W&F 2024/3

Es stand in W&F


Zivilklauseln erhalten

Die Versuche der Militarisierung von Hochschulforschung werden aggressiver und die Forderungen danach sind immer lautstarker zu vernehmen. Die bayerische Landesregierung versucht wieder einmal schlechtes Vorbild in dieser Hinsicht zu werden – mit dem geplanten »Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern« legt sie steil vor. In der letzten Ausgabe von W&F berichtete Lucie Heck daher vom diesjährigen Zivilklauselkongress, der sich dieser Entwicklung entgegenstemmen will (2/2024, S. 60). Die letzte umfassende Sammlung von Erfahrungen, Argumenten und Vorbildern für die Einführung und Aufrechterhaltung von Zivilklauseln lässt sich in Dossier 78 (2015) nachlesen. Damals konnten die Herausgeber*innen noch stolz von 26 Zivilklauseln an Hochschulen und zwei in Hochschulgesetzen (Nordrhein-Westfalen und Bremen) berichten.

Streubombenverbot bewahren

Es ist die Epoche des Endes der großen Rüstungskontrollabkommen – eines nach dem anderen wird erst geschwächt, dann abgewickelt. Ist nun die Oslo-Konvention zum Verbot von Streumunition von 2008 das nächste? Mitte Juli vollzog Litauen – aufgrund der wahrgenommenen Bedrohung durch Russland – als erster Staat seinen Austritt. Die Zivilgesellschaft und auch die Präsidentschaft der Konvention, derzeit Mexiko, verurteilten den Schritt. Es sollte immer in Erinnerung gerufen werden, dass mehr als ein Dutzend produzierende Staaten der Konvention nie beigetreten sind und sogenannte »smart munitions« (Bomben mit »intelligenter« Submunition) weiter erlaubt blieben. Dennoch zeigt der Austritt die Dramatik des derzeitigen Sterbens multilateraler Rüstungskontrolle

Zuletzt beleuchtete Gregor Hofmann in Ausgabe 1/2012 die Wirkungsweise multilateraler Rüstungskontrolle – unter anderem am Beispiel der Streumunition (S. 25-26). Er kam damals noch zu der hoffnungsvollen Einschätzung: „Die […] wichtigsten Rüstungskontrollregime [haben sich][…] trotz aller Konflikte […] als relativ krisenfest erwiesen.“ – Welch andere Zeiten!

Berliner Notizen

Anmerkungen aus dem Politikbetrieb


Mittelstreckenraketen in der BRD

Eine Stationierung ohne jede Debatte, ohne jeden ernsthaft wahrnehmbaren Dissens in der breiteren Öffentlichkeit: Selbst der konservative Armin Laschet wunderte sich im Stammtischfernsehen, wo der Widerspruch der Pazifist*innen“ bleibe. Die Rede ist von der am Rande des NATO-­Gipfels in Washington vermeldeten Stationierungsankündigung von Mittelstreckenraketen in Deutschland ab 2026. Natürlich kritisierten Friedensbewegung und -organisationen die Ankündigung, und einige der profiliertesten Rüstungskon­trollforscher*innen forderten eine Strategiedebatte ein, die auch die ernsthaften Nachteile und Risiken einer Stationierung berücksichtigt. Die Debatte fehlt viel eher am zentralen Ort: im Bundestag.

Unsoziale Haushaltspolitik

Der Kabinettskompromiss zum Haushalt 2025 macht deutlich, wie untragbar ein unter liberalem Spardiktat erarbeitetes Budget ist, wenn gleichzeitig alle Militarisierungsvorhaben umgesetzt werden sollen: es trifft vor allem die Sozialausgaben. Absurderweise schreit jedoch kein Ministerium lauter als das BMVg. Dabei wächst dessen Haushalt – ganz im Gegensatz zum Auswärtigen Amt oder dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Das hat massive Auswirkungen auf die deutsche Friedensarbeit: Die Mittel für Krisenprävention und Friedensförderung im Etat des Auswärtigen Amtes sollen um fast 20 % gekürzt werden, die humanitäre Hilfe sogar um 50 %. Die Kürzungen beim Entwicklungsministerium gehen vor allem zu Lasten der Krisenbewältigung und Wiederaufbau. Es ist fatal, wenn zwar der Zivile Friedensdienst und die Menschenrechtsarbeit weitgehend verschont bleiben, viele Maßnahmen, die zu einer nachhaltigen Verankerung beitragen könnten, jedoch gekürzt zu werden drohen. Deutlicher könnte die Absage an Friedenspolitik kaum sein.

Militarisierungsforderungen von rechts

Gleichzeitig erhöhen die politischen Parteien rechts der Mitte – unter Ausnutzung der »Zeitenwende«-Rhetorik – den Druck mit Forderungen nach immer umfassenderer Militarisierung. Mitte Mai forderte die CDU/CSU in einem Antrag den Aufbau einer eigenen Truppengattung »Unbemannte Systeme und Drohnenabwehr« (20/11379), denn dies sei „ein wichtiger Schritt für eine kriegstüchtige Bundeswehr“; Mitte Juni legte die Union einen Antrag zum Weiterbetrieb des Gefechtsübungszentrums in Gardelegen (GÜZ) ab 2026 vor (20/11760); die AfD forderte gleich die Aufhebung jeglicher Überprüfung bei Rüstungsexporten von Teilen gemeinsam mit NATO-Staaten produzierter Güter (20/11753) und schob die Forderung nach langfristiger systematischer Unterstützung der nationalen Rüstungsindustrie hinterher (20/11755). Nicht zuletzt zwang die Union den Innenausschuss zu einer Sachverständigenanhörung zum Thema »Die Zeitenwende auch auf See umsetzen« (20/10726) und forderte eine deutliche Kompetenzerweiterung der Bundespolizei. Die Saat der »integrierten Sicherheit« beginnt unschöne Früchte zu tragen.

Zukunft der UN in deutscher Mitverantwortung

Ende September wird der mit Spannung erwartete »Summit of the Future« der UN stattfinden. Nach den vorbereitenden Impulspapieren des Generalsekretärs (»Our Common Agenda«), eines fast zweijährigen Vorbereitungsprozesses unter Federführung der deutschen und kenianischen UN-Delegationen sowie der Vorbereitungskonferenz für die Zivilgesellschaft kommen nun die Staaten in New York zusammen, um über viele relevante Einsatzbereiche der UN grundlegender und der Zukunft zugewandt zu diskutieren. Dazu gehört auch die Neuausrichtung der friedenspolitischen Agenda (»A New Agenda for Peace«). Angesichts der vielfachen Kritik an der UN ist dies sicherlich auch ein Kongress der Rückversicherung. Hoffnung auf eine Neuausrichtung ist dagegen eher unangebracht – und wie zur Bestätigung ist im derzeitigen Entwurf des Abschlussdokuments das Aktionsziel der »Reform des Sicherheitsrats« (No. 42) auch schon in Klammern gesetzt.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2024/3 Widerstehen – Widersetzen, Seite 4