W&F 2025/4

Technische Friedensforschung in Zeiten der Unsicherheit

4. Konferenz »Science-Peace-Security«, Aachen, 10.-13. September 2025

Die vierte interdisziplinäre Konferenz zur technischen Friedensforschung »Science – Peace – Security ‘25« wurde diesmal vom interdisziplinären Forschungskonsortium »VeSPoTec: Verifikation in einer komplexen und unvorhersehbaren Welt – technische, soziale und politische Prozesse« ausgerichtet sowie vom »Forschungsverbund Naturwissenschaft, Abrüstung und internationale Sicherheit e.V.« (FONAS) finanziell unterstützt.

Den Auftakt am ersten Konferenzabend bildete ein Diskussionsforum: In wechselnden Kleingruppen wurden Einschätzungen zu Stand und Zukunft der technischen Friedensforschung ausgetauscht. Es überrascht nicht, dass die Anwesenden hier Hindernisse vor allem in den aktuellen politischen Rahmenbedingungen sahen. Es sei schwierig, mit technischen Lösungen einen Beitrag zu Frieden zu leisten, wenn internationale Institutionen in Frage gestellt, Rüstungskontrollverträge gekündigt und Finanzierungen gestrichen würden. Dennoch kann die technische Friedensforschung trotzdem oder gerade in diesen Zeiten der Unsicherheit einen wichtigen Beitrag leisten – wie die Beiträge auf der Konferenz eindrucksvoll unterstrichen.

Einen großen thematischen Block bildeten die Beiträge zur nuklearen Verifikation. Ein zentrales Thema dabei wiederum bildete die Überwachung nicht-militärischer Kernmaterialien und -anlagen im Kontext des Nichtverbreitungsvertrags (sogenannte »Nuclear Safeguards«). Es wurden neue Ansätze für die Überwachung von End- und Zwischenlagern präsentiert, etwa mittels Messungen kosmischer Elementarteilchen, genauer Myonen (K. Aymanns, FZ Jülich), oder mit dem Einsatz »digitaler Zwillinge« der Anlagen (M. Kreutle, FZ Jülich).

Als mögliche zukünftige Herausforderung gelten sogenannte »kleine modulare Reaktoren«, deren Betrieb in großer Zahl und an abgelegenen Orten aufwändig zu überwachen sein könnte. Hier könnten »Antineutrinos« (Elementarteilchen, die beim Betrieb von Kernreaktoren entstehen und kaum abzuschirmen sind) zur Fernüberwachung genutzt werden; auch, um nuklear betriebene U-Boote, z.B. aus dem AUKUS-Abkommen, zu überwachen (Y. Schnellbach, S. Friedrich, R. Mentel, TU Darmstadt). Eine weitere Herausforderung könnten zukünftige Fusionskraftwerke sein, die selbst zwar kein Spaltmaterial benötigen, es aber sehr effizient aus geringen Mengen Natur-Uran herstellen könnten. Hier gilt es, die Frage der nuklearen Verifikation schon früh in der Entwicklung zu berücksichtigen (M. Englert, Ökoinstitut).

Als Impulse zur Vorbereitung auf die Zukunft müssen auch die verschiedenen Beiträge zur nuklearen Abrüstung verstanden werden. Es wurden dabei in diesem Jahr sowohl Arbeiten zu sehr spezifischen Aspekten präsentiert, wie z.B. Betrugsmöglichkeiten bei der Identifikation von Nuklearsprengköpfen zu verhindern sind (E. Lucke, Unversität Hamburg), als auch solche, die den gesamten Abrüstungsprozess betreffen. In dieser Frage warf ein Forschungsprojekt die Überlegung auf, ob es je nach Kontext genügen kann, den militärischen Nuklearkomplex stillzulegen, während in anderen Fällen der Zugriff auf jegliche Nukleartechnologie verboten werden müsste, um Abrüstung langfristig zu verwirklichen (S. Laderman, ONN).

Dass je nach Szenario die Verifikationsmaßnahmen unterschiedlich gewählt werden sollten und dass hierfür von den »Nuclear Safeguards« gelernt werden könnte, die selbst auch für Länder mit unterschiedlichen Nuklearanlagen angewandt werden, machte die Forschung von N. Yanikoemer (FZ Jülich) deutlich.

Damit solche Abrüstungsvorhaben gelingen können, werden Verhandlungen maßgeblich sein; welche Dynamiken dabei eine Rolle spielen, wird im VeSPoTec-Projekt derzeit anhand von Tischübungen mit Verhandlungssimulationen untersucht (K. Westerich-Fellner, FZ Jülich). Um diese letztlich auch schon diplomatisch vorzubereiten, wurden auf der Konferenz erste Ideen für ein mögliches Gremium technischer Expert*innen zur nuklearen Abrüstungsverifikation innerhalb der UN vorgestellt (G. Christopher, VERTIC).

Doch die Konferenz stand nicht nur im Zeichen der Herausforderungen der atomaren Bedrohung. Weiteres Thema waren die technische Beobachtung und Bewertung militärischer Entwicklungen. Drei Länder standen dabei im konkreten Fokus – Nordkorea, dessen Kernwaffenprogramm der Überwachung nur mit Satelliten zugänglich ist (J. Shin, Open Nuclear Network); China, dessen Spaltmaterialproduktion mit Kernreaktorsimulationen abgeschätzt werden kann (R. Geiser, RWTH Aachen); sowie Russland, dessen neue Mittelstreckenrakete »Oreshnik« neue Fragen zur Effektivität europäischer Raketenabwehrsysteme aufwirft (T. Kadyshev, IFSH).

Mit autonomen Waffensystemen befassten sich weitere Beiträge. Im Bereich der menschlichen Kontrolle könne von anderen Feldern, in denen Automatisierung schon länger selbstverständlich ist (z.B. Medizin), gelernt werden (T. Riebe, PEASEC). Andererseits wurden mögliche präventive Maßnahmen diskutiert, die das Risiko einer autonom gestarteten Eskalation verringern könnten, wie z.B. solche, Systeme mit einem Mindestabstand zu stationieren oder spezielle Kommunikationskanäle einzurichten (J. Altmann, TU Dortmund).

Für die Herausforderungen der Dual-­Use-Forschung wurden Beobachtungen zu einer Reihe von Technologien präsentiert: wie der Einsatz von 3D-Druck für militärische Zwecke, z.B. in Kriegsgebieten wie der Ukraine, zu bewerten sei (L. Suckau, PRIF); wie »Distributed Acoustic Sensing«, das zur Fernüberwachung von Tiefseekabeln entwickelt wird, zur Ortung von U-Booten genutzt werden könnte (T. Dörnfeld, PEASEC); dass bei Quantentechnologien zu beobachten sei, dass Staaten sie trotz ihrer offensichtlichen Unausgereiftheit schon jetzt unter Exportkontrolle zu stellen beginnen (K. Brockmann, SIPRI); und nicht zuletzt wie künstliche Intelligenz neuen Akteuren den Bau von Biowaffen ermöglichen könnte (D. M. Sabra, ZNF).

Doch auch Fragen der Forschungsfreiheit und -unabhängigkeit wurden kritisch diskutiert: So sei allgemein eine zunehmende Verwischung der Trennlinien zwischen rein ziviler und militärischer Forschung zu beobachten, die es Wissenschaftler*innen erschwere, sich bewusst für oder gegen Forschung mit militärischer Anwendung zu entscheiden (W. Liebert, BOKU Wien). Wenig verwundert es da, dass Staaten sich zunehmend um Maßnahmen für mehr »Wissenschaftssicherheit« bemühen (u.a. zur Verhinderung der ungewollten Weitergabe sicherheitsrelevanter Forschung), die allerdings oft in einem Spannungsverhältnis mit der Wissenschaftsfreiheit, internationalem Austausch und Transparenz stehen (L. Heau, SIPRI).

Zentraler Ansatzpunkt für einen bewussten Umgang mit den Herausforderungen und Ansprüchen der Forschungsfreiheit ist die Sensibilisierung von Forschenden – ein Anliegen, für das das DUALEX-Projekt mit verschiedenen Lehr- und Austauschformaten einen zentralen Beitrag leisten könnte (J. L. Frieß, BOKU). Wenig nachvollziehbar ist, dass jüngst deren entsprechender Projekt­antrag abgelehnt wurde. Es bleibt zu hoffen, dass sich andere Wege finden werden, braucht es doch gerade auch jetzt wieder Formate, die einen Dialog zu diesen Themen anstoßen und die Nachwuchswissenschaftler*innen die Werkzeuge an die Hand geben, um eine fundierte Haltung zu entwickeln.

Insgesamt kann man sagen, dass die Konferenz damit nicht nur ihr Ziel erfüllte, „die Auswirkungen technologischer Entwicklungen auf Frieden und Sicherheit zu untersuchen“; der lebendige Austausch zwischen den Teilnehmenden verschiedener Disziplinen zeigte deutlich, dass die SPS-Konferenz tatsächlich mittlerweile zu einer gewinnbringenden, interdisziplinären „Plattform für Diskussionen darüber, wie der technologische Fortschritt die Dynamik des globalen Friedens, der Sicherheit und der Konflikte beeinflusst“, geworden ist.

Sophie Kretzschmar

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2025/4 Autoritäre Wende: Repression – Militarisierung – Faschisierung, Seite 60–61