W&F 2001/1

Raketenabwehr – Ein Spielstein für das US Space Command

von Regina Hagen

„Dem Weltraum kommt inzwischen eine viel grundlegendere und wesentlichere Rolle zu, als lediglich die Schlagkraft der Streitkräfte zu verstärken. Weltraum ist eine Voraussetzung. Er ist kein Luxus mehr, sondern eine Voraussetzung, um militärische Operationen durchführen zu können. Es hat sich gezeigt, dass der Weltraum für unsere nationalen Interessen von elementarem Interesse ist.“1 So die Direktion für Öffentlichkeitsarbeit im Hauptquartier des US-Weltraumkommandos im Juli 2000. Dieses Weltraumkommando der USA ist keine Fiktion, sondern unter dem Namen »US Space Command« seit 15 Jahren Wirklichkeit.
Am 1. September 1982 hat auf der Peterson Air Base in Colorado Springs das neue militärische Oberkommando für »Weltraum-Aktivitäten« SPACECOM seine Arbeit aufgenommen. „Es koordiniert die Weltraumaktivitäten der Air Force, die dort auch ihr Luftwaffenkommando NORAD unterhält. Derzeitige Aufgabe des SPACECOM sind die Katalogisierung und Überwachung von mittlerweile mehr als 5000 Satelliten(resten), der Schutz vor Kollisionen von US-Raumflugkörpern mit diesen 5000 Objekten und die Entwicklung von Anti-Satelliten-Waffen.“2 Als Streitkräfte-übergreifende Dachorganisation für das Air Force Space Command, das 1983 gegründete Naval Space Command der Marine und das 1984 installierte Army Space Command der Armee nahm das »United States Space Command« 1985 die Arbeit auf. Seinen Hauptsitz hat es ebenfalls auf der Peterson Air Force Base in Colorado.

In einer Pressemeldung zum 15. Geburtstag der Einheit wird die Aufgabe des US Space Command unzweideutig beschrieben: „Es sollte die Kontrolle über alle Weltraumeinrichtungen des Verteidigungsministeriums übernehmen und als Forum für die Entwicklung neuer Konzepte der Weltraumkriegsführung dienen.“3

Neu war die Idee nicht. Seit 1945, als der erste ballistische Raketentyp, Wernher von Brauns V2, und der Marschflugkörper V1 Angst und Schrecken in London, Amsterdam, Paris und Antwerpen auslösten, feilten Militärs und Ingenieure in den USA an militärischen Weltraumplänen. Spätestens als die Sowjetunion 1957 mit Sputnik-I den ersten Satelliten startete und auch in der Folge im Wettrennen um den Weltraum häufig die Nase vorn hatte, stand für das Verteidigungsministerium der Wert des Weltraums für militärische Zwecke nicht mehr in Frage.4 So wurde zunächst auch das komplette Weltraumprogramm der USA der militärischen Advanced Research Projects Agency (ARPA) übertragen, bevor 1958 mit der NASA (National Aeronautics and Space Administration) ein ziviles Pendant aufgebaut wurde.1961 übernahm die Luftwaffe die Endverantwortung für alle Weltraumentwicklungen von Armee, Marine und Luftwaffe5; in den 70er Jahren war die Einheit für Beschaffung und Operationsplanung zuständig. In rascher Folge machten sich die Militärs die neue Satellitentechnologie zu Nutze:6 Kommunikation (Command, Control, Communication, Information = C3I), Wettervorhersage, Navigation, Geodäsie, Fernerkundung, Aufklärung und Spionage wurden nun auch aus dem Weltraum betrieben und für die (konventionelle) Kriegsführung immer wichtiger. Im Golfkrieg von 1991 wie im Jugoslawienkrieg von 1999 spielten Weltraumkomponenten eine Schlüsselrolle – ohne sie wäre der (für die US-Soldaten) »sichere« Luftkrieg über Serbien nicht möglich gewesen.7

Bis heute ist das US Space Command für die Beobachtung und Katalogisierung von Weltraumobjekten zuständig. Mit dem Space Surveillance Network werden sämtliche Objekte in der Erdumlaufbahn aufgespürt, identifiziert, verfolgt und katalogisiert, die größer als 10 cm sind. Nur der kleinste Teil der inzwischen 10.000 Objekte sind funktionsfähige Satelliten; im Wesentlichen handelt es sich um so genannten Weltraumschrott: ausgediente Satelliten und Raketenoberstufen, Trümmer von Explosionen, von Astronauten verlorenes Werkzeug, usw. Die Daten dieses Netzwerks werden beispielsweise genutzt um einer Kollision von Satelliten oder Weltraumstationen mit größeren Schrotteilen durch Ausweichmanöver vorzubeugen.

Diese Aufgabe erfüllt das Militär aber nicht aus Menschenfreundlichkeit, sondern aus Eigennutz. „Als erster Schritt für die Weltraumkontrolle muss genau identifiziert werden, was sich im Erdorbit befindet, wem es gehört, und wozu es dient.“8 Die vom Space Control Center in den Cheyenne Mountains (Colorado) betreuten optischen Sensoren und Radars werden z.B. ergänzt durch die Infrarotsatelliten des Defense Support Program (DSP) für die Frühwarnung vor ballistischen Raketen. Raketenfrühwarnung ist für das US Space Command allerdings nur ein Element eines weitreichenden, teils bereits existenten, teils in Entwicklung oder Planung befindlichen Programms zur Raketenabwehr, so wie Weltraumkontrolle eine Voraussetzung für die Erreichung des eigentlichen Ziels ist: Dominanz im Weltraum zu bewahren.

Raketenabwehr – Türöffner für das US Space Command

Wie fügt sich Raketenabwehr in das Gesamtkonzept des US Space Command? Und was verstehen die Strategen des Weltraumkommandos überhaupt unter Raketenabwehr?

Fakt: Für die Weltraumkrieger beschränkt sich Raketenabwehr nicht auf die regionale oder nationale Dimension. Sie fassen unter diesen Begriff das ganze Spektrum von den Patriot- (PAC-3) und Aegis-Systemen zur Punktverteidigung über die nationale Raketenabwehr (NMD) bis hin zu luft- und weltraumgestützten Kampflasern für den globalen Einsatz.

These: Das US-Weltraumkommando nutzt die Debatte über NMD, um Akzeptanz für seine sehr viel umfassenderen Pläne zu finden.

Die 1997 veröffentlichte Vision des US Space Command für das Jahr 2020 definiert als Ziele des militärischen Handelns die dauerhafte Dominanz des »Mediums Weltraum« und die Einbindung von Weltraumstreitkräften in sämtliche militärischen Operationen. Als »konzeptuelles Rahmenwerk« (conceptual framework) für die Transformation der Vision in militärische Fähigkeiten wurden vier so genannte Konzepte definiert: Kontrolle des Weltraums (Control of Space), Globales Engagement (Global Engagement), Integration sämtlicher Teilstreitkräfte (Full Force Integration) und Globale Partnerschaften (Global Partnerships).9Im 1998 verabschiedeten Long Range Plan des US Space Command10 werden diese operationellen Konzepte präzisiert. Auf der Basis des Istzustandes werden für jedes Konzept der angestrebte Endzustand und die Schlüsselziele definiert. Den einzelnen Schlüsselzielen wiederum werden auf einer von 1998 bis 2020 reichenden Zeitschiene je nach Thema Schlüsselfähigkeiten, in Frage kommende Systeme und Technologien, Partnerschafts- und politische Fragen, Aufgaben- und Aktionspläne sowie Empfehlungen zugeordnet.Raketenabwehr gehört in diesem Rahmenwerk zum Konzept »Globales Engagement« mit den Schlüsselzielen Integrierte fokussierte Überwachung (Integrated Focused Surveillance)11, Raketenabwehr (Missile Defense) und Gewaltanwendung (Force Application).12

„Raketenabwehr schützt vor ballistischen Raketen und Marschflugkörpern, die die Streitkräfte und die vitalen Interessen der USA und unserer Verbündeten gefährden. Diese Aufgabe wird um so schwieriger, da Trägersysteme für Massenvernichtungswaffen mit immer größerer Reichweite und Letalität zur Verfügung stehen. Besonders die Abwehr der weltweiten Bedrohung durch niedrig fliegende Marschflugkörper ist eine große Herausforderung. Wenn wir aber wirksame Systeme ins Spiel bringen und mit Gefechtsfeldfähigkeiten kombinieren können, werden wir auch in die Lage versetzt, andere hochwertige Ziele in der Luft abzuwehren, beispielsweise Flugzeuge und Drohnen. Raketenabwehr muss (…) sich nahtlos in die Gefechtsfeldsysteme sämtlicher Befehlshaber und Entscheidungsträger integrieren.“13

Für das Jahr 2020 wird der globale Schutz vor Raketenangriffen mit Reaktionszeiten von wenigen Minuten angestrebt: PAC-3- und Aegis-Systeme zur Punktverteidigung; landgestützte Abfangraketen und Laser aus dem NMD-Programm zum Schutz von Nordamerika; land- und luftgestützte Gefechtsfeldsysteme wie THAAD, Abwehrsysteme für obere und untere Schichten (upper and lower tier) und der luftgestützte (d.h. in einer Boeing-Maschine stationierte) Kampflaser (Air-Borne Laser, ABL) für die Flächenverteidigung; eine im Weltraum stationierte Kampfplattform (Space-Based Platform) und ein Raumfahrzeug für weltweite operative Einsätze (Space Operations Vehicle)14 mit Zeitverzug; und als krönender Abschluss, der die minutenschnelle globale Reaktion ermöglichen soll, ein weltraumgestütztes System von Kampflasern und Hochleistungs-Mikrowellenwaffen.15

Diese im Kapitel »Raketenabwehr« abgehandelten Waffensysteme würden abgerundet durch existierende oder neue Weltraum- und Bodensegmente: Satelliten aus dem Defense Support Program, in niedrigen und hohen Umlaufbahnen stationierte Infrarotsysteme (Space-Based Infrared System, SBIRS Low and High), militärische und kommerzielle optoelektronische Aufklärungssatelliten, land- und weltraumgestützte Frühwarn- und X-Band-Radarsysteme, nicht zu vergessen die C3I-Systeme (USSPACECOM Battle Manager, Global Defense Information Network).

Das US-Weltraumkommando berücksichtigt in seiner Planung auch Aktivitäten zur Vorbereitung des politischen Umfeldes, das für ein derartiges System zu schaffen wäre. „Und schließlich müssen die (politischen) Führer vermutlich die nationale Politik bezüglich weltraumgestützter Waffen überarbeiten, vor allem hinsichtlich des ABM-Vertrags. Die politische Lage nach dem Kalten Krieg erschwert das, wenn aber die Vorteile gemeinsamen Vorgehens und einer kollektiven Sicherheit hervorgehoben werden, sollte es möglich sein, allmählich Unterstützung für dieses Vorhaben aufzubauen. (…) Empfehlung: Mit den entsprechenden Regierungsorganisationen den Dialog über die Weltraumpolitik aufnehmen.“16 Sogar die Anpassung völkerrechtlicher Vereinbarungen, die den Schutz des Heimatlandes, der Alliierten und nicht näher bezeichneter vitaler Interessen mit Hilfe von Weltraumkriegsführung zulassen, ist in einer Liste offener Punkte berücksichtigt.17

Von der Raketenabwehr zur Kontrolle des Weltraums

„Wer den Weltraum beherrscht, beherrscht die Erde“, überschrieb Jürgen Scheffran 1984 einen Artikel in Wissenschaft & Frieden.18 Diesem Satz würde das US-Weltraumkommando zweifellos ohne Bedenken zustimmen. „Um Kriege zu gewinnen, muss das US-Militär zuerst die Luftkontrolle gewinnen, damit seine Truppen ohne Angst vor einem Angriff durch feindliche Luftstreitkräfte kämpfen können. Gleichzeitig wollen die Vereinigten Staaten keinem Gegner gegenüberstehen, der den Weltraum dominiert.

Um den »Feldherrenhügel« Weltraum zu erhalten, verbessert die Kontrolle des Weltraums durch das Weltraumkommando der Luftwaffe einerseits die Überlebensfähigkeit der Weltraumsysteme des Verteidigungsministeriums; andererseits wird den Gegnern das Recht verwehrt, aus dem Weltraum zu operieren und Informationen zu sammeln.“19

Dieses Zitat ist kein Ausrutscher wildgewordener Public Relations-Offiziere, wie ein hoher Repräsentant des US Space Command bei einer Tagung in Darmstadt im März 1999 abzuwiegeln versuchte. Fast sämtliche Dokumente aus dem Umfeld des Weltraumkommandos sprechen die gleiche Sprache: „Im Rahmen der Kontrolle des Weltraums ermöglicht die Überwachung des Weltraums es den Vereinigten Staaten, den »Feldherrenhügel im Weltraum« zu halten und zu dominieren. (…) Die Kontrolle des Weltraums führt zur Überlegenheit im Weltraum und garantiert damit die sichere und freie Nutzung des Weltraums durch unsere Streitkräfte sowie durch die Streitkräfte unserer Verbündeten. (…) Die Kontrolle von Luft- und Weltraum ist entscheidend, da sie die US-Streitkräfte vor Angriffen schützt und gleichzeitig die Möglichkeit zum Angriff offen hält (freedom from attack and freedom to attack). (…) Wir können es nicht zulassen, dass der Weltraum von unseren Feinden kontrolliert wird.“20

Die verkürzte Botschaft der Broschüre »Vision for 2020« des US Space Command lautet: „US-Weltraumkommando – Dominiert zum Schutz US-nationaler Interessen und Investitionen bei militärischen Operationen die Weltraumdimension. Integriert die Weltraumstreitkräfte in die Kampffähigkeit über das komplette Konfliktspektrum.“21 Die Autoren ziehen eine Parallele von der Entwicklung der Kavallerie zum Schutz von Siedlungen und Eisenbahnen im ehemals Wilden Westen und dem Aufkommen der Marine zum Schutz der Handelsschifffahrt hin zur Etablierung einer Weltraumstreitkraft „zum Schutz militärischer und kommerzieller nationaler Interessen und Investitionen im Medium Weltraum, die immer mehr an Bedeutung gewinnen.“22

Kontrolle des Weltraums wird folgerichtig definiert als „die Fähigkeit, den Zugang zum Weltraum zu gewährleisten, die Operationsfreiheit im Medium Weltraum sicherzustellen, und die Fähigkeit, anderen bei Bedarf die Nutzung des Weltraums zu verwehren. (…) Globales Engagement ist die Anwendung – präzise Gewaltanwendung – aus, in und durch den Weltraum.“23

Um die technischen Voraussetzungen für dieses »globale Engagement« zu schaffen, hält das US-Weltraumkommando die Entwicklung einiger Schlüsseltechnologien für dringend erforderlich: Anti-Satellitenwaffen (wozu auch konventionelle Waffen gezählt werden, die sich zur Zerstörung von Startvorrichtungen oder Bodeneinrichtungen eignen), weiterentwickelte Navigationssatelliten, militärische Raumfahrzeuge, optimierte Trägerraketen, Weltraumstationen und die so genannten „»Launch on Demand«, womit die Fähigkeit gemeint ist, Trägerraketen und bemannte Raumfahrzeuge innerhalb von Stunden zu starten. Heute bedarf es für einen solchen Start monate- und jahrelanger Vorbereitungen.“24

Inzwischen ist die Haltung der Militärs auch durch die offizielle Regierungspolitik der Vereinigten Staaten abgesegnet. Am 9. Juli 1999 veröffentlichte das US-Verteidigungsministerium die Direktive 3100.10 zur Weltraumpolitik.25 Darin wird postuliert: „Der Weltraum ist ein Medium wie Land, Wasser und Luft, in dem in Zukunft militärische Aktivitäten zur Erlangung US-nationaler Sicherheitsziele durchgeführt werden.“ Weltraumaktivitäten seien für die Sicherheit und das wirtschaftliche Wohlergehen kritisch, Bewegungsfreiheit für die USA eine Priorität und Weltraumsysteme im Besitz der USA (oder US-amerikanischer Unternehmen) würden als nationales Eigentum betrachtet, das es zu schützen gelte. Jegliche Beeinträchtigung von US-Weltraumsystemen wird als Verletzung der nationalen Souveränitätsrechte angesehen und führt zu „sämtlichen für angemessen erachteten Selbstverteidigungsmaßnahmen“ einschließlich der Gewaltanwendung. Die USA behalten sich ausdrücklich das Recht vor, auch Weltraumsysteme und -dienste von Gegnern auszuschalten, wenn diese für „feindliche Zwecke“ eingesetzt werden.26

Die Direktive des US-Verteidigungsministeriums beschäftigt sich auch mit der Frage, welche Systeme die USA für ihre kriegerischen Weltraumaktivitäten einsetzen wollen, und kommt zum Schluss, dass „Weltraumarchitekturen so strukturiert sein sollen, dass sie je nach Bedarf in vollem Umfang Nutzen aus den weltraumbasierten Fähigkeiten von Verteidigung und Aufklärung sowie von zivilen, kommerziellen, alliierten und befreundeten Systembetreibern Nutzen ziehen können.“

Ausweitung des Aufgabenspektrums

In neuer Zeit wurde das Aufgabenspektrum des US Space Command um eine neue Mission erweitert. Schon länger wird die Informationsüberlegenheit vom US-Militär als ein Schlüsselbereich betrachtet. Folgerichtig übernahm das Weltraumkommando mit einer Einheit in Arlington, Virginia, zum 1. Oktober 1999 die Verantwortung für die „Verteidigung aller Computernetze und systeme des Verteidigungsministeriums. Es überwacht (…) Cyberangriffe und potenzielle Bedrohungen und koordiniert Aktionen, um Schäden zu stoppen oder einzudämmen und den Netzwerkbetrieb wieder herzustellen.“27

Der Oberbefehlshaber des US-Weltraumkommandos, General Richard B. Myers, findet diese Entwicklung logisch: „Das US-Weltraumkommando verfügt über den einheitlichen, globalen und operationellen Fokus für die Mission Computernetzwerk-Verteidigung (Computer Network Defense, CND). Bei dieser neuen Aufgabenstellung profitieren wir davon, dass Weltraum- und Informationsoperationen viele Ähnlichkeiten aufweisen.“28

Zum 1. Oktober 2000 kam der offensive Aufgabenbereich Computernetzwerk-Angriff (Computer Network Attack, CNA) dazu. „Innerhalb des Verteidigungsministeriums wurde dem US-Weltraumkommando die militärische Zuständigkeit für die Verteidigung der Netzwerke des Verteidigungsministeriums zugewiesen. Im Rahmen des Rechts für kriegerische Konflikte übernimmt es außerdem die Aufgabe, einem Gegner die Fähigkeit zu verwehren, Computernetze für die Durchführung militärischer Operationen zu nutzen.

Angriffe auf die Computernetze eines Gegners können auch ein Mittel zur Verteidigung unserer eigenen Computernetze vor größeren Cyberangriffen sein, die gegen unsere eigenen Systeme gerichtet sind. (…) Wie bei allen anderen militärischen Fähigkeiten, werden die Vereinigten Staaten Computernetzwerk-Angriffen nur nach sorgfältiger politischer und rechtlicher Prüfung einsetzen.“29

Mischen wir uns ein!

Abgesehen von allen offensichtlichen Implikationen, die die militärischen Weltraumpläne der USA mit sich bringen, sollten Friedens- und Konfliktforscher und Völkerrechtler jedenfalls der Frage besondere Aufmerksamkeit widmen, welche Konsequenzen die Inanspruchnahme des Weltraums als »vierte Dimension« für das internationale Sicherheitsregime hat. Das Völkerrecht kennt keine »Hoheitsgebiete« im Weltraum. Der 1967 abgeschlossene Weltraumvertrag sieht ausdrücklich das Recht aller Nationen vor, den Weltraum ungehindert für ausschließlich friedliche Zwecke zu nutzen und an der Weltraumnutzung selbst dann zu partizipieren, wenn sie selbst keine Weltraummissionen durchführen. Auch im Weltraum ist nicht Konfrontation angesagt, sondern Kooperation. Für Friedensgruppen, Friedensforscher und Völkerrechtler ergibt sich hier ein weites Feld für Diskussion und Aufklärung.

@ANM.-TEXT UMB = „Viele der Systeme und Konzepte für Raketenabwehr könnten auch Relevanz für die Gewaltanwendung haben. Dieses Konzept sieht vor, dass wir orts- und zeitunabhängig eine Reihe riskanter Ziele praktisch sofort von weltraumgestützten Einrichtungen ins Visier nehmen können. (…) Für die Fähigkeit zur Gewaltanwendung aus dem Weltraum können sowohl Orbitalsysteme als auch landgestützte Systeme zum Einsatz kommen.“ Ausdrücklich betont wird, dass damit Ziele außerhalb des Raketenabwehrspektrums gemeint sind. Den Verfassern des Long Range Plans ist durchaus bewusst, dass sie damit ein politisch heikles Thema ansprechen. In einem farblich abgesetzten Kasten betonen sie: „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wird die Vorstellung von Waffen im Weltraum nicht von den nationalen politischen Richtlinien der USA abgedeckt. Dieser Plan hat daher den Zweck, für diese Möglichkeit Pläne zu erarbeiten, falls die zivile Führung zu einem späteren Zeitpunkt entscheidet, dass Gewaltanwendung aus dem Weltraum in unserem nationalen Interesse liegt.“ (LRP, S. 65)

Anmerkungen

1) Directorate of Public Affairs, Headquarters, U.S. Space Command: Future War: JWID 2000 Features Space and Information – The Warfighters Edge, News Release No. 09-00 vom 10. Juli 2000; http://www.spacecom.af.mil/usspace/rel0900-jwid.htm. Übersetzung dieses und der folgenden Zitate aus dem Englischen durch die Autorin.

2) Dieter Engels, Jürgen Scheffran, Ekkehard Sieker: Die Front im All – SDI: Weltraumrüstung und atomarer Erstschlag, Pahl-Rugenstein Verlag, Köln, 3. Auflage, 1986, S. 54.

3) Directorate of Public Affairs, Headquarters, U.S. Space Command: Command Marks 15th Anniversary, News Release No. 14-00 vom 21. September 2000; http://www.spacecom.af.mil/usspace/rel1400-anniversary.htm.

4) Die Sowjetunion allerdings stellte nicht die militärische Nutzung des Weltraums in den Vordergrund, sondern schlug ein vollständiges Verbot jeglicher Rüstung im Weltraum vor, was von den USA abgelehnt wurde. Als Kompromiss wurde 1967 der Weltraumvertrag (Outer Space Treaty) verabschiedet, der immerhin die Stationierung von Massenvernichtungswaffen im Weltraum untersagt und dazu auffordert, den Weltraum ausschließlich zu friedlichen Zwecken und zum Wohle der ganzen Menschheit zu nutzen.

5) US Department of Defense: Development of Space Systems, DoD Directive No. 5160.32, 1961.

6) Zu den militärischen Weltraumaktivitäten gehört selbstverständlich auch die Entwicklung von ballistischen Raketen und Konzepten der nuklearen Kriegsführung, die in diesem Artikel nicht angesprochen werden. Zur Entwicklung der militärischen Weltraumfahrt siehe auch Regina Hagen, (UN-) Peaceful Use of Space, Referat für die 13. Generalversammlung der International Association of Peace Messenger Cities in O_wiêcim/Polen am 1. September 2000; http:/www.space4peace.org.

7) Directorate of Public Affairs, Headquarters, U.S. Space Command: U.S. Space Command Supports Kosovo Operation, 24. März 1999; http://www.spacecom.af.mil/usspace/news6-99.htm.

8) U.S. Government Printing Office: United States Space Command, 1997, S. 8.

9) United States Space Command: Vision for 2020, Peterson Air Force Base, Colorado, 1997

10) US Space Command: Long Range Plan. Implementing USSPACECOM Vision for 2020 (LRP), Peterson Air Force Base, Colorado, März 1998; http://www.spacecom.af.mil/usspace/LRP/cover.htm.

11) „Integrierte fokussierte Überwachung“ ist „die bedarfsgerechte, anhaltende Überwachung besonders interessanter Ziele – um alle Kommandeure bei der Raketenabwehr und der Gewaltanwendung zu unterstützen. Zu den Zielen von besonderem Interesse (…) werden vermutlich stationäre, mobile, unterirdische und verlegbare Ziele sowie ballistische Raketen und Marschflugkörper gehören. (…) Die Notwendigkeit der globalen Überwachung (jederzeit, an jedem Ort) führt zu weltraumgestützten Lösungen, die keinen politischen oder geographischen Einschränkungen unterliegen.“ (LRP, S. 52)

12) B = „Viele der Systeme und Konzepte für Raketenabwehr könnten auch Relevanz für die Gewaltanwendung haben. Dieses Konzept sieht vor, dass wir orts- und zeitunabhängig eine Reihe riskanter Ziele praktisch sofort von weltraumgestützten Einrichtungen ins Visier nehmen können. (…) Für die Fähigkeit zur Gewaltanwendung aus dem Weltraum können sowohl Orbitalsysteme als auch landgestützte Systeme zum Einsatz kommen.“ Ausdrücklich betont wird, dass damit Ziele außerhalb des Raketenabwehrspektrums gemeint sind. Den Verfassern des Long Range Plans ist durchaus bewusst, dass sie damit ein politisch heikles Thema ansprechen. In einem farblich abgesetzten Kasten betonen sie: „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wird die Vorstellung von Waffen im Weltraum nicht von den nationalen politischen Richtlinien der USA abgedeckt. Dieser Plan hat daher den Zweck, für diese Möglichkeit Pläne zu erarbeiten, falls die zivile Führung zu einem späteren Zeitpunkt entscheidet, dass Gewaltanwendung aus dem Weltraum in unserem nationalen Interesse liegt.“ (LRP, S. 65)

13) LRP, S. 59.

14) Dahinter steckt der offiziell als Nachfolgemodell des Space Shuttle konzipierte X33.

15) LRP, S. 60-63.

16) LPR, S. 63-64.

17) Kapitel 11, Out of Our Lane. Policies, Treaties and Agreements, LRP, S. 137ff.

18) Wissenschaft & Frieden 2/1984.

19) Internal Information Division, Headquarters Air Force Space Command Office of Public Affairs: Guardians of the High Frontier, Sonderausgabe der Zeitschrift Guardian, Peterson AFB, Colorado, o.J., S. 17.

20) Skript zu einem Folienvortrag des 21st Space Wing der Peterson Air Force Base in Colorado Springs, Colorado/USA; o.J.; verwendet von einer Öffentlichkeitsreferentin der Air Force bei einem Vortrag am 9. April 1998.

21) US Space Command: Vision for 2020, Peterson Air Force Base, 2. Auflage, August 1997

22) ibid.

23) ibid.

24) Frank Sietzen, Jr.: Wargames: Air Force Space Command's Battle Plans, Artikel für SPACE.com, 3. Oktober 2000; http://www.space.com/businesstechnology/technology/space_battellabs_001 003.html.

25) Department of Defense: Directive Number 3100.10, Space Policy, 9. Juli 1999; http://web7.whs.osd.mil/pdf.d310010p.pdf. In dieser Datei ist dem Text der Direktive ein Memorandum des US-Verteidigungsministeriums zu dem Dokument vorangestellt.

26) Das könnte folglich die Ausschaltung von Kommunikationssatelliten eines Gegners einschließen, da Kommando, Kontrolle und Kommunikation in aller Regel auf weltraumgestützten Systemen basiert. Theoretisch könnten davon selbst kommerzielle Satelliten eines Drittstaates betroffen sein, die von einem Gegner für die Kommunikation genutzt werden.

27) Directorate of Public Affairs, Headquarters, U.S. Space Command: U.S. Space Command Takes Charge of DoD Computer Network Defenses, News Release No. 19-99 vom 1.Oktober 1999; http://www.spacecom.af.mil/usspace/new19-99.htm.

28) Ibid.

29) Directorate of Public Affairs, Headquarters, U.S. Space Command: U.S. Space Command Takes Charge of Computer Network Attack, News Release No. 15-00 vom 29.September 2000; http://www.spacecom.af.mil/usspace/rel15-00.htm.

Regina Hagen ist technische Übersetzerin. Sie ist Mitglied im Darmstädter Friedensforum und im Vorstand des Global Network Against Weapons and Nuclear Power in Space.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2001/1 Von SDI zu NMD, Seite