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W&F 1991/3

Ökologische Bilanz des Golfkrieges: Bagatellisieren und vertuschen

von Olaf Achilles

Auch vier Monate nach dem Golfkrieg weiß die bundesdeutsche Öffentlichkeit wenig vonden ökologischen Folgen des Golfkrieges. Die Bundesregierung hüllt sich in Schweigen. Ihre Auffassung: „nach wie vor (stehen) zuverlässige Informationen nicht im ausreichendem Umfang zur Verfügung (…). Dies gilt insbesondere für die Umweltbelastungen, die durch die brennenden Ölquellen in Kuwait entstehen“ (Bt.-Prt. 25/12 S.1830).

Keiner evakuiert Kuwait und neben den Menschen im Irak sterben auch weiterhin die Zugvögel. Für diesen Krieg wurden die ökologischen Folgen billigend in Kauf genommen. Deswegen ist eine ökologische Bilanz dringend erforderlich.

Die Bundesregierung will noch ein Flugzeug in die Region schicken, daß in der Lage ist, die in der Luft befindlichen Schadstoffe zu messen. Darüber hinaus will sie ein Meßfahrzeug in Kuwait einsetzen.

Diese Maßnahmen könnten sich ebenso zum Flop entwickeln wie die (viel zu späte) Entsendung des Ölbekämpfungsschiff Mellum in die Region. Als „teuren Schildbürgerstreich“ hat der Bund der Steuerzahler den Einsatz bezeichnet, da es unverrichteter Dinge Mitte Juni wieder den Heimathafen angesteuert hat. Das Schiff hat keinen Tropfen Öl in der Region aufgenommen und wurde vorher zeitaufwendig wie auch teuer ausgerüstet.

Bundestagsanhörung

Am 29.4.91 fand im Deutschen Bundestag eine Anhörung zu den ökologischen Folgen des Golfkrieges statt, wo einige interessante Hintergrundinformationen jedoch keine wirklichen Daten genannt wurden. Aussagen zur ökologischen Situation im Irak entfielen gänzlich.

Die anwesenden Wissenschaftler konnten im wesentlichen nur Vermutungen äußern, so daß der Vorsitzende des Umweltausschußes von Geldern mit dem Satz „Ich weiß, daß ich nichts weiß“ die Sitzung geschlossen hat. Dabei kamen die Vermutungen ganz klar zur Aussage, daß Daten geheimgehalten werden, darüber hinaus aber deutlich sei, daß Kuwait (und angrenzende Regionen) sofort evakuiert werden müssten. Das »Nicht-Wissen« der Bundesregierung ist somit Bestandteil einer »ökologischen Entwarnung«, wie sie auch in der Tendenz in einigen Fragestellungen während dieser Anhörung deutlich wurde.

Dr. Wolfgang Seiler vom Fraunhofer-Institut von Garmisch-Patenkirchen machte darauf aufmerksam, daß die Nichtmethan-Kohlenwasserstoffe über größere Strecken transportiert werden und bereits im April in verschiedenen Meßstationen auf der Erde eine Zunahme zu verzeichnen war. In den Vereinigten Staaten wurden in 10-12 km Höhe „ausgeprägte Schichten mit sehr starken Aerosolpartikelkonzentrationen“ gefunden, die wahrscheinlich Schwefelsäuretröpfchen sind. Den Ruß werde man natürlich, wie auch beim DDT geschehen, in der Antarktis nachweisen können. Es ist lediglich eine Frage der Konzentrationen.

Studie des Umweltbundesamtes

Inzwischen (im Mai) hat das Umweltbundesamt eine Studie mit dem Titel »Ökologische Auswirkungen des Golfkrieges« veröffentlicht. Auf 50 Seiten gibt es zu den bekannten Bereichen interessante, detaillierte Hintergrundinformationen, es werden jedoch keinerlei Primärdaten veröffentlicht. Dennoch war der Tenor in der Pressemitteilung ebenfalls als »ökologische Entwarnung« zu verstehen: „Erste Ergebnisse der Messungen weisen darauf hin, daß die Schadstoffkonzentrationen in den betroffenen Gebieten geringer ausfallen, als ursprünglich angenommen“. Wer wo was gemessen hat, wurde allerdings nicht bekanntgeben.

Der Ölteppich wird in seinen Grenzen vom März des Jahres abgelichtet. Genauso waren in der Anhörung des Deutschen Bundestages, auf die sich diese Ausarbeitung ebenfalls bezieht, Satellitenaufnahmen aus der Region von Ende Februar (!) zu sehen. Bis jetzt sind uns keine Aufnahmen aus März/April oder Mai bekanntgeworden.

Augenzeugen berichteten uns z.B. von Rauchschwaden im südlichen Griechenland. Auffallend leise ist es auch im Iran oder gar Indien. Der Meteorologe Dr. Carl hat auf einer Wissenschaftskonferenz zum Golfkrieg im Mai in Köln seine Berechnungen über den wahrscheinlichen Eintrag von Klimagasen dargelegt. Demnach wird der Monsumregen in Indien eher und heftiger einsetzen.

Die jetzige klimatische Situation in Asien, besonders Indien, Afghanistan und Pakistan: Monsunfluten, starke Hitze, starke Regenfälle. Der heißeste Sommer seit 1916… Und die Überschwemmungen in Bangladesch? Normale Auswirkungen des Treibhauseffektes…? Empirisch sind die Zusammenhänge natürlich nicht nachweisbar.

Tatsache aber ist, daß durch die Brände zwischen 3 und 5 Prozent der Welt-CO2-Gesamtemission freigesetzt werden und noch einmal durch Methan im CO2-Äquivalent berechnet weitere ca. 4-15% hinzuzurechnen sind. Alle Anstrengungen der Bundesregierung, unseren CO2 Ausstoß bis zum Jahre 2025 zu halbieren, werden somit fast nivelliert.

Die ökologischen Folgen für die Region werden derzeit immer schlimmer. Inzwischen liegt auch auf dem Golfgewässer ein feiner Ölschmierfilm, der wiederum die Trinkwassergewinnung beeinträchtigen könnte. Die Wassertemperatur ist um 5 Grad gesunken, in Dharan lag die Lufttemperatur im April um 12 Grad niedriger.

Alle Vögel sind schon da – alle?

Der Naturschutzbund Deutschland macht in einem Faltblatt („Alle Vögel sind schon da – alle?“) darauf aufmerksam, daß 100.000 Zugvögel gestorben seien. „Nach dem Massensterben der dort beheimateten Tierwelt flogen in den letzten Monaten tausende von Zugvögeln in den Öltod“. In Saudi-Arabien, so der SPD-Abgeordnete Michael Müller, seien 90% der Vögel bereits tot.

Red Adair, der weltbekannte Feuerlöschmann in Sachen Ölquellen, spricht inzwischen von ca. vier bis sechs Jahren Löschzeit. Über 150 Quellen seien gelöscht, was natürlich nicht bedeutet, daß sie nicht mehr sprudeln. Dennoch gibt es anscheinend große Schwierigkeiten bei der Materialversorgung. Die kuwaitischen Behörden seien unfähig. Die Bundesregierung gibt derweil auf Anfrage bekannt, daß das Öl, bei Einfrierung des Verbrauchs auf das Niveau von 1990, weltweit nach 43 Jahren aufgebraucht ist.

Die SPD drängt die Bundesregierung, endlich Gespräche mit den dortigen Regierungen über Hilfeleistungen bei den ökologischen Folgen durchzuführen. Michel Müller, Monika Ganseforth sind mit dem MdB-Kollegen Kübler nach Kuwait gereist. Müller in einem Gespräch mit den Ökologischen Briefen: „Ich habe den Eindruck, daß die ökologischen Schäden des Golfkrieges in Kauf genommen wurden“.

Bundestagsantrag von Bündnis 90/Die Grünen

Die Gruppe Bündnis 90/ Die GRÜNEN will in der letzten Parlamentswoche einen Antrag „Nationale und internationale Konsequenzen der ökologischen Auswirkungen des Golf-Krieges“ in den Bundestag einbringen. Die Forderungen des 22seitigen Dokumentes sind der Situation sicher angemessen, jedoch bleibt die Analyse weit hinter den ökokologischen Fakten zurück. Die Klimawirksamkeit der Ölbrände wird nicht nur ausgeblendet, sondern verneint: „Auch wenn die apokalyptischen Vorhersagen einiger Klimaforscher und Wissenschaftler bislang nicht eingetroffen sind, müssen die ökologischen und gesundheitlichen Folgen für die Umwelt und die Bevölkerung in der Region als katastrophal bezeichnet werden“. Die »apokalyptischen Vorhersagen« beruhen auf (streng) wissenschaftlichen Annahmen und wurden als Möglichkeit dargestellt, wenn eine bestimmte Menge Öl verbrennt und gleichzeitig die Emissionen eine bestimmte Höhe erreichen. Es wurde nie gesagt, daß dieses zwangläufig passiert. Die GRÜNEN machen so im Nachhinein kritische Wissenschaftler zu »Schwarzmalern«.

Die wichtigen Forderungen in dem Antrag zur Reduzierung des CO2 Ausstosses und des Ölverbrauches werden nicht in den direkten Bezug zu der Freisetzung der klimawirksamen Gasen oder gar der jetzigen Klimasituation in Asien oder Bangladesch gesetzt (s.o.). Auch wird in der Analyse unterteilt zwischen „dem verbrecherischen Einsatz von Erdöl als Waffe“ und „normalen Schäden“ im Krieg. Daß die Alliierten nach eigenen Angaben über 85% der Erdölanlagen im Irak zerstört haben, zu Beginn der Bodenoffensive Ölgräben und Felder bewußt mit Napalm in Brand gesetzt haben und schließlich allein durch die direkten Kriegshandlungen den Ölteppich wie auch die brennenden Ölfelder zu einem Drittel mitverursacht haben, entfällt leider ebenso. Also auch an dieser Stelle leider keine ökologische Bilanz.

In den Medien bleibt die ökologische Situation im Irak zur Zeit immer noch unerwähnt. Alle Daten, insbesondere auch Radioaktivitätsmessungen blieben bis heute geheim. Dabei fordert der Krieg erst jetzt die meisten Opfer, wie wir es aus zahlreichen Reiseberichten in der Presse mitgeteilt bekommen. Auch auf dem Hearing im Bundestag wurde nichts neues bekannt. Der Krieg ist zuende, der Umweltkrieg geht weiter – mit offizieller und mit Eigenzensur – wie wir es aus dem Golfkrieg eigentlich schon kennen.

Die MÖP e.V. gibt eine Broschüre zu den ökologischen Folgen des Golfkrieges heraus. Sie kostet 8 DM (ab 5 Stk. Rabatt) und kann bereits bestellt werden.

Literatur

Deutscher Bundestag: Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit; Anhörung vom 29.4.1991: „Umweltauswirkungen des Golfkrieges und die Möglichkeiten der Bundesregierung Deutschland zur Mitwirkung bei der Beseitigung dieser Kriegsfolgen“.

ders: Bundesregierung: Antwort auf die kleine Anfrage Bündnis 90/Die GRÜNEN „Rohstoffsicherung der Bundesrepublik Deutschland“

Bündnis 90/Die GRÜNEN: „Nationale und internationale Konsequenzen der ökologischen Auswirkungen des Golf-Krieges“; Antrag Bundestag v. 14.6.91

Der Naturschutzbund Deutschland: Natur in Gefahr; Faltblatt Ausgabe 2, Mai 1991

Frankfurter Rundschau v. 13.6.91: „Red Adair wettert gegen Kuwait“

Michael Müller: „Zu den Umweltfolgen des Golfkrieges“; Gespräch in den 'ökologischen Briefen` Heft 23/91 S.17

Umweltbundesamt: „Ökologische Auswirkungen des Golfkrieges – vorläufige Bestandsaufnahme Mai 1991“: Berlin 1991

das. Presseerklärung 9/91 „Ökologische Auswirkungen des Golfkrieges“ v. 3.6.91

Dipl.-Ing. Olaf Achilles, Arbeits- und Forschungsstelle Militär, Ökologie, Planung Bonn.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1991/3 Zukunft der Rüstung, Seite