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W&F 1989/4

Rüstungshaushalt 1990 – Wehrkraftverstärkung durch Informationstechnik

von Karl-Heinz Hug

Nach dem Bundeshaushaltsentwurf 1990 sollen die Ausgaben des »Einzelplans 14« (Epl.14), des Etats des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg), um 3,3 % auf 54,47 Mrd. DM wachsen.1 Den mit 378 Mio. DM drittgrößten Teil der zusätzlichen Mittel des Epl. 14 für 1990 erhält der Ausgabenbereich Forschung, Entwicklung und Erprobung, also das Kapitel 1420, dessen jahrelang stark angewachsene Ausgaben nun 3,32 Mrd. DM erreichen. Den erneut überproportionalen Steigerungsschub von 13 % begründet des BMVg damit, daß „jetzt die Entwicklung der modernen technischen Ausrüstung für die Bundeswehr der späten 90er Jahre intensiviert werden muß“. Dies trage „der zunehmenden Komplexität technischer Entwicklungen und weit vorausschauender Planungsalternativen Rechnung“.2

Die im Kapitel 1420 enthaltenen Ausgaben für das Forschungs- und Technologie-Konzept (F&T-Konzept) werden 1990 stärker als 1989 reduziert (siehe Tabelle 1). Dieser Kürzung liegt nicht etwa eine Umorientierung der BMVg-Planung zugrunde. Vielmehr will das BMVg mit den vorhandenen Mitteln vorrangig laufende Waffensystementwicklungen wie den Panzerabwehrhubschrauber PAH 2, die Modulare Abstandswaffe MAW, den Gefechtskopf mit Enphasenlenkung TGW für das Mittlere Artillerie-Raketensystem MARS/MLRS, und vor allem den Jäger 90 weiterführen. Die „wichtigsten Technologie-Aktivitäten auf den Gebieten Waffeneinsatz und Waffenwirkung, Aufklärung und Führung“ werden aber fortgesetzt.3

Das »Zukunftskonzept Informationstechnik«

Die Informationstechnik spielt eine wachsende Rolle bei der qualitativen Aufrüstung durch hochtechnologisierte Waffensysteme. Mit welchen Vorstellungen die Bundesregierung die weitere Entwicklung und Nutzung der Informationstechnik auch für den Bereich »Wehrtechnik und Landesverteidigung« plant, darüber gibt das im August 1989 von ihr herausgegebene »Zukunftskonzept Informationstechnik« Auskunft. Die Bundesregierung hält es noch immer für „politisch wünschenswert“, die „Aufgaben der Bundeswehr mit einer Bewaffnung und Ausrüstung, die bei sinkenden Bevölkerungszahlen und knappen Haushaltsmitteln durch effektive Nutzung moderner Technologien die Verteidigungsfähigkeit verbessert“, zu erfüllen.4 Der Informationstechnik komme dabei eine Schlüsserfunktion zu. „Zukünftig wird die wehrtechnische Bedeutung der Informationstechnik noch wachsen, ihr Anteil an den Entwicklungs-, Produktions- und Nutzungskosten steigen.“ Zu wichtigen Teilgebieten militärischer Aufgaben, für deren technische Lösung der Einsatz und die Weiterentwicklung der Informationstechnik unabdingbar seien, gehören Aufklärung, Kommunikation, Führung und „Waffensysteme, die eine verstärkte Automatisierung der komplexen Teilsysteme beinhalten und eine Erhöhung der »Intelligenz« erfordern“.

Die Bundeswehr versuche zwar, „den Anteil der spezifisch militärischen Informationstechnik möglichst gering zu halten und sich weitgehend auf Entwicklungen für den zivilen Bereich abzustützen“. Jedoch gebe es insbesondere im Waffensystembereich „militärische Aufgabenstellungen, die gesonderte Entwicklungen unvermeidbar“ machten. In Zukunft sei verstärkt darauf hinzuwirken, „sogenannte Dual-Use-Technologien intensiver zu nutzen, d.h. zu versuchen, militärische Forderungen bei zivilen Entwicklungen frühzeitig mitberücksichtigen zu lassen beziehungsweise auf derartige Dual-Use-Technologien in Form von Add-On-Programmen aufzusetzen, um den militärischen Bedarf zu decken“. Im BMVg werden deshalb Schwerpunktthemen für den Bereich der Informationstechnik in „Abstimmung mit den Fördermaßnahmen des Bundesministers für Forschung und Technologie und den Aufgaben der übrigen Ressorts, hier insbesondere dem Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen im Teilbereich Kommunikationstechnik“, festgelegt.

Die Ausgaben für militärische Elektronik, Informations- und Kommunikationstechnik

„Die Realisierung wehrtechnischer Systeme mit informationstechnischen Komponenten bedarf immer dann spezifischer Arbeiten zur Forschung und Technologie des Bundesministers der Verteidigung, wenn diese Komponenten nicht bereits auf dem zivilen Markt verfügbar sind“.5 Entsprechende Aufgaben der Informationstechnik werden als Schwerpunkt des F&T-Konzepts formuliert und durchgeführt. Von den Ausgaben des F&T-Konzepts entfallen 37% auf die Informationstechnik, das sind 1990 etwa 300 Millionen DM. Die damit entwickelte Informationstechnik soll zur Steigerung der »Intelligenz« und der Schnelligkeit im Einsatz bei Aufklärung, Führung und Waffeneinsatz führen:6

  • Automatisierte Aufklärung soll die Erfassung, Übertragung und Verarbeitung von Lage- und Objektdaten in nahezu Echtzeiten ermöglichen.
  • Bei der Bekämpfung von Zielen wird eine autonome Detektion, Klassifikation und Verfolgung angestrebt (bispektrale Zielsuchköpfe).
  • Gefechtsfeldkommunikation: Zukünftige militärische Systeme sollen besser untereinander kommunizieren können.

Aufbauend auf bestehenden zivilen Ergebnissen sind dafür militärspezifische Ausprägungen von Verfahren/Techniken der Mikroelektronik, Sensorsignalverarbeitung, Bildverarbeitung, Computer Aided Engineering, Software Engineering, Rechnerstrukturen, Kommunikationstechnik, Künstliche Intelligenz notwendig – d.h. es fehlt kaum ein Gebiet der Informatik.7

Der Anteil der Gebiete Elektronik, Informations- und Kommunikationstechnik am Kapitel 1420 insgesamt – d.h. unter Einbeziehung der verschiedenen Waffensystementwicklungen – ist im Haushaltsplan nicht weiter aufgeschlüsselt, er wird daher in der Tabelle 2 aus den Ansätzen der Haushaltstitel grob abgeschätzt.8 Für Forschung, Entwicklung und Erprobung in den Gebieten Elektronik, Informations- und Kommunikationstechnik will das BMVg unter Kapitel 1420 also schätzungsweise 1007 Millionen DM ausgeben. Die Zuwachsrate gegenüber 1989 liegt mit ca. 12 % in der Größenordnung der Zuwachsrate von Kap. 1420. Innerhalb der letzten fünf Jahre ergibt sich eine Zuwachsrate von 62% (bezogen auf den Schätzwert von 1984 von 620 Mio DM), während der Gesamtetat des BMVg in diesem Zeitraum um 14 % zugenommen hat.

Die meisten der zusätzlichen Mittel werden wieder in die Entwicklung des Jäger 90 gepumpt. Auch beim MRCA-Tornado gibt es wieder einen Zuwachs. Er wird überwiegend – also etwa 70 Mio. DM – für die Entwicklung eines Tiefflug-Simulators ausgegeben. Das BMVg stellt dies als „besondern Akzent“ für den „Schutz der Umwelt“ heraus; unter dem Begriff „Lärmbeschränkung“ blättert es insgesamt 357 Mio. DM für die Entwicklung, Beschaffung und Erhaltung von Simulatoren und DV-Unterstützung hin.9 Schieß-, Fahr- und Tiefflug-Simulatoren sind freilich Komponenten, die „nicht bereits auf dem zivilen Markt verfügbar sind“.

Mit weiteren Aufwendungen für die Entwicklung der streitkräftespezifischen Datenverarbeitung sowie Betrieb und Infrastruktur von F&E-Einrichtungen (Kap. 1417, 1405, 1412) in Höhe von schätzungsweise 122 Mio. DM ergeben sich für den Bereich des BMVg geschätzte Mindestausgaben für militärische Forschung, Entwicklung und Erprobung in den Gebieten Elektronik, Informations- und Kommunikationstechnik in Höhe von 1129 Millionen DM. Bezogen auf die entsprechende Schätzung für 1989 von 1024 Mio. DM entspricht dies einer Zuwachsrate von ca. 10,2 %.

Die Ausgaben des BMFT

Der Etat des Bundesministeriums für Forschung und Technologie (BMFT, »Einzelplan 30«), der 1990 um 2,7 % auf 7,86 Mrd. DM wachsen soll, ist wie 1989 durch die Schwerpunktsetzung bei der Weltraumforschung gekennzeichnet. Die Ausgaben dafür sollen um 11,6 % auf 1,71 Mrd. DM wachsen, dies entspricht 85 % der zusätzlichen Mittel des Epl. 30. Das Kapitel »Informationstechnik; Fertigungstechnik; Fachinformation« (3004) erfährt 1990 wieder eine geringe Steigerung, mit der die Einbußen der letzten beiden Jahre noch nicht ganz aufgeholt werden. Diese Ausgaben umfassen Fördermaßnahmen für Grundlagenforschung mit Dual-Use-Charakter als auch für bestimmte anwendungsorientierte F&E. Ein Vergleich dieser BMFT-Ausgaben mit den in Tabelle 2 abgeschätzten Ausgaben des BMVg liefert folgende Ergebnisse (siehe Tabelle 3).

  • Die Ausgaben des BMVg für F&E im Gebiet Elektronik, Informations- und Kommunikationstechnik liegen in derselben Größenordnung wie die des BMFT. Mehr als jede zweite DM der 1,8 Mrd. DM, die die Bundesregierung 1990 für Informationstechnik-F&E ausgibt, wird für unmittelbar militärische Zwecke verwendet.
  • Die Bundesausgaben für F&E im Gebiet Elektronik, Informations- und Kommunikationstechnik wachsen wieder überproportional. Damit wird der 1988 unterbrochene und 1989 abgeschwächte Trend der 80er Jahre fortgesetzt.
  • Von den 112 Mio. DM, die der Bund in diesem Bereich 1990 mehr ausgeben will, fließen 93 % zum BMVg. Da der BMVg-Anteil 13 mal so stark wächst wie der BMFT-Anteil, wird der langjährige Trend zur Verstärkung des Anteils der für unmittelbar militärische Zwecke eingesetzten Mittel 1990 beibehalten.

Die auf Grundlagenforschung bezogenen Ausgaben des Kapitels 3004 betragen 591 Mio. DM. Mit der Steigerungsrate gegenüber 1989 von 3,0 % wird der Trend der letzten beiden Jahre zu einem wachsenden Anteil der Grundlagenforschung auf Kosten der auf zivile Anwendungen orientierten F&E fortgeführt. Ein mittelbarer Nutznießer dieser Verschiebung von Ausgaben des BMFT ist das BMVg.

Tabelle 1: Forschungs- und Technologie-Konzept (Anteil von Kap.1420)
Haushaltsjahr Ausgaben (Mio.DM) Steigerung zum Vorjahr Anteil am Epl.14 Anteil am Kap.1420
1988 Soll 846,8 + 1,4 % 1,6 % 30,9 %
1989 Soll 837,8 - 1,1 % 1,6 % 28,0 %
1990 Entwurf 799,0 -4,6 % 1,5% 24,1%
Quellen: Erläuterungen …, a.a.O.; Wehrtechnik 9/88 und 5/89; eigene Berechnungen
Tabelle 2: Militärische F&E in Elektronik, Informations- und Kommunikationstechnik
(Teil von Kap. 1420)
Zweckbestimmung (Titel) Schätzwert Betrag (Mio. DM)
1988 1989 1990
Ist Soll Entwurf
Wehrtechnische Forschung (551 01) 25 % 16,5 17,0 17,0
Wehrtechnische Entwicklung und Erprobung (551 11) 30 % 520,2 523,5 570,0
Entwicklung des Kampfflugzeuges MRCA (551 16) 30 % 53,4 45,0 67,8
Wehrtechnische Entwicklung und Erprobung von Führungssystemen (551 17) 100 % 130,0 132,0 125,0
Entwicklung des Jagdflugzeugs 90 (551 18) 30 % 105,0 168,0 210,0
Forschungsgesellschaft für Angewandte Naturwissenschaften e.V. (FGAN) Bonn (Tgr. 03, 68531, 89331) 41 % 16,7 17,2 17,1
Summe (Mio. DM) 841,8 902,7 1006,9
Steigerung zum Vorjahr (%) - 2,0 + 7,2 + 11,5
Tabelle 3: Ausgaben des Bundes für F&E in Elektronik, Informations und Kommunikationstechnik
1989 Anteil Soll (Mio. DM) 1990 Entwurf Anteil 1990 Entwurf (Mio. DM) Steigerung zum Vorjahr
Ausgaben des BMVg 53,9 % (903) 56,4 % (1007) + 11,5 %
Ausgaben des BMFT 46,1 % (771) 43,6 % (779) + 0,9 %
Gesamtausgaben des Bundes 100 % (1674) 100 % (1786) + 6,7%
Quelle: Gesetzentwurf … a.a.O.; eigene Berechnungen

Anmerkungen

1) Zahlenangaben aus: Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990, Deutscher Bundestag, Drucksache 11/5000 und Anlagen dazu, Bonn, 11.8.1989; Erläuterungen und Vergleiche zum Regierungsentwurf des Verteidigungshaushalts 1990, BMVg, Bonn, 31.8.1989. Inzwischen hat der Haushaltsausschuß des Bundestags den Ansatz des Epl. 14 um 238,5 Mio. DM gekürzt, und möglicherweise wird der Bundestag bis zum Erscheinen dieses Artikels weitere Kürzungen vorgenommen haben. Gravierende Einschnitte sind jedoch nicht zu erwarten, so daß die im folgenden erscheinenden Zahlen zwar ggf. nach unten korrigiert werden müssen, aber wahrscheinlich ihre Größenordnung behalten werden. Zurück

2) Erläuterungen ..., a.a.O. S. 4, 30. Zurück

3) Erläuterungen ..., a.a.O. S. 32. Zurück

4) Zitate in diesem Abschnitt aus: Zukunftskonzept Informationstechnik, Der Bundesminister für Forschung und Technologie, Der Bundesminister für Wirtschaft, Bonn, August 1989. Zurück

5) Zukunftskonzept ..., a.a.O. S. 122. Zurück

6) Ludwig-Holger Pfahls: Rüstung und Rüstungspolitik in den 90er Jahren. Wehrtechnik Nr. 6, 1989, S. 10-18. Zurück

7) Zukunftskonzept ..., a.a.O. S. 123. Zurück

8) Das Schätzverfahren wurde bereits in vorjährigen Untersuchungen verwendet, bzgl. der zugrundegelegten Annahmen siehe Informationsdienst Wissenschaft & Frieden Nr. 4, 1987; Betrifft: Rüstung 88/89. ZMF, Frankfurt M.,1988. Zurück

9) Erläuterungen ..., a.a.O. S. 4, 42, 45f. Zurück

Karlheinz Hug ist Software-Entwickler in Nürnberg, Mitglied im FIFF.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1989/4 Die 90er Jahre: Neue Horizonte, Seite