W&F 2006/1

Söldnergeschichte(n)

von Michael Sikora

Eine Geschichte der Söldner gibt es eigentlich nicht. Das Söldnerwesen ist keine definierbare Institution, das über die Jahrhunderte eine kontinuierliche Entwicklung durchlaufen hätte. Seit der Antike haben sich Söldner anscheinend jeder Form militärisch organisierter Gewalt angegliedert, mehr oder weniger zahlreich, in höchst unterschiedlicher Gestalt und ebenso unterschiedlichen Motiven folgend. Da sind beispielsweise die eigentlichen Handwerker der Gewalt, Spezialisten, die ihre besonderen Fähigkeiten im Umgang mit Waffen und Kriegführung als Dienstleistung zu Markte tragen. An die englischen Bogenschützen oder die genuesischen Armbrustschützen des späten Mittelalters wäre zu denken, oder an die Technokraten des Krieges, die das Personal der gegenwärtigen Söldnerfirmen bilden.

Viele Söldner wird man eher als Abenteurer begreifen, die sich für einen Lebensentwurf entschieden haben, von dem sie sich in unterschiedlicher Weise Bestätigung und Verwirklichung versprechen. In den Reihen der mittelalterlichen Ritterheere fanden sich bereits viele junge Adlige, die nicht ihrer Vasallenpflicht, sondern der Bezahlung folgten und auf ihre Art die Ideale ihres Standes zu verwirklichen suchten. Vielen modernen Söldnern scheinen die Belastungen eines Kriegerlebens verheißungsvoller zu sein als die Zwänge der Zivilisation.

Manchmal nimmt das Söldnerwesen die eigenartige Gestalt einer ethnischen Besonderheit an. Das prominenteste Beispiel sind die Schweizer Eidgenossen: Zwei Jahrhunderte lang, im 14. und 15., befreiten sie sich von ihren Feudalherren, entwickelten innovative Kampfweisen – und zählten danach für drei Jahrhunderte zu den begehrtesten Söldnern auf den Kriegsschauplätzen ganz Europas. Ein letzter Abglanz lebt bis heute in der päpstlichen Schweizergarde fort. Oder die Gurkhas, Angehörige einer kampfeslustigen nepalesischen Ethnie, die Anfang des 19. Jahrhunderts mit den Engländern in Berührung kamen und sich nach ihrer Unterwerfung in großer Zahl für die britische Armee verpflichten ließen. Bis heute holen sie englische Kastanien aus den Feuern der Welt, und so war das erste Todesopfer der KFOR-Truppen im Kosovo ein Gurkha der britischen Armee.

Die meisten Söldner aber wird man wohl als arme Schlucker betrachten müssen, die in den Krieg ziehen, weil sie vielleicht von Ruhm und Beute träumen, aber zunächst nicht wissen, wovon sie morgen leben sollen. Nicht selten waren und sind dies selbst Opfer des Krieges, der ihre Dörfer und Gehöfte verheert und ihnen die Lebensgrundlage entzogen hat. Nicht selten aber auch wurden und werden junge Männer einfach in den Krieg gezwungen. In den Söldnerheeren des 17. und 18. Jahrhunderts fanden sich viele Arme und Gezwungene, und erst recht stützen sich moderne Warlords in den Elendsregionen der Bürgerkriege auf solche mehr oder weniger freiwillige Krieger und schrecken auch nicht vor der Rekrutierung von Kindern zurück. Andererseits bieten selbst moderne Berufsarmeen westlicher Staaten nicht nur hehre Ideale, sondern gesicherte Laufbahnen an, die offensichtlich in ökonomischen Krisen als Alternative zu Arbeitslosigkeit nachgefragt werden.

Aber sind das auch Söldner? Die Vielgestaltigkeit des Söldnerwesens macht an vielen Stellen Grenzen fließend und Definitionen schwierig. Das wird auch an den jüngsten Versuchen deutlich, dem Söldnertum juristisch entgegen zu treten. Unter dem Eindruck der unkontrollierbaren Gewalt, die im Zuge der Entkolonierungskrisen in Afrika von Söldnern ausging, haben sich auch die Vereinten Nationen die Bekämpfung der Söldner zum Ziel gemacht. Aber in der 1989 von der UN-Generalversammlung verabschiedeten Konvention gegen Söldner konnte man sich nur auf eine gewundene Definition einigen, die wortreich Merkmale von Söldnern aufzählt. Als solche gelten demnach nur Krieger, die extra für einen Konflikt angeworben worden sind, die keine Staatsangehörigen der Konfliktparteien sind, deren Kampf sich gegen Regierung und Integrität eines Staates richten, die nicht von Dritten offiziell entsandt worden sind. Besonders misslich für eine Norm, die ja auch juristisch handhabbar sein soll, ist, dass diese Beschreibung nicht einmal ohne subjektive Dimension auskommt, den demnach ist für den Söldner auch wesentlich, dass ihn vor allem das Streben nach persönlichem Gewinn motiviert.

Aber gerade diese subjektive Dimension ist es, die dem volkssprachigen Verständnis von Söldnern zugrunde liegt. Ein Beispiel, das im Vergleich zu den Kriegen der Welt läppisch erscheinen mag, bringt dies in aller Subtilität zum Ausdruck. Im Dezember 1999 sahen sich die Fußballprofis des FC Bayern München nach einer verlorenen Partie mit Spruchbändern wie „Schämt euch, ihr Söldner“ konfrontiert. Gekränkt steckte Übungsleiter Hitzfeld exakt das beleidigende Begriffsfeld ab: „Die Fans haben kein Recht, uns als Verräter, Söldner und Gauner hinzustellen“. Aber warum wurde dieser Vorwurf gerade an diesem Tag erhoben? Das vorangegangene Spiel war nicht gegen einen beliebige Mannschaft verloren worden, sondern gegen den Lokalrivalen 1860 München. Bei diesem Gegner geht es traditionsgemäß nicht nur um Punkte, sondern um Ehre, und da wird mehr verlangt, als vertraglich vereinbarte Dienstleistung, nämlich Leidenschaft und Identifikation. So ergab die Schmähung erst Sinn. Und das eben markiert den Söldner im landläufigen Sinn: Ein Mangel an legitimen Motiven, die ihre Gewaltausübung rechtfertigen könnten.

Das ist zwar ein auch in der Geschichte verbreiteter Topos der Söldnerkritik, aber er ist keineswegs zeitlos. Die mitunter widersprüchlichen Bilder, die sich eine Gesellschaft von Söldnern macht, sagen nicht nur etwas über Söldner aus, sondern noch viel mehr über das Verhältnis der Gesellschaft zur militärischen Gewalt. Sie sind mithin selbst Produkt historischer Prozesse. Wenn es auch schwierig ist, eine Geschichte der Söldner zu schreiben, so kann doch die Geschichte der Spuren erzählt werden, die sie in die Geschichte von Krieg und Herrschaft und von Werten und Wahrnehmungen eingeschrieben haben. Ein Leitmotiv dessen ist die Polarität zwischen Söldnerheer und Bürgerheer. Die griechische wie die römische Geschichte kennt solche Kapitel. Die Ursprünge der modernen Variante kann man bis ins 15. Jahrhundert zurück verfolgen.

Es ist die Zeit, in der Söldner in den europäischen Heeren allmählich zur Mehrheit und damit für eine längere Phase der Militärgeschichte zum dominierenden Strukturmerkmal wurden. Das war ein voraussetzungsvoller und eckiger Prozess, was hier nicht näher entfaltet werden kann. Zur vollen Selbständigkeit gelangte das Söldnerwesen zuerst in den italienischen Stadtstaaten der Renaissance. Deren Erfahrungen von willkürlicher Gewalt, gewissenlosem Verrat und unkontrolliertem Machtmissbrauch riefen zwar auch entschiedene Kritiker auf den Plan. Aber den Siegeszug der Söldner hielten sie nicht auf, zu verlockend waren die Vorzüge der Söldner für die Fürsten und Obrigkeiten. Die herkömmlichen Wehrformen, der Appell an adlige Vasallen oder städtische wie dörfliche Milizen, war an lästige Bedingungen geknüpft und an den Eigensinn und Widerwillen der Betroffenen. Söldner dagegen waren beliebig verfügbar – wenn man sie denn bezahlen konnte. Rasch erwies sich auch deren militärische Effektivität als schlechterdings unschlagbar.

Der Wunsch nach Söldnern überstieg aber in aller Regel die materiellen Möglichkeiten der Kriegsherren. Fürstliche Behörden waren noch kaum entwickelt, und die fürstlichen Amtsträger waren noch lange nicht in der Lage, die komplexe Organisation von Truppen in eigener Regie zu vollziehen. Das blieb erfahrenen Truppenführern überlassen. Mehr noch, das Kapital, das den Fürsten fehlte, wurde oft auf demselben Weg mobilisiert, indem solche Truppenführer, zwar im Auftrag, aber dann auf eigene Kosten Söldner hinter sich scharten und also in Vorleistung traten, in der Erwartung, dass der Krieg selbst und die Steuersäckel ihrer Auftraggeber diese Investition auf längere Sicht rentabel werden ließ. Die Logik dieser Praxis ist als Kriegsunternehmertum bezeichnet worden, und wenn es auch anachronistisch wäre, diese Praxis als privatwirtschaftlich zu bezeichnen, so blieb doch die Kontrolle der Fürsten über diese Truppen lange Zeit prekär. Erst allmählich, bis ins 18. Jahrhundert, entwickelten die staatlichen Herrschaftsapparate die nötigen Techniken, um die Kontrolle über das Militär zu sichern und die Armeen als ein zentrales Machtinstrument in den Staatsapparat zu integrieren.

Aus einer ganz hohen Warte betrachtet, hat die beliebige Verfügbarkeit der Söldner entwicklungsgeschichtlich eine große Bedeutung erlangt. Indem das Söldnerwesen die adligen Ritterheere des Mittelalters als dominierende Struktur ablöste, wurde das Kriegswesen zugleich von seiner Bindung an geburtsständische Rollen und Normen abgekoppelt. Die Reduktion kriegerischer Praxis auf militärische Effizienz, die sich in Gestalt des Söldnerwesens vollzog, bedeutete nichts anderes als eine Professionalisierung des Kriegswesens, das im Prinzip von jedermann ausgeübt werden konnte. Das ist ziemlich vereinfacht gedacht, insofern auch die Einschätzung der Effizienz wiederum von zeitgenössischen Wahrnehmungen abhing, die aus heutiger Sicht nicht immer sehr rational anmuten (es aber aus damaliger Sicht waren). Aber Drill, Disziplin, Dienstgrade, Befehlshierarchie, alle diese Ingredienzien modernen Heerwesens entfalteten sich als funktionale Optimierung von Söldnerverbänden.

Das Militär wurde auf diese Weise relativ früh zu einem autonomen Subsystem, das die funktionale Differenzierung moderner Gesellschaften antizipierte. Die Autonomie bedeutete unter den Bedingungen des vormodernen Fürstenstaates aber auch, dass die Armeen ein unkontrollierbares Instrument für die Eroberungswünsche der Fürsten darstellten. Die Entfremdung zwischen Söldnerheer und Bevölkerung geriet im Laufe des 18. Jahrhunderts zunehmend in die bürgerliche Kritik.

Und dann ging alles ganz schnell. Die französische Revolution führte nicht nur zu einer militärischen Massenmobilisierung, sondern zu einer neuen ideellen Legitimation des Kriegsdienstes, die sich gerade vom Fürstendienst abhob. Aus der Revolutionierung des Staates und des Krieges erwuchs ihre Nationalisierung. Damit wurde das Heerwesen nicht nur in den Herrschaftsapparat, sondern auch in den Wertehaushalt der bürgerlichen Gesellschaft integriert. Die Heere blieben zwar Zankapfel zwischen monarchischer und parlamentarischer Kontrolle, aber ihr unwägbares Gewaltpotential wurde durch die Verpflichtung auf nationale Werte gesamtgesellschaftlich legitimiert.

Der Typus des Söldners wurde damit aber beinahe über Nacht zum gesellschaftlichen Außenseiter. Er wurde einhellig zum moralischen Mängelwesen gestempelt, um gute und böse Krieger unterscheiden zu können. Die Professionalität allein reicht nicht für diese Unterscheidung, denn die gab und gibt es auf beiden Seiten. Die Nationalisierung des Krieges führte überdies dazu, dass bis heute der Söldner meist ganz selbstverständlich als Ausländer betrachtet wird, also als Fremder dort, wo er seinen Militärdienst leistet, und umgekehrt als Verräter gegenüber seinem Heimatland. Für die vorrevolutionäre Ära wäre dieser Maßstab gegenstandslos gewesen, denn unter den Rekruten, die den Trommeln der Werbeoffiziere folgten, befanden sich in europäischen Heeren gleichermaßen Inländer wie Ausländer. Die einen als Söldner zu begreifen, die anderen aber nicht, hieße anachronistisch den nachrevolutionären Maßstab anzulegen. Bei genauerem Hinsehen stößt der Maßstab im übrigen auch bei modernen Söldnerverbänden auf Grauzonen.

Das Söldnerwesen wurde auf diese Weise marginalisiert. Aber es verschwand keineswegs. Die Ambivalenz, in die die Söldner der Moderne hineingestellt worden sind, wird am Beispiel der französischen Fremdenlegion besonders deutlich. 1831 zunächst aus politischen Flüchtlingen aufgestellt, behandelte sie die französische Regierung selbst mit Misstrauen und sorgte ganz konkret für ihre räumliche Marginalisierung, indem die Legion lange Zeit nur in nordafrikanischen Standorten stationiert wurden. Von dort aus ließen sich die Legionäre immer noch für die europäischen Staatenkriege einsetzen. Vor allem aber waren sie ein gefügiges Instrument, um weit jenseits der Grenzen Frankreichs koloniale Interessen zu verfechten, wofür sich nationales Militär nur mit großem legitimatorischen Aufwand hätte motivieren und mobilsieren lassen. Dieser Vorteil, der wiederum auf die beliebige Verfügbarkeit verweist, lässt sich auch auf andere Söldnerstrukturen des 19. und 20. Jahrhunderts übertragen.

Wie dominierend dennoch das nationalstaatliche Paradigma blieb, offenbart das paradoxe Motto der Legion: Legio patria nostra – die Legion ist unser Vaterland. Die Ambivalenz wird noch deutlicher, wenn die oben skizzierten Definitionen herangezogen werden. Denn nach den Maßstäben der UN wären die Fremdenlegionäre keine Söldner, schließlich ist die Legion eine staatliche Institution. Natürlich hatte die Staatengemeinschaft kein Interesse, sich dieses Instrument selbst zu verbieten. Sie zielte auf die Bekämpfung nichtstaatlicher Gewalt. Fragt man aber nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, so gelten die Legionäre allerdings als die Söldner schlechthin, gemessen gerade an dem subjektiven Maßstab, der nach den Motiven des Kriegers fragt.

Gemessen allerdings an den Entwicklungen der letzten 40 Jahre, mit der Ausbreitung von Söldnerpraktiken seit den 60er Jahren und ihrer rasanten Beschleunigung seit den 90er Jahren, stellt die Fremdenlegion in der Tat eine vergleichsweise reguläre und legitimationsfähige Formation dar. Es ist hier nicht der Raum, die diffuse Vielfalt der militärischen Strukturen zu erfassen, die sich seither ausgebildet haben. Zwei Hauptentwicklungen markieren die auseinanderstrebenden Pole einer immer breiter gefächerten Praxis. Das Ende des Kalten Krieges favorisiert offenbar die Zunahme regionaler Krisenherde, in denen die Erodierung staatlicher Strukturen die Entstehung von Gewaltmärkten ermöglicht, das heißt Zustände, unter denen lokale und regionale Kriegsherren unkontrollierte, dauerhafte Gewaltherrschaften aufbauen, gespeist von der Kontrolle über legale, aber vor allem illegale Warenströme und Ressourcengewinnung. Über ihre Ähnlichkeit mit den Kriegsunternehmern des 16. und 17. Jahrhunderts ist schon diskutiert worden, aber der noch viel höhere Grad an Autonomie und Territorialisierung solcher Gewalträume kennzeichnet auch substantielle Unterschiede.

Dem stehen international agierende Militärfirmen gegenüber, die sich aus ehemaligen Spezialisten staatlicher Militär- oder Sicherheitsapparate rekrutieren und eine breite Palette von Dienstleistungen der Sparte Gewalt anbieten. Die zunehmende Indienstnahme solcher Firmen auch durch westliche Regierungen folgt einerseits der Logik des Outsourcing, die komplexe Aufgaben in privater Hand effizienter ausgeführt sieht. Zugleich aber emanzipiert sich diese Praxis von der Legitimation staatlichen Gewaltmonopols und ermöglich damit, im Rahmen globaler Rivalitäten jenseits der Aufmerksamkeit demokratischer Öffentlichkeiten Interessen zu verfolgen und beispielsweise auch in den trüben Schattenwelten der regionalen Krisen zu agieren. Die in einigen Regionen zunehmende Relativierung staatlicher Gewalt durch Subversion und Globalisierung lässt erwarten, dass militärische Gewalt und staatliche Legitimierung allmählich wieder entkoppelt werden. Der Streit um die Begriffe, ob nämlich diese Strukturen als Söldnerwesen bezeichnet werden können, ist in der Fachdebatte längst entbrannt und verweist darauf, dass es sich auch um ein Ringen um Wahrnehmungen und Wertungen handeln wird.

Anmerkungen

Die Literatur über Söldner ist zahlreich, aber in aller Regel räumlich wie zeitlich nur begrenzt konzipiert. Weiterführende Hinweise finden sich in: Michael Sikora: Söldner – historische Annäherung an einen Kriegertypus, in: Geschichte und Gesellschaft, 29. Jahrgang 2003, Heft 2, S. 210-238.

PD Dr. Michael Sikora, Westfälische Wilhelms-Universität Münster., arbeitet zur Sozial- und Mentalitätsgeschichte des Militärs, zur Kulturgeschichte des Adels und zur Genese politischer Partizipation in der Frühen Neuzeit

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2006/1 Privatisierte Gewalt, Seite