W&F 1993/2

Teststopp in den USA

Der Widerstand der A-Waffen-Lobby

von Erdmute Otto • Martin Kalinowsky

Nachdem die USA letztes Jahr noch einmal 6 Atomtests durchgeführt hatten (England und Frankreich sowie GUS keine; China 2), schlossen sie sich den bestehenden Moratorien von Frankreich und Rußland an. Präsident Bush unterzeichnete im Oktober 1992 das Nuclear Testing Moratorium Act, auch Hatfield Amendment genannt.

Das Moratorium gilt für die USA und GB bis Ende Juni 1993. Die USA werden bis 9/1996 »nur« noch bis zu 15 weiteren Tests durchführen oder auch gar keine mehr. Das Testen kann frühestens wieder fortgeführt werden, wenn der Präsident 90 Kongress-Sitzungen (ohne Unterbrechung durch die Pause von August bis Januar) vorher einen Bericht gegeben hat, der mehrere Punkte enthalten muß:

  • Plan zum Erreichen eines CTB; Plan, Sicherheitsmerkmale in allen Kernwaffen zu installieren; Anzahl und Art der geplanten Atomtests, u.a.. Der Kongress hat die Möglichkeit, wichtige Teile des Berichts durch Mißbilligung zu Fall zu bringen.
  • Außerdem dürfen Atomtests nur nach Sicherheits- und Zuverlässigkeitstests zugelassen werden.
  • Nach 9/1996 können die USA nur dann weitertesten, wenn ein anderer Staat bis dahin das Testen wieder aufnimmt. Das betrifft auch China, das auf dem Standpunkt steht, noch Nachholbedarf und Rechtfertigung zu haben.

Auf einem Treffen mit Boris Jelzin Anfang April stimmten beide Präsidenten überein, daß die Verhandlungen für einen CTB möglichst früh beginnen sollten. Die US-Regierung meint damit noch diesen Sommer.

Es besteht außerdem eine große Chance, daß nach 1947, 1950 und 1959 zum erstenmal seit langem wieder ein Jahr ohne Atomtest verstreicht. Die Hoffnungen darauf hatten sich mit dem Regierungswechsel in den USA verstärkt.

Die Erstellung von Plan und Begründung neuer Tests hat sich mittlerweile so weit verzögert, daß mit Verstreichen des 18. Mai immer unwahrscheinlicher wird, ob die notwendigen 90 Sitzungstage noch zusammenkommen. Dies ist nur noch möglich, wenn sich der Beginn der Herbstpause verzögert, was allerdings öfter vorkommt. Sollte der Termin tatsächlich verstrichen sein, dann wäre der nächste US-Kernwaffentest frühestens 1994 durchführbar.

Navy und Air Force sind aber nicht bereit, Geld auszugeben für die Sicherheitsvorkehrungen, die getestet und dann an den Kernwaffen installiert werden sollen. Das beweist, daß die geplanten Sicherheitstests keinen Sinn mehr haben würden.

Die Arms Control und Disarmament Agency und Department of Defense argumentieren wegen der Proliferationsgefahr für eine »no first test policy«. So kam es bisher noch zu keiner Einigung unter den Regierungsbehörden.

Gleichzeitig haben zahlreiche Mitglieder von Senat und Abgeordnetenhaus sowohl Resolutionen, die den Beginn von CTB-Verhandlungen fordern, als auch einen Gesetzesvorschlag unterschrieben, in dem es um die Kosten der britischen Atomtests (incl. der ökologischen) geht.

In fast allen wichtigen Tageszeitungen wurden diese Vorgänge mehrfach in Editorials kommentiert und gegen weitere Kernwaffentests argumentiert.

Das alles ist sehr ermutigend für TeststopgegnerInnen, aber es gibt immer noch starke Kräfte für die Fortsetzung von Kernwaffentests.

Aber …

Das Department of Energy (DoE) und Großbritannien halten an ihren Plänen für weitere Tests fest. Ein erster wurde für Juli angesetzt, wieder abgesetzt, worauf ein weiterer für September angekündigt wurde, der nun allerdings nicht mehr einhaltbar ist.

Auch von den Kernwaffen-Laboratorien des DoE wird Druck ausgeübt, um eine Änderung des Gesetzes zu bewirken.

Sie arbeiten auch ohne offiziellen Auftrag an neuen Kernwaffendesigns weiter, der »Mininuke« (weniger als 1 Kilotonne) im Bereich von einer Kilotonne, dem Sprengkopf zum Durchbohren von Beton und Erdschichten und einem Sprengkopf, der einen starken elektromagnetischen Impuls generieren soll. Die Labs geraten allerdings zunehmend in die Defensive. Gemeinsam mit dem DoE, DoD und dem Joint Chief of Staff drängen sie die Clinton Administration darauf, nach 1996 unbefristet weiterzutesten, allerdings mit einer Höchstgrenze von einer Kilotonne.

Zahlreiche Mitglieder von Senat und Haus wandten sich daraufhin an Clinton und äußerten ihre Besorgnis über diesen das Gesetz mißachtenden Vorschlag, unter anderem, weil sie annehmen, daß er sowohl die Glaubwürdigkeit als auch die eigenen Anstrengungen unterminiert, die Weiterverbreitung von Kernwaffen zu verhindern. Nach der Reaktion der Clinton-Administration zu urteilen scheint dieser Vorschlag zumindest vorläufig gestorben zu sein.

Die Kernwaffenlaboratorien befassen sich zunehmend ernsthaft mit der Frage, ob und wie sie in Zukunft ohne Kernwaffentests auskommen können. Das soll v.a. mit neuen und altbewährten AGEX (Above Ground Experiments) Technologien erreicht werden (Hydrodynamische Tests, Computersimulationen, Trägheitseinschlußfusion, etc.).

Diese können zwar nicht ein voller Ersatz zum unterirdischen Testen sein, aber sie sollen offensichtlich die Expertise in den für Kernwaffen wesentlichen Feldern der Physik erhalten.

Dafür sollen auch neue Einrichtungen gebaut werden, und es ist sehr wahrscheinlich, daß der Etatposten für Kernwaffentests bei einem Teststop sogar steigt. So ist der Bau der National Ignition Facility geplant, der rund eine halbe Milliarde $ kosten soll.

Wahrscheinlich ist, daß die USA als erste wieder beginnen Atomtests durchzuführen, denn weder Frankreich noch Rußland wollen die ersten sein, die wieder testen. Die AtomtestgegnerInnen in den USA betonen besonders, wie einmalig diese Chance ist und wie gefährlich es wäre, sollten die USA sie zunichte machen.

Solange noch die Chance besteht, daß die Herbstpause des Kongresses in diesem Jahr spät genug beginnt und Clinton doch noch den Bericht vorlegt, engagieren sich in diesen Wochen die beiden Seiten intensiv zur Durchsetung ihrer Interessen.

AktivistInnen rufen dazu auf, Briefe an Clinton und Abgeordnete zu schreiben. Sie planen außerdem einfallsreiche Aktionen, um der Lobbyarbeit derjenigen, die weitere Tests wolle, etwas entgegenzusetzen.

Beispielsweise wird um den 6. Juni herum eine der größten Demonstrationen und gewaltfreien Aktionen seit den frühen 80er Jahren in Livermore, Californien, erwartet. Dort ist eins der drei Kernwaffenlaboratorien.

Was hat das mit uns zu tun?

Als Mitglied der Europäischen Union, als NATO-Mitglied und als ein Land, das die US-Kenwaffen im eigenen Land als »Schutz« immer noch duldet, hat Deutschland ebenso eine Verantwortung, sich zu Kernwaffentests zu äußern.

Erdmute Otto, Psychologin und Martin Kalinowsky, Kernphysiker bei IANUS, verbrachten dreieinhalb an- und aufregende Monate in Los Alamos (New Mexiko, USA). Im nächsten Heft (3/93) wird von ihnen ein ausführlicher Bericht über die Entwicklung der Kernwaffenforschung 50 Jahre nach Gründung des Los Alamos National Laboratory erscheinen.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1993/2 Das UN-System, Seite