W&F 2003/3

»Rent-a-Soldier«

Die Privatisierung des Militärs

von Herbert Wulf

Ihr Geschäft ist der Krieg – Vorbereitung, Durchführung und Nachsorge – alles in einer Hand. Private Militärfirmen tauchen immer häufiger in den Kriegen und Konflikten als Akteure auf, nicht unbedingt an vorderster Front.1 Fast jede größere militärische Operation im letzten Jahrzehnt hat ein stets wachsendes Engagement privater Militärfirmen hervorgebracht. Manche Armee kommt ohne die privaten Militärfirmen nicht mehr aus. Zwar unterliegt der Sicherheitsbereich in vielen Ländern demokratischen Kontrollen, doch die Kommerzialisierung und die Internationalisierung der Sicherheit rüttelt an der Effektivität dieser Kontrollen.
Die Ursachen für diesen, seit einigen Jahren zu beobachtenden neuen Trend sind vielfältig. Mindestens fünf Gründe spielen eine zentrale Rolle:2

Erstens: Das Abspecken im Militärbereich nach dem Ende des Kalten Krieges

Auf der Angebotsseite gibt es vor allem freie Kapazitäten der Streitkräfte seit dem Ende des Kalten Krieges. Schaut man in die Firmenprospekte oder die Internetseiten privater Militärfirmen, wie Cubic, DynCorp, Vinnell Corporation oder Military Professional Resources Inc. (MPRI) in den USA oder Sandline International, Defence Systems Limited oder Gurkha Security Guards in Großbritannien, stellt man fest, dass sich das Personal im wesentlichen aus ehemaligen Soldaten der Streitkräfte rekrutiert. Die Abrüstung in den 1990er Jahren hat nicht nur zu einer Schwemme gebrauchter Waffen geführt, die aus Europa in zahlreiche Länder der Welt verkauft oder verschenkt wurden, sondern ebenso einen Überschuss qualifizierten militärischen Personals hervorgebracht, das jetzt in den Militärfirmen neue Betätigungsfelder sucht und findet.3 Weil in zahlreichen Länder die Militärhaushalte gekürzt wurden, reagierten die Streitkräfte mit Personalabbau und »Outsourcing« traditionell militärischer Funktionen. Die privaten Militärfirmen entwickelten sich azyklisch: Bei sinkendem Militärbudget, stiegen die Umsätze. Im Golfkrieg 1991 hatte das US-Heer noch 711.000 aktive Soldaten zur Verfügung. Heute sind es mit 487.000 ein Drittel weniger. Im ersten Golfkrieg war das Verhältnis zwischen dem Personal privater Militärfirmen und dem US-Heer ungefähr 1 zu 50 bis 100; im Golfkrieg 2003 kam auf jeweils 10 Soldaten ein Firmenangestellter.4 Aufträge in Höhe von 30 Milliarden Dollar (8% des Gesamtverteidigungshaushaltes) vergibt das Pentagon im Jahr 2003 an private Militärfirmen.5

Zweitens: Die veränderte Art der Kriegsführung

Die Streitkräfte setzen immer mehr auf modernes Gerät. Die Spitze des Eisbergs ist die so genannte Revolution in Military Affairs, in dem die Waffensysteme elektronisch miteinander verknüpft werden und die Befehlshaber, fernab vom eigentlichen Kriegsgeschehen, in Echtzeit über die Entwicklung der Kampfhandlungen informiert werden und ihre Befehle treffen. Die Streitkräfte selbst sind jedoch nicht mehr in der Lage, das moderne Gerät zu bedienen und zu warten.

Drittens: Zonen ungleicher Sicherheit in der globalisierten Gesellschaft und die Rolle subnationaler Akteure

Im Inneren vieler Gesellschaften kann der Staat mit Militär und Polizei nicht mehr die Sicherheit der Bürger garantieren. Vielmehr werden die Akteure des Sicherheitssektors oft selbst zu einer Bedrohung für das Leben vieler Menschen. Die Globalisierung hat die Zonen ungleicher Sicherheit sowohl verschärft als auch öffentlich bewusster gemacht. Immer mehr Menschen werden marginalisiert und zum Sozialfall in der globalisierten Gesellschaft. Im Ländern mit völligem Staatszerfall (in so genannten failed states), in denen nicht mehr klar zu erkennen ist, wer noch über die Souveränität verfügt, ist die Tendenz zu erhöhter Nachfrage nach privatisierten Sicherheitsdiensten und zusätzlichen UN-Friedensmissionen am deutlichsten zu erkennen.6 Diejenigen, die über die notwendigen Ressourcen verfügen, organisieren ihre Sicherheit selbst. Es kommt zur Kommerzialisierung der Sicherheit.7 Diese Privatisierung erhöht oftmals die Unsicherheit. Gleichzeitig versuchen verschiedene sub-nationale Gruppen wie Warlords, Rebellengruppen, organisiertes Verbrechen und Terrorgruppen aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen an dieser Entwicklung zu profitieren oder sie zu bekämpfen. Dieser Trend, vor allem in Entwicklungsländern, ist auf den Begriff »neue Kriege« gebracht worden.8

Viertens: Die zunehmenden »humanitären« Interventionen

Die anschwellende Zahl von Kriegsflüchtlingen, ethnische Säuberungen und Genozid und der daraus resultierende Wunsch zur Prävention bewaffneter Konflikte hat den UN-Sicherheitsrat im letzten Jahrzehnt zum verstärkten Eingreifen auch mit militärischen Mitteln veranlasst. Wenn auch diese Entwicklung nicht völlig neu ist, so haben doch die sich häufenden UN-Friedensmissionen, ebenso aber auch die Bekämpfung des Drogenhandels in Lateinamerika, der Ruf nach dem Militär bei großen Naturkatastrophen, humanitäre Hilfe für Kriegsflüchtlinge und neuerdings der Kampf gegen den internationalen Terror den Trend zu militärischen Eingreifen verstärkt. Die Nachfrage nach militärisch gestützten UN-Friedensmissionen war immer größer als das Angebot an Truppen und anderen Ressourcen. Dies beförderte die Nachfrage nach privaten Akteuren. Begründet und legitimiert werden internationale Militäreinsätze zunehmend mit der Notwendigkeit humanitäre Katastrophen zu verhindern. Der Einsatz privater Militär- oder Sicherheitsfirmen soll dabei die Streitkräfte unterstützen bzw. entlasten oder deren Aufgabe komplett übernehmen.

Fünftens: Die normativ positiv besetzte Politik der Privatisierung

P. W. Singer spricht von „the power of privatization and the privatization of power“.9 Der relativ neue und rasch wachsende Markt des privaten Sicherheitssektors, mit Firmen, die ihren Service weltweit anbieten, entwickelte sich als Teil einer umfassenderen Privatisierung, in der das Konzept des »schlanken Staates« zentral ist. Um kosteneffektivere Marktlösungen zu finden, werden traditionell militärische Funktionen privatisiert. Das neoliberale Konzept vom schlanken Staat hat sich fast kritiklos durchgesetzt, und die Privatisierung hat nicht an den Kasernentoren Halt gemacht und auch sensible Bereiche des Militärs werden privatisiert.

In den US-Streitkräften heißt es, die Einsätze bei humanitären Interventionen lenken von den Kernaufgaben der Streitkräfte ab. In anderen Armeen wird beredt darüber Klage geführt, dass für die neuen Aufgaben keineswegs zusätzlich Mittel bereit gestellt werden. Deshalb ist beispielsweise die Zeitschrift Parameters, das Sprachrohr des US-Heeres, durchaus von der Tätigkeit der privaten Militärfirmen angetan und spricht im Stile von Unternehmensberatern von der Möglichkeit der Konzentration der Streitkräfte auf »Kernkompetenzen«, nämlich »kämpfen«, wenn sie von privaten Militärfirmen entlastet werden.10

Markt und Militär: Das Aufgabenspektrum privater Militärfirmen

Privatisierung in den Streitkräften ist kein klar definierter, sondern ein eher schillernder Begriff. Sehr unterschiedliche Aktivitäten werden darunter subsummiert.11 Sie reichen von der Sicherung privaten Eigentums bis zum Schutz von Minen und Förderanlagen global operierender Firmen, von der Verwaltung und Vermarktung militärischer Liegenschaften bis zur Privatisierung des Fuhrparks von Armeen, von Transportdiensten für UN-Friedensmissionen bis zum Schutz von Hilfskonvois, von der Rekrutierung des Militärpersonals bis zur Ausbildung im Nahkampf, von Kriegsvorbereitungen wie Spionagetätigkeiten bis zur Meldung von Truppenbewegungen, von der Logistik für das Militär bis zum Einsatz in Kampfhandlungen, von technisch komplexen bis zu eher schmutzigen Aufgaben wie der Verteidigung der Privilegien korrupter Eliten. Bezogen auf die Produktpalette (und auch auf die Nähe zum eigentlichen Kriegsgeschehen) kann man zwischen drei unterschiedlichen Firmenprofilen bzw. Tätigkeitsarten unterscheiden:

  • 1. Beratung und Ausbildung,
  • 2. Zulieferer sowie logistische und technische Dienstleistungen und
  • 3. Kampfhandlungen, also Firmen, die auch den Finger am Abzug haben.

Der größte Zuwachs an Aufträgen ist bei den Firmentypen 1. und 2. zu verzeichnen, während viele Firmen vor der direkten Beteiligung in Kampfhandlungen zurückschrecken.

Mit der heutigen Privatisierung werden die Aufgabenbereiche des Militärs deutlich eingeschränkt, gleichzeitig aber durch die internationalen Einsätze geografisch und funktionell erweitert. Diese Privatisierung findet in manchen Ländern in großem Stile und geplant statt. Vor allem in den USA und Großbritannien wird die Privatisierung forciert vorangetrieben.12 In Großbritannien ist die Privatisierung vor allem ein Nebenprodukt knapper öffentlicher Haushalte und Resultat des Drucks des Marktes. In den USA passt die Privatisierung in das marktwirtschaftlich orientierte Konzept der Konservativen, vor allem aber auch in das Konzept, die Streitkräfte auf Kampfeinsätze vorzubereiten, ohne sie dabei zu vergrößern. Wenn beispielsweise amerikanische Panzer im Joint Readiness Training Center des Heeres in Fort Polk, Louisiana, durch die Straßen rattern und plötzlich Zivilisten im Gefechtsgetümmel auftauchen, dann ist dies keineswegs eine ungewollte Störung des Trainings. Vielmehr hatte man die Firma Cubic beauftragt, so realistisch wie möglich den Einmarsch der Truppen in Bagdad zu simulieren. Während MPRI die amerikanischen GIs in Camp Doha in Kuwait im Nahkampf ausbildete, flog Cubic bosnische Flüchtlinge aus den ganzen USA nach Fort Polk, um die Kriegserfahrungen möglichst realistisch nachzuspielen. Über 600 Cubicbeschäftigte waren nötig, um eine Übung für 6.500 Soldaten durchzuführen.13 Gelegentlich sind auch deutsche Firmen beteiligt. Die wegen illegaler Waffengeschäfte angeklagte Firma Optronic aus dem süddeutschen Königsbronn sucht auf ihrer Internetseite „Civilians on the Battlefield“. „Statisten für Rollenspiele bei Manövern der U.S. Armee“, heißt es etwas weniger martialisch in der deutschen Anzeige. Das alles ist völlig legal.14

Weniger spielerisch ging es im Bürgerkrieg in Sierra Leone zu. Während Sandline International wegen der Beteiligung an Kampfhandlungen in Großbritannien ins Gerede kam, sorgte Defence Systems Limited im gleichen Konflikt für die Logistik der UN-Blauhelme. Die ursprünglich südafrikanische Firma Executive Outcome, die sowohl in Angola als auch in Sierra Leone an Kampfhandlungen beteiligt war, musste aufgrund gesetzlicher Auflagen Südafrika verlassen. Jetzt findet man im Internet Niederlassungen von Executive Outcome in Großbritannien und den USA.

Die amerikanische Firma MPRI rühmt sich jede Art militärischer Mission ausführen zu können (außer Kampfeinsätzen). Im Gegensatz zu anderen Firmen verzichtet MPRI auf unmittelbare Kampfeinsätze. MPRI hat laut Eigenauskunft derzeit internationale Verträge „in allen Regionen der Welt.“ MPRI unterhält ein »Kampfsimulationszentrum« und ein »Kampfausbildungscamp«. Neben der Drogenbekämpfung in Kolumbien, wo die US-Regierung MPRI-Berater bei Polizei und Militär einsetzt, geriet MPRI in die internationale Kritik, weil die Firma die kroatische Armee zu einem Zeitpunkt ausbildete als in der Krajina ethnische Säuberungen durchgeführt wurden. Ob MPRI direkt beteiligt war, ist nicht nachzuweisen. Die Beteiligung an Kampfhandlungen passiert heute jedoch nicht nur mit der Waffe in der Hand. Ein Experte, der beispielsweise am Computer Daten über Truppenbewegungen eingibt, spielt eine entscheidende Rolle auf dem »automatisierten Schlachtfeld«.

In unterentwickelten oder kollabierten Ländern werden die privaten Dienste nachgefragt, um schwache Regierungen zu stabilisieren.15 Statt die staatlich legitimierten Streitkräfte zu beauftragen, schließen Regierungen Kontrakte mit privaten Spezialfirmen, weil das Militär die Aufgaben nicht erfüllen kann oder sich auf die Kernkompetenzen konzentrieren soll. Viele dieser Tätigkeiten werden von Privatfirmen durchaus effizient ausgeführt; in manchen Entwicklungsländern haben sie sich als seriöse Alternative zu ineffizienten oder nicht vertrauenswürdigen Streitkräften etabliert.16 Für den Staat sind die Privaten auch deshalb attraktiv, weil nur für den Service gezahlt werden muss, den die Regierung anfordert und erhält. Ein stehendes Heer dagegen kostet immer knappe Ressourcen.

Firmen mit beschränkter Haftung

Die meisten Aktivitäten der privaten Militärfirmen bewegen sich im Rahmen bestehender Gesetze, insofern als sie in der Regel politisch gewollt und durch staatliche Stellen lizenziert sind. Manche Firmen aber operieren in einer Grauzone bzw. ihre Tätigkeiten sind nicht staatlich reguliert, wenn nicht gar illegal. Sehr unterschiedliche Akteure sind als private Sicherheitsdienstleister tätig und oftmals werden die Firmen als moderne Söldner bezeichnet.17 Die privaten Militärfirmen wehren sich dagegen. Im Gegensatz zu Söldnergruppen legen die modernen Militärfirmen Wert darauf, dass sie ordnungsgemäß registriert sind, ihre Steuern bezahlen und nicht mit dem internationalen Recht in Konflikt kommen. Als die Firma DynCorp in die Kritik geriet, als sieben ihrer Angestellten in Bosnien 12-jährige Mädchen prostituierten, hielt sich die Firma aus Imagegründen bedeckt und entließ die Mitarbeiter.18 Sandline International betont jetzt, nachdem die Firma in England wegen ihres Engagements in Sierra Leone öffentlich kritisiert wurde – in ihrer Firmenphilosophie ihre Leistungskompetenz unter strikter Beachtung der Menschenrechte. Die amerikanische Firma MPRI hebt auf ihrer Internetseite ausdrücklich hervor, dass sie „mit einer Lizenz der US-Regierung in einer Reihe von Ländern“ operiert.

Söldner ziehen in der Regel für einen Auftraggeber in den Krieg; sie sind, wie Singer es ausdrückt: »guns for hire«19. Private Militärfirmen haben zwar auch ihren Ursprung als private Akteure im Krieg, doch im Gegensatz zu Söldnern haben sie eine hierarchisch gegliederte Organisationsstruktur. Sie sind nicht als Einzelperson, sondern als Firma tätig. In dieser Beziehung sind sie eher mit Rüstungsfirmen vergleichbar. Sie rekrutieren ihr Personal offen, bieten einen breiteren Service an und arbeiten für mehrere Auftraggeber gleichzeitig. Sie konkurrieren um Aufträge auf dem Weltmarkt und versuchen nicht, ihre Existenz zu bestreiten, wie dies bei Söldnern oft der Fall ist.20Anders als Rüstungsfirmen operieren sie jedoch eher als virtuelle Firmen ähnlich wie Internetfirmen. Sie benötigen vergleichsweise wenig Kapital und investieren nicht in große Produktionsstätten. Die Markteintrittshürden sind nicht besonders hoch, da sie rasch erfahrenes Personal anheuern können. Ihr Kapital ist vor allem das Know-how. MPRI beschäftigt beispielsweise nur 800 Personen fest, kann aber weitere 11.000 jederzeit für Kurzeinsätze abrufen. Die Einkommen der Beschäftigten schwanken stark. Während der Kriegsphase auf dem Balkan heuerte MPRI lokal Interessenten für 5.000 Dollar bar bei der Anwerbung und 1.500 Dollar monatlich steuerfrei an.21 In den USA wird zwischen dem Zwei- bis zum Zehnfachen des militärischen Salärs von privaten Firmen gezahlt.22Der Boom der privaten Militärfirmen war dem vor allem an Aktienfirmen interessierten Magazin Fortune eine lange Analyse wert. DynCorp konnte im Jahr 2002 seinen Umsatz um 18% auf 2,3 Milliarden Dollar steigern, davon rund ein Viertel im Bereich der privaten Militärdienstleistungen. Cubics Gewinn wuchs im gleichen Jahr um 41%. L3 Communications gehörte 2002 zu den 100 am schnellsten wachsenden Firmen und verbuchte ein durchschnittliches Gewinnwachstum von 33 Prozent in den letzten drei Jahren. Kellogg, Brown & Root (KBR), ein Tochterunternehmen von Haliburton, dem der heutige Vizepräsident Dick Cheney früher als Vorstandsvorsitzender vorstand, versorgte rund 20.000 Soldaten des US-Militär auf dem Balkan mit Nahrungsmitteln, Wasser, frischer Wäsche, Post und schwerem Gerät. Alleine 42 Millionen Mahlzeiten lieferte KBR und wusch 3,6 Millionen Säcke Wäsche. Die Aufträge des Pentagon an KBR beliefen sich auf 3 Milliarden Dollar. Heute sind ungefähr 10 mal mehr Truppen der US-Streitkräfte im Nahen Osten im Einsatz. Und Haliburton ist wieder einer der Hauptauftragnehmer.23Jetzt interessiert sich auch das Großkapital für die mittelgroßen gewinnträchtigen privaten Militärfirmen.24 1997 fusionierten die Londoner Firma Defense Service Limited und die US-Firma Arms Holdings, die 1999 und 2000 zu den 100 am schnellsten wachsenden Firmen der Fortune-Liste gehörte. MPRI wurde 2000 von L3 Communications aufgekauft. Computer Science Corporation, selbst ein großer Auftragnehmer des Pentagon, zahlte im letzten Jahr 950 Million Dollar, um DynCorp aufzukaufen. Mit einer Weltmarktstrategie (»global branding« im Jargon der Business Schools) wollen die Firmen sich ein seriöses Image zulegen und ihren Service weltweit anbieten und nicht mehr primär nur für die US-Streitkräfte arbeiten.Ob der Privatsektor die Finanzprobleme in den Militärhaushalten lösen oder lindern kann, muss sich erst noch erweisen. Bislang sind die Erfahrungen noch zu gering. Die anekdotenhafte Evidenz ist ausreichend, um dieses Konzept für die Finanz- und Verteidigungsminister weiter attraktiv zu machen; sie reicht aber nicht aus, um den Praxistest bereits als gelungen anzusehen. Private Militärfirmen sind profitorientierte Anbieter militärischer Dienstleistungen, die nicht unbedingt immer den aus sicherheitspolitischen Gründen gewünschten Dienst günstig anbieten. So wird beispielsweise KBR vorgeworfen, während der Konflikte auf dem Balkan unzureichende Dienstleistungen erbracht zu haben und in vier von sieben Verträgen der US-Armee zu hohe Beträge in Rechnung gestellt zu haben. Zwei der übrigen Verträge übernahm dann die Armee selbst und der letzte wurde an eine andere Firma vergeben.25

Steht das staatliche Gewaltmonopol zur Disposition?

Wenn auch hinter der Privatisierung das Bemühen steckt, die Streitkräfte effizienter zu führen, so birgt dieser Ansatz auch Gefahren. Eine zentrale Funktion des Staates, nämlich das Gewaltmonopol, könnte unterhöhlt oder sogar ganz aufgegeben werden. Obwohl diese Norm heute im Grundsatz nicht umstritten ist, wird sie de facto unterhöhlt. Sicherheit geht um die Frage, wer hat und wer sollte die legitime Ausführung und Kontrolle der Gewalt haben.26 In der globalisierten Welt ist diese Kontrolle in Frage gestellt. Ein global wirksames staatliches Gewaltmonopol existiert nicht, und die Machtlosigkeit des UN-Sicherheitsrates hat dies im Falle des Irakkrieges aktuell erneut bestätigt. Um so nachhaltiger stellt sich die Frage nach »global governance« im Sicherheitsbereich.

Die Art, wie staatliche Gewalt angewendet und reguliert wird, wird durch den Einsatz privater Firmen nachhaltig beeinflusst. Während die Regierung gegenüber dem Parlament rechenschaftspflichtig ist, sind private Firmen dies nur gegenüber ihren Aktionären oder Besitzern und dem Auftraggeber. Manche Regierung ist durchaus interessiert genau aus diesem Grunde die Dienste privater Firmen in Anspruch zu nehmen. Da beispielsweise in den USA die Kontrollen des Kongresses bei Rüstungsexporten, Militärhilfe und in der Drogenbekämpfung der Regierung weniger Handlungsspielraum erlauben, greift die Regierung gerne auf die privaten Militärfirmen zurück. Auch gegenüber der Öffentlichkeit muss sie sich bei möglichen Verwicklungen oder wenn es zu Toten oder Verletzten bei den Einsätzen kommt nicht verantworten, da es sich ja nicht um Angehörige der Streitkräfte handelt.

Derzeit ist nicht erkennbar, dass sich der Trend der Privatisierung umkehrt oder Gegenkräfte entstehen. Privatisierung im Militär ist kein kurzfristiger oder vorübergehender Modetrend. Es ist deshalb zweifellos erforderlich, Regeln für dieses Engagement der Privatfirmen im internationalen Recht zu verankern. Der Einsatz der privaten Militärfirmen verläuft nicht spannungsfrei, denn es stehen sich zwei Grundprinzipien gegenüber, die nicht immer kompatibel sind: Die Sicherheit des Auftraggebers und das Gewinnmotiv der Firmen. Das öffentliche Gut »Sicherheit« und das private Gut »Gewinn« können im Konflikt miteinander liegen. Das Risiko, das Firmenvermögen zu verlieren, ist bei gewaltsamen Auseinandersetzungen durchaus gegeben. Im Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea Ende der 1990er Jahre beispielsweise hatte Äthiopien eine kleine, aber umfassende russische Luftwaffe von der Firma Sukhoi, einem Flugzeugbauer, einschließlich moderner Su-27 Kampfjets mit Piloten und Bodenpersonal geleast. Selten wurde diese Luftwaffe eingesetzt; denn auch die eritreische Luftwaffe hatte ihrerseits russische und ukrainische Piloten angeheuert. Die Firmen auf beiden Seiten zögerten, ihr Leben und das Firmenkapital aufs Spiel zu setzen.27

Ein weiteres Kennzeichen der Privatisierung ist, dass private Kampftruppen (Firmentyp 3) meist von Regierungen angeheuert werden, die schwach sind und sich in einer Notlage befinden. Gleichzeitig sind dies die Regierungen, die am meisten Schwierigkeiten haben, die Ressourcen für die Privatfirmen aufzubringen. Oft werden dann »Hypotheken« aufgenommen, in dem den Privatfirmen Prospektionsrechte für Rohstoffe (Öl, Diamanten, Edelholz usw.) übertragen werden. Damit wird die Zukunft der Firmen an die Zukunft des Auftraggebers geknüpft und mancher Konflikt verlängert. Es kommt zur gegenseitigen Abhängigkeit von Auftraggeber und Auftragnehmer. In einer solchen Situation ist nicht klar, welche staatlichen Aufträge umgesetzt werden, wer darüber entscheidet, ob entschieden wird und wenn ja, welche Art Gewalt angewendet wird.

Die Privatisierung militärischer Funktionen führt zu einem fundamentalen langfristigen Wandel im Verhältnis von Militär und Nationalstaat. Militärische Ressourcen sind auf dem globalen freien Markt auf Kontraktbasis käuflich. Experten für fast jede militärische Tätigkeit stehen abrufbar bereit. Wirtschaftliche Macht kann damit noch schneller in militärische Macht umgesetzt werden. Während staatliche Armeen nach Max Webers Modell vom Nationalstaat für ein allgemeines politisches Ziel, die Sicherheit der Bürger, eingesetzt werden, übernehmen jetzt profitorientierte Einheiten einen Teil dieser Funktion.

Es sind erhebliche Zweifel angebracht, ob dieser Prozess tatsächlich bruchlos und störungsfrei ablaufen wird. Die Globalisierung hat die Bedingungen für das Webersche Konzept des Nationalstaates verändert. Denationalisierung findet auf zahlreichen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Ebenen statt und auch die Konzeption national organisierter und orientierter Armeen ist in Frage gestellt. Doch bislang haben sich die parlamentarischen Kontrollen nicht parallel zu den Tendenzen der Internationalisierung und Privatisierung des Militärs mit entwickelt. Fallen die Werkzeuge von Krieg und Gewalt und deren Kontrolle durch den Nationalstaat in die Hände nicht-staatlicher Akteure (von kriminellen Gruppen bis zu bewaffneten Aufständischen, von angeheuerten Gangs bis zu legal operierenden Firmen)? Ist es klug und politisch vertretbar, Kontrollfunktionen im nationalen Rahmen aufzugeben (oder nicht mehr wahrnehmen zu können) bevor neue Kontrollmechanismen international geschaffen sind? Werden irgendwann die Streitkräfte eines Landes gar gegen die eigenen Bürger in privaten Militärfirmen auf unterschiedlichen Seiten der Front kämpfen oder Militärfirmen gegeneinander eingesetzt werden (wie das in dem oben erwähnten Äthiopien-Eritrea-Krieg russischen Firmenangehörigen passierte)? Dürfen die Angestellten der privaten Militärfirmen bei ihren Einsätzen Waffen tragen und unterliegen sie den Genfer Protokollen als Kombattanten und Kriegsgefangene oder sind sie Zivilisten auf dem Schlachtfeld, wenn sie an der Seite von Kommandospezialkräften im Einsatz sind? Sind die Angestellten dieser Firmen Deserteure, wenn sie in kritischen Situationen ihren »Arbeitsplatz« verlassen? Dies sind keine nur konzeptionell wichtigen Fragen, sie betreffen die heutige Realität ganz konkret. Airscan, eine amerikanische Firma, die in der Drogenbekämpfung in Kolumbien tätig ist, koordinierte die Bombardierung eines Dorfes, in dem 18 Bewohner (einschließlich Kinder) getötet wurden. In Peru leiteten Angestellte der Firma Avivation Development bei einer Überwachungsaktion der CIA fälschlicherweise den Abschuss eines kleinen Zivilflugzeuges ein, in dem eine Familie amerikanischer Missionare ums Leben kam.28 Wer übernimmt hierfür die Verantwortung?

Das neoliberale Konzept, auf Marktmechanismen auch im Sicherheitsbereich zu setzen, stellt die institutionelle Balance zwischen ziviler Kontrolle und professioneller Autonomie für das Militär in Frage. War schon der Bereich Sicherheit bislang von wirksamen parlamentarischen Kontrollen weit entfernt, so werden die Parlamentarier in Zukunft noch weniger mitzureden haben, weil sich das Militär durch internationale Kooperationen und durch die Übertragung von Aufgaben an Privatfirmen tendenziell den Kontrollen entzieht. Die Unterschiede zwischen der Privatisierung der Bahn oder Post einerseits und Militär und Polizei andererseits sind qualitativer Natur, die im staatlichen Gewaltmonopol begründet ist – einer Errungenschaft, die in Europa vor mehr als 350 Jahren mit dem westfälischen Frieden als zivilisatorischer Fortschritt erreicht wurde.

Anmerkungen

1) David Shearer, Private Armies and Military Intervention, in: Adelphi Papers 316, London: International Institute for Strategic Studies, 1998. Robert Mandel, The Privatization of Security, in: Armed Forces & Society, Vol. 28, Nr. 1, Fall 2001, S. 129-151. Mark Duffield, Post-modern Conflict: Warlords, Post-adjustment States and Private Protection, in: Civil Wars, Vol. 1, Nr. 1, S. 65-102. Peter Lock, Sicherheit à la carte? Entstaatlichung, Gewaltmärkte und die Privatisierung des staatlichen Gewaltmonopols, in: Tanja Brühl et. al (Hrsg.), Die Privatisierung der Weltpolitik, Bonn 2001, S. 200-229.

2) Eine etwas anders geartete Begründung in P. W. Singer, Corporate Warriors: the Rise and Ramifications of the Privatized Military Industry, in: International Security, Vol. 26, Nr. 3, Winter 2001/2002, S. 186-220.

3) Zur Demobilisierung der Streitkräfte weltweit siehe Bonn International Center for Conversion (BICC), Conversion Survey, Baden-Baden, verschiedene Jahrgänge.

4) Diese grobe Schätzung stammt von P. W. Singer (Brookings) und wird zitiert in Nelson D. Schwartz, The War Business. The Pentagon‘s Private Army, in: Fortune, 3. März 2003 (www.fortune.com/fortune/articles/0,15114,427948,00.html).

5) Nelson. D. Schwartz, ibid.

6) Peter Viggo Jakobsen, The Transformation of United Nations Peace Operations in the 1990s, in: Cooperation and Conflict, Vol. 37, Nr. 3, 2002, S. 268-282.

7) Erhard Eppler, Vom Gewaltmonopol zum Gewaltmarkt?, Frankfurt/Main 2001.

8) Mary Kaldor, New and Old Wars: Organized Violence in a Global Era, Cambridge 1999. Herfried Münkler, Über den Krieg. Stationen der Kriegsgeschichte im Spiegel ihrer theoretischen Reflexion, Weilerswist 2002.

9) P. W. Singer, ibid., S. 197.

10) Eugene B. Smith, The New Condottieri and US Policy: The Privatization of Conflict and Its Implication, in: Parameters, Vol. XXXII, Nr. 4, Winter 2002/2003, S. 116. So auch FORTUNE, siehe Nelson D. Schwartz, ibid.

11) In tabellarischer Form habe ich die unterschiedlichen Tätigkeiten privater Militär- und Sicherheitsfirmen klassifiziert, siehe Herbert Wulf, Change of Uniform – But No Uniform Change in Function, Soldiers in Search of a New Role, in: BICC–Conversion Survey 2002, Baden-Baden 2002, S. 97.

12) Neil V. Davis, Outsourcing, Privatisation and other Forms of Private Sector Involment: Conditions and Requisites, unveröffentlichtes Konferenzpapier für die im Rahmen des Euro-atlantischen Partnerschaftsrats abgehaltene Konferenz »Defence Reform, Defence Industry and the State« des George Marshall Centre und der NATO in Wildbad Kreuth im August 2000.

13) Nelson D. Schwartz, ibid.

14) www.optronic-online.de

15) Musah, Abdel-Fatau and J. Kayode Fayemi, (Hrg.) Mercenaries, An African Security Dilemma. London und Sterling, Virginia, Pluto Press, 2000. Damian Lilly und Michael von Tangen Page, Security Sector Reform: The Challenges and Opportunities of the Privatisation of Security, International Alert, London, 2002.

16) Robert Mandel, ibid., S. 135.

17) Alex Vines, Mercenaries, Human Rights and Legality, in: Musah, Abdel-Fatau and J. Kayode Fayemi, ibid., S. 169-197. Auch der Beauftragte der Vereinten Nationen zum Einsatz von Söldner, Ernesto Bernales Ballesteros, hat in seinem Bericht für das Jahr 2002 die Aktivitäten der privaten Sicherheitsfirmen ausdrücklich angesprochen. United Nations, Economic and Social Council, The Right of Peoples to Self-Determination and its Application to Peoples Under Colonial or Alien Domination or Foreign Occupation (UN Commission on Human Rights), E/CN.4/2002/20, Genf 10. Januar 2002.

18) Nelson D. Schwartz, ibid.

19) P. W. Singer, ibid. S. 191.

20) Die Problematik der mangelnden gesetzlichen Regelung habe ich thematisiert in: Herbert Wulf, Privatisierung der Sicherheit. Ein innergesellschaftliches und zwischenstaatliches Problem, in: Vereinte Nationen, Vol. 50, Nr. 4, August 2002, S. 144-148.

21) Berichtet von Franz-Josef Hutsch in einem Beitrag im Hörfunk NDR 4, in: »Streitkräfte und Strategien« am 8. Februar 2003.

22) P. W. Singer, S. 199.

23) Jeremy Kahn, Will Haliburton Clean Up? In: Fortune, 30 März 2003 (www.fortune.com/fortune/fortune500/articles/0,14114,438798.00.html).

24) Nelson D. Schwartz, ibid.

25) US General Accounting Office, Contingency Operations: Opportunities to Improve the Logistics Civil Augmentation Program, GAO/NSIAD-97-63, Februar 1997, zit. in P. W. Singer, S. 205.

26) Robert Mandel, ibid., S. 135.

27) P. W. Singer, ibid., S. 205.

28) P. W. Singer, ibid., S. 218.

Prof. Dr. Herbert Wulf leitete bis Ende 2001 das Internationale Konversionszentrum Bonn (BICC). Er führt dort ein von der Volkswagen-Stiftung gefördertes Forschungsprojekt zur Internationalisierung und Privatisierung der Streitkräfte durch.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2003/3 Globalisierte Gewalt, Seite