe diesen Nachruf in Irland, an dem Ort, der auch für Mani und seine Luise ein spezieller Ort des Weiterdenkens und der Entspannung geworden war. Hier kann man es besonders gut spüren: DU BIST NICHT TOT, MANI! Wir sehen uns.

Anmerkung

1) Manfred Stenner (2012): Politik aus dem Netz und von der Straße – Bewegung für eine demokratischere und friedlichere Welt? In: Bruno Schoch, Corinna Hauswedell, Janet Kursawe, Margret Johansen (Hrsg.): Friedensgutchten 2012. Münster: LIT, S.168-180.

Corinna Hauswedell

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2014/3 Die Kraft der Künste, Seite 70