Roboter für den Krieg?
von Jürgen Altmann
Kriegsroboter wecken Assoziationen an Science Fiction – und scheinen damit weit entfernt oder fiktiv. Dieser Eindruck war Jahrzehnte lang richtig – trotz vielen Geldes und vieler Arbeit, die in militärische Roboterforschung und -entwicklung geflossen sind, wurden die Erwartungen auf schnellen Erfolg bisher nicht erfüllt. Inzwischen gibt es jedoch bei Werkstoffen und Energiespeichern, bei Sensoren und Aktoren, vor allem aber bei Elektronik, Rechnern und Software so große Fortschritte, dass Stationierung und Einsatz erster militärischer Roboter absehbar werden. Man versteht unter Robotern bewegliche Systeme mit Sensoren und Aktoren, die (mehr oder weniger) autonom die Umgebung erfassen und auf sie einwirken.1 Sie müssen nicht Menschen ähnliche Körper oder Arme mit Manipulatoren haben – auch autonome Fahrzeuge mit Wirkmechanismen fallen unter diese Definition. Einige Roboter-Vorformen sind schon beim Militär eingeführt: Minen, Marschflugkörper (die mit Geländehöhenvergleich oder Bilderkennung navigieren), zielsuchende Submunition. Der Angriff der USA auf ein Auto im Jemen mit einem von einer Predator-Drohne abgeschossenen Hellfire-Flugkörper, bei dem sechs mutmaßliche Al-Qaida-Terroristen getötet wurden, deutet an, was Kampfroboter bewirken können.2
Auf dem zivilen Markt gibt es schon Roboter zum Rasenmähen, und die ersten selbständigen Staubsauger werden gerade angeboten. Auch elektronische Spieltiere und -puppen sind erhältlich. Es wird sicher noch über zehn Jahre dauern, bis Serviceroboter komplizierte Aufgaben wie Geschirr spülen oder Bettwäsche wechseln erfüllen können. Wenn im zivilen Leben einfache Haushalts- u.a. Arbeiten in breitem Umfang durch Roboter erledigt werden, wird man den Streitkräften kaum verwehren können, sie auch beim Kasernenputzen oder zum Transport von Munitionskisten einzusetzen. Robotern aber wichtige Funktionen im Krieg zu übertragen oder sie gar für den Kampf einzusetzen, das wäre weit mehr als der »normale« technische Fortschritt bei den Gewaltmitteln. Das spüren auch Militärautoren, wenn sie z.B. schreiben: „Über technische Hindernisse hinaus stellt die Möglichkeit wirksamer Schlachtfeldroboter eine ganze Reihe strategischer, operativer und ethischer Probleme, insbesondere wenn oder sobald Roboter vom Tragen zum Töten übergehen. Die Vorstellung eines tötenden Systems ohne direkte menschliche Kontrolle ist erschreckend.“3 Auch das Rüstungskontrollproblem wird benannt: „Die Überwachung der Rüstungskontrollbezüge (von unbemannten Kampfflugzeugen – Unmanned Aerial Combat Vehicle – UCAV, J.A.) sollte auf der Prämisse basieren, dass der UCAV-Entwurf genügend fortgeschritten ist um zu schließen, dass sich diese Systeme für Rüstungskontrollzwecke an Kampfflugzeuge und nicht an Marschflugkörper anschließen. UCAVs mögen schließlich dem KSE-Vertrag unterliegen, sollten aber nicht unter den INF-Vertrag fallen. Ob UCAVs als Kampfflugzeuge oder als neue Waffenkategorie angesehen würden, ist noch nicht entschieden.“4 Auch die Exportkontrolle sowie die Einbindung in die Flugsicherung wurden als Probleme benannt.5
Wie soll die internationale Gemeinschaft mit militärischen Robotern umgehen? Dieser Diskussionsbeitrag zeigt mögliche militärische Anwendungen auf und stellt erste Überlegungen zur präventiven Rüstungskontrolle an.
Militärische Roboterprojekte
Seit vielen Jahrzehnten wird militärische Forschung und Entwicklung (FuE) für Roboter betrieben, vor allem in den USA.6 Wie dort üblich, wurden viele der Universitätsprojekte in der Robotik durch die Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) finanziert.7 Für Entwicklung sind die Teilstreitkräfte zuständig, sie haben 1990 ein Joint Robotics Program gegründet.8 Ein ganzer Zoo verschiedenartiger Prototypen ist entwickelt und im Labor oder auf Übungsgeländen erprobt worden.9 Für den Afghanistan-Krieg wurden einige Kleinroboter auf die Schnelle einsatztauglich gemacht und zur Erkundung von Höhlen u.a. eingesetzt.10
Weil die USA in Militärtechnik führen und ihre FuE-Aktivitäten und -Ausgaben erheblich offener darstellen als die anderen Länder, kann man mögliche Entwicklungen gut abschätzen, wenn man die US-FuE betrachtet. Es gibt FuE-Programme für Roboter in allen Medien: auf dem Land, in und unter Wasser und in der Luft.11 Zunächst geht es um die Ersetzung des Menschen in Fahrzeugen mit herkömmlicher Größe. Damit lässt sich einiges an Komponenten und Gewicht einsparen, was insbesondere bei Flugzeugen kritisch ist. Auf Land gibt es Projekte für Unmanned Ground Vehicles (UGV) für Transport und Aufklärung, aber auch für Unmanned Combat Ground Vehicles (UCGV) für den Kampf. Bei der Navy geht es um Über- und Unterwasserfahrzeuge – Unmanned Surface Vehicles (USV) und Unmanned Undersea Vehicles (UUV). Für Air Force, Army und Navy wird an Luftfahrzeugen ohne sowie mit Bewaffnung gearbeitet (Unmanned Aerial Vehicles (UAV) bzw. Unmanned Combat Aerial Vehicles (UCAV)) – sowohl solchen mit Tragflügeln als auch Hubschraubern. Für die Steuerung solcher Systeme wie auch neuartiger Roboter gibt es große Softwareprojekte.12Mit den Fortschritten bei der Mikroelektronik und vor allem der Mikrosystemtechnik kamen dann auch Klein- und Kleinstroboter in den Blick. Sie wären weniger als einige Dezimeter groß, zukünftig bis unter 1 Millimeter.13 Auf Land wird an Rad- und Kettenantrieb gearbeitet, aber auch an krabbelnden und hüpfenden Robotern; auf und im Wasser geht es um Schraubenantrieb sowie um schlängelnde und kriechende; Projekte für die Luft haben starre Flügel mit Propeller- oder Düsenantrieb, ähneln Hubschraubern oder schlagen wie Insekten mit den Flügeln. Die DARPA fördert Dutzende Projekte in den USA und sogar eines in Deutschland: Das Fraunhofer-Institut für Autonome Intelligente Systeme hat einen achtbeinigen »Scorpion« von 60 cm Länge entwickelt, der in der Wüste über Tage und Wochen zu einem 40 km entfernten Ziel und wieder zurück gehen kann.14 Neben künstlichen Systemen sind auch biologisch-technische Hybride möglich, z.B. Insekten, Vögel oder Ratten, die mittels Elektroden gesteuert werden, die zusätzliche Sensoren tragen oder von deren Sinnesnerven man Signale ableitet. Ratten konnten so schon durch eine komplizierte Umgebung gesteuert werden.15 Bei Kleinrobotern gibt es auch das Konzept, Schwärme einzusetzen. Spezielle Projekte entwickeln die Software zu deren autonomer Kooperation sowie allgemeiner Steuerung.16Zehntausendfach kleiner wären Roboter auf der Nanometer-Skala. Gemäß mancher Visionen sollen Nanoroboter in Körperzellen die genetische Information reparieren oder sich zunächst selbst vermehren und dann nützliche Produkte herstellen – oder aber als Waffen eingesetzt werden. Ob diese Vision realisierbar ist, ist umstritten und gegenwärtig nicht entschieden.17 Gentechnik und Proteomik (Verständnis und Beeinflussung der Eiweißprozesse in der Zelle) werden jedenfalls auch ohne visionäre Nanotechnologie schon bald Möglichkeiten für neue, z.B. gezielt wirkende, biologische Waffen zur Verfügung stellen – modifizierte oder künstlich erzeugte Bakterien und Viren, die man als biologische Nanoroboter bezeichnen könnte.Bei Robotern sind verschiedene Grade an Autonomie möglich. Zu Beginn wird man die Systeme i.d.R. fernsteuern, etwa von einer Bodenstation oder einem Kontrollflugzeug in einiger Entfernung aus. Systeme ohne jede Autonomie sind im eigentlichen Sinne noch keine Roboter, die Steuerung könnte aber ohne äußerlich sichtbare Änderung schnell umgestellt werden. Die nächste Stufe ist Teilautonomie – ferngesteuert nur noch in kritischen Bewegungsphasen, z.B. bei Start, Landung oder beim Waffeneinsatz. Volle Autonomie stellt die höchsten Anforderungen an die künstliche Intelligenz der Steuerprogramme – und birgt sicher die größten Fehlermöglichkeiten. Selbst wenn anfangs für den Waffeneinsatz menschliche Überwachung und Steuerung verlangt werden, so ist doch abzusehen, dass auf einem von Sensoren sowie kleinen und großen automatischen Kampfmaschinen dominierten Schlachtfeld die simple militärische Notwendigkeit ein Agieren in Sekunden(bruchteilen) erfordert – ein Mensch in der Befehlsschleife wäre zu langsam und könnte zur Niederlage führen.18
Andere Länder haben erheblich kleinere FuE-Programme für militärische Robotik als die USA. In Bezug auf autonome Kampfflugzeuge wurde berichtet, Frankreich habe Testflüge durchgeführt, Deutschland und England studieren die Möglichkeiten, Israel habe ein aktives Programm, Italien sei am Kauf von US-Systemen interessiert, und in Russland gebe es Bestrebungen, auf Basis vorhandener Drohnen größere Systeme für Bomben und Flugkörper zu entwickeln.19
Mögliche militärische Anwendungen von Robotern
Für den Kampf und die Kampfunterstützung können Roboter vielerlei Aufgaben übernehmen, darunter:
- Aufklärung des Gefechtsfeldes, Abhören von Funk, Überwachung gegnerischer Aktivitäten,
- Sensoren vorbringen, etwa für chemische/biologische Agenzien, Fahrzeuge, Flugzeuge, Raketenstarts,
- Störsender vorbringen,
- Relaisstation für Kommunikation mit Systemen kurzer Funkreichweite (z.B. Bodensensoren, Kleinroboter),
- Attrappe/Täuschkörper,
- Funkbake oder Lasermarkierer für zielsuchende Waffen oder Munition,
- Minensuche und -räumung,
- Erkundung eingestürzter oder gefährlicher Gebäude, Tunnel usw.,
- Verwundete bergen,
- Waffen tragen oder als Waffensystem wirken.
Einige wenige dieser Anwendungen werden heute schon von unbemannten Kleinflugzeugen (Drohnen) durchgeführt. Gestärkte Autonomie, neue Sensoren u.a. werden bei ihnen zu höherer Leistung führen. Bei neuartigen Systemen oder Anwendungen kann sich aber durchaus ergeben, dass sie unter militärischen Gesichtspunkten, auch in Bezug auf mögliche Gegenmaßnahmen, nicht wirksam genug oder zu teuer sein werden. Insbesondere klein(st)e Systeme sind beschränkt in Bezug auf Nutzlast, Beweglichkeit, Energieversorgung und Kommunikationsreichweite.
Echte Autonomie zu erreichen, stellt jedenfalls eine extreme Herausforderung dar, insbesondere, wenn man an die Reaktionen eines Gegners denkt. Von daher stellen sich militärische Projekte der USA begrenzte Teilziele, z.B. wird für das Unmanned Ground Vehicle Betrieb auf dem menschlichem Niveau für 2020 angepeilt, als Grundlagenfähigkeit geht es zunächst um Chauffeur-ähnliches, nicht-militärisches Fahren auf der Straße.20Aus rein militärischer Sicht versprechen robotische Systeme eine Reihe von Vorteilen:21 Bisherige Operationen können mit leichterem Gerät schneller, flexibler und effektiver durchgeführt werden. Weniger eigene Soldaten sind einem Verwundungsrisiko ausgesetzt. Neue Einsätze werden möglich. In der Logistik kann erhebliches Personal eingespart werden. Eine Beurteilung unter Gesichtspunkten von Frieden und Sicherheit muss jedoch auch die Wechselwirkungen im internationalen System einbeziehen.
Überlegungen zur Rüstungsbegrenzung
Gründliche Untersuchungen zur Frage, wie militärische Roboter unter Kriterien der präventiven Rüstungskontrolle zu beurteilen sind, stehen noch aus.22 Hier sollen einige erste Überlegungen vorgestellt werden. Roboter, die nur zum Minensuchen oder zur Bergung Verwundeter eingesetzt würden, wären eher unproblematisch. Die meisten Roboter wären aber universell einsetzbar, und die Probleme steigen, je näher sie am Kampfeinsatz sind.
In Bezug auf das Völkerrecht gibt es die Gefahr, dass Abrüstungsverträge unterlaufen werden, etwa der KSE-Vertrag, der Obergrenzen für die bisherigen Kategorien konventioneller Streitkräfte vorsieht (Panzer, gepanzerte Kampffahrzeuge, Artillerie, Kampfflugzeuge und Kampfhubschrauber).23 Da Roboter nicht so bald in der Lage sein werden, Kombattanten und Zivilbevölkerung zu unterscheiden oder zu erkennen, ob ein Soldat außer Gefecht ist oder sich ergeben will, ist auch das Kriegsvölkerrecht betroffen.
Kriterien bezüglich der Stabilität sind betroffen, weil automatische Systeme z.B. zur Aufklärung in einer Krise früher in gegnerisches Territorium geschickt werden könnten und die Entscheidung zum Krieg schneller fallen könnte, da weniger eigene Tote und Verwundete zu befürchten wären. Die breite Einführung militärischer Roboter wäre mit einem technologischen Wettrüsten, auch bei Gegen- und Gegengegenmaßnahmen, verbunden. Eine Weiterverbreitung in Krisenregionen ist abzusehen, später auch die eigene Produktion in Schwellenländern.
In Bezug auf Mensch und Gesellschaft wird die militärische Entwicklung bei großen Robotern kaum besonderen Einfluss haben – die Gesellschaft wird sich mit den vielen Fragen, die weit verbreitete mobile Roboter stellen, in jedem Fall auseinandersetzen müssen;24 militärische Technologieentwicklung kann hier und da zur Beschleunigung beitragen. Bei kleinen Robotern jedoch, für die es fast keinen zivilen Bedarf gibt, wäre bei massenhafter Einführung ins Militär die Diffusion in die Zivilgesellschaft kaum zu vermeiden. Sie könnten von Polizei und Geheimdiensten, aber auch Unternehmen oder Verbrechern zum Lauschen und Spähen benutzt werden – mit spezieller Ausstattung, aber auch für die Schädigung von Gerät und Personen, was neue Möglichkeiten für Terroristen, gerade auch für Attentate, mit sich bringen würde.
Weil Roboter im zivilen Bereich verschiedenartigen Nutzen versprechen, ist ein grundsätzliches Technologieverbot nicht sinnvoll (abgesehen davon, dass es auch auf extremen Widerspruch aus vielen Richtungen treffen würde). Weil militärische Roboter aber klare Risiken mit sich bringen, scheint es für den internationalen Frieden und die Sicherheit besser, bei ihnen vorbeugende Begrenzungen einzuführen.
Wie könnten solche Begrenzungen aussehen? Große autonome Systeme – wie Panzer ohne Mannschaft, pilotenlose Flugzeuge usw. – sind nicht leicht zu verstecken. Der Typ und die vorgesehenen Einsatzform – Transport, Aufklärung, Waffe – sind i.d.R. von außen zu erkennen. Man könnte also wie bisher nur die Waffen bzw. -träger begrenzen, und wie beim KSE-Vertrag könnten Vor-Ort-Inspektionen für die Überprüfung genügen. Jedoch sind Roboter prinzipiell universell einsetzbar und könnten bei modularem Aufbau schnell umgerüstet werden. Weil Kampfroboter ganz neue Waffenkategorien bedeuten und außer Drohnen und Marschflugkörpern bisher fast keine anderen autonomen Systeme stationiert sind, wäre ein generelles Verbot aller neuen militärischen Roboter sinnvoll. Wenn das nicht durchsetzbar ist, könnte man an ein Verbot aller neuen Kampfroboter denken – hier sind dann jedoch schwierige Definitions- und Abgrenzungsfragen zu lösen. Gewisse Verbotsausnahmen, etwa für die Minensuche, könnten vereinbart werden.
Bei Kleinrobotern ist die Lage anders: Sie sind leicht zu verstecken, und ihre Funktion ist durch Beobachtung von außen aus gewissem Abstand kaum zu erkennen – die Schwierigkeiten steigen mit fallender Größe. Überprüfung spezieller quantitativer Beschränkungen (jeder Staat darf x unbewaffnete und y bewaffnete Miniaturflugzeuge der Größenklasse A haben, usw.) wäre sehr schwierig und aufwendig. Bei Kleinrobotern scheint ein grundsätzliches Verbot, unabhängig von der Funktion, sinnvoll, insbesondere, weil es bisher praktisch keine ähnlichen Systeme gibt – eingeführte Drohnen sind deutlich größer als ein m. Ein Verbot aller künstlichen beweglichen Systeme unterhalb z.B. 0,2 oder 0,5m würde die Risiken durch militärische Nutzung oder Missbrauch ausschließen. Für die wenigen positiven Anwendungen kleiner Roboter, die wirklich wichtig sind (Erkundung eingestürzter Gebäude, Kontrolle von Rohrleitungen, Erkundung auf Himmelskörpern) könnten eng umgrenzte Ausnahmen eingeführt werden. Bei einer solchen makroskopischen Größenschwelle könnten Vor-Ort-Inspektionen in militärischen Einrichtungen und Testgeländen für die Überprüfung weitgehend ausreichen.25
Empfehlungen und Ausblick
Die Einführung von Robotern in die Streitkräfte wird voraussichtlich Frieden und Sicherheit nicht stabiler machen, sondern neue Gefährdungen bringen. Das gilt insbesondere für Roboter, die im Kampf eingesetzt werden. Vorformen gibt es schon, aber die Einführung auf ganzer Breite könnte in 5-10 Jahren beginnen. In einem längeren Prozess würden Schritt für Schritt immer mehr Funktionen auf autonome Steuerung und autonome Systeme übertragen; ein klarer qualitativer Sprung ist vor allem am Anfang des Prozesses gegeben. Von daher sollte die internationale Gemeinschaft jetzt beginnen, sich mit dem Problem auseinanderzusetzen und über Regelungen nachzudenken. Naturwissenschaftlich-technische sowie militärische und politische Aspekte sollten in interdisziplinärer Friedensforschung untersucht werden.
Aus heutiger Sicht lassen sich vorläufige Empfehlungen formulieren:
- Als Mindestforderung sollten große Kampfroboter (Fahr- und Flugzeuge), die den Kategorien des KSE-Vertrages ähnlich sind, bei diesen mitgezählt werden.26 Für einen systematischen Ansatz sollten für andere große Kampfroboter neue Kategorien eingeführt und quantitative Begrenzungen – am Besten jeweils Null – vereinbart werden.
- Nuklearwaffen sollten nicht auf neuartige autonome Träger gebracht werden, und das Verbot landgestützter Marschflugkörper des INF-Vertrags zwischen USA und Russland sollte auf alle Staaten mit Kernwaffen erweitert werden.
- Als grundsätzliches Herangehen ist ein Verbot aller Roboter als Waffe oder Waffenträger wünschbar. Dabei sind jedoch schwierige Abgrenzungen zu schon vorhandenen Systemen (z.B. Marschflugkörper, Abstandsflugkörper) sowie in Bezug auf Teilfunktionen (Ziele markieren) zu lösen. Solche Regeln sollten weltweit, nicht nur für Europa, eingeführt werden und sich auch auf die Meere erstrecken.
- Kleinroboter unter einer bestimmten Größe sollten generell (militärisch und zivil) verboten werden, mit sehr wenigen, eng umgrenzten Ausnahmen (s.o.).
Gibt es Aussichten für internationale Verhandlungen über militärische Roboter? Bei der gegenwärtigen US-Regierung, die auf umfassende militärtechnologische Überlegenheit setzt und generell nicht viel von Rüstungsbegrenzung hält, ist kein Entgegenkommen zu erwarten. Die USA werden aber kein Monopol bei großen und kleinen Kampfrobotern haben, so dass abzusehen ist, dass im Endergebnis die Bedrohung der USA – durch potentielle militärische Gegner, aber auch durch Terroristen – steigen wird. Ähnliches lässt sich für andere Bereiche sagen, z.B. bei Weltraumwaffen oder Nanotechnologie. Die Einsicht in diese Wechselwirkung hat in den USA ebenfalls eine Tradition. Hier wieder anzuknüpfen, braucht eine politische Wende, für die paralleles Wirken verbündeter Regierungen, der internationalen Öffentlichkeit und kritischer Stimmen in den USA selbst erforderlich ist.
Die Bundesregierung hat sich in den Koalitionsverträgen von 1998 und 2002 explizit für präventive Rüstungskontrolle bei neuen Waffentechnologien ausgesprochen, dies jedoch bisher nur zaghaft oder gar nicht umgesetzt. Neue Initiativen mit Verbündeten, OSZE-Partnerländern und in der UNO sind nötig, um nicht nur bei Robotern Gefahren durch neue Militärtechnologien einzudämmen. Direkte Einflussmöglichkeiten europäischer Länder gibt es z.B. bei Überflugrechten – zumindest solange zivile Flugzeuge noch mit Piloten fliegen, kann man begründet argumentieren, dass für militärische fliegende Roboter Europa zu dicht besiedelt ist.27
Anmerkungen
1) Bei ortsfesten Industrierobotern ist die Beweglichkeit stark eingeschränkt.
2) Lizenz zum Töten, SZ 7.11.2002
3) S. Metz: Parameters 30, 40-53, Autumn 2000, http://carlisle-www.army.mil/usawc/parameters/00autumn/metz.htm
4) C. L Barry, E. Zimet: UCAVs – Technological, Policy, and Operational Challenges, Defense Horizons, no. 3, Oct. 2001, http://www.ndu.edu/inss/DefHor/DH3/HD_03.pdf
5) A. J. Lazarski: Legal Implications of the Uninhabited Combat Air Vehicle, Air & Space Power Chronicles, 27 March 2001, http://www.airpower.maxwell.af.mil/airchronicles/cc/lazarski.html. Der INF-Vertrag (Intermediate Range Nuclear Forces) verbietet den USA und Russland landgestützte Marschflugkörper mit über 500 km Reichweite.
6) Für Beispiele siehe G. von Randow: Roboter – unsere nächsten Verwandten, Reinbek: Rowohlt, 1977
7) Z.B. http://www.darpa.mil/tto Programs, Unmanned Systems
8) http://www.jointrobotics.com
9) Siehe z.B. »Robotics at Space and Naval Warfare Systems Center«, http://www.spawar.navy.mil/robots/
10) Robotics Update 2, no. 3, 7 Oct. 2003, http://www.spawar.navy.mil/robots/
11) Im Weltraum, wo andere Bedingungen herrschen, geht es u.a. um Kleinsatelliten zum Andocken und Manipulieren.
12) Z.B. »Perception for Off-Road Robotics«, http://www.darpa.mil/tto Programs, FCS PerceptOr
13) J. Altmann: Military Uses of Microsystem Technology: Dangers and Preventive Arms Control, Münster: agenda, 2001 (Kurzfassung unter http://www.ep3.ruhr-uni-bochum.de/bvp/fonassr2.html)
14) The Scorpion, http://ais.gmd.de/BAR/Scorpion
15) Siehe K. Talwar et al.: Rat navigation by remote control, Nature 417: 37-38 (2 May 2002)
16) Z.B. »Software for Distributed Robotics«, http://www.darpa.mil/ipto/research/sdr/
17) Siehe z.B. Spektrum der Wissenschaft, Nanotechnologie, Spezial 2/2001
18) „Military systems (including weapons) now on the horizon will be too fast, too small, too numerous, and will create an environment too complex for humans to direct.“ T. K. Adams: Future Warfare and the Decline of Human Decisionmaking, Parameters 31, no. 4 (Winter 2001), http://carlisle-www.army.mil/usawc/Parameters/01winter/adams.htm
19) Barry/Zimet (Anm.)
20) Robotic Vision 2020, http://www.darpa.mil/ipto/research/proceedings/mars01mar/RV2020-010322.ppt
21) Siehe auch A. Adler: DARPA Technologies For Future Combat Systems, http://www.darpa.mil/fcs/linked/adler.ppt
22) Zu den Kriterien siehe G. Neuneck, C. Mölling: Methoden, Kriterien und Konzepte für präventive Rüstungskontrolle, Dossier 38, Wissenschaft und Frieden, 2001; zu Kleinrobotern siehe Altmann (Anm.)
23) Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa, http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/aussenpolitik/friedenspolitik/abr_und_r/konv-vertraege_html
24) Siehe T. Christaller u.a.: Robotik – Perspektiven für menschliches Handeln in der zukünftigen Gesellschaft, Berlin usw.: Springer, 2001
25) Wären auch Millimeter große Roboter erlaubt, müsste die Überprüfung erheblich stärker in militärische und zivile Produktionsbereiche eindringen. Bei noch kleineren Systemen müssten Laborbesuche, Probennahme u.a. Methoden verwendet werden, wie sie für das – nun auf Eis liegende – Verifikationsprotokoll zur B-Waffen-Konvention diskutiert wurden.
26) Die Definitionen des KSE-Vertrages zielen auf technische Parameter (z.B. Panzer: ab 16,5 Tonnen, ab 75 mm Kaliber); Fahrer/innen oder Pilot(inn)en werden nicht erwähnt. Bei wörtlicher Auslegung würden manche autonomen Kampffahrzeuge erfasst. Zur Anpassung an leichtere und kleinere Systeme könnte man die Parameter ändern.
27) Dafür müssten eventuelle eigene Interessen an militärischen autonomen Flugzeugen natürlich hinten anstehen.
Dr. Jürgen Altmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Physik der Universität Dortmund. Er forscht seit 1985 zu naturwissenschaftlich-technischen Fragen von Abrüstung und Frieden. Publikationen u.a. zu Laserwaffen, Raketenabwehr, Sensorverifikation, Mikrosystemtechnik und Nanotechnologie.