W&F 2018/3

Militär und Männlichkeit

Die Funktion militärischer Männlichkeitsmythen

von Sarah Steube

Das Militär ist eine vergeschlechtlichte Institution, in der Männlichkeit eine zentrale Rolle bei der Selbstkonstitution spielt. Dabei ist eine bestimmte Form von Männlichkeit im Rahmen des Militärs institutionalisiert und mystifiziert, um dessen Strukturen zu stützen. Diese können auch im Kontext hegemonialer Macht gesehen werden, da das Militär als staatliches Organ mit Gewaltmonopol eine Machtfunktion innehat. Auch in der Faszination des Militärs im zivilen Kontext, die sich in der popkulturellen Verarbeitung der Thematik oder in der Aneignung militärischer Muster zeigen, spielen die Faktoren Macht und Männlichkeit eine wichtige Rolle.

Männlichkeit im Militär soll hier in mehreren Aspekten beleuchtet werden: der Rolle des Körpers, der Integration von Frauen in das Militär und der Auswirkung militärischer auf zivile Fantasien von Männlichkeit. »Männlichkeit« und »Weiblichkeit« werden in diesem Kontext weniger als grundlegende Unterschiede zwischen Männern und Frauen verstanden, sondern als Eigenschaftskomplexe, die die Zuschreibung klassisch weiblichen oder klassisch männlichen Verhaltens enthalten. So wäre zum Beispiel auch ein weiblicher Mann möglich, der sehr fürsorglich und emotional ist und somit weiblich besetzte Eigenschaften ausagiert. Weiblichkeit wird dabei als gefühlvoll, irrational, empathisch und schwach gesehen, während Männlichkeit als stark, rational und affektkontrolliert gilt, aber auch die Zuschreibung einer stark triebhaften Sexualität bekommt. Dabei folge ich einer dekonstruktivistischen Form der Kritik (Thomas 2011), die ich im Kontext des Militärs, dem viele implizite und naturalisierte Normen zugrunde liegen, als sinnvollste Kritikform erachte, da Kritik sonst letzten Endes systemimmanent bleibt.

Mythos um Körper und Männlichkeit

Der Körper spielt eine besondere Rolle, wenn man von Männlichkeit im Militär spricht. Er dient nicht nur der bloßen Erledigung der Aufgaben, sondern steht im Zentrum von Mythen über die Überwindung der Natur und die Bezwingung »weiblicher« Gefühle. Es ist ein Körper unter absoluter Kontrolle, der gestählt wird und großen Belastungen ausgesetzt ist, sowohl von außen als auch von innen, Letzteres z.B. durch die Bekämpfung von Anflügen von Schwäche, wie Angst oder Zögern (Szczepaniak 2010).

Auch der Drill im Rahmen der militärischen Ausbildung ist körperlicher Art. Der Körper wird dazu trainiert, Befehle auszuführen und in Extremsituationen zu gehorchen. Dies funktioniert vor allem durch eine ständige Überforderung, die wenig Raum für eigenständiges Denken lässt (Euskirchen 2005). Es bleibt keine Zeit, Befehle zu reflektieren und über deren Sinnhaftigkeit nachzudenken. Über den Körper wird so auch der Geist diszipliniert, da dieser sich dem Körper unterordnen muss. Sowohl offizielle als auch inoffizielle Rituale führen dazu, die Individuen zu einem »Körper«, der gemeinsam denkt und handelt, zu verschmelzen. Die Soldaten*innen werden soweit normiert, dass sie sich dem Zweck des Militärs optimal unterordnen lassen. Hierzu trägt auch die Uniformierung und die Fortbewegung im Gleichschritt bei. Diese Körperhaftigkeit ist eine explizit männliche.

Frauen im Militär können nicht ohne weiteres mit diesem Körper verschmelzen, da sie in ihrer Weiblichkeit als Störfaktor in der männlich strukturierten Organisation wahrgenommen werden. Eine Frau als Soldatin widerspricht dem Bild der Frau als schützenswertes, zerbrechliches Objekt. Zudem gefährdet die Sexualisierung der Frauen im Einsatz die als ungeschlechtlich geltenden Werte der Kameradschaft, in deren Kontext auch die Tabuisierung von Homosexualität verortbar ist. Unterschiede zwischen den Geschlechtern werden häufig auf den Körper bezogen: Frauen dürfen z.B. lange Haare tragen, da eine Frau mit militärisch kurzem Haarschnitt dem Ideal von Weiblichkeit nicht entsprechen würde, obwohl praktische Gründe im Einsatz gegen diese Richtlinie sprechen (Dittmer 2009).

Frauen im Militär – Darstellung auf YouTube

Durch die Öffnung des Militärs für Frauen muss sich das Militär nun nicht mehr nur den weiblich besetzten Eigenschaften seiner männlichen Mitglieder stellen, sondern auch der Aufgabe, Frauen in ein männliches System einzugliedern, was die selbstkonstituierte Männlichkeit des Militärs zusätzlich herausfordert. Wenn Frauen den Soldatinnenberuf ergreifen, stören sie dieses Prinzip und irritieren naturalisierte Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit. Dabei verändern sich auch die Diskurse, und neue Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit gewinnen an Bedeutung, zum Beispiel der »Beschützerinstinkt« der Männer gegenüber Frauen, der vor der formalen Integration von Soldatinnen in das Militär keine Relevanz besaß (Apelt 2015).

Die Strategien von Frauen, mit Männlichkeit und Weiblichkeit umzugehen, sollen im Folgenden am Beispiel von zwei Soldatinnen in der Episode »Frauen-Power« der Bundeswehr-Reihe »Mali« auf YouTube aufgezeigt werden. Hier zeigen sich die Rollen, die Frauen innerhalb des Militärs einnehmen, so, wie sie von der Bundeswehr selbst dargestellt werden (Bundeswehr Exklusive 2017).

Die erste der beiden Frauen beschreibt sich in ihrer Unterstützungsrolle und hebt spezifisch weibliche Qualitäten hervor: „Also ich hab mir sagen lassen […], es ist angenehm, eine Frau dabei zu haben, da ich immer ein offenes Ohr für meine Kameraden habe. Deswegen finds ich als Frau tatsächlich auch wichtig, da dabei zu sein.“ (Hauptfeldwebel Christiane, Air Marshall, 3:20) Die zweite Soldatin schlägt einen anderen Weg ein, indem sie sich explizit aller Weiblichkeit entledigt und sich somit eine männliche Identität als Soldat aneignet, die von den anderen als gleichwertig akzeptiert werden kann. „Wenn die Männer feststellen, dass man ein Soldat ist, dann wird man auch akzeptiert.“ (Hauptfeldwebel Pauline, Gruppenführerin Luftumschlaggruppe, 3:41) Hierbei soll auch die Resonanz der YouTube Zuschauer*innen nicht unerwähnt bleiben: Das Verhältnis zwischen »Likes« und »Dislikes« war im Verhältnis zu anderen Filmen der Reihe deutlich zugunsten der »Dislikes« verschoben. Bei den Fans der Reihe scheinen Frauen im Militär also ein Thema zu sein, das negativ konnotiert ist. Auch gab es Kommentare, die der Bundeswehr die Absicht unterstellten, die »natürlichen« Eigenschaften von Männern und Frauen zu leugnen.

Sowohl die Soldatinnen als auch die Kommentator*innen naturalisieren Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Dabei spielt die Körperlichkeit eine große Rolle. Der weibliche Körper wird dabei als eine potenzielle Schwachstelle gesehen, die bei einem Einsatz ein Hindernis darstellt. In Mythen werden Frauen vor allem als Daheimgebliebene charakterisiert, um die sich der Soldat sorgt (Szczepaniak 2010). Die Sorge, eine »weibliche« Eigenschaft, wird dabei als etwas dargestellt, das zugunsten männlicher Stärke und Tatkraft überwunden werden muss. Die Vorstellung von Männlichkeit als stark und rational dient so als Schutzmechanismus gegenüber der eigenen Emotionalität. Durch deren Tabuisierung werden viele Aufgaben der Soldatinnen und Soldaten in einem Einsatz überhaupt erst möglich. Sich in Lebensgefahr zu bringen, andere Menschen zu verletzen oder zu töten passt nicht zusammen mit weiblichen Eigenschaften, wie Empathie oder Hilfsbedürftigkeit. Hier erweisen sich männliche Mythen, wie Heldentum und Ehre, als funktionaler, um die notwendige Überwindung eigener Affekte und Wünsche zu ermöglichen. Dies dient auch der Unterordnung des Individuums unter die Institution Militär. Aus der Abwertung von Intuitionen und Emotionen folgt ein Rückbezug auf durch das Militär institutionalisierte Wahrheiten und ein sukzessiver Abbau eigenständigen Denkens. Das Weibliche kann im Militär auch nach der Integration von Frauen keinen dem Männlichen gleichwertigen Platz einnehmen, da es die Funktionalität dieser Institution untergraben würde.

Männlichkeitsmythen: Heldentum und Schwäche

Viele Männlichkeitsmythen haben ihren Ursprung im Militär und beziehen sich auf eine Form der Kriegsführung, in der »Mann gegen Mann« gekämpft wird. Dies wird zum Beispiel greifbar in Filmen, wie »Der Soldat James Ryan« oder »American Sniper«, der Kämpfe gegen kleinere gegnerische Gruppen zeigt. Während die Gegner zum Teil mit unlauteren Mitteln kämpfen (z.B. Kinder und Frauen instrumentalisieren), haben die eigenen Soldaten in der filmischen Darstellung einen hohen Kriegsethos und fühlen sich ihrem Vaterland und ihren Kameraden verpflichtet. Die technologisierten Kriege der Neuzeit, in denen vermehrt mit Drohnen gekämpft wird, entsprechen dagegen nicht dem Männlichkeitsbild des tapferen Soldaten (Spreen 2010), da die Körperlichkeit des Männerkultes auch mittels der drohenden Zerstörung des Körpers durch den Tod konstituiert wird.

Soldaten, die sich dieser drohenden Zerstörung entziehen oder angesichts der Gefahr Schwäche zeigen, wird ihre Männlichkeit abgesprochen. So wurden im Ersten Weltkrieg Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung bei einfachen Soldaten im herrschenden Diskurs als männliche Form von Hysterie – einer sehr weiblich besetzten psychischen Störung – diagnostiziert. Höhere Offiziere dagegen bekamen die Diagnose »Neurasthenie«, die einen edlen Charakter beschreibt, der sich überarbeitet hat (Lamott und Lempa 2011) – neben Genderaspekten wirkt hier auch eine Dualität aufgrund von Klassenzuschreibungen. Durch diesen Ausschluss von Soldaten, die nicht dem Ideal entsprechen, bleibt das Bild von militärischer Männlichkeit intakt. Bei Offizieren hingegen kommt es zu einer Umbewertung der Symptome als von äußeren Faktoren verursacht, sodass die Männlichkeit des Militärs nicht torpediert wird.

Durch die Heroisierung kriegerischer Handlungen, insbesondere des Todes, werden auch die eigentlichen strukturellen Gewaltstrukturen verschleiert. Der Kampf für das Vaterland war insbesondere in vergangenen Kriegen eine abstrakte Bezugsstruktur, an der Handlungen ausgerichtet waren. In neuen Kriegen, in denen zumindest formal humanitäre Gründe im Vordergrund stehen, wird das Militär stattdessen als Held zur Rettung der lokalen Bevölkerung inszeniert. Beide Bezugsstrukturen werden innerhalb des Militärs kaum genauer beleuchtet oder in ihrer Legitimität angezweifelt. Das edle Gemüt der eigenen Soldat*innen kann nur am Anderen konstituiert werden, wenn die Anderen den Tod verdient haben, entweder aufgrund von Taten gegenüber dem Vaterland der Soldaten oder gegenüber einer unschuldigen Zivilbevölkerung. In Kriegsfilmen bleibt dieses Andere gesichtslos, anders als die eigenen Soldat*innen, die auch in Momenten gezeigt werden, in denen sie Angst oder Sehnsucht nach ihrer Familie zeigen und diese zugunsten des Kampfes beiseite schieben. Gerade diese Überwindung der eigenen Schwäche und Weiblichkeit zugunsten männlicher Werte, wie Kameradschaft, ist der Kern des männlichen Mythos, da sie Affektkontrolle selbst in Extremsituationen beweist.

Verflechtung von zivilen und militärischen Männlichkeitsmythen

Die Vermischung von Militärischem und Zivilem in der popkulturellen Verarbeitung gilt auch für Gender-Aspekte. Während Soldaten zu Helden stilisiert werden, nehmen Frauen in diesem Kontext hauptsächlich unterstützende Rollen ein, die ihre Weiblichkeit unterstreichen (Thomas 2009). Dabei stellt die popkulturelle Verarbeitung der Thematik Militär eine Projektionsfläche für Wünsche und Sehnsüchte dar. Gerade weil zum Teil auch Ressourcen des Militärs in die Produktion einfließen, zeigen Filme nicht die Realität eines Einsatzes, sondern eine romantisierte Version davon (Thomas 2009). Mitunter werden Filme und Spiele (z.B. »Americas Army«) vom Militär gezielt zu Rekrutierungszwecken auf den Markt gebracht, oder es werden zumindest durch die Kontrolle von Ressourcen die Inhalte mit beeinflusst. Die Hauptcharaktere sind dabei meist männlich; steht ein weiblicher Charakter im Fokus, wie zum Beispiel bei dem beliebten Spiel »Tomb Raider«, ist dieser meist sehr sexualisiert und wäre technisch gesehen aufgrund unpassender Ausstattung nicht für einen Kampfeinsatz geeignet – Lara Croft trägt bei ihren Einsätzen kaum mehr als Unterwäsche. Während bei männlichen Hauptcharakteren der Fokus also auf einer eher der Realität entsprechenden Darstellung des Soldaten liegt, wird bei weiblichen Charakteren die Imagination eines realitätsgetreuen Spielerlebnisses zugunsten einer sexualisierten Darstellung durchbrochen. Die popkulturelle Verarbeitung der Thematik Militär bietet somit nicht nur Deutungsangebote bezüglich der Bewertung des Einsatzes an sich und der Rolle des Militärs, sondern auch zu den Geschlechterrollen (Virchow 2010).

Mythen um Soldaten haben somit das Potential, verunsicherte Männlichkeitsvorstellungen zu stärken. Das militärische Männlichkeitsideal, in dem starke Männer die zuhause bleibenden Frauen beschützen, ist durch Spiele und Filme auch für die Zivilgesellschaft zugänglich.

Fazit

Die Form von Männlichkeit, die im militärischen, aber auch im zivilen Kontext das Ideal darstellt, festigt bestehende Machtstrukturen. Durch den Ausschluss abweichender Männlichkeit aus dem Ideal und die Klassifikation als verweiblicht kann das Männlichkeitsbild intakt bleiben. In der totalen Institution, die das Militär darstellt, wird das Ideal von Männlichkeit dazu benutzt, Machtstrukturen zu legitimieren und über die Implementierung von Heldenmythen eine Kritik am Einsatz selbst zu verunmöglichen.

Die Männlichkeit der Institution Militär ist nicht allein auf das Geschlecht ihrer Mitglieder zurückzuführen, weswegen die Öffnung des Militärs für Frauen nicht zu einer stärkeren Akzeptanz weiblicher Eigenschaften führt, jedoch entsteht durch die formale Gleichstellung eine Verschiebung der Diskurse.

Literatur

Apelt, M. (2015): Der lange Abschied von der männlichen Organisation – Geschlechterverhältnisse zwischen Formalität und Informalität am Beispiel des Militärs. In: Von Groddeck, V.; Wilz, S.M. (Hrsg.): Formalität und Informalität in Organisationen. Wiesbaden: Springer VS, S. 215-237.

Bundeswehr Exclusive (2017): Frauen Power Mali Special. Verfügbar unter: youtube.com/watch?v=kKdRAQh_hNY.

Dittmer, C. (2009): Gender Trouble in der Bundeswehr – Eine Studie zu Identitätskonstruktionen und Geschlechterordnungen unter besonderer Berücksichtigung von Auslandseinsätzen. Bielefeld: transcript.

Euskirchen, M. (2005): Militärrituale – Analyse und Kritik eines Herrschaftsinstruments. Köln: PapyRossa.

Lamott, F.; Lempa, G. (2011): Zwischen Anerkennung und Zurückweisung – Das Kriegstrauma im politischen Kontext. Forum Psychoanalyse, Jg. 27, No. 3., S. 263-277.

Spreen, D. (2010): Die Konstitutionsfunktion des Krieges – Konstitutionstheoretische Zugänge zum Krieg in der deutschen Gegenwartssoziologie. In: Appelt, M. (Hrsg.): Forschungsthema: Militär. Militärische Organisationen im Spannungsfeld von Krieg, Gesellschaft und soldatischen Subjekten. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 107-139.

Szczepaniak, M. (2010): »Helden in Fels und Eis« – Militärische Männlichkeit und Kälteerfahrung im Ersten Weltkrieg. Colloquia Germanica, Jg. 43, No. 1, S. 63-77.

Thomas, T. (2009): Gender Management, Popular Culture And The Military. In: Schubert, R. (ed.): War Isn’t Hell, It’s Entertainment – Essays on Visual Media and the Representation of Conflict. North Carolina: McFarland, S 97-115.

Thomas, T. (2011): Poststrukturalistische Kritik als Praxis der Grenzüberschreitung. In: Thomas, T.; Hobuß, S.; Kruse, M. (Hrsg.): Dekonstruktion und Evidenz – Ver(un)sicherungen in Medienkulturen. Sulzbach/Taunus: Helmer.

Virchow, F. (2010): Militär und Medien. In: Appelt, M. (Hrsg.): Forschungsthema: Militär – Militärische Organisationen im Spannungsfeld von Krieg, Gesellschaft und soldatischen Subjekten. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 107-139.

Sarah Steube ist Studentin der Psychologie und der Transdisziplinären Friedensstudien an der Universität Klagenfurt.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2018/3 Gender im Visier, Seite 10–12