W&F 2004/4

Starke Politik

Der Machtkörper des neuimperialen Projekts in den USA

von Rainer Rilling

Seit Anfang der 90er Jahre steht die »Grand Strategy« einer Weltordnungspolitik zur Debatte und Entscheidung. Ihr Gedanke ist: Sicherung des globalisierten Kapitalismus durch ein dauerhaftes American Empire, das nicht herausgefordert werden kann. Die imperialistische Tradition des Projekts hat eine Jahrhundertgeschichte – so gesehen, ist es bislang nicht mehr als eine Episode. Sein neoliberales Milieu entstand in den letzten vier Jahrzehnten. Seine mächtigsten Akteure fanden sich im letzten Vierteljahrhundert. Ambition, Praxis und das Profil der »Grand Srategy« konturierten sich in den 90er Jahren. Sein Katalysator und machtpolitischer Durchbruch endlich war »Nineleven«. Der Irakkrieg ist seine erste Probe. Schlägt sie fehl, womöglich dramatisch, ist dieses Projekt noch lange nicht aus der Wirklichkeit. Es geht um die Zukunft des Neoliberalismus und seines amerikanischen Zentrums.

Der zentrale gegenwärtige Konflikt ist, ob innerhalb des globalen neoliberalen Feldes das Projekt eines neoliberalen Empire dominant werden wird. Ein solches Muster verbindet auf sehr widersprüchliche Weise traditionell neoliberale und imperiale Praxen miteinander – also den starken nationalen Sicherheitsstaat mit einem »small government«, den Shareholderkapitalismus mit einem staatsalimentierten Militär-Industrie-Komplex, die Unendlichkeit der globalen Finanzmärkte mit der Begrenztheit territorial ansetzender Geopolitik der Militär-, Rüstungs- und Extraktionsindustrie (Öl!), den Multilateralismus mit dem Unilateralismus, die Disziplin des freien Marktes mit der Disziplin des Militärischen, die politischen Krieger, die für eine starke Politik kämpfen, mit den Marktradikalen, die auf Schwächung des Marktstaates und der Politik aus sind, die Besitzbürger mit den Besatzern. Zu fragen ist, ob wir es dann mit einem »Empire in Decline« zu tun haben oder ob wir in ein »Rising Empire« hineinsteuern, eine neue Hypermacht, die erstmals in der Geschichte auf Dauer zwischen sich und dem Rest der Welt einen grundsätzlichen Machtunterschied setzen kann.

Neoliberalismus und Empire

Es waren der »Dixie Capitalism« des Südens und das Wallstreet-Dollar-Regime des Nordens der USA, die staatsverwobene Militärökonomie und Kriegerkultur des Cold War und die Ideologen aus der Mont-Pelerin-Society oder der Chicago School und ihrer Vorläufer mit ihrer marktenthusiastischen Zielkultur, die seit den späten 60ern den global werdenden Neoliberalismus als ein neues politisches Projekt konfigurierten. Während seit den 70er Jahren und dann vor allem in den 80er Jahren sich dieser Neoliberalismus als dominante Logik und Form der Herrschaft und Gesellschaftsregulierung etablierte, rückte nach dem Zusammenbruch der staatssozialistischen Welt in den 90er Jahren zunächst die Frage nach der ökonomischen Transformation (Globalisierung) der neuen Welt und danach das Thema der Neugestaltung des internationalen Systems in den Vordergrund. Denn eine globalisierte kapitalistische Ordnung wirft, ob man will oder nicht, die Frage nach der Neukonfiguration globaler Herrschaft auf. Die USA versuchen eine Neugewichtung des Verhältnisses von neoliberaler Globalisierung und militärischem Globalismus, die sich darstellt als neuimperiale starke Politik und eine neue große Strategie. Diese Antwort auf die Frage nach der politischen Ordnung des Globalkapitalismus hat ihren nationalen institutionellen Ort in einem über drei Jahrzehnte sich verdichtenden Machtkörper aus Think Tanks, Stiftungen, Medien, Konzernen, Staatsapparaten und politischen Organisationen.

Das Cluster der neuimperialen Political Warriors

Unmittelbar getragen wurde dieser Prozess von einer Gruppe neokonservativer Ideologen aus Think Tanks und strategischen Planungseinrichtungen sowie Militärpolitikern, die sich in den frühen 70ern in der Kritik der Entspannungspolitik und der Verarbeitung der Niederlage der USA im Vietnamkrieg bildete. Sie setzte damals auf Konfrontation statt Entspannung und auf militärische Macht. Während so auf der einen Seite die 70er Jahre den Durchbruch des neoliberalen Marktfundamentalismus und seiner antipolitischen Apologie des radikal freien Marktes und der konsequenten Liberalisierung der Waren-, Finanz- und Kapitalmärkte brachten, bildete sich zugleich eine ganz andere, neue Linie der starken militaristischen Politik. Die Generation der Hohen Priester des marktradikalen Neoliberalismus in WTO, IMF und Weltbank ist dieselbe Generation wie die »political warriors« des Kriegskabinetts Bush.

Diese »political warriors« repräsentieren einen epochalen Wandel. Sie stehen für eine besondere Generation in der amerikanischen Außenpolitik, die sich von den zwei anderen herausragenden politischen Generationen der US-Außenpolitik unterscheidet (Mann 2004: XIIIf.): den »Wise Men« (Isaacson u. Thomas) wie Dean Acheson, George Kennan, Averill Harriman, John McCloy, die nach 1945 die globale liberalimperialistische Ordnung des Kalten Krieges errichteten und den »Best and Brightest« (Halberstam) wie den Kennedys, Robert McNamara, den Bundys oder Rostows, die in den 60er Jahren für den Vietnamkrieg verantwortlich waren und versuchten, den Einfluss der USA in der »Dritten Welt« und gegen den Kommunismus auszudehnen.

  • Die erste Generation stammte aus den Welten des Business, der Banken und des Rechts. Die Wallstreet war ihre spirituelle Heimat. Sie konzentrierte sich auf den Aufbau internationaler ökonomischer, diplomatischer und rechtlicher Einrichtungen wie UN, IMF, Weltbank.
  • Die zweite Generation hatte einen akademischen Hintergrund, ihre spirituelle Welt waren Cambridge, Harvard und Yale.
  • Die dritte Generation ist die Reagan-Bush-Generation der Cheney, Rumsfeld, Powell, Wolfowitz, Rice, Armitage, Libby, Feith, Khalilzad oder Perle. Sie ist die militärische Generation. Ihre spirituelle Heimat ist das Pentagon.

Diese Generation eint der gemeinsame Glauben an die überragende Relevanz und positive Rolle der militärischen Macht Amerikas. Außenpolitik sieht sie vorweg unter militärischer Perspektive. Die Probleme der Ökonomie überlässt sie den Neoliberalen und den Führern des privaten Sektors. Für sie war und ist weder Kultur noch Geschichte oder Ökonomie, sondern Politik der große Beweger. Sie sind eben »politische Krieger« (Robin 2004), zuweilen diplomatisch (Powell), zumeist aber martialisch (Rumsfeld).

In den 70er und 80er Jahren arbeitete diese Generation am Wiederaufbau der amerikanischen Militärmacht nach Vietnam. In den 80er Jahren unter Reagan begann ihren Aufstieg. Die Warriors kristallisierten ihre radikal reaganitische Position an Offensivprojekten wie SDI und der Unterstützung der »freedom fighters« in Nicaragua und anderswo. In der ersten Regierung Bush konnte sie sich eine Minderheitsposition in der Militärexekutive sichern. Die Wende zu den 90er Jahren erlebte sie als den größten Triumph in der amerikanischen Geschichte: die USA hatten den dritten, den Kalten Krieg gewonnen. In diesem Jahrzehnt konzipierte sie eine neue Rolle des militärischen Faktors. Nach 9/11 ging sie daran, ein militärimperiales Projekt durchzusetzen. War in den 90ern die »Globalisierung« das imperialistische Codewort der ökonomischen Neoliberals, so wurde im Folgejahrzehnt das »Empire« das imperialistische Codewort der militanten politischen Warriors.

In diesen drei Jahrzehnten war ihr Aufstieg zur Macht verbunden mit dem (Wieder-)Aufstieg des amerikanischen Militärs zu einer exzeptionellen Machtposition. Diese Generation erlebte die Zeit als Erfolgsgeschichte und als Zeit, in der Amerika als moralische, freiheits- und demokratieförderliche Kraft auftrat. Nichts schien ihr am Ende unmöglich – auch nicht ein amerikanisches Imperium.

Die Warriors erreichten mit Hilfe und im Bündnis mit der im Süden der USA stark verankerten religiösen Rechten, den radikalen Marktideologen und der klassischen, eher sozialkonservativen aber stark mit fundamentalistisch-evangelikalen Einsprengseln durchsetzten Mainstream-Rechten in der zweiten Bush-Regierung und dann in der republikanischen Partei eine hegemoniale Mehrheitsposition im Politikformierungprozess. Die daraus entstandene heterogene Konfiguration der neuimperialen politischen Rechten in den USA war eine geradezu beispiellose politische Innovation, in der sich zusammenband, was bislang in gar keiner Weise zusammenzugehen schien. Die Bildung eines gemeinsamen Machtkörpers aus neokonservativ-reaganitischen Warriors, christlichen Fundamentalisten und marktradikalen Neoliberals ist eine Kopplung von Richtungen ganz ungewöhnlicher Diversität. Sie gelang im Geist einer geduldigen Kombination von Pragmatismus und ideologischer Selbstsicherheit. Im Laufe des Jahres 2002 bestimmte diese Allianz den außenpolitischen Diskurs der USA. In kurzer Zeit versammelte sie fast vollständig die außenpolitische Elite der USA und die parlamentarische Opposition hinter ihr Projekt, das konzeptionell zunehmend eine imperiale Dimension ausbildet, politikpraktisch jedoch zwischen hegemonialem und imperialem Internationalismus oszilliert. Nach einem Jahrzehnt heftiger Auseinandersetzungen etablierte sich somit ein neuer außenpolitischer Konsens in der US-Elite.

Das Mikronetzwerk der neuimperialen Macht hat vieles gemeinsam: den Berufsverlauf in politischen Feld, oft Generationszugehörigkeit, vor allem aber die ideologische Orientierung, politische Schlüsselprojekte, Reichtum und ähnliche oder gar dieselben institutionellen Vernetzungen. Zu ihm gehören Intellektuelle, Wissenschaftler, Ideologen, Strategen, Demagogen, Visionäre, Politiker, Wirtschaftler, Machtbroker, Organisatoren und Netzwerker. Innerhalb der Bush-Regierung bildet es Cluster um den Vizepräsidenten, das Pentagon, den Nationalen Sicherheitsrat sowie das Justizministerium. In anderen Ministerien wie auch dem Außenministerium sind einzelne Verbindungsknoten installiert, das institutionelle Zentrum liegt im Pentagon. Die innere Struktur dieses Kerns ist heterogen; Gruppen mit hoher Interaktionsdichte und äußerst locker geknüpfte Netzwerke gehen zusammen. Zu ihrem Führungskern gehören R. B. Cheney, P. D. Wolfowitz, D. Rumsfeld, C. Rice, C. Powell, R. Perle, W. Kristol, I. L. »Scooter« Libby, D. Feith, R. Armitage, J. R. Bolton, D. Wurmser, J. Woolsey, Z. Khalilzad, E. Abrams, S. J. Hadley, J. F. Lehman Jr., K. Adelman, E. Cohen, E. Edelman, A. Friedberg, D. S. Zakheim, P. Rodman, W. J. Schneider, S. Cambone, T. Donnelly und R. M. Gerecht (Detailliert in: Rilling, 2004).

Neuimperiale Think Tanks und politische Aktionskomitees

Bevor die Neuimperialen sich in den Institutionen der Bush-Administration positionieren konnten, kooperierten sie bereits in knapp einem halben Dutzend Think Tanks und politischen Aktionskomitees, die in den 90er Jahren intensiv an strategischen Konzepten arbeiteten, politische Lobbyarbeit betrieben und häufig von ein- und denselben Stiftungen finanziert wurden. In ihrem Umfeld operierten freilich doppelt so viele konservative wie liberale Denkfabriken, die dreimal so viel Geld zur Verfügung hatten. Lange zuvor arbeiteten viele von ihnen in den ersten militaristischen Komitees zusammen wie dem »Committee on the Present Danger«, das in den späten 70ern als konzeptiver Think Tank und personalpolitische Kaderreserve der Reagan-Regierung fungierte (Sanders 1983) oder dem »Committee for the Free World« in den frühen 80ern, dem u.a. Rumsfeld vorsaß. Nicht weniger als 30 Mitglieder des CPD rückten in den 80er Jahren unter Reagan in Regierungspositionen ein. Im Laufe der 90er Jahre und dann vor allem nach 9/11 nahmen die neokonservativen und rechten Organisationen, Medien und Verbünde an Zahl rapide zu und mittlerweile dürften 60 oder 70 überregionale Bedeutung erreicht haben.

Unter ihnen erlangte ein neuimperialer Think Tank spektakuläre Sichtbarkeit und mediale Bedeutung, der im Vergleich zu den großen klassischen Think Tanks wie AEI oder Hoover nur mit winzigen Ressourcen operierte – 2004 waren dort 5 Personen beschäftigt – und dessen Einfluss nicht ganz zu Unrecht oft mit dem des »Committee on the Present Danger« der späten 70er und frühen 80er verglichen wird. Zu den 25 Unterzeichnern der Gründungserklärung („We aim to make the case and rally support for American global leadership“„Reaganite policy of military strength and moral clarity“) des 1997 von William Kristol und Robert Kagan im »reaganitischen Geist« gebildeten »Project for the New American Century« (PNAC) gehörten Jeb Bush, William J. Bennett, Dick Cheney, Midge Decter, Steve Forbes, Francis Fukuyama, Fred C. Ikle, Donald Kagan, Zalmay Khalilzad, Norman Podhoretz, Dan Quayle, Stephen P. Rosen und Donald Rumsfeld. William Kristol wurde 2002 Vorsitzender des Think Tanks. Zu seiner Leitung gehörten weiter Bruce Jackson (1993-2002 Vizepräsident des Rüstungskonzerns Lockheed Martin), der am Entwurf des proamerikanischen Schreibens der Staaten des »Neuen Europa« mitgewirkt hat und eine Schlüsselposition beim Aufbau der Machtpositionen der USA in Osteuropa spielt (The Nation, 17.3.2003; Financial Times, 8.5.2003) und Robert Kagan, der in Brüssel für den Think Tank »Carnegie Endowment« arbeitet. Der geschäftsführende Direktor des PNAC ist Gary Schmitt, der u.a. als Geheimdienstoffizier in Reagans Weißem Haus enge Verbindungen zu dieser Szene hatte. Das PNAC operiert mit Statements, »Offenen Briefen« und wenigen strategischen Texten,1 betreibt als advocay-group deklaratorisch-propagandistische Pressure-Politik und versuchte so in den 90ern, aus dem neokonservativen power-exile heraus Einfluss auf die Clinton-Regierung zu nehmen. Das politische Kunststück, für das es steht und das als Grundlage seiner herausragenden Prominenz und nicht selten überschätzten politischen Einflussfähigkeit gelten kann, besteht darin, dass es – als im Kern neokonservatives Projekt – jenes neuimperiale Bündnis sichtbar machte und repräsentierte, das mit der zweiten Bush-Administration dann die Schlüsselpositionen der Regierungsmacht übernahm. Das PNAC kann daher kaum als Think Tank bezeichnet werden, sondern es ist eine öffentliche Plattform und ein tool zur Bildung politischer Koalitionen, das seine Verlinkung mit den mächtigsten Abteilungen der politischen Dienstklasse vorführt. Konzeptionell ist das PNAC mit seinen frühen Studien und Forderungspapieren zweifellos ungewöhnlich präsent und einflussreich gewesen. Geradezu eine Blaupause der neuimperialen Politik stellte etwa der im Jahr 2000 publizierte Report »Rebuilding America`s Defense« dar, zu dessen Autoren neben Donnelly, D. Kagan und Schmitt auch Wolfowitz und Bolton sowie Bernstein, Epstein, Schulsky, Cohen, Libby, Zakheim, Rodman und Cambone gehörten. Die verschiedenen Gruppen verbindet die Forderung nach massiver Aufrüstung – so ein Brief des PNAC an Bush vom 23. Januar 2003. Finanziert wurde das PNAC u.a. auf dem Umweg über das von Kristol geführte New Citizenship Project, das mit fast 1,9 Mio $ von der weit rechts stehenden Bradley-Stiftung gefördert wurde, die auch zu den Finanziers des American Enterprise Institute und des John M. Olin Center for Strategic Studies der Harvard University gehört, das bis 2000 vom neokonservativen Samuel P. Huntington geleitet wurde. Über das Projekt wurde bereits im Januar 1998 ein Brief von 18 Neokonservativen an Clinton organisiert, in dem der Sturz Husseins gefordert wurde. Acht Unterzeichner – Armitage, Bolton, Rumsfeld, Dobriansky, Khalilzad, Rodman, Wolfowitz oder Zoellick – gehörten später zur Bush-Administration. Ein zweites Schreiben u.a. von Rumsfeld, Wolfowitz und Kristol vom 29.5.1998 an die Fraktionsführer Gingrich und Lott forderte explizit, Hussein mit militärischen Mitteln aus der Macht zu entfernen. Kurz nach Nine-Eleven folgte am 20.09.2001 einweiteres Schreiben der »Kreuzzugsneokonservativen« (Hirsh), das diese Forderung erneuerte („even if evidence does not link him to the attack“) und u.a. gezeichnet war von W. Kristol, Allen, Bauer (der als langjähriger Vorsitzende des evangelikalen Family Research Council ein Bindeglied zur christlichen Rechten darstellte), Bennett (der unter Reagan 1981 Leiter der National Endowment for the Humanities wurde, 1985-1988 Bildungsminister war, sodann »Drogenzar« wurde und engste Verbindungen zur neokonservativen Think Tanks wie Hudson, Heritage oder der Olin-Foundation hatte), Decter, Donnelly, Friedberg, Fukuyama, Kagan, Kirkpatrick, Krauthammer, Perle, Podhoretz und Rosen. Zahlreiche der genannten Personen hatten und haben übrigens enge Verbindungen zum American Enterprise Institute, das bereits seit Jahrzehnten das neokonservative Feld befördert und in dessen Washingtoner Gebäude nicht nur der »Weekly Standard« als Zentralorgan des US-Neokonservatismus, sondern auch das PNAC residiert.

Aus dem Feld neuimperialer Think Tanks ist weiter hervorzuheben das 1988 gegründete Center for Security Policy (CSP), dessen Direktor Gaffney in den 80ern unter Perle im Pentagon arbeitete und dem PNAC angehört. In einer Erklärung stellte Gaffney das CSP in die Tradition des Committee on the Present Danger. In den 90er Jahren entwickelten sich das CSP und sein Beirat NSAC 2 zu einem zentralen Sammelbecken reaganitischer Politiker, Ideologen und Rüstungsindustrieller. Zakheim, Rumsfeld, Perle, Woolsey oder Feith waren schon früh eng mit dem CSP liiert. Aus dieser Zeit stammt auch eine enge Verbindung zu Heritage, dem wichtigsten rechten Think-Tank in der Reagan-Ära.3 Ca. zwei Dutzend Angehörige des CSP und NSAC zogen dann in die zweite Bush-Regierung ein.

Das CSP beansprucht für sich, nicht nur eine exzeptionelle Kaderreserve für die Regierung gewesen zu sein (Frachon, Vernet 2003), sondern auch Schlüsselargumente für den Rückzug der Bush-Administration aus zahlreichen Abrüstungs- und Rüstungskontrollabkommen wie dem ABM-Vertrag bereitgestellt zu haben. Gesponsert wurde das CSP u.a. von den Rüstungskonzernen Boeing und Lockheed sowie weit rechts stehenden Stiftungen.

Aus dem Milieu der Think Tanks und der in ad-hoc-Zusammenhängen gegründeten politischen Aktionsgruppen ragte schließlich vor dem Irakkrieg das 2002 von Jackson (PNAC, Lockheed) gegründete Committee for the Liberation of Iraq (CLI) heraus. Seine explizite Zielsetzung war die Unterstützung der Kriegsoption der Regierung Bush. Sein Board versammelte vorwiegend eine demonstrativ prominente Menge Neokonservativer und Neuimperialer. 15 Mitglieder des CLI haben für das DoD gearbeitet, zahlreiche Mitglieder haben enge Beziehungen zum AEI und zum PNAC. Es demonstriert zweifellos die Breite der Unterstützung, den die neokonservative Stoßrichtung gegen den Irak erreicht hatte. Das Projekt war im Wesentlichen eine plakative Einrichtung und wurde mit dem formellem Kriegsende offenbar aufgelöst.

Ebenfalls aufgelöst wurde 2003 das wenig bekannte, aber nicht unwesentliche rüstungsindustrienahe U.S. Committtee on NATO (vormals U.S. Committee to Expand NATO), das im selben Jahr unter Führung von Jackson in das Project on Transitional Democracies (PTD) überführt wurde. Zu den Mitgliedern des USCN gehörten Wolfowitz, Perle, Hadley, Schmitt, R. Kagan, Scheunemann und Rodman. Das PTD wiederum hat den offenbaren Zweck, die Politik der Regierung Bush insbesondere im »neuen Europa« zu unterstützen.4 Zu den Gruppen diesen Zuschnitts gehört auch die vergleichbar gelagerte New Atlantic Initiative des American Enterprise Institute, das u.a. von Jackson gegründet wurde und zu dessen Board bzw. Beraterkreis u.a. W. Kristol, Huntington, Podhoretz, Perle, D. Pipes, Rumsfeld, Gingrich – aber auch Kissinger und Shultz gehörten. Geopolitisch relevant ist endlich das 1990 gegründete und publizistisch-strategisch ansetzende Middle East Forum, ein neokonservativer Think Tank, über den sich etwa Abrams, Dobriansky, Feith, Kirkpatrick, Ledeen, Perle, Pipes und Wurmser engagieren.

Das neokonservative und neuimperiale Cluster, zu dem weitere Institute und »policy shops« – wie das National Institute for Public Poilicy, die U.S. Space Foundation, das National Strategy Information Center, das Jewish Institute for National Security Affairs, Empower America, das Institute for Religion and Democracy, das Washington Institute oder das Institute for Religion and Public Life – gehören, hat die Unterstützung einer Reihe weiterer großer Think Tanks und anderer Einrichtungen der politischen Rechten (Hoover, Heritage, Hudson Institute, American Enterprise Institute5, Center for Strategic and International Studies (CSIS), Manhattan Institute for Policy Research, Jamestown Foundation, Lexington Foundation, Foreign Policy Research Institute, Nixon-Center) sowie neokonservativer Hochschuleinrichtungen (in erster Linie die Paul Nitze School of Advanced International Studies/ SAIS). Weniger prominente kleine Aktionskomitees wie das United States Committee for a Free Lebanon, die Coalition for Democracy in Iran (CDI) oder die 2002 von Bennett gegründete propagandistische Einrichtung Americans for Victory over Terrorism überlappen sich personell mit den genannten Akteuren und zeichnen sich oft durch weniger diplomatische Formulierungen aus.6 Die Verbindung zu der christlichen Rechten repräsentiert das Ethics and Public Policy Center, das eine fundamentalistische Moralisierung der Außenpolitik betreibt. Und die Verbindung zum amerikanischen Kapital wird am deutlichsten, betrachtet man die Vorstands- und Finanzierungsliste des AEI, in denen Unternehmen wie Exxon Mobil, Dow Chemical, Motorola, American Express, General Electric, AT&T, Ford, General Motors, Amoco, Shell oder Morgan Guarantee Trust zu finden sind oder Akteure wie das Business Roundtable, das im Schnittfeld von Kapital und Politik agiert.

Neuimperiale Medien

Charakteristisch für das gesamte Netzwerk ist neben dieser institutionellen Verankerung die starke Präsenz bekannter neokonservativer und neuimperialer Autoren in einigen nationalen Medien wie dem Wall Street Journal, den Fox News, der Washington Times und der New York Post sowie ein Bündel eigener Zeitschriften wie »Public Interes«t, »Policy Review«, »Public Opinion«, »National Review«, »The National Interest«, »The New Republic«, »American Spectator«, »Insight, Frontpage«, »First Things« und dem »Commentary Magazine« und Verlagen wie Encounter Books oder Basic Books Publishing. Eine Schlüsselrolle spielt dabei Murdoch`s News Corp., zu der das Fox News Network (»Bush TV«), die New York Post und der Weekly Standard gehören: „Many people at Fox News have been supportive of Bush`s policy. They deserve a bit of a mention. And Murdoch personally.“7 Als intellektuelles Leitorgan des Neokonservatismus gilt der 1995 von W. Kristol gegründete »Weekly Standard«. Im Internet sind diese Medien zumeist gut präsent und daneben haben sich einige spezielle neuimperiale und neokonservative Sites wie Tech Central Station etabliert, die oft eng mit Konzernen verbunden sind. In der in den letzten Jahren entstandenen Weblogszene haben rechtsorientierte und neokonservative Medienintellektuelle wie Sullivan einen großen Einfluss.

Finanziers der Neuimperialen

Die Finanzierung des Netzwerks und seiner Einrichtungen erfolgt insbesondere durch Stiftungen, die zum Teil bereits in der Reagan-Ära, vor allem aber dann in den 90er Jahren eine gezielt politisch äußerst rechts ausgerichtete Förderungspolitik betrieben. Dazu gehören in erster Linde die Lynde & Harry Bradley Foundation8, die Scaife-Stiftungen9, die John M. Olin Stiftung, Castle Rock Stiftung, Smith Richardson Stiftung, Carthage, Earhart, JM Foundation und die Stiftungen der Koch-Familie, aber auch einzelne Finanziers wie zum Beispiel Kovner, Vorsitzender der Caxton Corporation und Hertog von der Alliance Capital Management, die beide 2002 halfen, die »New York Sun« zu gründen, Mitherausgeber der »New Republic« sind und in den Beiräten des Manhattan Institute oder des AEI sitzen; oder einst Black, vormals Vorsitzender der Hollinger International Inc., zu deren Vorstand auch Perle gehörte und der ebenfalls in die »New York Sun« investierte. Die finanzielle Macht dieser Stiftungen ist beträchtlich: Richard Mellon Scaife – der enge Verbindungen zu Hoover, Heritage und PNAC pflegt – gehörte in den 90ern zu den 50 reichsten Privatpersonen der USA, die Koch-Industries sind das zweitgrößte private Unternehmen der USA. Das AEI erhielt zwischen 1985 und 2002 von der Bradley-Stiftung 14 Mio. $ und von der Olin-Stiftung 6,5 Mio. $. Das PNAC wurde mit über 600.000 $ alimentiert vor allem von Bradley, aber auch von Scaife und Olin; das CSP erhielt von diesen Stiftungen 3,6 Mio. $ bis 2001, das SAIS über 7,7 Mio. $, das CSIS über 13 Mio. $; neokonservative Think Tanks wie Heritage, AEI, Cato, Manhattan Institute und Hudson-Institute erhielten allein von einem Dutzend rechts stehender Stiftungen bis 2001 weit über 100 Mio. $.10 Während z.B. Heritage oder AEI Finanzierungen von allen Großstiftungen erhalten, gibt es zwischen einzelnen Think Tanks und Finanziers zugleich symbiotische Beziehungen (z.B. zwischen CSP und Scaife oder zwischen SAIS und Bradley). Die im Frühjahr 2004 publizierte Analyse »The Axis of Ideology« des National Committee for Responsive Philanthropy ergab, dass unter 79 konservativen und rechten Stiftungen, die zwischen 1999 und 2001 mehr als 252 Mio. $ an 350 von Steuern befreite Empfänger vergaben, fünf Stiftungen den Löwenanteil der Mittel bestritten: Scaife (44,8 Mio. $), Bradley Foundation (38,9 Mio. $), Olin (17,4 Mio $), Shelby Cullom Davis (13 Mio $) und Richard and Helen DeVos (12,2 Mio. $). 46 % der Mitttel gingen an konservative Think Tanks, die sich mit allgemeinen politischen Fragen befassten; an der Spitze standen dabei: Heritage, Intercollegiate Studies Institute, George Mason University, American Enterprise Institute for Public Policy Research, Hillsdale College, Citizens for a Sound Economy Foundation, Judicial Watch, Free Congress Research and Education Foundation, Hoover Institution on War, Revolution, and Peace sowie das Manhattan Institute for Policy Research.11 Zusammengeschlossen sind zahlreiche dieser rechten Stiftungen im Philanthropy Roundtable, das Anfang der 80er Jahre entstand und ebenfalls im AEI-Gebäude sitzt und dessen Vorstandschef bis 2003 der langjährige Präsident der Bradley Stiftung Joyce war. Stein schätzt die Gesamtsumme der seit den frühen 70er Jahren an die 43 aktivsten und einflussreichsten Organisationen der intellektuellen Infrastruktur der rechten, konservativen und neokonservativen geflossenen Mittel auf 2,5 bis 3 Mrd. $.12 Die neuimperiale Strömung würde ohne diesen finanziellen Initiativ- und Profilierungshintergrund nicht existieren.

Dennoch: „It`s a small world“, sagte W. Kristol bei seiner Charakterisierung der Welt des Neokonservatismus und seiner Allianzen (Hagan 2003). Und eben darin liegt auch ihre Schwäche: Ungeachtet ihres Aufstiegs zur Macht, ist sie verletzlich und nicht robust. Ihre Kultur ist aggressiv, aber nur begrenzt konsensfähig. Ihre Ausstattung ist vergleichsweise eher karg, sie hat offenbar noch kein aktivistisches Zentrum im amerikanischen Business gewonnen, sondern eher eine gewisse Duldung. Ihr Elitismus ist wenig souverän. Sie ist erst auf dem Weg.

Literatur

Bookman, J. (2002): The president`s real goal in Iraq. The Atlanta Hournal-Constitution v. 29. 9.2002.

Corey, Robin (2004): Conservatives after the Cold War. Boston Review 1/2004.

Frachon, Alain und Vernet, Daniel (2003): The Strategist and the Philosopher. Le Monde 15. 4. 2003.

Hagan, Joe (2003): President Bush`s Neoconservatives Were Spawned Right here in N.Y.C., New Home of the Right-Wing Gloat. New York Observer v. 28. 4. 2003.

Kagan, Robert (2002): Power and Weakness. Policy Review 113 (2002).

Kristol, William und Robert Kagan (1996): Toward a Neo-Reaganite Foreign Policy, in: Foreign Affairs 4, S. 18-32.

Mann, James (2004): Rise of the Vulcans: the history of Bush`s war cabinet. New York.

Murphey, Bruce (2003): Neoconservative clout seen in U.S. Iraq policy. Milwaukee Journal Sentinel v. 6. 4. 2003.

O`Keefe, Mark (2003): Foundation Excels at Fueling Conservative Agenda, Newhouse News Service v. 18.9.2003.

Rilling, Rainer (2004): Outbreak. Let`s take over. American Empire als Wille und Vorstellung. http://www.rainer-rilling.de/texte/ american%20empire. pdf

Sanders, Jerry (1983): Peddlers of Crisis: The Committee on the Present Danger and the Politics of Containment. Boston.

Anmerkungen

1) Vgl. www.newamericancentury.org

2) Siehe die Aufzählung der 95 Mitglieder des National Security Advisory Council des CSP und die Liste von NSAC-Mitgliedern, die der Bush-Administration angehören unter www.centerforsecuritypolicy.org

3) Enge Verbindungen zur Heritage-Stiftung haben u.a. Abrams, Bremer, Allen, Bennett, Decter, Meese, Mellon Scaife, Weyrich und Wolfowitz.

4) www.projecttransitionaldemocracy.org

5) Das 1943 gegründete AEI ist der mächtigste und ressourcenstärkste neokonservativ dominierte Think Tank in den USA. Mehr als zwei Dutzend AEI-Mitglieder sind unmittelbar oder über Beratungseinrichtungen in die Bush2-Regierung involviert, darunter Cheney, Bolton, Frum, Perle. Die personelle Überschneidung zwischen dem AEI und dem PNAC ist beträchtlich.

6) Vgl. dazu The Moscow Times v. 25.4.2003. Zum Führungskreis des US Committee for a Free Lebanon gehörten Abrams, Dobriansky, Feith, Gaffney, Kirkpatrick, Ledeen, Perle, Pipes, Rubin und Wurmser, der im September 2003 in den Stab Cheneys einrückte.

7) W. Kristol, der es wissen muss, zitiert nach Hagan 2003.

8) Zur Rolle dieser 2003 mit 535 Mio. $ ausgestatteten Stiftung, die in 18 Jahren bis 2003 über 500 Mio. $ an Förderungsgeldern ausgab und zusammen mit den Stiftungen der Koch-Familie und der Olin-Stiftung als mächtigste rechtsstehende US-Stiftung angesehen werden kann, siehe Murphey 2003, O`Keefe 2003. Seit 2002 wird die Stiftung von Grebe präsidiert, der früher Mitglied des Nationalkommittees der Republikaner war und einer der fünf Direktoren des Philanthropy Roundtable ist.

9) Zu den Stiftungen Richard Scaife Mellons s. die Washington Post vom 2.5.1999: „Scaife and his family‘s charitable entities have given at least $340 million to conservative causes and institutions – about $620 million in current dollars, adjusted for inflation. The total of Scaife‘s giving–to conservatives as well as many other beneficiaries – exceeds $600 million, or $1.4 billion in current dollars, much more than any previous estimate. (…) Scaife‘s philanthropy has had a disproportionate impact on the rise of the right, perhaps the biggest story in American politics in the last quarter of the 20th century.“

10) Siehe www.mediatransparency.org

11) S. NCRP Presseerklärung v. 12.3.2004, www.ncrp.org

12) Jerry M. Landay: The Apparat. Mediatransparency.org v. 18.3.2004.

Rainer Rilling ist wissenschaftlicher Referent im Bereich Politikanalyse der Rosa Luxemburg Stiftung (Berlin) und apl. Prof. für Soziologie an der Universität Marburg

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2004/4 Think Tanks, Seite