W&F 2022/2

Stellungnahmen und Positionen zum Krieg gegen die Ukraine

Seit Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 ist eine Reihe von Stellungnahmen und Positionspapieren erschienen, die den Krieg gegen die Ukraine einzuordnen versuchen. Hier ein kleiner Überblick:

Stellungnahmen der Herausgeberorganisationen

Unter dem Titel »Die Waffen nieder!« reagierte NatWiss unmittelbar auf den Kriegsausbruch. Die Naturwissenschaftler*innen schreiben: „Gegen das Vergessen ist es die Pflicht der Wissenschaft, das Wissen über Krieg und Frieden für die Beendigung des Ukraine-Krieges und die Verhinderung weiterer Kriege zu aktivieren“. Sie betonen: „Kriegslogik gegeneinander muss ersetzt werden durch die Friedenslogik miteinander: Deeskalation, Diplomatie, sofortige Einstellung der Kriegshandlungen, Rückzug der Waffen, Verhandlung und Vermittlung zwischen den Konfliktparteien, Schutz und Stärkung des Völkerrechts, Schaffung einer europäischen und globalen Friedensarchitektur unter Einschluss Russlands und Chinas.“ (natwiss.de)

In seiner Stellungnahme vom 28. Februar ruft das FIfF als Fachverband der Informatiker*innen unter anderem auch dazu auf, den Informations- und Cyberkrieg zu beenden. „Der Krieg wurde durch einen Informationskrieg in den Medien vorbereitet, mit Falschinformationen und Manipulation der Bevölkerung. Cyberangriffe und IT-Sabotage werden gegen die ukrainische Regierung unternommen. Doch auch westliche Medien rüsten zum Informationskrieg. Stakkatoartige Kriegsberichterstattung ohne Hintergrundeinordnung in den europäischen Leitmedien heizt den Konflikt weiter an. Auch damit muss Schluss sein.“ (fiff.de)

Mit aktuellen Analysen zur Situation, zum Eskalationsgeschehen, zur Logik des Krieges und weiterer Aspekte kann auch die Informationsstelle Militarisierung aufwarten, so die Beiträge von Christoph Marischka (24.2.22) zur »Dummheit des Krieges und der Aufrüstung«, oder Jürgen Wagners Einordnung der Militarisierungsentwicklungen der EU: »Eine Friedensfazilität für den Krieg.« (4.4.22). Nicht zuletzt fragt uns Jacqueline Andres aber auch: „Und wer spricht noch von Jemen?“ und problematisiert damit doppelte Standards bei der Betrachtung von Kriegen und ihren Opfern (30.3.22) (imi-online.de). Eine Gefahr, auf die auch der Leiter der Berghof Foundation in einem Interview mit dem Freitag hinweist: „Es wäre ein gefährlicher Fehler, jetzt die großen Krisen überall auf der Welt aus dem Blick zu verlieren“ (7.4.22, berg­hof-foundation.org).

Beiträge auf dem W&F Blog

Mitten im Krieg startete die neue Homepage von W&F, mit einem prominenteren Blog-Feature. Seit diesem Relaunch sind schon eine Reihe wichtiger Positionsbeiträge dort erschienen. So führte schon in den Tagen nach Scholz’ paradigmatischer Rede vom 27. Februar Corinna Hauswedell in einem Beitrag klar vor, wie die »Zeitenwende« verstanden werden muss und beklagte: „Allzu umstandslos werden nun die außenpolitischen Paradigmen der vergangenen Jahrzehnte – zumindest im Hinblick auf die Russlandpolitik – als ‚illusionär‘, ‚naiv‘ oder gar ‚verlogen‘ […] verabschiedet. Das ist nicht nur geschichtsvergessen, sondern diskreditiert wissenschaftlich begründete Friedens- und Sicherheitspolitik, wie sie sich aus den bitteren Lehren der Weltkriege sowie des Kalten Kriegs entwickelt hatte.“ Zwei weitere Beiträge zur Frage des Pazifismus in kriegerischen Zeiten (Olaf Müller) und zu den Möglichkeiten des zivilen Widerstands (Werner Wintersteiner) sind ebenso erschienen. (wissenschaft-und-frieden.de/blog)

Impulse aus der Friedensforschung

Die deutschen Friedensforschungsinstitute haben sich ganz unterschiedlich in diesem Krieg positioniert – gemeinsam bleibt ihnen doch die Überzeugung der Arbeit für Methoden der gewaltfreien Konflikttransformation (vgl. Stellungnahme der DSF vom 2.3.22; bundesstiftung-friedensforschung.de). Seit Kriegsbeginn bietet das Hamburger IFSH knappe Kurzanalysen aktueller Entwicklungen an. Hans-Georg Ehrhart bringt hier am 6. April die Idee des »kalten Friedens« auf: „Angesichts der realen Gefahr wechselseitiger nuklearer Vernichtung und den Kosten eines langen Krieges wäre ein kalter Frieden vorzuziehen. Er ermöglichte zumindest das menschliche Überleben durch Koexistenz und damit eine Voraussetzung dafür, dass eines Tages wieder die Logik des Friedens dominiert.“ (ifsh.de). Auch die HSFK (blog.prif.org) und das BICC (bicc.de) haben Stellungnahmen, Einschätzungen und Positionspapiere auf ihren entsprechenden Seiten zur Verfügung gestellt.

Konfrontiert mit der massiven Aufrüstung in Deutschland haben Forscher*innen, die einen Teil des neuen AK Rüstungsdynamiken und Abrüstung der AFK ausmachen, eine Stellungnahme veröffentlicht. Darin fordern sie unter anderem: „Eine Politik der nuklearen Deeskalation und Zurückhaltung. […] Ein Atomkrieg kann nicht gewonnen werden und darf nie geführt werden.“ Sie schreiben aber auch: „Angesichts des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gegen die Ukraine halten wir die Lieferung von Waffen und Munition an die Ukraine für legitim. […] Solche Waffenlieferungen sind allerdings ein Sonderfall, der als Muster für deutsche Rüstungsexportpolitik nicht taugt“. Dem entgegen haben sich Mitglieder des AK Herrschaftskritische Friedens- und Konfliktforschung klar für eine herrschaftskritische Perspektive auf den Krieg ausgesprochen. Sie kritisieren „eine stark militarisierte, komplexitätsreduzierende, individualisierende Denkweise in Bezug auf diesen Krieg“ und kritisieren die neue Aufrüstungsdebatte deutlich: „In der Folge befürchten wir einerseits die Gefahr einer regionalen Aufrüstung. Andererseits drohen […] finanzielle Ressourcen an anderer Stelle zu fehlen, so dass gesellschaftliche Spannungen vertieft werden und Nährböden für zunehmende Unzufriedenheit entstehen können.“ (afk-web.de)

Stellungnahmen aus der Friedensarbeit und -bewegung

IPPNW, DFG-VK, Pax Christi, Frauennetzwerk für Frieden, attac, und viele weitere Organisationen haben sich mit eigenen Stellungnahmen positioniert. Eine Zusammenstellung dieser Stellungnahmen findet sich auf den Seiten der Friedenskooperative (friedenskooperative.de).

Auch Akteure der professionalisierten Friedensarbeit des Zivilen Friedensdienstes haben sich recht deutlich gegen einen Kurs der Aufrüstung ausgesprochen. Dieser ginge nur zulasten „des zivilen Engagements für Frieden und Sicherheit“, so hier stellvertretend das forumZFD am 1. März 2022. Vielmehr „sollten die demokratie- und friedensfördernden Programme wie der Zivile Friedensdienst jetzt dauerhaft gestärkt werden. Die Proteste mutiger russischer Kriegsgegner*innen zeigen, wie wichtig es ist, weltweit kritische, demokratische Zivilgesellschaft zu unterstützen.“ (forumzfd.de)

Mehr Stellungnahmen, Beiträge, Ringvorlesungen und Dokumentationen auch außerhalb des deutschen und europäischen Kontextes sind auf der Homepage von W&F dokumentiert: wissenschaft-und-frieden.de.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2022/2 Kriegerische Verhältnisse, Seite 27