W&F 2014/1

Nukleare Geschwister

Urananreicherungsanlagen im Iran und in der Bundesrepublik

von Udo Buchholz

Seit 1985 ist im westfälischen Gronau (NRW) die deutsche Urananreicherungsanlage (UAA) in Betrieb. Sie produziert Nuklearbrennstoff für Atomkraftwerke in aller Welt. Mit der Zentrifugentechnik, die in ihr zum Einsatz kommt, könnte auch hoch angereichertes Uran für Atombomben hergestellt werden. RWE und E.ON wollen ihre Anteile an dem Betreiberkonzern Urenco verkaufen. Unklar ist, an wen.

Früher war die Region um Gronau ein Zentrum der Textilindustrie. Inzwischen hat sich die Atomindustrie breit gemacht. Im Kreis Borken, an der Grenze zu den Niederlanden, befinden sich in Ahaus ein Atommüll-Lager und in Gronau die UAA. Auch in der Nachbarschaft, in den Niederlanden und in Niedersachsen, stehen Atomanlagen, u. a. in Lingen ein Atomkraftwerk und die einzige deutsche Brennelementefabrik sowie in Almelo (NL) eine weitere UAA.

Die UAA Gronau hat eine Kapazität von 4.500 t Urantrennarbeit pro Jahr (in dieser Einheit wird die Kapazität einer UAA gemessen). Damit kann pro Jahr Uran für den Betrieb von 30-35 Atomkraftwerken angereichert werden. Die bisher letzte Ausbaugenehmigung wurde 2005 erteilt – trotz rot-grüner Regierungen in NRW und auf Bundesebene.

Natururan kann in den meisten Reaktoren nicht direkt eingesetzt werden. Der Anteil des spaltbaren Uran-235 ist zu gering. Daher muss das Uran vor dem Einsatz in Atomkraftwerken in Urananreicherungsanlagen bearbeitet werden.

Uran wird in Gronau in Form der Uran-Fluor-Verbindung Uranhexafluorid (UF6) verarbeitet. UF6 ist radioaktiv und reagiert bei Freisetzung zu Flusssäure. Das Material ist beim Transport und bei der Lagerung ein fester Stoff, zur Anreicherung wird es erhitzt und in den gasförmigen Zustand gebracht. So wird es dann in die Zentrifugen eingespeist, geschleudert und separiert. In der Zentrifugenanlage wird der Anteil des U-235 von etwa 0,7% im Ausgangsmaterial auf etwa 3-5% angereichert. Anschließend wird das angereicherte Uran zur Weiterverarbeitung in Brennelementefabriken abtransportiert.

Reststoff bei der Anreicherung ist das so genannte abgereicherte U-238 (depleted uranium, DU). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das abgereicherte Uran, das in Gronau in großen Mengen anfällt, zu einem späteren Zeitpunkt für die Herstellung von Uranmunition genutzt werden könnte. In der Vergangenheit sind rund 30.000 t abgereichertes Uranhexafluorid von Gronau nach Russland transportiert worden. Angeblich soll das Material dort neu angereichert werden. Wer aber könnte einen möglichen militärischen Einsatz vereiteln?

Urananreicherung – eine Technik für Reaktoren und Bomben

Besonders problematisch ist, dass das Zentrifugenverfahren, mit dem in Gronau gearbeitet wird, grundsätzlich auch geeignet ist, Uran hoch anzureichern, z. B. auf 80 oder 90% U-235. Dieser Anreicherungsgrad wäre militärisch bestens nutzbar. Hierzu hieß es im Aufruf zum Gronauer Ostermarsch von 2010:

„In der breiten Diskussion ist das iranische Atomprogramm, dem unterstellt wird, dass mittels der Urananreicherung nach dem Zentrifugenverfahren hoch angereichertes, atomwaffenfähiges Uran gewonnen werden soll. Die Zentrifugentechnik kam über die Schiene Niederlande-Pakistan in den Iran. In den 1970er Jahren gelangte der Pakistaner Abdul Quadeer Khan in den Besitz brisanter Unterlagen über den Aufbau der niederländischen Urananreicherungsanlage in Almelo. Mit den Unterlagen konnte er in Pakistan das dortige Atomprogramm aufbauen, und letztlich gelangten hochbrisante Informationen und Materialien auch in den Iran. Bei der iranischen Zentrifugentechnik zur Urananreicherung handelt es sich somit grundlegend um dieselbe Technik, die in Almelo und in Gronau zum Einsatz kommt. Diese Urananreicherungsanlagen sind Schwesteranlagen, die beide zum internationalen Urenco-Konzern gehören.“

Urenco betreibt je eine UAA in Gronau, in Almelo (NL) und in Capenhurst (GB), zudem ist der Konzern in den USA aktiv. Beteiligt sind an Urenco der britische und der niederländische Staat und in der Bundesrepublik die Unternehmen RWE und E.ON. Großbritannien, die Niederlande, RWE und E.ON wollen nun ihre Anteile an Urenco verkaufen. Eine breite öffentliche Diskussion darüber gibt es nicht. Lediglich im niederländischen Parlament hat Ende 2013 eine Debatte über Vor- und Nachteile der Verkaufspläne stattgefunden. Dabei spielten aber eher wirtschaftliche Aspekte eine Rolle, die drohende Weiterverbreitung von Atomwaffentechnik hingegen war kein nennenswertes Thema. Und für die Bundesregierung scheinen die Verkaufspläne überhaupt nicht relevant.

Udo Buchholz, Soziologe M. A., wohnt in der Nähe der UAA Gronau und ist Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU).

Die militärpolitische Brisanz der Urananreicherung und die Urenco-Verkaufspläne werden Themen des Ostermarsches sein, der am Karfreitag (18.04.) an der Gronauer Urananreicherungsanlage stattfinden wird. Die Kernforderung wird sein: Urananreicherung stoppen – weltweit und sofort! Weitere Informationen unter ostermarsch-gronau.de und bbu-online.de oder Tel. 02562-23125.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2014/1 Konfliktdynamik im »Globalen Norden«, Seite 38