W&F 2019/2

Rüstungsrekord 2018

von Jürgen Nieth

„Die Militärausgaben haben im Jahr 2018 mit weltweit geschätzt 1822 Milliarden Dollar einen Höchststand erreicht und sind gegenüber dem Vorjahr um 2,6 Prozent gewachsen. Das geht aus einer jährlichen Untersuchung hervor, die das Friedensforschungsinstitut SIPRI am Montag (29.05.2019) in Stockholm veröffentlicht hat. Mit Abstand am meisten Geld wendeten die USA für Verteidigung auf: 649 Milliarden Dollar. Das entsprach 36 Prozent der weltweiten Ausgaben […].

An zweiter Stelle folgt China mit geschätzt 250 Milliarden, was einer Steigerung von fünf Prozent entspricht. Es folgen Saudi-Arabien (geschätzt 67,6 Milliarden Dollar), Indien (66,5 Milliarden) und Frankreich (63,8 Milliarden). Russland liegt mit 61,4 Milliarden Dollar auf Platz sechs und damit erstmals nicht mehr unter den ersten fünf. Deutschland gab demnach 49,5 Milliarden Dollar für Verteidigung aus, 1,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit überholte die Bundesrepublik Japan und liegt auf Platz acht.“ (SZ 30.4.19, S. 7)

Diese Fakten aus dem SIPRI-Bericht werden fast gleichlautend auch in den anderen ausgewerteten Presseorganen (siehe unten) wiedergegeben. Die NZZ (29.4.19, S. 2) ergänzt, dass die Schweiz mit 4,8 Milliarden Franken wie im Vorjahr auf Rang 38 platziert ist.

SIPRI wertet Daten von 155 Ländern aus und stützt sich seit 1988 – als dem Stockholmer Institut erstmals globale Vergleichsdaten zur Verfügung standen – in seinen jährlichen Berichten nicht nur auf offizielle Regierungsangaben zum Rüstungshaushalt, es berücksichtigt auch andere Quellen, wie Statistiken der Zentralbanken und der NATO sowie Regierungsantworten auf Anfragen der Vereinten Nationen. Die Zahlen werden von SIPRI unbewertet veröffentlicht.

Die Bewertung wäre also Aufgabe der berichtenden Redakteur*innen. Aber auch hier ergibt unsere Auswertung vielfach nur eine Wiedergabe der Zahlen, allerdings mit unterschiedlichen Schwerpunkten.

„Trump-Zeit ist Rüstungszeit“

lautet die Headline im nd (30.4.19, S. 6). Die meisten Berichte beleuchten die Rüstungskostensteigerung der USA, allerdings ohne sie kritisch zu kommentieren. Die taz (29.4.19, S. 8) hält fest, die USA steckten trotz niedrigerem Wirtschaftswachstum 4,6 Prozent mehr ins Militär, insgesamt 649 Milliarden Dollar“. Und bei faz.net (29.4.19) heißt es: „Das entspricht mehr als einem Drittel (36 Prozent) der weltweiten Militärausgaben und ist fast so viel wie alle Investitionen der acht darauffolgenden Länder zusammengerechnet.“ Na ja, Fakten sprechen manchmal ja auch für sich.

Russland hinter Frankreich

Das gilt auch für die Tatsache, dass Frankreich 2018 mehr für Rüstung ausgab als Russland. Dazu Die Welt (29.4.19, S. 9): „Dieser Positionswechsel ergibt sich, obwohl Paris seine Militärausgaben leicht verkleinerte (minus 1,5 Prozent). Doch Moskau kürzte noch viel stärker (minus 3,5 Prozent). Dadurch rutschte Russland mit 61,4 Milliarden Dollar Militärausgaben von Platz vier auf sechs ab.“ Und die taz (s.o.) hält fest: „In der globalen Topliste der Militärmächte hatte Russland vor zwei Jahren noch auf dem dritten Platz gelegen, nun ist es hinter Saudi-Arabien, Indien und Frankreich.“ Russlands Militärausgaben entsprachen „weniger als einem Zehntel der US-amerikanischen oder 88 Prozent der osteuropäischen Staaten.“ Denn Letztere rüsteten 2018 mächtig auf: „Polen beispielsweise mit einem Plus von 8,9 Prozent gegenüber 2017, bei der Ukraine waren es 21 Prozent und in Staaten wie Lettland, Litauen, Rumänien und Bulgarien zwischen 18 und 24 Prozent“.

Gäbe Deutschland zwei Prozent seines Bruttosozialprodukts für Rüstung aus, wie von Trump gefordert und von Ministerin von der Leyen immer wieder als Notwendigkeit betont, würde auch die BRD mit rund 80 Milliarden weit vor Russland liegen und hinter den USA und China auf Platz drei.

239 Dollar pro Kopf

1.822 Millionen Dollar für Rüstung, 2018 waren das 239 Dollar pro Kopf der Weltbevölkerung und damit neun Dollar mehr als 2017. „Nach einem Abwärtstrend nach dem Kalten Krieg liegen die globalen Rüstungsausgaben 2018 nun 76 Prozent höher als 1998.“ (taz, s.o.) Und die Welt (s.o.) hält für die Jahre 2009 bis 2018 fest: „Zu den größten Wachstumstreibern im Zehnjahresvergleich gehören China (plus 83 Prozent) und die Türkei (65 Prozent).“ Die Stuttgarter Nachrichten (29.4.19, S. 4) gehen auf regionale Verschiebungen ein: „Die Militärausgaben Asiens und Ozeaniens sind nach Sipri-Angaben seit 1988 jährlich gestiegen. Mittlerweile machen sie 28 Prozent der weltweiten Investitionen ins Militär aus – nach nur 9 Prozent vor 30 Jahren. Als Grund für den kontinuierlichen Anstieg sieht Sipri auch den Konflikt zwischen China und den USA.“

Kritik aus der Zivilgesellschaft

findet nur in zwei Zeitungen Beachtung. Das nd (30.4.19, S. 6) zitiert Martina Fischer, »Brot für die Welt«-Referentin: Höhere Militärausgaben machten die Welt nicht sicherer. Wollte die Bundesregierung ihren eigenen Ansprüchen genügen, „muss deutlich mehr in zivile Krisenprävention und Friedensförderung investiert werden“. Ähnlich auch die Forderung der abrüstungspolitischen Sprecherin der Linken, Sevim Dagdelen: „Deutschland sollte bei der Bekämpfung des Hungers Spitze sein, nicht bei den Ausgaben für Militär und Rüstung.“ (nd, s.o)

Die FR (30.4.19, S. 5) zitiert wie das nd Martina Fischer und Sevim Dagdelen. Darüber hinaus Lucas Wirl vom Internationalen Peace Bureau: Drei Prozent der diesjährigen Rüstungsausgaben würden ausreichen, um das UN-Nachhaltigkeitsziel einer weltweiten universellen Bildung bis mindestens zur zehnten Klasse zu gewährleisten.“ Und Thomas Breuer, Leiter des Friedensteams von Greenpeace: „Ein Teil der Militärausgaben würde reichen, um die Energiewende zu finanzieren und damit den Klimawandel zu bremsen. Nötig seien [dafür] jährliche Investitionen von 1,42 Billionen US-Dollar.“

Zitierte Presseorgane: faz.net – frankfurter allgemeine online, FR – Frankfurter Rundschau, nd – neues deutschland, NZZ – Neue Zürcher Zeitung, StZ – Stuttgarter Zeitung, StN – Stuttgarter Nachrichten, SZ – Süddeutsche Zeitung, süddeutsche-online, taz – die tageszeitung, Die Welt.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2019/2 Partizipation – Basis für den Frieden, Seite 4