W&F 1988/4

Militarisierungsschub für die Informationstechnik

von Karlheinz Hug

Der Einzelplan 14

Die »Wehrtechnik« begrüßt den »positiven Trend« des 22. Finanzplans der Bundesregierung als »echte Verbesserung der Finanzlage der Bundeswehr«.1 Die Ausgaben des »Einzelplans 14« (Epl.14) sollen um 3,7 % wachsen, die 1988 erstmals gesenkten verteidigungsinvestiven Ausgaben wieder steigen.2 Zwar entfällt der größte Teil der zusätzlichen Mittel auf die Personalausgaben, aber den mit 305 Mio. DM zweitgrößten Teil erhält der Ausgabenbereich Forschung, Entwicklung und Erprobung. Die durch das Auslaufen des MRCA-Tornado-Programms freiwerdenden Mittel aus dem Beschaffungsbereich werden wie in den letzten Jahren in den Bereich der F&E umgeschichtet.

Das Kapitel 1420 des Epl. 14 mit den Ausgaben für Wehrforschung, wehrtechnische und sonstige militärische Entwicklung und Erprobung war jahrelang durch überproportionale Steigerungsraten gekennzeichnet. Dieser Trend wurde zwar 1988 unterbrochen, wird aber 1989 so fortgesetzt, daß der Rückgang von 1988 wieder aufgeholt wird.

Die Ausgaben für das Forschungs- und Technologie-Konzept (F&T-Konzept) in Kapitel 1420 steigen 1989 nicht so stark wie Kap. 1420, aber stärker als die verteidigungsinvestiven Ausgaben. Das Anwachsen der F&T-Mittel um 37 % in den letzten fünf Jahren (bezogen auf die Ausgaben von 1984) zeigt, daß das BMVg der Entwicklung neuer Technologien für die dritte Waffengeneration der Bundeswehr nach wie vor hohe Priorität zuordnet. Dem technologischen Schwerpunkt Informationstechnik wurden in der F&T-Leitlinie 1987 37 % der F&T-Mittel zugewiesen.3 Eine entsprechende Rechnung mit dem Ansatz des Haushaltsentwurfs 1989 ergibt einen Betrag von 319 Millionen DM, die im Rahmen des F&T-Konzepts für Elektronik, Informations- und Kommunikationstechnik ausgegeben wurden.

Tabelle 3 zeigt eine Schätzung des Anteils der Gebiete Elektronik, Informations- und Kommunikationstechnik am Kapitel 1420.4 Für Forschung, Entwicklung und Erprobung in diesen Gebieten will das BMVg unter Kapitel 1420 also schätzungsweise 933 Millionen DM ausgeben. Die Zuwachsrate gegenüber 1988 liegt mit ca. 11 % in der Größenordnung der Zuwachsrate von Kap. 1420. Innerhalb der letzten fünf Jahre ergibt sich eine Zuwachsrate von 50 % (bezogen auf den Schätzwert von 1984 von 620 Mio. DM). Die meisten der zusätzlichen Mittel werden jetzt in die Entwicklung des Jäger 90 gepumpt. Dies wirkt sich schon spürbar auf dem Arbeitsmarkt aus: Die an diesem Milliardenprojekt beteiligten Firmen suchen nach qualifizierten Fachkräften und entziehen diese den zivilen Bereichen.

Mit weiteren Aufwendungen für Betrieb und Infrastruktur von F&E-Einrichtungen (Kap. 1405, 1412) in Höhe von schätzungsweise 72 Mio. DM ergeben sich für den Bereich des BMVg geschätzte Mindestausgaben für militärische Forschung, Entwicklung und Erprobung in den Gebieten Elektronik, Informations- und Kommunikationstechnik in Höhe von 1004 Millionen DM. Bezogen auf die entsprechende Schätzung für 1988 von 910 Mio. DM entspricht dies einer Zuwachsrate von ca. 10,4 %.

Der Einzelplan 30

Der Etat des BMFT, der »Einzelplan 30«, soll 1989 unterproportional um 1,2 % auf 7,65 Mrd. DM wachsen. Hervorstechend ist wie 1988 die Schwerpunktsetzung bei der Weltraumforschung. Die Ausgaben des Kapitels Weltraumforschung und Weltraumtechnik; Luftfahrtforschung (3006) sollen gegenüber 1988 um 10,9 % wachsen. Dies entspricht einem absoluten Zuwachs um 153,9 Mio. DM, einem Betrag, der weit über den zusätzlichen Mitteln des Epl. 30 von 90,6 Mio. DM liegt. Wie im letzten Jahr werden beträchtliche Mittel innerhalb des Epl. 30 in die Weltraumforschung umgeschichtet. Auch das Kapitel Informationstechnik; Fertigungstechnik; Fachinformation (3004) ist wieder von Kürzungen betroffen, wie die Tabelle 4 zeigt.

Ein Vergleich dieser BMFT-Ausgaben mit den in Tabelle 3 abgeschätzten Ausgaben des BMVg (ohne Infrastrukturmaßnahmen) liefert folgende Ergebnisse:

  • Die Ausgaben des BMVg für F&E im Gebiet Elektronik, Informations- und Kommunikationstechnik liegen in derselben Größenordnung wie die des BMFT. Mehr als jede zweite DM der 1,7 Mrd. DM, die die Bundesregierung 1989 für Informationstechnik-F&E ausgibt, wird für unmittelbar militärische Zwecke verwendet.
  • Nachdem die Bundesausgaben für F&E im Gebiet Elektronik, Informations- und Kommunikationstechnik jahrelang überproportional gewachsen und 1988 gesunken sind, wachsen sie nun wieder schwach.
  • Die 25 Mio. DM, die der Bund in diesem Bereich 1989 mehr ausgeben will, fließen zum BMVg, und zusätzlich werden 67 Mio. DM vom BMFT zum BMVg umgeschichtet. Da der BMFT-Anteil sinkt und der BMVg-Anteil wächst, wird der jahrelange Trend zur Verstärkung des Anteils der für unmittelbar militärische Zwecke eingesetzten Mittel 1989 forciert.

Faßt man die auf Grundlagenforschung bezogenen Ausgaben des Kapitels 3004 zusammen und läßt die auf zivile Anwendungen orientierten Ausgaben aus, so ergibt sich ein Betrag von 555 Mio. DM (1987: 592 Mio. DM, 1988: 571 Mio. DM). Die Kürzungsrate gegenüber 1988 von 2,7 % liegt unter der von Kap. 3004 insgesamt. Das bedeutet, daß der Anteil der Grundlagenforschung vergrößert und vor allem bei der auf zivile Anwendungen orientierten F&E gekürzt wird. Innerhalb der letzten fünf Jahre ergibt sich noch ein Anstieg von ca. 15 % (bezogen auf die Ausgaben von 1984 von 485 Mio. DM).

Fazit

Der Bundeshaushalt 1989 bestätigt, daß die Regierung trotz INF-Vertrag und alledem ihren alten Militarisierungskurs beibehält. Lediglich das Tempo der militärischen F&E-Vorhaben für die Aufrüstung in den 90er Jahren unterliegt gewissen Schwankungen, vor allem aufgrund der finanzpolitischen Randbedingungen, aber auch wegen technischen und organisatorischen Problemen. Das BMVg versucht, den Betrieb der Bundeswehr zu sichern, nutzt aber den sich 1989 bietenden finanziellen Spielraum, um militärische Forschung, Entwicklung und Erprobung zu verstärken. Das Beste am Rüstungsetat ist noch, daß „1989 kein neues Entwicklungsvorhaben begonnen werden wird“.5 Das BMFT trägt mit dem Pushen der durchweg militärisch relevanten Weltraumforschung dazu bei, F&E von ziviler Zweckbestimmung wegzuorientieren. Die laufenden militärischen F&E-Programme – insbesondere den Jäger 90 – zu stoppen und die militärische Deformation der Weltraumforschung zu verhindern, bleibt weiterhin die Aufgabe der friedensorientierten Kräfte.

Tabelle 1: Forschung, Entwicklung und Erprobung (Kap. 1420)
Haushaltsjahr Ansatz (Mio. DM) Steigerung zum Vorjahr Anteil am Epl. 14
1987 Soll 2787,0 + 8,0 % 5,5 %
1988 Soll 2736,3 - 1,8 % 5,3 %
1989 Entwurf 3039,8 + 11,1 % 5,7 %
Quellen: (EBH88, Epl. 14), (EBH89, Epl.14), eigene Berechnungen
Tabelle 2: Forschungs- und Technologie-Konzept (Anteil von Kap. 1420)
Haushaltsjahr Ansatz (Mio. DM) Steigerung zum Vorjahr Anteil am Epl. 14 Anteil am Kap. 1420
1987 Soll 835,4 + 10,5 % 1,6 % 30,0 %
1988 Soll 846,8 + 1,4 % 1,6 % 30,9%
1989 Entwurf 862,8 + 1,9 % 1,6 % 28,4%
Quellen: (EBH88, Epl. 30), (EBH89, Epl. 30), eigene Berechnungen
Tabelle 3: Militärische F&E in Elektronik, Informations- und Kommunikationstechnik (Teil von Kap. 1420)
Zweckbestimmung (Titel) Schätzwert Betrag (Mio. DM)
1987 Ist 1988 Soll 1989 Entwurf
Wehrtechnische Forschung (551 01) 25 % 16,0 16,5 17,0
Wehrtechnische Entwicklung und Erprobung (551 11) 30 % 550,7 519,0 547,5
Entwicklung des Kampfflugzeugs MRCA (551 16) 30 % 54,0 53,4 48,0
Wehrtechnische Entwicklung und Erprobung von Führungssystemen (551 17) 100 % 130,0 130,0 132,0
Entwicklung des Jagdflugzeugs 90 (551 18) 30 % 92,5 105,0 171,0
Forschungsgesellschaft für Angewandte Naturwissenschaften e.V. (FGAN) Bonn (Tgr. 03, 685 31, 893 31) 42 % 16,0 16,7 17,2
Summe (Mio. DM) 859,2 840,6 932,7
Steigerung zum Vorjahr (%) + 10,9 - 2,2 + 11,0
Quelle: (EBH89, Epl. 14), eigene Berechnungen
Tabelle 4: Informationstechnik; Fertigungstechnik;
Fachinformation (Kap. 3004)
Haushaltsjahr Ansatz (Mio. DM) Steigerung zum Vorjahr Anteil am Epl. 30
1987 Ist 849,8 + 1,3 % 12,4 %
1988 Soll 820,5 - 3,4 % 10,8 %
1989 Entwurf 753,4 - 8,2 % 9,8 %
Quellen: Wehrtechnik 8/87 und 9/88, eigene Berechnungen
Tabelle 5: Ausgaben des Bundes für F&E in Elektronik, Informations- und Kommunikationstechnik
1988 Soll 1998 Entwurf Steigerung
Anteil (Mio. DM) Anteil (Mio. DM) zum Vorjahr
Ausgaben des BMVg 50,6 % (841) 55,3 % (933) + 11,0 %
Ausgaben des BMFT 49,4 % (820) 44,7 % (753) - 8,2 %
Gesamtausgaben des Bundes 100,0 %(1661) 100 % (1686) + 1,5 %

Anmerkungen

1 W. Flume: Verteidigungshaushalt 1989: Trendwende. Wehrtechnik Nr. 8, 1988. Zurück

2 Zahlenangaben aus: Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1989, Deutscher Bundestag, Drucksache 11/2700 und Anlagen dazu, Bonn, 12.08.1988; hier kurz: (EBH89). Zurück

3 E. Heckmann: Deutsch-amerikanische Rüstungszusammenarbeit. Wehrtechnik Nr. 2, 1987. Zurück

4 Das Schätzverfahren wurde bereits in vorjährigen Untersuchungen verwendet, bzgl. der zugrundegelegten Annahmen siehe Informationsdienst Wissenschaft & Frieden Nr. 4, 1987; Betrifft: Rüstung 88/89. ZMF, Frankfurt M., 1988 Zurück

5 W. Flume, a.a. O. Zurück

Karlheinz Hug ist Informatiker an der THDarmstadt, Mitglied im FIFF.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1988/4 Die neue nukleare Aufrüstung: Großbritannien und Frankreich, Seite