W&F 2003/1

Terror und Energie-Sicherheit

Ein neuer Krieg um Öl?

von Jürgen Scheffran

Seit ihrem Amtsantritt hat die Bush-Administration zwei große außenpolitische Initiativen in Angriff genommen: einen „nie endenden Krieg gegen den Terrorismus“ und die globale Ausweitung des amerikanischen Zugriffs auf Erdöl. Obwohl beide Problemfelder verschiedene Ursachen haben und unterschiedliche Strategien erfordern, sind sie durch den Lauf der Ereignisse miteinander verwoben. Der Krieg gegen den Terrorismus und der Kampf ums Öl erweisen sich zunehmend als zwei Seiten derselben Medaille. In beiden Fällen geht es um die Folgen einer nicht-nachhaltigen Wirtschaftsweise und den Ausbau der globalen Vorherrschaft der USA.
Es scheint, als sei ein Angriff auf den Irak und der Sturz Saddam Husseins zu einer fixen Idee der Bush-Administration geworden, ungeachtet weltweiter Proteste und des Risikos einer weiteren Destabilisiung des Nahen Ostens. Hat die US-Regierung keine anderen Probleme, als das vermeintliche Waffenarsenal eines geschwächten Potentaten auszuschalten? Sollte nicht der Kampf gegen den Terror, um den es im Falle des Irak nicht geht, Vorrang haben? Oder will Bush gegenüber Saddam bloß das Werk seines Vaters vollenden?

Von der Carter-Doktrin zur Enron-Connection

Mit den offiziell vorgebrachten Argumenten allein ist das Festhalten von George W. Bush an einer Invasion im Irak nicht zu begründen. Stutzig machen sollte es schon, dass ein naheliegender Faktor in den offiziellen Begründungen ausgeblendet wird: Erdöl. Dabei ist es kein Geheimnis, dass die gewaltigen Ölreserven in Nahost schon lange ein Hauptmotiv für das Engagement der US-Politik in dieser Region sind. Bereits in der 1980 verabschiedeten Carter-Doktrin galt jede Anstrengung zur Beeinträchtigung des Ölflusses aus der Golfregion als feindlicher „Anschlag auf die vitalen Interessen der Vereinigten Staaten“, der „mit allen Mitteln, einschließlich militärischer zurückzuschlagen“ sei. An diese Doktrin konnte dann nach Ende des Kalten Krieges der Vater des heutigen Präsidenten anknüpfen, auch wenn es bei der Operation Desert Storm 1991 offiziell weniger um »Blut für Öl« gegangen sein soll, wie Kritiker argwöhnten, als vielmehr um die Durchsetzung des Völkerrechts nach dem Angriff Iraks auf Kuwait.

Jetzt will George W. Bush die in Folge des zweiten Golfkrieges erheblich gewachsene Truppenpräsenz der USA für den dritten und entscheidenden Golfkrieg nutzen – wohl kaum, um das von ihm sonst missachtete Völkerrecht durchzusetzen. Wie sein Vater ist auch der heutige Bush den texanischen Ölclans verpflichtet, die seinen Wahlkampf finanziert haben. Bushs oberster Energiepolitiker ist Vizepräsident Dick Cheney, der das neue Energieprogramm der Regierung gestaltet. Bis zu seinem Amtsantritt war er Generaldirektor der Firma Halliburton-Energy und ist bis heute ihr Teilhaber. Tatkräftig zur Seite stehen ihm seine alten Freunde aus der Energiewirtschaft, darunter auch einige aus dem Energiekonzern Enron, der vor kriminellen Machenschaften nicht zurückschreckte und spektakulär Pleite ging. Beispiele für die Enron-Conncetion sind Lawrence Lindsey, Bushs Wirtschaftschef im Weißen Haus, Pat Wood, Leiter der US-Energie-Regulierungsbehörde, oder Thomas White, Bushs Minister für die Streitkräfte. Selbst Bushs Sicherheitsberaterin, Condoleezza Rice, war früher Mitglied im Aufsichtsrat des Chevron-Ölkonzerns.

Wachsende Öl-Abhängigkeit

Bei konstanter Fortsetzung der gegenwärtigen Förderrate sind nach einer Schätzung des deutschen Wirtschaftsministeriums aus dem Jahr 2000 (die nach wie vor mit großen Unsicherheiten behaftet ist) die Vorräte für Öl in 42 Jahren, für Gas in 65 Jahren und für Kohle in 169 Jahren erschöpft. Für Öl ist die Situation am dramatischsten. Aus der langjährigen Beobachtung des zeitlichen Verlaufs der Fördermengen der weltweiten Ölvorkommen lässt sich schließen, dass über die Hälfte der bekannten Reserven bereits verbraucht sind. Das lässt in den kommenden Jahren ernste Verteilungskämpfe erwarten. Hinzu kommt die ungleichmäßige geografische Verteilung: Für den Nahen Osten werden Reichdauern (Länge der noch zu erwartenden Förderzeit) von 94 Jahren genannt. Für Nordamerika beträgt die Schätzung 16, Russland 33, Norwegen 13 und für England nur 10 Jahre. Ölimporte aus Russland und der Nordsee decken jeweils 31% bzw. 33% des deutschen Bedarfs. Bei ihrem Wegfall würde sich die Energieabhängigkeit Deutschlands vom Nahen Osten verschärfen.

Da die heimische Ölproduktion der USA einem relativ schnellen Niedergang ausgesetzt ist und zugleich die Nachfrage der USA nach Erdöl mit jedem Tag zunimmt, steigern die USA gegenwärtig ihre Ölabhängigkeit von den großen Ölförderländern. Bis zum Jahr 2020, so jüngste Berechnungen des US-Energieministeriums, soll der tägliche Import-Bedarf der USA um 6 Millionen Barrel Öl höher liegen als heute – wo rund 17 Millionen Barrel pro Tag verbraucht werden (7 Barrel entsprechen etwa einer metrischen Tonne). Ein Teil dieses Öls soll zwar von Ölfeldern in Lateinamerika, Afrika, Russland und der Kaspischen Region kommen, aber der Löwenanteil wird aus der Golfregion erwartet, da nur hier die nötigen Reserven für eine erhebliche Produktionssteigerung gegeben sind. Mit geschätzten 113 Milliarden Barrel liegt der Irak an zweiter Stelle hinter Saudi-Arabien (262 Mrd. Barrel). Zusammen mit Iran, Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten verfügen diese Länder über zwei Drittel der bekannten Ölreserven der Welt.

Die Bush-Regierung ist sich ihrer Abhängigkeit vom Öl bewusst und hat in der am 17. Mai 2001 veröffentlichten Nationalen Energiepolitik (nach ihrem Verfasser, Vizepräsident Dick Cheney, auch als Cheney-Report bekannt) daraus bereits Konsequenzen gezogen. Der Bericht löste zunächst einigen Wirbel aus, weil er die Namen der beteiligten Berater nicht offenlegte und die Freigabe von Bohrungen im arktischen Nationalpark ankündigte. Weniger Aufmerksamkeit erhielt die zentrale Empfehlung des Reports, dass die Energiesicherheit in Zukunft ein Schwerpunkt der Handels- und Außenpolitik der USA sein solle. Kurz und bündig wird festgestellt: „Das Wachstum in der internationalen Nachfrage nach Öl wird zu einem wachsendem Druck auf die globale Verfügbarkeit von Öl führen.“ Etwa die Hälfte des US-Ölverbrauchs stammt aus auswärtigen Quellen; bis 2020 werde der Anteil auf zwei Drittel ansteigen. Zugleich wird erkannt, dass die „Ölproduzenten des Nahen Ostens von zentraler Bedeutung für die Ölsicherheit der Erde“ sind und damit ein Hauptschwerpunkt der internationalen Energiepolitik der USA bleiben werden. Daraus folgt, dass die USA ihre guten Beziehungen zu Saudi-Arabien aufrechterhalten und gleichzeitig ihren Ölimport auf verschiedene Quellen verteilen müssen. Die Golfstaaten müssten überzeugt werden, ihren täglichen Ausstoß erheblich zu erhöhen, um den Öldurst der USA zu befriedigen; der Irak und Saudi-Arabien müssten in den nächsten zwei Jahrzehnten Millionen von Barrel zu der derzeitigen täglichen Fördermenge hinzufügen.

Die Bedeutung des Irak

Zwar leidet die irakische Bevölkerung seit einem Jahrzehnt unter dem von den USA forcierten Boykott, doch zugleich versorgt der Irak die USA derzeit mit etwa 800.000 Barrel Rohöl pro Tag, was rund 9% der gesamten Ölimporte der USA entspricht. Da die USA nicht direkt im Irak kaufen wollen, erfolgt der Handel mit Bagdad über Mittelsmänner im Rahmen des »Öl-für-Nahrung«-Programms der UNO.

Wichtiger noch als der derzeitige Ölzufluss ist die langfristige strategische Bedeutung des Iraks für die USA. Zwar könnten die USA theoretisch ihren wachsenden Ölbedarf allein durch Importe aus Kuwait, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten befriedigen. Doch befürchten US-Regierungsvertreter, dass Konflikte und instabile politische Verhältnisse oder auch mangelnde Investitionen eines Tages den Nachschub in diesen Ländern zum Erliegen bringen könnten. Weitere Staaten können zusätzliche Quellen eröffnen, darunter Russland, Nigeria und die Staaten am Kaspischen Meer. Keiner dieser Staaten kann jedoch mit der Förderkapazität des Irak mithalten.

Daher will die US-Regierung die Lage im Irak so rasch wie möglich zu ihren Gunsten entscheiden – und damit verhindern, dass andere das Geschäft mit dem Irak machen. Dem Weltenergieausblick 2001 der International Energ Agency (IEA) zufolge hat der Irak bereits die Rechte an geschätzten 44 Mrd. Barrel Öl verkauft, was den gesamten nachgewiesenen Reserven aller ostasiatischen Länder zusammen entspricht. Zu den Vertragspartnern dieser Deals gehören europäische Ölkonzerne wie ENI und TotalFinaElf gemeinsam mit der russischen Lukoil und der chinesischen National Petroleum Company (CNPC). Sollte das derzeitige Regime an der Macht bleiben, so befürchten US-Strategen, dass die irakischen Ölreserven von Firmen anderer Staaten kontrolliert werden können. Eine Möglichkeit, dies zu verhindern, wäre ein Sturz der derzeitigen und die Etablierung einer neuen US-freundlichen Regierung. Unter diesem Blickwinkel erscheinen die Interventionspläne der USA auch als Teil der innerkapitalistischen Konkurrenz im Ölsektor. Die USA versuchen, ihr Militär dafür zu instrumentalisieren, ihren Firmen günstigere Geschäftsbedingungen zu sichern. Zugeben will dies in der US-Regierung jedoch niemand. Es dürfte den letzten Rest von Bushs Glaubwürdigkeit in der Welt beseitigen und im In- und Ausland stärkere Widerstände unter dem Slogan »Kein Blut für Öl« provozieren.

Öl und Terror – eine starke Verbindung

Angesichts der starken Fixierung der amerikanischen Öffentlichkeit auf die Bedrohung durch den Terrorismus ist es für die US-Administration derzeit nicht ganz einfach, die Außenpolitik auf den Schutz der Ölvorräte zu richten. Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus eignet sich allerdings als Vorwand, um den militärischen Machtanspruch in den für die eigene Energiesicherung wichtigen Regionen auszubauen. Einige Faktoren begünstigen eine dauerhafte Verknüpfung des Anti-Terror-Kampfes mit der Sicherung der Ölvorräte. So liegen einige der weltweit größten Ölreservoire in politisch instabilen Regionen, allen voran im explosiven Nahen Osten. Zumindest zwei der großen Ölförderländer – Iran und Irak – gehören in den Augen der US-Regierung zur »Achse des Bösen«. Auch Syrien und Jemen, einige Golf-Emirate und anti-israelische Terrorgruppen in Libanon und Palästina stehen in der Schusslinie. Beim saudischen Regime, das zu den autoritärsten der Welt gehört, wird die Missachtung von Menschenrechten und die Unterstützung islamistischer Gruppen noch stillschweigend in Kauf genommen, ebenso die Tatsache, dass 15 der 18 Attentäter des 11. September aus Saudi-Arabien stammten, ganz zu schweigen von Osama bin Laden selbst. Immerhin würden die USA durch die Kontrolle des irakischen Öls etwas unabhängiger von der Willkür der saudischen Dynastie.

Auch wenn es schwerfällt, eine Verbindung zwischen Saddam und Al Quaida zu konstruieren, versucht die US-Regierung, einen Angriff auf den Irak in den Kampf gegen den Terror einzureihen. Ein Modell für die Kopplung von Öl und Terror war der Afghanistan-Feldzug. Manches spricht dafür, dass das Land weniger wegen der Unterstützung des internationalen Terrorismus bombardiert wurde als vielmehr wegen seiner strategischen Lage an der Schnittstelle verschiedener Großmächte und Ölrouten. So hatten Vertreter der US-Erdölfirma Unocal, die zuvor noch eng mit den Taliban kooperierte, für einen Regierungswechsel in Afghanistan plädiert, um so besser das Projekt einer Ölpipeline durch Afghanistan realisieren zu können. Heute bestreitet Unocal dies und lehnt eine Beteiligung an einer Ölpipeline ab.

Ähnliche Verknüpfungen zeichnen sich auch in anderen Regionen ab. Dem Cheney-Report zufolge gilt insbesondere die Region um das kaspische Meer als rasch wachsendes Ölfördergebiet, das wirksam in den Weltölhandel zu integrieren sei. Die nachgewiesenen Ölreserven in Aserbeidschan und Kasachstan umfassen etwa 20 Millionen Barrel, etwas mehr als die Reserven in der Nordsee. Um den Zugriff darauf abzusichern haben die USA nach dem 11. September begonnen, permanente Basen in Tadschikistan, Usbekistan und Kirgistan einzurichten. Sie führen in Georgien militärische Trainingsoperationen durch, an denen mehrere hundert Berater der Spezialkräfte der USA teilnehmen. Es geht darum, die georgischen Streitkräfte für den Kampf gegen Terroristen zu wappnen und dabei dürfte der Schutz der Pipeline, die Öl vom kaspischen Meer zu den Häfen des Schwarzen Meers und das Mittelmeer transportieren soll, im Mittelpunkt stehen. In ähnlicher Weise unterstützen die USA das Militär Kolumbiens beim Schutz einer Ölpipeline, die oft von Rebellen zerstört wurde. Spätestens seit der Geiselnahme in einem Moskauer Theater (Oktober 2002) durch ein tschetschenisches Kommando ist deutlich geworden, dass die Verknüpfung von Terror und Sicherung der Ölressourcen (in der Kaukasus-Region) auch für Russland ein massives Problem darstellt.

Die Machtkämpfe um zahlreiche Ölförderrouten, die Lebensadern der westlichen Welt in dem Dreieck zwischen Nahost, Zentralasien und Balkan, sind allerdings kaum noch zu durchschauen. Als Detail sei hier nur noch erwähnt, dass hierzu auch der Anschluss an eine transbalkanische Ölpipeline durch Bulgarien, Mazedonien und Albanien gehört. Die Machbarkeitsstudie dazu hatte Cheneys Firma Halliburton erstellt, deren Tochter Brown & Root im Kosovo in der Nähe der geplanten Pipeline-Route die größte US-Basis außerhalb der USA, Bondsteel, gebaut hat. Dies mögen alles seltsame Zufälle sein, aber sie stellen das Argument in Frage, der Kosovo habe für die USA nun wirklich keinerlei strategische Bedeutung gehabt.

Der Kreislauf der Gewalt

Eine Verbindung von Öl und Terror ist durchaus gegeben, allerdings mehr auf der Verursacherseite. Die Art und Weise, mit der die USA ihre Interessen durchsetzen, produziert entweder Unterordnung oder Gewaltbereitschaft oder beides zugleich. Die Ausbeutung der Naturschätze dieser Erde, wo immer sie liegen mögen, provoziert Widerstände der davon Betroffenen, im schlimmsten Falle Terrorismus. Zudem befördert das angeblich so freie kapitalistische Wirtschaftssystem eine Konzentration von Reichtum und die Schaffung immer neuer Verwundbarkeiten, die sich Terroristen zunutze machen können. So wie das World Trade Center dafür ein Symbol war, so sind in Zukunft Ölpipelines und -raffinerien, Kernkraftwerke und Flughäfen attraktive Angriffsziele.

Zudem ist mit den Anschlägen vom 11. September 2001 deutlich geworden, dass die von solchen Terrorangriffen ausgehenden Schockwellen auch die internationale Erdölindustrie in Turbulenzen stürzen können, was sich in abrupten Preisbewegungen niederschlägt. So fiel zwischen August und Dezember 2001 der Barrelpreis des so genannten OPEC-Korbs (ein Mischindex für sieben verschiedene Ölsorten) als Folge der Rezessionsfurcht und der verringerten Nachfrage von durchschnittlich 24 Dollar auf rund 17 Dollar. Seit Beginn diesen Jahres stiegen die Preise jedoch abrupt wieder auf 24 Dollar pro Barrel Mitte Mai. Mögliche Gründe sind eine Erholung der US-Wirtschaft, sinkende Vorräte in den Industrieländern sowie die bevorstehende US-Militärintervention im Irak. Es ist anzunehmen, dass im Falle eines Militärschlags gegen den Irak die OPEC-Länder dem Druck der USA nachgeben und ihre Produktion erhöhen werden.

Es ist müßig darüber zu streiten, ob nun Öl der entscheidende oder nur ein Grund unter mehreren ist für eine mögliche Militärintervention der USA in Irak. Ein Angriffskrieg wird nur dann realisiert, wenn es dafür ein relativ breites Bündnis im Herrschaftsestablishment der USA gibt. Im Falle des Irak kommen verschiedene Motive zusammen:

  • Das Streben der USA nach globaler Hegemonie,
  • der Anspruch auf regionale Vorherrschaft in Nahost und den angrenzenden Regionen,
  • die Ausschaltung politischer Gegner, ihrer Rüstungspotentiale, inklusive möglicher Massenvernichtungswaffen,
  • das Interesse der eigenen Rüstungslobby an möglichst vielen Kriegen und dem damit verbunden Waffenabsatz,
  • aber eben auch das Interesse an der Kontrolle der verbleibenden Öl- und Gasvorräte, die für die eigene Wirtschaft von eminenter Bedeutung sind.

Ein Militärschlag gegen Irak wäre in allen Punkten im Sinne dieser Koalition aus Wachstum, Macht und Gewalt. Eine mögliche Destabilisierung in Nahost und die Gefährdung Israel sind dabei kein Hinderungsgrund, im Gegenteil: Je mehr die Gewaltspirale sich dreht, um so leichter wird es für Bush jun. wie auch für Scharon, ihre auf Gewalt gegründete Politik zu forcieren und dabei Gegner wie Konkurrenten auszuschalten.

Das Ende des Ölzeitalters

Die Verbissenheit, mit der die Bush-Administration um die Öl-Hoheit kämpft, erklärt sich daraus, dass der Wohlstand der USA wie der gesamten westlichen Welt eben auf jenem schwarzen Rohstoff gründet, der vor rund 140 Jahren aus amerikanischem Boden sprudelte. Der damit verbundene Lebensstil und sein ungehemmter Ressourcenverbrauch gehen dem Ende entgegen, wenn bereits in diesem Jahrhundert die billigen Öl- und Gasvorräte ihr Ende finden. Selbst wenn die Erde noch manche Energieschätze in sich birgt, nützt dies wenig, wenn die physikalischen Grenzen erreicht werden, es also mehr Energie erfordert, sie zu bergen als sie zu nutzen. Technik kann hier kein Allheilmittel sein.

In den USA löst das ausgehende Ölzeitalter, auf dem der amerikanische Wohlstand und Lebensstil maßgeblich basiert, teilweise massive Bedrohungsängste aus, so als habe es die Debatte über die Grenzen des Wachstums vor 30 Jahren nie gegeben. Dass es vielleicht weniger Terroristen sind, die die Energiesicherheit der USA gefährden, als vielmehr der eigene maßlose Ressourcenverbrauch und das eigene Versagen bei der Suche nach Alternativen, das hat bislang keinen Eingang in das Denken der Führungsriege gefunden. Für Cheney kommen Energiesparen und die Nutzung regenerativer Energien an letzter Stelle. Weit größeres Gewicht haben die Aufrechterhaltung des fossilen Zeitalters und die Privatisierung des Energiesystems, ungeachtet der schlechten Erfahrungen durch den Strom-Blackout in Kalifornien. Dabei liegen die Alternativen klar auf der Hand, und sie wurden in zahlreichen Studien ausführlich erläutert, z.B. in einer Studie des Washingtoner Institute for Energy and Environmental Research (Makhijani 2001), das den Cheney-Energieplan direkt mit einem alternativen Umbau des Energiesystems vergleicht. Es wird deutlich, dass nicht nur der Versorgung, sondern auch der Sicherheit der USA weit mehr gedient wäre, wenn sie jetzt massiv in Energieeinsparung und die Förderung regenerativer Energiepotenziale setzen würde. Zu entsprechenden Erkenntnissen kommt auch der jüngst vorgelegte Bericht der Enquetekommission des Deutschen Bundestages »Nachhaltige Energieversorgung unter den Bedingungen der Globalisierung und der Liberalisierung«. Solange eine vernünftige Energiepolitik jedoch in Konflikt mit den bestehenden Macht- und Interessenstrukturen gerät und Krieg als Instrument zur Energiesicherung angesehen wird, ist es schwierig, eine starke Koalition für den Energieumbau zu schaffen.

Literaturangaben

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J. Scheffran, W. Bender, S. Brückmann, M.B. Kalinowski, W. Liebert: Energiekonflikte – Kann die Menschheit das Energieproblem friedlich lösen?, Dossier 22, in: Wissenschaft und Frieden 14, 2/1996.

R. Zoll et.al. (Hrsg.): Energiekonflikte. Problemübersicht und empirische Analysen zur Akzeptanz von Windkraftanlagen, Münster, LIT, 2001.

Dr. Jürgen Scheffran ist Redakteur von Wissenschaft und Frieden und Mitarbeiter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2003/1 »Präventiv«kriege, Seite