Nur der Profit zählt
TotalFinaElf und der Umweltschutz
von Jörg Feddern
Der französische Erdölkonzern Elf-Aquitaine ist in den Schlagzeilen. In Deutschland geht es um Millionen-Schmiergelder im Zusammenhang mit dem Kauf der Leuna-Werke, in Frankreich stehen in einem Aufsehen erregenden Korruptionsprozess ein ehemaliger Außenminister und Teile der alten Geschäftsführung vor Gericht. Die Untersuchungsrichter sind dabei, wie die FAZ (31.05.01) schreibt, „auf ein übles Gemisch aus Korruption, Wirtschaftsinteressen, Geheimdienstaktionen, Waffenhandel und politischer Einflussnahme gestoßen – vornehmlich in Afrika.“ Durch den Zusammenschluss von Elf mit TotalFina ist der Konzern jetzt auf Platz vier der Ölunternehmen in der Welt vorgerückt. Ob sich durch die Prozesse und den Zusammenschluss etwas am »System« ändert, bleibt abzuwarten. Wie stark Wort und Taten aber auch bei TotalFinaElf auseinander klaffen, belegt Jörg Feddern am Beispiel der Erdölproduktion in Russland, wo Profit allemal vor Umweltschutz geht.
TotalFinaElf ist nach der Fusion aus TotalFina und Elf Aquitaine das größte Unternehmen Frankreichs und das viertgrößte Ölunternehmen der Welt. Das Unternehmen beschäftigt weltweit rund 150.000 Mitarbeiter und besitzt 10,5 Milliarden Barrel (circa 1,35 Mrd. Tonnen) an eigenen Öl- & Gasreserven. Dieser Vorrat reicht bei der aktuellen Jahresproduktion von 766 Millionen BOE noch 14 Jahre. TotalFinaElf betreibt 29 Raffinerien (mit einer Tageskapazität von zusammen 2,4 Mio. Barrel) und verkauft in den 20.000 eigenen Tankstellen täglich 524 Mio. Liter Kraftstoff.
TotalFinaElf ist mit 14,5 Prozent Anteil hinter dem französischen Staat zweitgrößter Anteilseigner des Atomkonzerns Compagne Générale des Matières Nucléaires (Cogema), vor allem bekannt durch die weltgrößte Wiederaufbereitungsanlage für abgebrannte Brennelemente in La Hague.
TotalFinaElf und die französische Politik
Der Name ELF stand in der Vergangenheit lange Zeit für eine französische Parallel-Außenpolitik, der vor allem in Afrika großer Einfluss nachgesagt wurde. „Frankreichs ELF hat jahrelang das Spiel Afrikanischer Politik gespielt – nicht nur um die Kontrolle über die begehrten Öllizenzen zu gewinnen, sondern auch als ein Arm französischer Diplomatie und Intelligenz.“1 Beispiel: Nach einem Besuch von Jacques Chirac in Angola im Juni 1998 erhielt Elf die umkämpfte Fördererlaubnis (»ultra-deep licence«) in einem Abschnitt eines neuen angolanischen Offshore-Ölfeldes. Andre Tarallo, Ex-Afrikabeauftragter von Elf, erläutert das System: „Im Ölgeschäft sprechen wir von Prämien. Es gibt offizielle Prämien, die in den Verträgen erwartet werden; (…) die Ölgesellschaft, die eine Bohrerlaubnis haben möchte, willigt beispielsweise ein, den Bau eines Krankenhauses, einer Schule oder einer Straße zu finanzieren, bzw. – im Falle, dass sich das Interesse an einer Gegend als begründet erweist – eine ansehnliche Geldsumme zu zahlen. Von Elf – wie auch von diversen anderen Ölgesellschaften – wurde diese Praktik immer genutzt.“2
TotalFinaElf und die Umwelt
Umweltleitlinien des Gesamtkonzerns sucht man vergebens. Die einzige Erwähnung des Begriffs »Environment« auf der TotalFinaElf-Homepage betrifft das neue Motoröl Aquazole (Dieselöl-Wasser-Emulsion), das Partikel- und Stickoxid-Emissionen reduziert. Die Klimaveränderung wird von TotalFinaElf auf ihrer Webpage zwar nicht geleugnet, der Konzern bekennt sich selbst zu einer Mitverantwortung (z.B. durch Abfackeln von Erdgas bei der Ölförderung, Energieverbrauch der Raffination), eine ökologische Unternehmensbewertung, durchgeführt von einem Münchener Unternehmen im vergangenen Jahr, kam jedoch zu einem deutlich negativen Ergebnis bezüglich der Umweltpolitik. Beide Unternehmen lagen in der ökologischen Bewertung unter dem Durchschnitt aller untersuchten Ölkonzerne. Elf Aquitaine belegte Platz 11, Total Fina sogar nur Platz 18 von 23 untersuchten Unternehmen.3 Diese Situation dürfte sich durch die Fusion kaum geändert haben.
TotalFinaElf in Deutschland
Elf Aquitaine (bzw. die Konzern-Tochter Elf Oil Deutschland) besitzt seit Anfang der 90er Jahre in Deutschland insbesondere die Raffinerie Leuna. Seit dem 1. September 2000 haben sich auch in Deutschland die beiden Konzerne TotalFina und Elf zusammengeschlossen. Sie beschäftigen 1250 Mitarbeiter und unterhalten in Deutschland das fünftgrößte Tankstellennetz.
Bei Elf Oil Deutschland finden sich zehn Umweltleitlinien, die neben generellen Absichtserklärungen („Die Elf Oil Deutschland sieht ihre Umweltpolitik als eine Aufgabe an, die sie regelmäßig und systematisch an die ökologischen & gesellschaftlichen Anforderungen anpassen wird.“) und dem konkreteren Ziel der „Vermeidung bzw. Reduzierung von Abfällen, Abwässern, Lärmemissionen und Schadstoffen“ auch folgenden Passus enthalten: „Die Elf Oil Deutschland erwartet von ihren Lieferanten und sonstigen Partnern, dass sie die Normen & Richtlinien anwenden und umsetzen, die für die Elf Oil Deutschland selbst gelten.“4
TotalFinaElf und das russische Erdöl
TotalFina nennt als eigene und als Partner-Produktions-Standorte in Russland Kharyaga (Timan Pechora Becken, autonome Region Nenets) und Romashkino (südl. Ural) sowie vier Stellen im Kaspischen Meer.5 Der russische Staat erhält 6 Prozent der Fördermenge als Lizenzgebühr, das restliche Öl wird über den lettischen Hafen Ventspils verschifft. TotalFina hat deshalb die Kapazität der 146 Kilometer langen Pipeline Kharyaga-Usa auf 10.000 Barrels/Tag (bpd) erhöht.
Elf Aquitaine hat darüber hinaus im März 1998 für 528 Mio. US-Dollar einen 5 Prozent-Anteil an Yuksi Oil, Russlands größtem Ölkonzern, gekauft. Elf erhielt damit einen Sitz im Vorstand und nimmt an Prospektionen neuer Felder in Westsibirien teil.
Mitschuldig an einer gigantischen Ölpest
Ein großer Teil des russischen Rohöls, das nach Deutschland exportiert wird, kommt über die »Druschba-Pipeline« (Pipeline der Freundschaft) zu den Raffinerien Schwedt (16,33 Prozent Anteil von TotalFinaElf) und Leuna. Insgesamt rund 20 Mio. Tonnen russischen Öls gelangen auf diesem Weg in den Westen.6
Die Mitteldeutsche Erdöl-Raffinerie GmbH wurde für knapp fünf Milliarden Mark in unmittelbarer Nachbarschaft des früheren Leuna-Werkes errichtet. Während das frühere Leuna-Werk als größtes DDR-Kombinat 28.000 Menschen beschäftigte, finden heute in der Raffinerie nur noch 550 Menschen Arbeit, weitere 2.000 bei den Dienstleistern. Die Raffinerie gilt als eine der modernsten der Welt. Pro Stunde fließen etwa 1.000 Tonnen Rohöl, d.h. jährlich rund 10 Millionen Tonnen, aus der russischen Pipeline in das Werk.7Doch was anschließend »sauber« in die Tanks von Autos, Flugzeugen und Häusern fließt, ist begleitet von einer gigantischen Ölpest in Russland. Allein in den westsibirischen Ölförderregionen, wo der größte Teil des Erdöls für die Raffinerie in Leuna und Schwedt gefördert wird, treten pro Jahr bis zu 5.000 Brüche von Ölpipelines auf. Jährlich werden bis zu 300 Havarien mit Ölaustritten von bis zu 100.000 Tonnen gemeldet. Auslaufendes Öl (schätzungsweise treten jährlich drei bis zehn Millionen Tonnen aus) verseucht Böden und Gewässer. Riesige Ölseen zerstören den Lebensraum von Menschen, Tieren und Pflanzen.8 Von den bestehenden Pipelines sind etwa ein Drittel über 30 Jahre alt und reparaturbedürftig. Doch es passiert so gut wie nichts.Auch die einheimische Bevölkerung leidet zunehmend unter der Ölverschmutzung. Im Gebiet von Surgut, einer Stadt mitten in einem der größten Ölfelder Sibiriens, leben beispielsweise die Chanten, Nenzen und Mansen. Ihr Lebensraum ist akut bedroht. Mehrere Millionen Hektar Rentierweide sind bereits durch das Öl vernichtet, Wasser und Nahrungsmittel verseucht. Die Luft ist durch das Gasabfackeln belastet. Das dabei frei werdende krebserregende Benzpyren überschreitet vielerorts die zulässigen Grenzwerte.9
Als einer der Hauptimporteure russischen Rohöls ist TotalFina Elf mitschuldig an den dort herrschenden Zuständen. Doch die von TotalFinaElf selbst festgelegten »Umweltleitlinien« scheinen in dieser Gebieten außer Kraft gesetzt.10 Es wird nichts unternommen, um die Situation zu ändern, im Gegenteil: Die Gewinne des Konzerns werden weiter und weiter gesteigert, auf Kosten der Umwelt und der dort ansässigen Bevölkerung.
Greenpeace konfrontierte TotalFinaElf wiederholt mit den Zuständen in den betroffenen Gebieten. Bei zahlreichen Aktionen vor den Raffinerien des Konzerns in Ostdeutschland demonstrierte Greenpeace gegen die Praktiken vor allem in Westsibirien. Während eines vierwöchigen Camps begannen Greenpeace-Aktivisten mit dem Beseitigen von Öl im Samotlor-Ölfeld und machten vor, was die eigentliche Aufgabe von TotalFinaElf u. a. ist. Doch statt sich Gedanken über die Veränderung der bestehenden Zustände zu machen, versucht der Konzern mit einstweiligen Verfügungen Greenpeace daran zu hindern, die Öffentlichkeit über die Missstände zu informieren. Erst Anfang diesen Jahres ließ der Konzern per Gericht untersagen, dass Greenpeace unter der Internetadresse www.oil.of.elf.de über die Zustände in den sibirischen Fördergebieten berichtet und TotalFinaElf als Mitverantwortlichen benennt.
Auch der Versuch, sich mit der Begründung aus der Affäre zu ziehen, dass TotalFinaElf gar kein Öl aus den von Greenpeace genannten Gebieten bezieht, ist gescheitert. TotalFinaElf unterhält einen Exportvertrag mit der Tyumen Oil Co. in dem festgelegt wird, dass TotalFinaElf eine festgesetzte Menge Rohöl von Tyumen Oil abnimmt. Der russische Ölkonzern sicherte damit im Juli 1999 eine Obligation über 103 Millionen US-Dollar ab.11Laut der Nachrichtenagentur Reuters ist Tyumen Oil einer der wenigen langfristigen russischen Öl-Lieferanten von TotalFinaElf und verkauft 70 Prozent seiner Ölexporte an den französischen Konzern.12 TotalFinaElf trägt somit als Großkunde der russischen Ölförder- und Transportfirmen ein hohes Maß an Mitverantwortung für die Ölpest in den russischen Fördergebieten.
Greenpeace fordert, dass sich TotalFinaElf zu einer Mitverantwortung an den Zuständen in den betroffenen russischen Gebieten bekennt, zusammen mit seinen russischen Partnern konkrete Projekte zur Reparatur der russischen Pipelines startet und die Säuberung der ölverseuchten Landschaften schnellstmöglich in Angriff nimmt.
Greenpeace fordert weiterhin, dass TotalFinaElf seinen Konzern-Leitlinien gerecht wird und gemeinsam mit den russischen Ölfirmen und Lieferanten akzeptable Umweltstandards bei Ölförderung und Öltransport erarbeitet und umsetzt.
Das, was für TotalFinaElf gilt, gilt auch für die deutsche Mineralölindustrie, die mit vielen Firmen in Russland engagiert ist. Sie muss endlich einen Beitrag leisten, um die Umweltzerstörung in den russischen Ölfördergebieten drastisch zu verringern.
Anmerkungen
1) dpa 09.02.2000: Langwierige Eheschließung von Frankreichs ewigen Öl-Rivalen.
2) Global Witness Ltd: A Crude Awakening. The Role of the Oil and Banking Industries in Angola‘s Civil War and the Plunder of State Assets.
3) oekom research, München, Environmental Rating TotalFina und Elf Aquitaine, 09/2000.
4) http://www.elf.de/in_deutschland/umwelt/leitlinien_text_inhalt2.html
5) TotalFina: 1999, factbook. http://www.TotalFinaElf.com/us/html/bi/df/da/1999/fato99.pdf
6) Atrium, Dezember 2000; Mitarbeiterzeitung von TotalFinaElf, S. 3.
7) Greenpeace-Factsheet: Bonjour Elf – Gute Nacht Sibirien, 6/2000.
8) Greenpeace-Factsheet: Schwarzes Gold, schwarze Pest, 4/2000.
9) Greenpeace spezial: Umweltkatastrophe in Sibirien, April 2000.
10) Petroleum Economist, Vol. 66 No. 11 Pg. 41, 11/1999: Totalfina. http://library.northernlight.com/EL20000405070002837.html
11) World Reporter, accession number & update 06305097 19990722 (Datastar-File Repro): TNK Presents $103 M Bond Issue. Source: The Moscow Times, 21 July 1999, p. 10.
12) Reuters, 04.08.00: Russia: Greenpeace Urges France‘s Total to clean up Taiga. Quelle: Moscow Times 04/08/2000.
Jörg Feddern ist Kampagnenleiter im Bereich Energie von Greenpeace Deutschland e.V.