Täter und Opfer kollektiver Gewalt
25. Jahrestagung des Forums Friedenspsychologie,
1.-3. Juni 2012, Konstanz
von Wilhelm Kempf
An der Universität Konstanz fand die 25. Jahrestagung des Forums Friedenspsychologie (FFP) statt, die diesmal unter dem Motto »Täter und Opfer kollektiver Gewalt« stand und mit 120 Teilnehmern aus 18 europäischen, amerikanischen und asiatischen Nationen ein breites internationales Interesse fand.
Täter und Opfer kollektiver Gewalt sind ein Thema, das die Psychologie quer über ihre Teildisziplinen hinweg beschäftigt: von der Politischen Psychologie über die Sozialpsychologie und Klinische Psychologie bis hin zu den Neurowissenschaften. Auch aus den nicht-psychologischen Nachbardisziplinen der Friedenspsychologie – von der Politikwissenschaft über die Friedenspädagogik bis hin zur Medien- und zur Kulturwissenschaft – sind sie als Forschungsthema nicht wegzudenken. Ziel der Tagung, die in Zusammenarbeit mit der Projektgruppe Friedensforschung Konstanz durchgeführt und durch die Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT), die Fachgruppe Sozialpsychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs), den verlag irena regener berlin, die Fachzeitschrift conflict & communication online (cco) und die Universitätsgesellschaft Konstanz gefördert wurde, war es daher, einen transdisziplinären Gedankenaustausch anzuregen und die vielfältigen theoretischen und methodologischen Zugänge zur Friedensforschung konstruktiv miteinander zu verbinden.
Dem gegenwärtigen Diskussionsstand in den Friedenswissenschaften entsprechend wurde Gewalt dabei nicht nur als direkte (persönliche) sondern auch als strukturelle und kulturelle Gewalt verstanden. Die auf der Tagung behandelten Themen umfassten daher ein breites Spektrum, das von psychischem Trauma und kompetitiver Viktimisierung über die Reintegration von Kombattanten, Prozesse der Demokratisierung in Nachkriegsgesellschaften, den Holocaust, Menschenrechte, Gruppenfeindschaft, Antisemitismus, Rassismus und Vorurteilsforschung bis hin zu Erinnerungskultur, Prozessen des Vergebens, Friedenspädagogik und Rolle des Journalismus und der Medien für die Transformation von Konflikten reichte.
Die Konfliktfelder, anhand derer diese Themenvielfalt in zwei Hauptvorträgen, 14 Arbeitsgruppen mit 50 Einzelvorträgen und einem ganztägigen Workshop mit sieben Einzelvorträgen behandelt wurde, reichten von dem arabischen Frühling über Konflikte in der Subsahara-Region (insbes. Ruanda, Uganda und Somalia), dem Drogenkrieg in Kolumbien und Nachwehen des Bürgerkriegs in El Salvador, dem Kurdenkonflikt in der Türkei, andauernden Konfliktlagen in Serbien und Kroatien, dem (Anti-)Islamismus in Deutschland und dem Fall Sarrazin, Selbstmordattentaten und dem Krieg gegen den Terror bis hin zum Krieg in Afghanistan und dem Nahostkonflikt. Letzterer stand auch im Zentrum der beiden Hauptvorträge von Prof. Daniel Bar-Tal (Universität Tel Aviv) über sozio-psychologische Barrieren einer friedlichen Konfliktlösung sowie von Prof. Dov. Shinar (Netanya College) über die Dilemmata und Erfordernis eines neuen Paradigmas der Konfliktberichterstattung und war auch Gegenstand des erwähnten Workshops, auf dem die Projektgruppe »Friedensforschung Konstanz« die Ergebnisse eines 2009 bis 2012 von der DFG-geförderten Forschungsprojektes über »Israelkritik, Umgang mit der deutschen Geschichte und Ausdifferenzierung des modernen Antisemitismus« zur Diskussion stellte.
Weitere Höhepunkte der Tagung waren die Verleihung des Gert-Sommer-Preises an Frau Dr. Heide Glaesmer (Universität Leipzig) und der Vortrag der Preisträgerin über epidemiologische Befunde zu psychosozialen Langzeitwirkungen von Weltkrieg-II-Traumata in der deutschen Bevölkerung sowie zum Abschluss der Tagung die Abschiedsvorlesung von Prof. Wilhelm Kempf (Universität Konstanz), in der er das gerade in letzter Zeit wieder brisant gewordene Verhältnis von Israelkritik und Antisemitismus als methodologische Herausforderung für die Friedensforschung thematisierte.
Die Veröffentlichung der beiden Hauptvorträge wird in Vol. 12, No. 2 (October 2013) von »conflict & communication online« (cco.regener-online.de) erfolgen, der dem Schwerpunktthema »Kommunikation und Konflikttransformation« gewidmet ist. Die Abschiedsvorlesung von Prof. Kempf erscheint im »Journal for the Study of Antisemistism« (jsantisemitism.org), Vol. 4, No. 2 (December 2012).
Wilhelm Kempf