W&F 2001/3

Nicht der Sieg – der Krieg ist das Ziel

von Jürgen Nieth

Seit über dreißig Jahren ist in Angola Krieg. Die vereinbarten Kampfpausen hielten nie lange. Weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung hatte also nicht einmal die Chance Frieden zu erleben. Aber – wenn auch die Folgen für die Bevölkerung gleich katastrophal sein mögen – der Krieg selbst ist nicht mehr der gleiche wie der in den siebziger Jahren. Am Anfang stand in Angola der Befreiungskampf gegen die portugiesischen Kolonialherren, es folgte der ideologisch motivierte – und im Kalten Krieg von den unterschiedlichen Lagern mit Waffen, Geld und Politik gestützte – Kampf der antikommunistischen Rebellenbewegung UNITA gegen die marxistisch orientierte MPLA-Regierung. Heute sind dem Namen nach die Konfliktparteien immer noch dieselben, doch die Inhalte haben sich grundlegend geändert. Das Kriegsziel mag noch der militärische Sieg über den anderen sein, doch längst geht es nicht mehr um unterschiedliche gesellschaftspolitische Vorstellungen, es geht um Macht und zusätzlichen Ressourcen. Die Einen (UNITA) finanzieren sich und den Krieg aus dem Diamantenhandel und die Anderen (Regierung) aus dem Ölhandel. Vergleicht man die Situation mit der in Moçambique und Guinea-Bissau, die im antikolonialen Befreiungskampf an der Seite Angolas standen, wird sichtbar, dass eigene Rohstoffreserven, in denen früher eine Chance für die Entwicklung gesehen wurde, heute oft kriegsverlängernd wirken.

Sicher, die Bereicherung, der Zugang zu Rohstoffen etc., das waren auch im vergangenen Jahrhundert die herausragenden Kriegsziele – politische, ethische und religiöse Begründungen kaschierten die wahren Hintergründe und dienten nur all zu oft der Herstellung einer Kriegsbereitschaft.

Heute scheint in einigen Konflikten selbst diese Funktion der Politik eine immer geringere Rolle zu spielen. Wenn das »Soldaltsein« die Voraussetzung ist, um etwas zu essen zu bekommen, braucht man sich um Söldner selten Sorgen zu machen (Kinder, die Waffen tragen und bedienen können, sind in vielen Ländern ein zusätzliches – leicht zu handhabendes – Rekrutierungspotenzial). Und wenn Kriegsherren erkennen, dass sie sich vor allem im Krieg schamlos bereichern können, dann entsteht schnell eine Situation, in der nicht mehr der Sieg das Kriegsziel ist, sondern der Krieg selbst zum Ziel wird.

Das ist die Situation in einigen der »Raubökonomien« auf dem afrikanischen Kontinent und das gilt auch für »Drogenökonomien« wie Kolumbien und Afghanistan. Und es sind diese neuen Aspekte der »Ökonomie der Bürgerkriege«, die wir in der vorliegenden Ausgabe von W&F etwas näher beleuchten wollen.

Gleichzeitig geht es um Gegenstrategien, um Möglichkeiten der Eindämmung der Konflikte und der Prävention. Für mich steht dabei fest, dass »Bürgerkriege« mit Militäreinsätzen von außen nicht zu lösen sind. Ein Blick zurück unterstreicht das: Für die riesige Militärmaschinerie der USA endete die Parteinahme in Vietnam genauso in einem Desaster, wie für die Rote Armee der Einmarsch in Afghanistan; während des Bürgerkrieges in Somalia mussten gleich mehrere hochgerüstete Länder erfolglos abziehen und im Kosovo werden wohl auf Jahre Zehntausende NATO-Soldaten stationiert sein, da die Probleme verlagert aber nicht gelöst wurden.

Sicher sind auch die politischen und ökonomischen Möglichkeiten zur Eindämmung dieser Kriege begrenzt. Manche Kriege werden sich erst in einem langwierigen Prozess erschöpfen, andere werden trotz Hilfsangeboten oder Druck von außen noch Jahre weitergehen. Trotzdem gilt es alle politischen, diplomatischen und ökonomischen Möglichkeiten zu nutzen zur Beendigung von Bürgerkriegen. Es geht um Beratung, Vermittlung, um ökonomische Anreize, um Hilfe bei der Konversion der Kriegswaffen usw. Es geht aber auch um politischen Druck, um Handelsboykott und u. U. Blockade. Mit Öl und Diamanten lässt sich eben erst dann Krieg führen, wenn sie über den Weltmarkt zu Waffen werden, und geschossen wird immer noch vorwiegend mit europäischen und nordamerikanischen Waffen.

Mindestens genauso wichtig wie das Ausschöpfen aller Möglichkeiten zur Konflikteindämmung ist die Konfliktprävention. Eine erfolgreiche Arbeit auf diesem Gebiet erfordert allerdings deutliche Korrekturen in der »Entwicklungspolitik«. Vorschläge dafür liegen auf dem Tisch und auch wenn hier nur punktuell Wirkung erzielt werden kann, so ist doch zu hoffen, dass diese endlich eine stärkere Beachtung finden. Dass die Entwicklungspolitik umfassend präventiv wirken könnte, davon ist allerdings angesichts des dauernd sinkenden Stellenwertes in der Bundespolitik – man sehe nur den erneut stark gerupften Etat – nicht auszugehen. Wirkliche Konfliktprävention, das hieße ein grundsätzliches Umsteuern in der Wirtschaftspolitik durchzusetzen: das Ende der Ausbeutung des Südens durch den Norden.

Doch bis dahin wird sicher nicht nur viel Wasser den Rhein runter fließen.

Ihr Jürgen Nieth

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2001/3 Ökonomie der Bürgerkriege, Seite