W&F 2013/4

Obamas »Pivot«

Neuausrichtung der USA auf Asien und den Pazifik

von Joseph Gerson

Vor einem Jahr machte US-Präsident Obama unmissverständlich klar, die USA verstünden sich als pazifisches Land und hätten vor, militärisch abgestützt in der asiatisch-pazifischen Region langfristig eine Schlüsselrolle zu spielen. Damit knüpfen die USA an eine Politik an, die ihnen wirtschaftlich und militärisch die Dominanz auch in diesem Teil der Welt sichern soll. Die USA sind in ihrem Bestreben aber nicht allein, sondern sehen sich hierbei in Konkurrenz zu China, der sie mit einer Mischung aus Einbindung und Eindämmung begegnen wollen.

US-Außenministerin Hillary Clinton kündigte im Januar 2011 eine deutliche Änderung der Außen- und Militärpolitik der Vereinigten Staaten an. In der renommierten Zeitschrift »Foreign Policy« schrieb sie gleich zu Beginn ihres in der Folge breit rezipierten Artikels, es sei „[e]ine der wichtigsten Aufgaben der US-amerikanischen Staatskunst im nächsten Jahrzehnt, sich auf beträchtlich gesteigerte Investitionen – diplomatische, ökonomische, strategische und andere – im Raum Asien-Pazifik festzulegen“. Das wachsende Engagement solle durch „den Aufbau einer breiten militärischen Präsenz“ abgesichert werden.1

Wenig später veröffentlichte das US-Verteidigungsministerium seine neuen „strategischen Richtlinien“.2 Hier benannte Washington den asiatisch-pazifischen Raum und den Persischen Golf als seine zwei geostrategischen Prioritäten. Zur Bestätigung besuchten Außenministerin Clinton, Verteidigungsminister Robert Gates und Präsident Obama die Regierungen verbündeter asiatischer und pazifischer Länder. Dabei kündigte Präsident Obama an, dass „[d]ie Vereinigten Staaten als ein pazifisches Land in Zukunft bei der Gestaltung dieser Region und seiner Zukunft eine größere und langfristige Rolle spielen werden“ und dass die im asiatisch-pazifischen Raum stationierten US-Truppen in Zukunft „breiter verteilt [… und] flexibler“ sein sollen – „mit neuen Fähigkeiten, die sicherstellen, dass unsere Truppen frei agieren können“.3

Seit der ersten Ankündigung dieses »Pivot«,4 der seither in »Rebalancing« (Neujustierung) umbenannt wurde, legte sich das Pentagon darauf fest, 60% seiner Luft- und Seekräfte in Asien und dem Pazifik zu stationieren. Und das Verteidigungsministerium nahm eine »Air-Sea Battle Doctrine«5 an, um seine regionale Militärmacht zu verstärken und gleichzeitig die Risiken zu vermeiden, die mit einem Bodenkrieg in Asien verbunden wären. Weiterhin hat die Regierung Obama ihre militärischen Bündnisse in der Region ausgebaut, den Neu- und Umbau von Militärbasen vorangetrieben, simulierte Atombombenangriffe gegen Nordkorea geflogen und mit Krieg gegen China gedroht. Auch die Verhandlungen für eine Transpazifische Partnerschaft und ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU haben zum Ziel, die Macht und den Einfluss Chinas einzudämmen.

Der »Pivot« beschränkt sich jedoch nicht auf den Ausbau der militärischen Präsenz. Die Regierung Obama befasst sich auch mit den Verflechtungen, die sich aus der konkurrenzbetonten wechselseitigen Abhängigkeit mit China ergeben. Präsident Obama und seine Berater sind sich durchaus bewusst, dass die USA und China erhebliche gemeinsame Interessen haben und dass ein Krieg zwischen den beiden Mächten zu unvorstellbarer Zerstörung führen würde; deshalb bemühen sie sich auch um Kontakte zur chinesischen Führung. Auch wenn es nicht gelang, durch ein Abkommen mit China eine »G2« ins Leben zu rufen und die Machtverhältnisse im asiatisch-pazifischen Raum neu zu ordnen, legt die US-Regierung großen Wert auf den alljährlichen strategischen Dialog mit China zu militärischen, ökonomischen und diplomatischen Themen. Der Dialog zwischen US- und chinesischen Militärs wurde intensiviert, ebenso die Zusammenarbeit gegen Terroristen/Jihadisten und gegen die Piraterie. Die ohnehin schon massiven Investitionen in die jeweils andere Wirtschaft steigen weiter rasch an. Und das »hemdsärmlige« Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Obama und dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping im Juni 2013 war Ausdruck für die Bemühungen beider Seiten, die Spannungen, die sich aus der Wettbewerbssituation ergeben, im Griff zu behalten.

Manche Beobachter machen sich trotzdem Sorgen, dass angesichts der strukturellen Spannungen zwischen den aufstrebenden und den sinkenden Mächten schon ein Funke reichen könnte, um einen verheerenden Krieg auszulösen.

Der »Pivot« vor dem »Pivot«

Schon vor 170 Jahren äußerte US-Außenminister William Seward, wenn die USA Großbritannien als dominierende Weltmacht ablösen wollten, müssten sie zuerst Asien dominieren. (Damals mangelte es den USA allerdings noch an Seestreitkräften, die es mit denen der europäischen Kolonialmächte aufnehmen konnten, und die pazifischen Inseln, die als Sprungbrett Richtung Asien gebraucht würden, wurden bereits von europäischen Mächten beherrscht.)

Bis 1890 hatte Washington es geschafft, seine Kriegsflotte so auszubauen, dass die USA die Herrschaft Großbritanniens über die Meere anfechten konnten. Gleichzeitig wurde der chinesische Markt vor dem Hintergrund einer Wirtschaftskrise und damit einhergehender innerer Unruhen in den USA für politische Entscheidungsträger in Washington zum Heiligen Gral des Kapitalismus. Sie glaubten, Millionen potentielle chinesische Konsumenten würden den Arbeitslosen in den USA wieder zu ihren Fabrikarbeitsplätzen verhelfen. »Sozialer Friede« und wachsende Unternehmensgewinne wären die Folge. Im Spanisch-Amerikanischen Krieg von 1898 besetzten US-Truppen Guam und die Philippinen. Hawaii wurde annektiert und sicherte den USA damit die Bekohlungsstationen, die sie für die Schiffspassagen nach China brauchten.

Ein weiteres halbes Jahrhundert später kulminierten als Antwort auf die Ausdehnung des japanischen Imperiums und den Angriff auf Pearl Harbor die Inselschlachten des US-Militärs in der bedingungslosen Kapitulation Japans – der Pazifische Ozean wurde zu einer »Amerikanischen See«. Die USA errichteten neben den bestehenden Basen auf den Philippinen, Guam und Hawaii Hunderte neuer Militärbasen in Korea, Japan, Australien sowie in zahlreichen Pazifikländern und US-Kolonien. Diese Basen und eine Vielzahl unsymmetrischer Militärbündnisse dienten im Kalten Krieg einerseits der »Eindämmung« von Beijing und Moskau, andererseits als Startbahnen für den Korea- und den Vietnamkrieg sowie für Militärinterventionen und politische Umstürze von den Philippinen und Indonesien bis hin zum Persischen Golf.

Um die Eindämmung Chinas zu verstärken, wurde die Besetzung Japans von den USA dazu genutzt, die Inselnation in das umzugestalten, was Premierminister Koizumi später als „unsinkbaren Flugzeugträger für die Vereinigten Staaten“ bezeichnete. Ein erheblicher Teil von Tokios Kriegselite wurde wieder an die Macht gebracht, und im Zentrum der neuen Beziehung stand das US-japanische Sicherheitsabkommen (US-Japan Mutual Security Treaty). Japan wurde heimlich zur Unterzeichnung gezwungen. Das Abkommen war Voraussetzung dafür, dass die USA formal ihre militärische Besetzung des Landes aufgaben. In Südostasien war die US-Hegemonie gekennzeichnet durch US-gestützte Umstürze in vielen Ländern, dem Lostreten des Indochinakrieges und wiederholter Drohungen der USA, gegen China und Vietnam Atomwaffen einsetzen zu wollen.

Obamas »Pivot«

Jeffrey Bader, ehemaliger Abteilungsdirektor für ostasiatische Angelegenheiten des Nationalen Sicherheitsrates der Obama-Regierung, widmet den Anfang seiner kürzlich erschienen Memoiren einem Rückblick auf das Erbe der Asien-Pazifik-Politik der Regierung Bush-Cheney, insbesondere deren Festlegung auf eine »Diversifizierung« der US-Basen im asiatisch-pazifischen Raum. Ziel war damals, die Anzahl der Basen in Nordostasien zu reduzieren und sie strategischer an der Peripherie Chinas zu verlegen. Die Angriffe vom 11. September 2001 lenkten zwar die Aufmerksamkeit der Bush-Regierung von diesen Plänen ab, der »Krieg gegen den Terror« wurde aber auch auf Indonesien, die Philippinen und Südthailand ausgedehnt, und mit Indien wurde ein Nuklearabkommen ausgehandelt.

Bader benennt die damaligen Prioritäten der Bush-Regierung wie folgt: „Dem asiatisch-pazifischen Raum höhere Priorität einräumen. Ausgewogen auf den Aufstieg Chinas reagieren. Bündnisse stärken und neue Partnerschaften aufbauen. Die US-Präsenz im Westpazifik insgesamt ausbauen und die regionale Vorwärtsstationierung aufrecht erhalten […] und regionalen Institutionen beitreten.“ 6 General Martin Dempsey, Vorsitzender des Generalstabs, drückte es weniger elegant aus: „[D]as US-Militär könnte gezwungen sein, China offen die Stirn zu bieten, so wie wir auch die Konfrontation mit der Sowjetunion nicht scheuten.“ 7

Von zentraler Bedeutung für die US-Strategie ist die Analyse von Joseph Nye, stellvertretender Verteidigungsminister der Clinton-Ära und seit mehr als einer Generation einer der wichtigsten Berater für die US-Politik im asiatisch-pazifischen Raum. Nye warnt vor den potentiellen Gefahren von Konflikten zwischen aufstrebenden und sinkenden Mächten. Er argumentiert, die USA und Großbritannien hätten es im 20. Jahrhundert zweimal versäumt, Deutschland und Japan in ihre Weltordnung zu integrieren, was in zwei katastrophalen Weltkriegen gemündet sei. Um eine apokalyptische Wiederholung dieses Unheils zu vermeiden, drängt Nye die USA zu einer Politik, die China sowohl einbindet als auch eindämmt.

Einige Monate, bevor der »Pivot« vom Stapel gelassen wurde, schrieb Nye: „Asien wird wieder seinen historischen Status einnehmen, mit mehr als der Hälfte der Weltbevölkerung und der Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung. Amerika muss dort präsent sein. Märkte und Wirtschaftsmacht basieren auf politischen Rahmensetzungen, und die Militärmacht der USA bietet diesen Rahmen.“ 8 Ander sausgedrückt: Ohne die massive militärische Präsenz der USA in Asien und in der Pazifik-Region und ohne die inhärente Drohung mit massiver Zerstörung können die USA sich nicht darauf verlassen, dass sie auch weiterhin vom internationalen Währungssystem und ihrem damit verbundenen privilegierten Zugang zu den asiatischen Märkten und Ressourcen profitieren können.

Die Regierung Obama geht ganz mit Nye d’accord, dass Beijing durch die Einbindung Chinas dazu gebracht werden kann, eine „konstruktive[re] Rolle zu spielen, als wenn sie außerhalb dieses Systems verbleiben“ und dass „ein florierendes China gut ist für Amerika“.

Nichtsdestotrotz sichert sich die Regierung Obama militärisch ab, denn sie hat beschlossen, besser keine „Politik der Nachsicht und des Hinnehmens von forschem Auftreten der Chinesen“ zu verfolgen, die „schlechtes Benehmen ermutigen und Alliierte und Partner der USA“ in Tokio, Seoul oder Südostasien „ängstigen könnte“.9

Die Obama-Regierung hat sich vom Unilateralismus der Ära Bush jr. abgewandt. Zentrale Bedeutung haben jetzt Militärbündnisse zur Stärkung der »Full Spectrum Dominance«-Doktrin. Es geht um die Fähigkeit, jedes Land zu dominieren, und zwar auf allen Ebenen der Macht, überall in der Welt und jederzeit. Daher wurden die Militärbündnisse mit Japan, Südkorea, Australien, den Philippinen und Thailand bekräftigt, die als „Dreh- und Angelpunkt für unseren strategischen Schwenk hin zum asiatisch-pazifischen Raum“ 10 dienen. Mit der Ausweitung und Diversifizierung der Truppenstationierungen nahmen auch die regionalen Militärübungen zu. Und im Kontext der Verhandlungen über die Transpazifische Partnerschaft und das Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union setzt Washington sich selbst an die Spitze der „zwei riesigen Wirtschaftsblöcke“ (Nordamerika und EU), um so „Washingtons Führungsrolle in einem polyzentrischen System internationaler Beziehungen zu gewährleisten“. China und Russland sollen damit auf die zweiten Plätze verwiesen werden.11

Damit untermauern die USA das, was die chinesische Führungsspitze als „umgedrehte Große Mauer“ ansieht, „mit Wachtürmen, die sich von Japan bis Australien erstrecken und alle potentiell Chinas Zugang zum Pazifischen Ozean blockieren“ – eine »Große Mauer«, die der Umsetzung von Washingtons »Air-Sea Battle Doctrine« dient.

Robert D. Kaplan beschreibt die Situation so: „China ist eine aufstrebende und noch unreife Macht, besessen von der territorialen Erniedrigung, die es im 19. und 20. Jahrhundert erlitt. [Es] entwickelt asymmetrische und den Zugang verhindernde Nischenfähigkeiten, um den Seestreitkräften der USA den einfachen Zugang zum Ostchinesischen Meer und anderen Küstengewässern zu versagen. […] China ist nicht im Entferntesten fähig, die USA militärisch direkt herauszufordern. Ziel […] ist […,] dass es sich die U.S. Navy in Zukunft zwei Mal überlegt, ob sie expandiert, und drei Mal, ob sie in das Meer zwischen der ersten Inselkette und der chinesischen Küste eindringt.“ 12

Die nationale Sicherheitselite der USA ist kein monolithisches Gebilde. Es gibt viele, die Nye mit seiner Analyse nicht überzeugen konnte und die die strategische Konkurrenz zwischen den USA und China als Nullsummenspiel ansehen. Während Präsident Obama zugleich auf Einbindung wie auf Eindämmung drängt, halten manche einflussreiche Persönlichkeiten einen Krieg zwischen den USA und China für unvermeidlich. Wieder andere, einschließlich des Defense Science Board (wissenschaftliches Beratergremium) des Pentagon drängen darauf, dass Washington auch bereit sein sollte, Cyberattacken mit dem Einsatz von Atomwaffen zu beantworten.

Die USA und China sind zwar die treibenden Kräfte bei der Aufrüstung in der Region, am Wettrüsten sind aber auch Japan, Korea und andere asiatische und pazifische Länder beteiligt. Zwar sucht keines der Länder Krieg, aufgrund des nationalistischen Drucks könnten die Spannungen im Südchinesischen Meer – insbesondere zwischen China und Vietnam und der militarisierte Streit zwischen Japan und China um die Senkaku-/Diaoyu-Inseln – aber dennoch außer Kontrolle geraten. In der Tradition des strategischen Theaters wird knapp unterhalb der Kriegsschwelle ein militarisiertes Schattenspiel aufgeführt, während neue Bündnisse geschmiedet, neue Basen gebaut, neue Waffen stationiert, noch provokantere Militärübungen durchgeführt und neue Militärdoktrinen verkündet werden. Zweck des Spiels ist es, den Rivalen vor Augen zu führen, dass man ihnen unkalkulierbaren Schaden zufügen kann, und sie auf diese Weise einzuschüchtern.

Auswirkungen

Außer dem wachsenden Risiko eines Krieges, einschließlich eines Atomkrieges, und dem Anheizen eines regionalen Wettrüstens, hat der »Pivot« auch unmittelbar einen Preis für die Menschen in der Region. Ausländische Militärbasen führen notwendigerweise zu dem, was die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten als „Missbräuche und Übergriffe“ bezeichnet; sie unterminieren die Souveränität, die demokratischen Gepflogenheiten und die Menschenrechte in den Gastländern. Oft werden Militärbasen auf zwangsenteignetem Land gebaut, sind eine Quelle von Verbrechen, einschließlich der gewalttätigen und unmenschlichen Behandlung von Frauen und Mädchen, tragen zu schwerer Umweltverseuchung und lebensgefährlichen Unfällen bei. Außerdem entziehen sie begrenzt vorhandene nationale Geldmittel, die dringend für die Deckung menschlicher Bedürfnisse gebraucht würden. Diese Dynamiken haben sich insbesondere in Japan und Korea, auf Guam und den Philippinen bewahrheitet.

In Japan hat der »Pivot« zur Intensivierung des nuklearen Bündnisses und der erdrückenden Präsenz des US-Militärs auf Okinawa und im übrigen Japan geführt. 2012 fühlte sich Premierminister Noda durch das US-japanische Bündnis ermutigt, China mit der Nationalisierung der von beiden Ländern beanspruchten Senkaku-/Diaoyu-Inseln zu provozieren. Gleichermaßen gibt das Militärbündnis Nodas Nachfolger im Amt, Shinzo Abe, die Rückendeckung, mit Krieg zu drohen, um die japanische Souveränität über die unbewohnten Felsen abzusichern und Anspruch auf 400 weitere Felsen-Inseln anzumelden.

Anregungen aus den USA, doch die „anachronistischen Einschränkungen“ der japanischen, den Krieg untersagenden Verfassung zu überwinden, ermutigen Abe, die »Friedens«-Verfassung noch stärker umzuinterpretieren bzw. zu ändern.13

Für die Koreaner ändert sich mit dem »Pivot« nicht so viel, da sie schon seit Langem in einem hochgerüsteten Land leben. Seit August 1945 unterhalten die USA Militärbasen in Korea und gaben sämtlichen südkoreanischen Regierungen Rückhalt (den Militärdiktatoren genau so wie den seit 1993 unter demokratischeren Umständen gewählten). Da der Koreakrieg nie formell beendet wurde, haben die USA überdies bis heute das Recht, im Kriegsfall den Oberbefehl über das südkoreanische Militär zu übernehmen.14

Schon die Regierung Bush-Cheney begann mit der »Diversifizierung« der US-amerikanischen Basen im Raum Asien-Pazifik, insbesondere in Südkorea. Einige besonders große Militärbasen wurden aus Großstädten in ländlichere Gegenden verlegt, wo der Bevölkerungs- und damit der potentielle politische Druck nicht so stark ist. Momentan wird bei Gangjeong auf Jeju Island, in der Nähe etlicher UNESCO-Kulturerbestätten, ein monströser, vorgeblich koreanischer Flottenstützpunkt gebaut, „in dem U-Boote und bis zu 20 Kriegsschiffe andocken können, darunter auch Aegis-Zerstörer der USA mit Raketenabwehrsystemen“.

In Südostasien heizt die Regierung Obama den Kampf um Hegemonie über das öl- und rohstoffreiche sowie geostrategisch wichtige Südchinesische Meer an. Viele Beobachter befürchten, dass hier das gefährlichste Pulverfass der nächsten Jahre oder Jahrzehnte entsteht. Mit ihrer Einmischung in den Streit um Hoheitsgebiete und Handelsrouten (mehr als 40% des Welthandels und vor allem das für die ostasiatische Wirtschaft unverzichtbare Erdöl aus dem Nahen Osten werden durch diese Region transportiert), beförderten die USA einen regionalen Streit zu einer Auseinandersetzung zwischen Großmächten.

Die USA bestärken die Philippinen in ihrem Anspruch auf das von ihnen als »Westphilippinisches Meer« bezeichnete Gebiet. Das Pentagon steigert den Waffenexport an Manila, führt mehr gemeinsame Militärübungen durch und überlegt sogar, wieder auf den jetzt angeblich philippinischen Flottenstützpunkt »Subic Naval Base« zurückzukehren. Unter Verletzung der philippinischen Verfassung hat das US-Militär im Rahmen des »Visiting Forces Agreement« außerdem wieder Zugang zum ganzen Land.

Für den »Pivot« intensivieren die USA auch die militärische Zusammenarbeit mit Indonesien, Singapur, Malaysia, Brunei und Vietnam, bis hin zu gemeinsamen Militärmanövern mit Vietnam und Andockrechten im Tiefseehafen der Cam Rahn Bay im Südchinesischen Meer. Weiter im Western erneuerte Washington seine militärischen Kontakte zu Myanmar und bedroht damit den Zugang Chinas zum Indischen Ozean sowie die ökonomischen Entwicklungspläne Beijings für einen Großteil Zentralchinas.

Die Einkreisung Chinas komplettiert die US-Regierung mit einem neuen Flottenstützpunkt im Indischen Ozean bei Darwin/Australien, einem impliziten Bündnis mit Indien, der erweiterten »Partnerschaft« mit Neuseeland und der Mongolei und dem Abkommen über eine weitere Truppenstationierung in Afghanistan bis 2024.

Näher am US-Festland liegt Guam, wo das Volk der Chamorro unter der Besatzung leidet. Schon jetzt breitet sich die USA-Basis auf einem Viertel der nur knapp 550 Quadratkilometer großen Insel aus. Jetzt soll die Basis nochmals um ein Drittel erweitertet werden, damit dort mehr Kriegsschiffe, mehr Kampfflugzeuge und 5.000 zusätzliche Marinesoldaten stationiert werden können. Auch in Hawaii werden Umsiedlungen erzwungen, um Platz zu schaffen für weitere Kampfhubschrauber des Typs Osprey und 3.000 weitere Marinesoldaten.

Herausforderungen für soziale Bewegungen

Das ist wahrlich keine schöne Entwicklung. Wahr ist aber auch: Imperiale Strukturen, egal ob amerikanische, chinesische oder japanische, wandeln sich im Laufe der Zeit entweder unter dem Druck der Öffentlichkeit oder aufgrund ihrer eigenen internen Dynamiken und Widersprüche. Alle von uns, die sich gegen Krieg und für mehr Frieden und Gerechtigkeit einsetzen, stehen zwar vor einer gewaltigen Aufgabe, die Geschichte lehrt uns aber auch, dass Wandel möglich ist und dass wir am Ende siegen können.

Angesagt ist Solidarität mit Friedens- und Anti-Bases-Gruppen – auf Graswurzel-, Akademiker- und auch Regierungsebene. Die Proteste gegen die Transpazifische Partnerschaft und das Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union müssen weitergehen. Wir müssen uns intensiver darum kümmern, Alternativen zum imperialen Kriegssystem und Strategien für die menschliche und gemeinsame Sicherheit zu entwickeln. Eines ist allerdings klar: Unsere sozialen Bewegungen dürfen sich nicht länger auf ihre jeweiligen Themen konzentrieren, seien dies nukleare Abrüstung, Drohnen, Militärbudgets, Klimawandel oder Fürsorge. All diese Themen sind miteinander verwoben – und deshalb sollten auch unsere Bewegungen für Frieden, Gerechtigkeit und das menschliche Überleben miteinander verwoben sein.

Anmerkungen

1) Hillary Clinton: America’s Pacific Century. Foreign Policy, November 2011.

2) US Department of Defense: Sustaining U.S. Global Leadership. Priorities for 21st Century Defense. January 2012.

3) The White House, Office of the Press Secretary: Remarks By President Obama to the Australian Parliament, Parliament House, Canberra, Australia. November 17, 2011.

4) »Pivot« bezeichnet im Englischen u.a. einen Dreh- und Angelpunkt oder einen Schwenkpunkt; im Kontext dieses Artikels könnte es in etwa als »Neuausrichtung« oder «Umorientierung« übersetzt werden. [die Übersetzerin]

5) Die Ausarbeitung dieser Doktrin war von US-Verteidigungsminister Gates im »Quadrennial Defense Review Report 2010« in Auftrag gegeben worden. Die Doktrin wurde im November 2011 vorgestellt (siehe z.B. US Department of Defense: Background Briefing on Air-Sea Battle by Defense Officials from the Pentagon, November 09, 2011; defense.gov. Siehe auch: Air-Sea Battle Office: The Air-Sea Battle Concept Summary, 11/9/2011; navy.mil) und orientiert sich laut U.S. Naval Institute „an der vor einer Generation gültigen »Army-Air Force Air-Land Battle Doctrine«“ (usni.org). [die Übersetzerin]

6) Jeffrey A. Bader (2012): Obama and China’s Rise. An Insider’s Account of America’s Asia Strategy. Washington D.C.: The Brookings Institution.

7) Simon Tisdale: China syndrome dictates Barack Obama’s Asia-Pacific strategy. The Guardian, January 6, 2012.

8) Joseph S. Nye: Has Economic Power Replaced Military Might? cnn.com, June 6, 2011.

9) Jeffrey A. Bader, op.cit.

10) Hillary Clinton, op.cit

11) Sergey Rogov: U.S. foreign strategy to create new global order. Russia Behind the Headlines, April 22, 2013.

12) Robert D. Kaplan: The Revenge of Geography. What the Map Tells Us About Coming Conflicts and the Battle Against Fate. New York:Random House.

13) Siehe dazu ausführlicher »Vorwärts ins 19. Jahrhundert?« von Eiichi Kido auf Seite  in dieser Ausgabe von W&F.

14) Siehe dazu ausführlicher »Kollateralschaden des Koreakriegs« von Christine Ahn auf Seite  in dieser Ausgabe von W&F.

Dr. Joseph Gerson ist Geschäftsführer des Programms für die Nordostregion des American Friends Service Committee (Friedensdienst der Quäker) und leitet sowohl das Programm für Frieden und ökonomische Sicherheit als auch die Arbeitsgruppe für Frieden und Demilitarisierung in Asien und im Pazifik des ASFC.
Übersetzt von Regina Hagen

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2013/4 Der pazifische Raum, Seite 7–10