Nachhaltige Abrüstung umfaßt alle Kernwaffenmaterialien
Zum Produktions- und Nutzungsstopp waffengrädiger Materialien*
von Martin Kalinowski • Wolfgang Liebert
Die Verbreitung von Atomwaffen und die weltweiten zivilen Nuklearprogramme stehen in einem Zusammenhang, denn die zentrale Voraussetzung für den Bau von Kernwaffen ist der Zugriff auf ausreichende Mengen an spaltbaren Materialien. Diese finden auch in zivilen Nuklearprogrammen Verwendung oder werden dort produziert. Von besonderer Bedeutung sind hier Plutonium und hochangereichertes Uran (HEU – highly enriched uranium).
In den letzten Jahren wird besonderes Augenmerk auf die Waffenmaterialien gerichtet, die aus der Reduktion der Atomwaffenarsenale der USA und GUS frei werden. Das langfristig wichtige Problem betrifft aber genauso die waffengrädigen Materialien im zivilen Bereich. Eine nachhaltige Abrüstung muß auch diese Materialien in einen Produktions- und Nutzungsstopp mit einbeziehen.
Waffengrädige Materialien weltweit
Zur Zeit sind weltweit über 400 Kernreaktoren mit einer elektrischen Leistung von mehr als 300 Gigawatt in Betrieb. Dies macht eine jährliche Anreicherungskapazität von größenordnungsmäßig 10.000 Tonnen schwach angereicherten Urans notwendig. Etwa 70 Tonnen Plutonium werden jährlich in diesen zivilen Leistungsreaktoren produziert.1 Die Überwachungsmaßnahmen der IAEO reduzieren sicherlich die daraus erwachsende Problematik erheblich. Aber nur etwa die Hälfte des bislang produzierten sogenannten Reaktor-Plutoniums (bis heute mehr als 950 Tonnen), das gleichwohl waffenfähig ist2, steht unter Safeguards. Wird es aus dem nuklearen Abfall mit chemischer Wiederaufarbeitungstechnologie abgetrennt (bislang etwa 190 Tonnen, also ein Fünftel), steht dieses Plutonium im Prinzip auch für Kernwaffen zur Verfügung. Das abgetrennte Plutonium wird größtenteils zunächst gelagert, verbunden mit der Option einer späteren Wiederverwertung im nuklearen Brennstoffkreislauf. Vielfältige Abzweigungsmöglichkeiten für Waffenzwecke ergeben sich daraus.
Die Größenordnung dieses für Kernwaffen verwendbaren Reaktorplutoniums wird besonders deutlich, wenn man es vergleicht mit den insgesamt etwa 270 Tonnen Plutonium, die in den Kernwaffenarsenalen der Welt stecken. Das derzeit existierende Reaktorplutonium entspricht rund 120.000 signifikanten Mengen, aber es könnten sicherlich viermal so viel Kernwaffen daraus hergestellt werden, als zur heißesten Phase des Kalten Krieges stationiert waren. Es wird damit gerechnet, daß knapp nach der Jahrhundertwende, die in abgetrennter Form gelagerten »zivilen« Plutoniummengen die militärischen überschreiten werden.
Die dramatische Verschärfung der Situation in unserem Land wird besonders deutlich angesichts der Tatsache, daß in den nächsten Jahren tonnenweise Plutonium aus Wiederaufbereitungsanlagen in Frankreich und Großbritannien nach Deutschland zurücktransportiert werden soll. Die jährliche Rückführung von Plutonium aus der Wiederaufarbeitung soll auf das zehnfache bisheriger Mengen erhöht werden. Erwartet werden 5 Tonnen pro Jahr ab 1995, ohne daß dieses Plutonium verarbeitet werden könnte. Der Betrieb der alten Anlage zur Fertigung von Mischoxidbrennelementen (MOX) in Hanau ist von Siemens endgültig eingestellt worden. Ein Ende des Streits um die Betriebsgenehmigung für die Neuanlage ist nicht in Sicht. Der derzeitige Bestand des Plutoniumlagers in Hanau von mehr als 2 Tonnen würde erheblich anwachsen.
Ganz ähnlich ist die Situation in vielen anderen Ländern auch. Der historische Grund für die neu installierten oder noch in Bau befindlichen Wiederaufarbeitungskapazitäten war eine umfangreiche kommerzielle Nutzung von Plutonium in Schnellen Brutreaktoren. Bis auf Forschungsprogramme in Frankreich, Japan und Rußland sind alle diesbezüglichen Aktivitäten eingestellt oder nie aufgenommen worden. Durch den Einsatz von MOX Brennelementen in Leichtwasserreaktoren könnte nur wenig von dem frisch abgetrennten Plutonium verarbeitet werden. Überdies wird erwartet, daß die deutsche Atomwirtschaft aus wirtschaftlichen Überlegungen gänzlich aus der Plutoniumnutzung aussteigen wird. Dies wird wahrscheinlicher, nachdem die Änderung des Atomgesetzes im Jahre 1994 den Verzicht auf Wiederaufarbeitung zugunsten einer direkten Endlagerung von abgebrannten Brennelementen ermöglicht. Solange die noch über Jahre laufenden Verträge mit den Wiederaufarbeitungsanlagen in Sellafield und La Hague aber nicht gekündigt werden, werden die Lager an separiertem Plutonium zu einem gigantischen Überschuß heranwachsen. Damit würden die Gefahren durch das jederzeit direkt für Atomwaffen einsetzbare Material erheblich steigen.3
Die Verwendung von hochangereichertem Uran (HEU) im zivilen Bereich spielt kaum noch eine große Rolle. Allerdings könnten existierende Urananreicherungsanlagen, von denen nur die Hälfte von der IAEO überwacht werden, theoretisch auch HEU produzieren. Demgegenüber haben die fünf Kernwaffenstaaten insgesamt mehr als 2000 Tonnen HEU für militärische Zwecke hergestellt. Sie sind in der Vergangenheit die fast alleinigen Produzenten von ca. 70 Tonnen HEU für den zivilen Markt im In- und Ausland gewesen. Seit Anfang der 80er Jahre gibt es eine internationale Initiative zur Reduktion der Produktion und Verwendung von HEU. Im zivilen Bereich wird HEU heute ausschließlich für Forschungsreaktoren verwendet, zur Zeit noch etwa 150 mit einem Jahresbedarf von insgesamt etwa ein bis zwei Tonnen. Viele Reaktoren wurden bereits auf die Verwendung nicht waffentauglichen niedrigangereicherten Urans (LEU – low enriched uranium) umgestellt, bei Nutzung speziell entwickelter hochdichter Brennstoffe. Somit ist eine HEU-Nutzung für Forschungsreaktoren im Prinzip obsolet geworden.
Der Bau des in Planung befindlichen neuen deutschen Forschungsreaktors FRM II in Garching wäre weltweit der erste Forschungsreaktor dieser Größenordnung, der seit Anfang der achtziger Jahre mit HEU als Brennstoff konzipiert wurde. Dies wäre das falsche Signal und ein Rückschlag für die internationalen Konversionsprogramme von HEU auf LEU4. Die Verwendung der neu entwickelten hochdichten Brennstoffe unter Verwendung von HEU wäre eine Zweckentfremdung, da diese gerade für die Konversionsbemühungen entwickelt wurden. Hier würde in eine bislang geachtete Tabuzone eingedrungen. Ein neuer HEU-Reaktor wäre ein unerwünschtes Modell für andere Staaten, die Forschungsprogramme unter Verwendung von waffentauglichem Uran als Teil verdeckter Kernwaffenprogramme durchführen könnten. Andernfalls, bei der Verwehrung der Nutzung derselben Technologie durch andere, würde der berechtigte Vorwurf der Diskriminierung zwischen Kernwaffenstaaten, hochentwickelten Industrieländern, Schwellenländern und Entwicklungsländern erhoben, der schon seit Jahrzehnten die internationlen Nichtverbreitungsbemühungen erschwert.
Die Atomwaffenrelevanz von Tritium ist bisher kaum wahrgenommen worden.5 Nachdem das neu gebaute Tritiumlabor in Karlsruhe das erste Gramm Tritium aus Kanada erhalten hat, muß dieses Material stärker beachtet werden. Insgesamt soll Karlsruhe 100 Gramm erhalten, genug für 30 bis 50 Atomwaffen. Die EURATOM übernimmt die Überwachung des Tritiums.
Lösen Safeguards das Problem?
Die aktuellen Gefahren der Weiterverbreitung von Kernwaffen (horizontale Proliferation) sind unübersehbar und müssen ernst genommen werden. In vielen Ländern der Welt sind technische Voraussetzungen für den Bombenbau jederzeit abrufbar, insbesondere was die prinzipielle Möglichkeit des Zugriffs auf waffengrädiges Nuklearmaterial anbetrifft.
Hier kommt das Überwachungs- oder Safeguards-System der IAEO zum Zuge. Gemeinhin wird angenommen, diese seit 1957 aktive, in Wien ansässige Behörde könne den rein zivilen Charakter weltweit betriebener nicht-militärischer Atomprogramme garantieren. Allerdings sieht sich die IAEO selbst nicht in der Rolle einer Art »Nuklearpolizei«. In ihrem Selbstverständnis will sie lediglich dafür Sorge tragen, daß die Abzweigung von für signifikant gehaltenen Mengen von Nuklearmaterial aus dem zivilen Brennstoffkreislauf in für angemessen gehaltenen Entdeckungszeiträumen detektiert werden kann. Dies ist zunächst eine realistische Einschätzung ihrer Möglichkeiten, die mehr auf dem gegenseitigen Vertrauen der Nukleartechnologie nutzenden Länder basiert als auf »harten« Kontrollen.6 Die Fähigkeiten der IAEO waren und sind zu den Nukleartechnologie nutzenden Staaten institutionell, gemäß der IAEO Statuten, aufgrund diplomatischen Kalküls und bedingt durch das Grundverständnis der IAEO. Ein besonderes Hindernis dabei ist die Doppelrolle der IAEO als Promotor und »Überwacher« der Kernenergie. Gemäß ihres Selbstverständisses konnte die IAEO beispielsweise auch die jahrelangen Bemühungen des Irak in seinem verdeckt geführten Kernwaffenprogramm nicht wahrnehmen, wo die Inspekteure der Kontrollbehörde über Jahre quasi in dienstlichem Auftrag mit Blindheit geschlagen waren und nicht sehen durften, was sie durchaus hätten sehen können.7
Die Praxis der IAEO-Safeguards weist viele Schwachstellen auf.8 In der Vergangenheit war die Arbeit der IAEO unzureichend in Anbetracht der zu lösenden Problemstellungen.
Maßnahmen zur Stärkung der Bemühungen zur Eindämmung der horizontalen und latenten Proliferation sind dringend erforderlich.9
Ein wesentlicher Schwachpunkt der Safeguardsmaßnahmen drückt sich darin aus, daß nur die Hälfte aller Nuklearanlagen weltweit von den Safeguards erfaßt sind, obwohl fast alle Länder der Welt dem NVV mittlerweile beigetreten sind. Dieses Mißverhältnis liegt zum Teil daran, daß einige kritische Länder wie die de-facto Kernwaffenstaaten Indien, Israel und Pakistan dem NVV nicht beigetreten sind. Der Hauptgrund ist allerdings, daß die zivilen Anlagen in Kernwaffenstaaten nicht überwacht werden. Freiwillig zugestandene entsprechende Kontrollen bei den fünf etablierten Atommächten sind bisher rein symbolischer Art. Die Kernwaffenstaaten haben ihre Abrüstungsverpflichtungen aus dem Artikel VI des NVV bisher in unbefriedigender Weise erfüllt.
Die prinzipielle Schwäche des gängigen Safeguardskonzeptes tritt aber unweigerlich bei allen sogenannten bulk-handling facilities auf10, also Anlagen, in denen waffengrädige Materialien in separierter Form gehandhabt werden. Dies sind insbesondere Plutoniumbearbeitungs- und -verarbeitungs-Anlagen, also Wiederaufarbeitungsanlagen und Brennelementwerke unter Verwendung von Plutonium-Uran-Mischoxid (MOX), aber auch Urananreicherungsanlagen. Die Meßungenauigkeiten in diesen Anlagen stoßen an physikalische Grenzen, die prinzipiell eine sichere Überwachung unmöglich machen. Beispielsweise können u.U. aus einer typischen WAA mit Jahresdurchsatz von 800 Tonnen Schwermetall bis zu 30 kg Plutonium entwendet werden, ohne daß die Inspektoren Alarm geben können.
Der Gebrauch von Plutonium in zivilen Nuklearprogrammen wirft also grundsätzlich die Frage der latenten Proliferation auf, da in dieser Weise einige industrialisierte Länder eine Option auf Nuklearwaffen aufrecht erhalten können, auch wenn die politischen Erklärungen heute eindeutig eine andere Sprache sprechen. Auch der dazu notwendige Transport und die Verarbeitung von Plutonium birgt eindeutige Abzweigungsrisiken in sich.
Das Problem der horizontalen und latenten Proliferation drückt sich auch darin aus, daß inzwischen mindestens 19 Länder Zugriff auf mindestens eine der sensitiven Nukleartechnologien Urananreicherung oder Wiederaufarbeitung erreicht haben, die eine Produktion waffenfähiger, spaltbarer Materialien prinzipiell ermöglichen. Sensitive Nuklearanlagen in Verbindung mit größeren Forschungsreaktoren sind in manchen Ländern eher als Indizien für die Ermöglichung von Kernwaffenoptionen zu werten, als daß darin erfolgreiche Grundlagen für größere zivile Nuklearprogramme zu sehen wären.
Eine minimale Konsequenz wäre daher die ausschließliche Verwendung von möglichst proliferationsresistenten Brennstoffkonzepten als conditio sine qua non einer denkbaren Weiternutzung von Kernenergie.11 Proliferationsresistenter als die von der IAEO und (in Europa der EURATOM) überwachte Abtrennung, Verarbeitung, Verwendung und Lagerung von Plutonium wäre es, seine weitere Abtrennung vom Atommüll durch Wiederaufarbeitung zu stoppen und seine Nutzung einzustellen.
Nachhaltige Abrüstung durch Produktions- und Nutzungsstopp
Vorschläge für einen Produktionsstopp waffengrädiger Materialien beziehen sich bislang zumeist auf ein Ende der Produktion für Waffenzwecke12. In Zukunft müssen sich die Kernwaffenstaaten einer ernsthafteren internationalen Kontrolle (Verifikation) unterziehen. Nur so kann der nukleare Abrüstungsprozeß (Umkehrung der vertikalen Proliferation) glaubwürdig und nachhaltig werden und das deklarierte Ziel des NVV erreichen, zu einer vollständigen nuklearen Abrüstung zu gelangen. Die Nichtverfügbarkeit der relevanten Materialien für Kernwaffen muß gesichert werden, um sie dann auf überprüfbare Weise beseitigen zu können bzw. um die nicht-beseitigbaren waffengrädigen oder hochradioaktiven Stoffe international kontrolliert lagern zu können.
Vermeidung jeglichen Zugriffs auf Waffenmaterial
Die international geführten Vorgespräche über mögliche Verhandlungen über einen sogenannten Cut-off-Vertrag beziehen sich allerdings fast nur auf den militärischen Sektor. Damit würden aber lediglich die Gefahren der Neuproduktion im militärischen Sektor angegangen. Ist das Ziel einer Nichtverbreitungspolitik für Kernwaffen die atomwaffenfreie Welt13, muß alles waffengrädige Nuklearmaterial in den Blick genommen werden14. Nur durch die Vermeidung jeglichen Zugriffs auf Waffenmaterialien würde nukleare Abrüstung unumkehrbar gemacht. Dafür sprechen folgende Gründe:
- die militärische Verwendbarkeit ist von den Nuklearmaterialien Plutonium, HEU und Tritium nicht ablösbar;
- das existierende Safeguardssystem der IAEO ermöglicht nur eine unzureichende Überwachung waffengrädiger Materialien im zivilen Bereich;
- die Lagerung und Nutzung großer Mengen waffengrädiger Materialien erhält die Versuchung aufrecht, diese irgendwann für militärische Zwecke einzusetzen;
- solange ein Bedarf für waffengrädige Materialien aufrechterhalten wird, ist eine Abzweigung für Waffenzwecke von nichtautorisierter Seite möglich, insbesondere auch beim Tarnsport und an den vielfältigen Stationen der Materialbearbeitung;
- nur die weltweite Selbstbeschränkung in der Produktion und Nutzung waffengrädiger Materialien kann die gängige unglückliche Praxis einer »Technologieblockade« gegen Staaten, die für nicht vertrauenswürdig gehalten werden, überwinden.
Ein solcher vollständiger Ansatz wäre tatsächlich möglich, da der zivile Bereich dadurch nicht empfindlich beeinträchtigt würde. Es ist inzwischen allgemein anerkannt, daß die Plutoniumnutzung in der zivilen Atomwirtschaft unwirtschaftlich ist. Dies wird für die absehbare Zukunft so bleiben. Zudem gibt es keine Notwendigkeit, weiterhin Forschungsreaktoren mit HEU auszulegen. Alternativen stehen zur Verfügung. Dies zeigt insbesondere auch die Debatte in den USA um die geplante neue Advanced Neutron Source (ANS), die zunächst mit HEU-Nutzung konzipiert wurde, nun aber nach einem Neuplanungstadium unter Verzicht auf HEU ganz gekippt worden ist.
Problem der Beseitigung von Plutonium
Da es derzeit weltweit keine akzeptable Lösung für eine dauerhafte Lagerung von derartigen Abfällen gibt, ist auch keine Lösung dafür greifbar, wie Plutonium aus der Abrüstung dem Zugriff für Kernwaffenaspiranten sicher, kontrollierbar und dauerhaft entzogen werden kann.
Für HEU ist das Problem der Beseitigung besonders eng mit dem Betrieb von Kernkraftwerken verbunden. Es liegt auf der Hand, das HEU mit abgereichertem Uran zu verschneiden und zu Brennelementen zu verarbeiten. Für 500 Tonnen HEU aus Beständen des russischen Militärs gibt es bereits entsprechende russisch-amerikanische Abkommen. Nach der Nutzung der Brennstoffe stellt sich das übliche Entsorgungsproblem.
Bezüglich Plutonium streiten sich die Experten noch, wie am besten eine mögliche militärische Nutzung verhindert werden kann. Soll es in neugebauten Reaktoren – zu MOX unter optimierter Plutuniumverwendung verarbeitet – eingesetzt werden? Soll es in speziell zu diesem Zweck konstruierten und optimierten Schnellen Reaktoren oder Spallationsquellen transmutiert werden oder soll es für eine spätere direkte Endlagerung duch Verglasung konditioniert werden? Keine dieser Alternativen ist technologisch ausgereift und keine ist radioökologisch und sicherheitstechnisch unbedenklich. Vorerst muß jedes abgetrennte Kilo Plutonium als ein technisch ungelöstes Proliferationsproblem angesehen werden. Die beste Übergangslösung zur Eindämmung der Risiken durch latente Proliferation könnte erreicht werden durch eine Internationalisierung von als notwendig erachteten Anlagen und Lagern für Plutonium.
Anmerkungen
*) Dieser Beitrag ist eine gekürzte und leicht überarbeitete Version des Aufsatzes M. Kalinowksi, W. Liebert: Der gefährliche Überfluß an Kernwaffenmaterialien. Wechselwirkung, Band 16, Heft 1 (1995), Seiten 33-37. Zurück
1) Die IAEO hat »signifikante« Mengen von Nuklearmaterialien definiert, die auf Annahmen beruhen, welche Materialmengen für eine Atombombe benötigt werden. So lösen Mengen von 8 Kilogramm Plutonium und 25 Kilogramm HEU bestimmte Formen der Überwachungsmaßnahmen aus. Diese Zahlenwerte liegen relativ hoch, da bereits etwa 10 Kilogramm HEU bzw. 3 Kilogramm Plutonium für eine Bombe ausreichen können, die nicht allzu hohe Ansprüche an das technische Design stellt. Tritium ist bislang gar nicht einbezogen. Grammengen werden typischerweise in einer Kernwaffe benötigt. Zurück
2) E. Kankeleit, C. Küppers, U. Imkeller: Bericht zur Waffentauglichkeit von Reaktorplutonium. IANUS-Arbeitsbericht 2/1989. Zurück
3) Siehe auch C. Küppers, M. Sailer, MOX-Wirtschaft und Proliferationsgefahren, Wissenschaft und Frieden 3/1994, S. 28-30 und 43. Zurück
4) Vergl. Offener Brief betreffend den geplanten Forschungsreaktor FRM-II unter Verwendung von hochangereichertem Uran, Forum Wissenschaft, 11. Jg. 2/1994, S. 20-21. Zurück
5) L. Colschen, M. Kalinowski: Tritium. Ein Bombenstoff rückt ins Blickfeld von Nichtweiterverbreitung und nuklearer Abrüstung. Informationsdienst Wissenschaft und Frieden, Jahrg. 9, Heft 4/1991, Seiten 10-14. Zurück
6) Vergl. hierzu auch L. Scheinman, Die Rolle der internationalen Atomenergiebehörde bei der Nichtweitergabe von Kernwaffen – Eine kritische Beurteilung, HSFK-Report 1/1988. Zurück
7) Vergl. beispielsweise W. Liebert, M. Kalinowski, G. Neuneck: Ist der Irak nuklearwaffenfähig? S + F Vierteljahresschrift für Sicherheit und Frieden, Jahrgang 8 (1990) 176-183. Zurück
8) Vergl. hierzu insbesondere W. Liebert, M. Kalinowski, Stellungnahme zu aktuellen Problemen der nuklearen Non-Proliferation aus naturwissenschaftlicher Sicht, in: Dossier Verbreitung von Atomwaffen, Wissenschaft und Frieden, 11. Jg. 1/1993. Zurück
9) Vergl. hierzu auch Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST), Extending the Non-Proliferation Regime – More Scope for the IAEA?, Nichtverbreitung von Kernwaffen, Arbeitspapier 2, Heidelberg, März 1994; Owen Greene, Verifying the Non-Proliferation Treaty, Verification Technology Information Center (VERTIC), London, Nov. 1992; W. Liebert, M. Kalinowksi: Safeguards und Verifikation der Nichtverbreitung von Kernwaffen. ami – antimilitarismus information 24. Jahrgang, Heft 12, Dezember 1994, 23-33. Zurück
10) Vergl. insbesondere M. Miller, Are IAEA Safeguards on Plutonium Bulk-Handling Facilities Effective?, Nuclear Control Institute, Washington, Aug. 1990. Zurück
11) Vergl. auch W. Liebert, M. Kalinowski, Ambivalenz im Bereich nuklearer Forschung und Technologie, in W. Liebert, R. Rilling, J. Scheffran (Hrsg.), Die Janusköpfigkeit von Forschung und Technik, Marburg: BdWi-Verlag, 1994, S.163-179. Zurück
12) Vergl. F.v. Hippel, B. Levi, Controlling Nuclear Weapons at the Source: Verification of a Cut-Off in Production of Plutonium and Highly Enriched Uranium for Nuclear Weapons, in: K. Tsipis, D. Hafemeister, P. Janeway (eds.), Arms Control Verification – The Technologies that Make it Possible, Pergamon Brassey's, Washington, 1986, S. 338-388. Zurück
13) Vergl. W. Liebert, Wie weiter mit dem Nichtverbreitungsvertrag? – Weg in die kernwaffenfreie Welt oder Eindämmung der Weiterverbreitung mit Fortschreibung der nuklearen Abschreckung?, in: Wissenschaft und Frieden, 12. Jg. Nr.1, 1994, 57-64. Zurück
14) W. Liebert, M. Kalinowski, Proposal for a comprehensive cutoff including civilian weapon-grade material, INESAP Information Bulletin, No.4, Jan. 1995. Zurück
Dr. Wolfgang Liebert und Martin Kalinowski arbeiten als Physiker bei der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Naturwissenschaft, Technik und Sicherheit (IANUS) der TH Darmstadt. Weiterhin sind sie engagiert bei der Arbeit des International Network of Engineers and Scientists Against Proliferation (INESAP).