W&F 2013/1

The Constitution of Peace

Zentrumstage des Zentrums für Konfliktforschung, Philipps-Universität Marburg, 11.-13. Oktober 2012

von Annika Henrizi

Die »Zentrumstage« fanden vom 11. bis 13. Oktober 2012 im Historischen Rathaus der Stadt Marburg statt und befassten sich in diesem Jahr unter dem Titel » The Constitution of Peace. Current Debates and Future Perspectives« mit Konzeptionen von Frieden und Friedenskonsolidierung. In der Friedens- und Konfliktforschung gehört es inzwischen zur gängigen Praxis, Frieden als ein ontologisches Konzept zu betrachten. Es überrascht daher, dass der Friedensbegriff weitestgehend unerforscht und von einer Theoriebildung ausgenommen bleibt. Ziel der Zentrumstage war, vorherrschende Konzeptionalisierungen von Frieden auf theoretischer Ebene zu überprüfen und alternative Ansätze – etwa aus poststrukturalistischer, postkolonialer oder feministischer Perspektive – zu betrachten. Des Weiteren sollten aus empirischer Perspektive die gegenwärtigen Praktiken der Friedenskonsolidierung untersucht und ihre Stärken bzw. Schwächen bezüglich der Konzeption und Umsetzung von Frieden sowie die Beziehung zwischen globalen Peacebuildern und lokalen, von Gewalt (und Frieden) betroffenen Menschen herausgearbeitet werden.

Eröffnungsvortrag von John Heathershaw

Eröffnet wurde die Konferenz mit einem Vortrag von Dr. John Heathershaw, Nottingham, zum Thema »Beyond the ‘liberal peace’ debate: international peacebuilding as political performance». Heathershaw stieg so direkt in die Diskussion der zentralen Frage ein, wie Frieden und Friedenskonsolidierung über die Kritik des »liberalen Friedens« hinaus gedacht werden können. Sein Ansatz ermöglicht, internationale Friedenskonsolidierung nicht als apolitische Praxis, sondern als politischen Diskurs zu betrachten.

Panels zwischen Theorie und Empirie

Die anschließenden englisch- und deutschsprachigen Panels diskutierten Themen wie den Wandel des Friedensbegriffes, Möglichkeiten der Definition und Messbarkeit von Frieden, Friedensursachen sowie Interdependenzen zwischen Frieden, Staatlichkeit und Demokratie. Im zweiten Teil der Zentrumstage standen die Konzeption und Umsetzung von Frieden sowie die Beziehung zwischen lokalen Akteuren und internationalen Peacebuilding-Konzepten im Vordergrund. Die vorgestellten Länderkontexte erstreckten sich von Australien, Kambodscha und Indien über Tadschikistan und Sudan bis Bosnien-Herzegowina und Bolivien. Unter den Vortragenden waren junge Nachwuchswissenschaftler ebenso vertreten wie promovierte Forscher und Professoren diverser deutscher und internationaler Universitäten.

Keynote von Rama Mani

Für die zweite Keynote konnte Dr. Rama Mani, Genf, für einen Vortrag zu »Transformative Peace« gewonnen werden. Auf die Dekonstruktion bestehender Konzeptionen von Frieden – so Mani – muss die Entwicklung alternativer Betrachtungsweisen folgen, welche Transformationen von Gesellschaften ermöglichen. Mani lenkte den Blick damit auf die Zukunft, sprach sich für mehr Optimismus und Kreativität in Wissenschaft und Praxis aus und plädierte für eine intensive Beschäftigung mit einzelnen Länderkontexten.

Wissenschaft und Praxis – Abschlussdiskussionen

Vor dem Hintergrund der Diskussionen der vergangenen Tage stand auf dem Abschlusspodium der Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis im Fokus. Gemeinsam mit zwei der teilnehmenden Wissenschaftler – Susanne Campell und Florian Kühn – erörterten Dunja Brede als Vertreterin der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit sowie Edward Mando, Mitarbeiter einer lokalen Nichtregierungsorganisation aus Sierra Leone, Herausforderungen für Theorie und Praxis der Friedenskonsolidierung und diskutierten diese anschließend mit dem Publikum. Im Hinblick auf den »liberalen Frieden« stellte sich die Frage, inwiefern auf lokaler Ebene überhaupt Konzeptionen von Frieden jenseits des Liberalen existieren. Aus den Ausführungen der Podiumsteilnehmer wurde deutlich, dass die antizipierten Dichotomien zwischen liberal und lokal in der Praxis so nicht notwendigerweise existieren, sondern sich je nach Kontext verschränken. Anknüpfend an Rama Manis Appell für mehr Optimismus plädierten die Teilnehmer für eine kontextorientiertere Betrachtung von Frieden. Organisationen, die in lokalen Realitäten tätig sind, müssen in ihrem Alltag mit Widersprüchen zwischen lokal und international, zwischen universalen Rechten und kulturellen Besonderheiten umgehen. In ihrer Arbeit sind sie darauf angewiesen, mit lokal existierenden Strukturen zu arbeiten und mögliche Räume für Friedenskonsolidierung zu nutzen. Der Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis wurde von beiden Seiten als gewinnbringend betrachtet. Vertreter der Praxis forderten außerdem, Forschungsergebnisse für die Praxis nutzbar zu gestalten.

Resümee

Insgesamt wurden die Zentrumstage von den Organisatoren sowie den Teilnehmern als sehr erfolgreich bewertet; insbesondere im Hinblick auf die Vernetzung von Wissenschaftlern und Praktikern, die sich kritisch mit Frieden und Friedenskonsolidierung auseinandersetzen. Besonders erfreulich war für das Organisationsteam das breite internationale Interesse an der Thematik und den Zentrumstagen in Marburg.

Weitere Informationen zu den diesjährigen sowie vergangenen Zentrumstagen unter uni-marburg.de/konfliktforschung.

Annika Henrizi

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2013/1 Geopolitik, Seite 58–59