Panzer für Despoten
von Jürgen Nieth
„Der Beachtung der Menschenrechte im Bestimmungs- und Endverbleibsland wird bei den Entscheidungen über Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern besonderes Gewicht beigemessen.
Genehmigungen […] werden grundsätzlich nicht erteilt, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass diese zur internen Repression […] missbraucht werden. Für diese Frage spielt die Menschenrechtssituation im Empfängerland eine wichtige Rolle.“
(Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern – Auszüge)
Panzer für Saudi-Arabien
„Damit ändert die Bundesregierung eine jahrzehntealte Linie, dem autoritär geführten Königreich keine schweren Waffen zu liefern. Der Bundessicherheitsrat billigte in der vergangenen Woche grundsätzlich den Export. Die Saudis haben Interesse an 200 Stück auf Basis der modernsten »Leopard«-Variante, dem Typ 2A7+.“ (Spiegel 04.07.2011, S.14) Die Zeit berichtet: „44 Exemplare sind bereits ausgeliefert.“ (07.07.2011, S.1) In den Medien dominiert die Position, dass dieser Panzer-Deal gegen die o.g. Grundsätze der Rüstungsexportpolitik verstößt.
Panzer gegen das Volk
So schreibt Rüdiger Wenzel im den Lübecker Nachrichten (15.07.2011, S.2): „Kanzlerin Merkel scheint entschlossen, hier [bei den Rüstungsexporten, J.N.] Hürden wegzuräumen, Wälle zu schleifen. Die Einhaltung der Menschenrechte… wiegt bei ihr offensichtlich nur noch leicht oder gar nicht mehr.“
Für Guido Steinberg, den Nahost-Experten der Stiftung Wissenschaft und Politik, besteht „die wichtigste Funktion der saudi-arabischen Streitkräfte in der Sicherung des Regimes gegen innenpolitische Gegner“. (SZ 11.07.2011, S.2) Für ihn macht das Geschäft fragwürdig, dass „deutsche Panzer genutzt werden könnten, wenn saudi-arabische Truppen künftig einmal die Zivilbevölkerung des eigenen oder eines der kleinen Nachbarstaaten bekämpfen.“ Amerikanische Panzer wurden für Letzteres bereits genutzt. „Die Saudis ließen Anfang März ihre Panzer nach Bahrain rollen, um dort der Demokratiebewegung den Garaus zu machen“, schreibt Jörg Lau. (Die Zeit 07.07.2011, S.1) Und er fragt: „ Werden wir demnächst auf al-Dschasira das Spitzenprodukt der deutschen Rüstungsindustrie in Aktion sehen?“ „Der Leopard 2A7+ [ist] ein Panzer, der speziell für den Einsatz in dicht bebauten Städten konstruiert wurde. Deshalb hat er eine verkürzte Kanone und ist sehr wendig, um in engen Straßen operieren zu können. Der Hersteller Krauss Maffei wirbt sogar ausdrücklich damit, dass dieser Panzer gegen »individuals«, also gegen Einzelpersonen, besonders effektiv ist“, so Jan Grebe vom Bonner Konversionszentrum. (Der Neue Tag 13.07.2011, S.8)
»Leoparden« und Geopolitik
Es gibt nur wenige Stimmen, die den Panzer-Deal aus geopolitischen oder ökonomischen Gründen erörternswert finden. So schreibt Josef Joffe im Handelsblatt (14.07.2011, S.8): „Wenn sie denn geliefert werden, sind die Leos 200 mal 67 Tonnen Abschreckung, was gegenüber Teheran nicht zu verachten sei. Oder Petrodollar-Recycling im Wert von bis zu 2,5 Milliarden Euro. Oder Offenhaltung der Produktionslinien, nachdem die Bundeswehr 1.700 Leos ausgemustert hat. Alles zumindest diskussionswürdige Ziele.“
Zu einer anderen geopolitischen Einschätzung kommt Kurt Kister in der Süddeutschen Zeitung (09.07.2011, S.4): „Die ökonomische Begründung für den Panzer-Deal ist altbacken und falsch. Die politische Begründung [die Stärkung der geopolitischen Rolle Saudi-Arabiens gegenüber dem Iran, J.N.] ist so fadenscheinig, dass sich die Kanzlerin nicht einmal traut, sie öffentlich zu vertreten. […] Die Weltpolitik lehrt, dass autoritäre Regime, die der Westen oder der Osten mit Rüstungsgütern »stabilisieren« wollte, dem Untergang oft näher waren, als ihrem Fortbestand.“
Ähnlich sieht das Jörg Lau in der Wochenzeitung Die Zeit (07.07.2011, S.1): „Die schlimmsten Kriege der vergangenen drei Jahrzehnte resultieren aus der Hybris der Gleichgewichtspolitik: die Feinde unserer Feinde aufzurüsten – Saddam gegen die Ajatollahs in Iran, die Taliban gegen die Russen. Am Ende führte der Westen stets gegen die Freunde von gestern Krieg […] Wer ein Land als Waffe betrachtet, muss darauf gefasst sein, dass sie sich dereinst gegen ihn selbst richtet.“
Das Schweigen Israels
Dass Israel in der Debatte bisher schweigt, ist für mehrere Journalisten Ausdruck dafür, dass für Israel heute ein militärisch starkes Saudi-Arabien als Gegengewicht zum Iran wichtiger ist als die Gefahren, die davon ausgehen könnten. In der taz (06.07.2011, S.4) ergänzt Otfried Nassauer: „Israel könnte aber auch deutsche Gegenleistungen erwarten. Israel wünscht sich schon länger eine deutsche finanzielle Beteiligung bei der Beschaffung eines sechsten Dolphin U-Bootes und von Korvetten.“ Er sollte Recht behalten. „Deutschland fördert den Verkauf eines sechsten U-Bootes der «Dolphin»-Klasse an Israel. In den kommenden vier Jahren unterstützt der Bund das Rüstungsgeschäft mit insgesamt 135 Millionen Euro… [Die U-Boote haben] eine große Reichweite und könnten auch zum Abschuss nuklear bewaffneter Marschflugkörper benutzt werden.“ (Der Spiegel 18.07.2011, S.15)
Rüstungsexport mit Tradition
Mehrere Autoren weisen darauf hin, dass bereits unter Rot-Grün und Schwarz-Rot das Waffengeschäft mit Saudi-Arabien florierte. Es ging unter Schröder vor allem um „Handfeuerwaffen und die Munition für Maschinenpistolen, Kanonen, Mörser, Jagd- und Sportwaffen“. (SZ 06.07.2011, S.4) Am 14.07.2011 berichtet der Stern über einen Geheimpakt von 2009 – eingefädelt vom ehemaligen Außenminister Frank Walter Steinmeier (SPD) und dem damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Es geht um die Sicherung der 9.000 km langen Grenze Saudi-Arabiens durch den deutsch-französischen Rüstungskonzern EADS und die Ausbildung der Grenzschützer durch die deutsche Bundespolizei. Der auf saudi-arabischer Seite bereits vor zwei Jahren ratifizierte Vertrag wurde auf deutscher Seite bisher geheim gehalten obwohl die Bundespolizei längst im Einsatz ist.
„Der Export von Rüstungsgütern“, schreibt Eric Chauvistré (taz, 06.07.2011, S.1) ist „Teil der Außenpolitik – und darf nicht länger der demokratischen Kontrolle entzogen werden.“
Jürgen Nieth