Spart Outsourcen Kosten?
Privatisierte Knäste in den USA
von John Züchner
Die Aufgabe, Bürger, die gegen das Gesetz verstoßen zu verurteilen und dafür zu sorgen, dass sie ihre Strafe verbüßen, liegt traditionell in der Hand des Staates. Seit 1982 haben die USA nun aus wirtschaftlichen Gründen damit begonnen, Gefängnisse unter die Leitung privater Unternehmen zu stellen. Geht diese Rechnung wirklich auf?
Nach der allgemeinen Staatslehre gibt es drei Elemente, die für einen Staat entscheidend sind: Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt. Die Staatsgewalt als eines der wichtigsten Merkmale ist nach außen an das Völkerrecht gebunden, nach innen aber autonom in der Gewaltdurchsetzung. Sie wird durch Verfassung und Gesetze eingeschränkt und definiert. Die Festlegung des staatlichen Gewaltmonopols ist die Grundlage für rechtsstaatliche Ordnung.
In Zeiten von knappen Kassen und hoher Staatsverschuldung ist die Suche nach Einsparmöglichkeiten ein andauernder Prozess. Der Einsatz von Privatisierung wird von vielen Politikern, Wirtschaftsfunktionären und Lobbyisten als Allheilmittel propagiert, wobei die Tatsache, dass Privatisierung auch schief gehen kann, ignoriert oder gar nicht wahrgenommen wird. Auch in Deutschland geht der Trend eindeutig in diese Richtung. In den USA geht dies bis zu einer fortschreitenden Privatisierung der Funktionen im Bereich der Ausübung staatlicher Gewalt. Von selbstständigen Kopfgeldjägern, die geflohene Sträflinge wieder einfangen, bis hin zu Gefängnissen werden Tätigkeiten an die Privatwirtschaft vergeben.
Die USA blicken zurück auf 23 Jahre privat betriebener Gefängnisse. In dieser Zeit hat sich der Anteil der Inhaftierten an der Gesamtbevölkerung von 0,23 % im Jahr 1982 auf 0,71 % im Jahr 2003 gesteigert. Private Gefängnisse müssen Profite erzielen. Daraus resultiert ein
»Bedarf« an Gefangenen mit möglichst langen Freiheitsstrafen, um effizient wirtschaften zu können. Folglich besteht auch kein Interesse an Resozialisierungsmaßnahmen um die Gefangenen auf die Zeit nach Verbüßung der Haft vorzubereiten. Oft gibt es sogar einen »Handel« der Privatgefängnisse untereinander, um die bestmögliche Auslastung und den größtmöglichen Gewinn zu erzielen. Dazu werden die Häftlinge oft sogar in andere Bundesstaaten gebracht, was den Kontakt zu Freunden, Familie und damit auch eine spätere Wiedereingliederung in die Gesellschaft erschwert. Interessant ist auch die Entwicklung, dass sich trotz sinkender Kriminalitätsraten die Anzahl der Inhaftierten und deren Haftzeiten erhöhen.
Die privaten Gefängnisse haben sich in den USA von einer Randerscheinung zu einem Wirtschaftszweig entwickelt. Bereits 1998 wurde hierfür der Begriff Gefängnis-Industrieller Komplex in Anspielung an Eisenhower’s Militärisch-Industriellen Komplex geschaffen. Hierbei handelt es sich um eine Art Serviceindustrie, die ausschließlich Gefängnis-Bedarf anbietet: von Handelsmessen über die Produktion von Waren, Arbeit von Gefangenen im Call-Center bis zu Ingenieurbüros, die komplette Gefängnisbaupläne entwickeln. Hierbei liegt der Stundenlohn der Häftlinge zwischen 16 Cents für einfache Arbeiten und 60 Cents für qualifizierte Tätigkeiten. Gefangene, die es ablehnen zu arbeiten, bleiben, genauso wie in Deutschland, länger inhaftiert.
Verschiedene Studien zeigen, dass private Gefängnisse Kosten sparen. Die Einsparungen liegen je nach Studie und Gefängnis zwischen 4 und 14 %. Allerdings greifen private Gefängnisse auf staatliche Ressourcen in den Bereichen Buchhaltung, Datenverarbeitung oder Recht zurück. Dadurch fällt ein wirklich objektiver Vergleich der Kosteneffizienz schwer. Verstärkt wird das Risiko der Korruption. Wie sich bereits in mehreren Fällen gezeigt hat, können leicht Interessenkonflikte entstehen. Beispielsweise wenn Lobbyisten auf der Gehaltsliste der Gefängniskonzerne Politiker beeinflussen schärfere Gesetze zu verabschieden oder den inneren Gewaltapparat weiter zu privatisieren. Auch die Bestechung von Justizvollzugsbeamten mit dem Zweck, dass diese verurteilte Kriminelle in ein bestimmtes Gefängnis überstellen, gab es bereits.
Die Angestellten der privaten Konzerne arbeiten unter teilweise ungeklärten Rechtslagen. Sicherheitsangestellte haben im Gegensatz zu Beamten sehr viel geringere Befugnisse was den Einsatz von Gewalt angeht, beispielsweise um einen Gefangenenaufstand zu beenden. Zusätzlich dazu bleibt die Regierung haftbar für alles, was mit den Häftlingen passiert. Mit anderen Worten, alle Klagen der Gefangenen werden gegen die Regierung geführt. Die hierbei eventuell entstehenden Kosten werden bei einer Privatisierung nicht bedacht.
Zusammenfassend betrachtet ist die Privatisierung des Inneren Gewaltapparates kritisch zu sehen, da hier unweigerlich negative Einflüsse auf ein intaktes staatliches Gewaltmonopol auftreten. Den sicherlich vorhandenen Kosteneinsparungen stehen eine wirtschaftliche Abhängigkeit von möglichst vielen Inhaftierten, schlechtere Resozialisierung der Gefangenen, Korruption auf staatlicher wie auch privater Ebene sowie eine unsichere Rechtslage gegenüber. Wenn trotz dieser Faktoren Geld eingespart werden soll, muss zumindest ein Teil des gesparten Geldes in eine staatliche Kontrolle über die Privatisierungen gesteckt werden.
Quellen:
US Department of Justice – Bureau of Justice Statistics, http://www.ojp.usdoj.gov/bjs/
Corrections Corporation of America: The corrections industry, http://www.correctionscorp.com/researchfindings.html
Shichor, D. (1995): Punishment for Profit: Private Prisons: Public Concerns. Thousand Oaks, Sage.
John Züchner absolvierte ein Praktikum im Büro des MdB Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker und veröffentlichte in diesem Rahmen eine Fallstudie in dessen Buch »Limits to Privatization – How to avoid too much of a good thing«. Er studiert derzeit Nordamerikastudien und Betriebswirtschaftslehre an der FU Berlin.