W&F 2020/4

Umwelt und Frieden

Eine unauflösliche Beziehung

von Alexander Lurz

Nur im Frieden ist der Schutz der Lebensgrundlagen garantiert, und nur intakte Lebensgrundlagen garantieren den Frieden. Frieden bedeutet, miteinander in Freiheit, Sicherheit und Vielfalt in einer gesunden Umwelt leben zu können. Im Krieg wird die Umwelt geschädigt oder zerstört, und eine geschädigte oder zerstörte Umwelt belastet oder beendet einen Friedenszustand. Diese Einsicht bestimmte schon in der Gründungsphase die Arbeit von Greenpeace – und nicht nur den Organisationsnamen. Bis heute gehören »green« und »peace« zusammen.

Im September 1971 stach ein Fischkutter in See. Sein Ziel war Amchitka, eine Insel vor der Küste Alaskas und damals Atomtestgelände der USA. Die Insel erreichten die Aktivist*innen der Umwelt- und Friedensbewegung aufgrund des schlechten Wetters und der US-Küstenwache zwar nie. Ihr Ziel jedoch erreichten sie: den geplanten Atomtest zu verhindern. Ihre Protestfahrt bewirkte eine derartige öffentliche Reaktion, dass die US-Regierung einknickte und den Test absagte. Die Aktivist*innen an Bord waren die ersten Greenpeacer*innen. Schon in dieser ersten Greenpeace-Aktion kam beides zusammen: der Schutz der Umwelt und der Einsatz für den Frieden.

Zerstörung von Lebensgrundlagen

Auf mindestens drei Ebenen spielt sich die Zerstörung von Lebensgrundlagen durch oder in der Folge von kriegerischen Handlungen für die Bevölkerung vor Ort ab: Erstens unmittelbar durch die Zerstörung notwendiger Lebensressourcen, zweitens mittelbar durch die weitere Verschärfung eines Konflikts aufgrund eines sich daraus ergebenden Ressourcenmangels und drittens durch einen ressourcenbelastenden Wiederaufbau der im Krieg zerstörten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Infrastruktur.

Beispiel Kuwait/Irak-Krieg

Als die internationale Koalition unter Führung der USA 1991 die Besetzung Kuwaits durch Irak beendete, sprengten die irakischen Truppen auf ihrem Rückzug die kuwaitischen Erdölanlagen und setzten so insgesamt 732 Ölquellen in Brand. Zwischen 300.000 und 700.000 Tonnen Öl verbrannten täglich. Die Rauchentwicklung hatte einen Temperaturabfall in der Region um zehn Grad Celsius zur Folge. Die geringere Sonneneinstrahlung führte zu einem verminderten Pflanzenwachstum an Land und im Wasser in der Region. Der Qualm selbst enthielt mehrere tausend Tonnen Schwefeldioxid, Stickstoffoxide, Kohlenmonoxid und Schwermetalle, wie Cadmium, Blei, Vanadium und Chrom, die teils krebserregend oder erbgutschädigend sind. »Schwarzer Regen« ging u.a. in der Türkei, im Iran, im Kaukasus und im Oman nieder. Im Niederschlag fanden sich auch Kohlenwasserstoffe, Salpetersäure, Schwermetalle und Dioxine. In Kuwait bedeckte der Ruß eine Fläche von rund 935 km2 (Arkin et al. 1991. S. 62-72).

Beispiel Syrienkrieg

Während das Beispiel Kuwait exempla­risch für einen einzelnen drastischen Akt der Umweltzerstörung steht, wird an Beispielen aus dem Syrienkrieg deutlich, wie verschiedenartig Krieg Lebensgrundlagen in Mitleidenschaft zieht bzw. zerstört. Der Zusammenbruch öffentlicher Versorgungsleistungen in einem Krieg wird gemeinhin nicht unmittelbar unter dem Stichwort Umweltschäden betrachtet: In Syrien kollabierte in Städten wie Homs, Aleppo oder Hama das Abfall­entsorgungssystem. In der Folge wurde der Müll in den Deponien nicht mehr abgedeckt, sondern teils einfach verbrannt, und Gefahrstoffe wurden nicht mehr gesondert und sicher entsorgt. Dass dieses Folgen für die Umwelt wie für die Bewohner*innen in den betroffenen Gebieten hat, ist zwar unter Kriegsbedingungen schwerlich abschätzbar, ist aber evident.

Eine direkte Umweltgefahr geht auch vom Schutt aus, der bei der kriegsbedingten Zerstörung oder Beschädigung von Gebäuden entsteht. Die bei Explosionen pulverisierten Baumaterialien enthalten giftige Stoffe, wie Asbest oder polychlorierte Biphenyle (Pax 2015, S. 39). Um eine Vorstellung von der Dimension dieses Problems zu bekommen: Die Weltbank schätzte in ihrer 2017 erschienen Studie »The Toll of War – The Economic and Social Consequences of the Conflict in Syria«, dass bereits zu diesem Zeitpunkt sieben Prozent des Wohnungsbestands in dem Bürgerkriegsland zerstört und weitere 20 Prozent beschädigt waren. Millionen Tonnen in Teilen giftigen Schutts finden sich also in dem Land.

Kontaminationen von Boden und Wasser ergeben sich im Krieg auch durch Angriffe auf Industrieanlagen, die zu den ersten strategisch relevanten Zielen zählen. Giftstoffe können bei Beschädigung und Zerstörung der Produktionsanlagen unterschiedlichster Industriezweige entstehen. Neben naheliegenden, wie der Chemieindustrie, betrifft dies beispielsweise die Textilindustrie und selbst solche wie die Lebensmittelindustrie. Industrieanlagen zählten auch im syrischen Bürgerkrieg zu den Angriffszielen. Die al-Sheikh-Najjar-Industriezone bei Aleppo, die ehemals größte im gesamten Nahen und Mittleren Osten, wurde massiv umkämpft. Wie die niederländische Organisation Pax dokumentiert, waren bei Kriegsausbruch über 1.250 Industrie­anlagen in Betrieb (Zwijnenburg und te Pas 2015, S. 27). Berichte von vor Ort und Satellitenaufnahmen dokumentierten großflächige Zerstörungen; nach Angaben der syrischen Staatsmedien waren Ende 2014, rund ein halbes Jahr nach der Rückeroberung, gerade einmal 300 Anlagen wieder im Betrieb (ebenda, S. 26-28).

Auch die Ölfelder, Transportsysteme sowie Raffinerien waren und sind Ziele im syrischen Bürgerkrieg. So flog die Anti-IS-Koalition allein von Juni bis August 2017 über 1.300 Angriffe auf Ölanlagen im Herrschaftsbereich des Islamischen Staats in Syrien (Zwijnenburg 2018) und verursachte damit das Auslaufen von Rohöl sowie die Freisetzung von giftigen Bestandteilen des Öls durch Explosionen und Brand. Welches Ausmaß Angriffe und Zerstörungen haben, zeigt das Recherche-Kollektiv Bellingcat auf seiner Homepage (ebenda).

Beispiel Öltanker vor der Küste Jemens

Ein dritter, bislang nur potenziell verheerender Fall als letztes Beispiel: Vor der Hafenstadt Hodeidah an der Westküste Jemens liegt der Öltanker »FSO Safer«. In seinen Tanks befinden sich 1,15 Millionen Barrel Erdöl. Aufgrund fehlender Wartungsarbeiten an dem Tanker infolge des jemenitischen Bürgerkriegs droht die Freisetzung des Erdöls durch eine Explosion, ein Feuer oder ein Leck und damit eine Ölkatastrophe enormen Ausmaßes im Roten Meer. Die Rohölmenge an Bord der »FSO Safer« übertrifft, dies zur Veranschaulichung, die bei der Exxon-Valdez-Katastrophe im März 1989 an der Küste Alaskas ausgelaufene Menge um das Vierfache. Die Vereinten Nationen warnen, das Ökosystem des Roten Meeres, auf das rund 30 Millionen Menschen angewiesen sind, würde bei einem Unglück mit der »FSO Safer« verheerend geschädigt werden. Zudem würde in einem solchen Szenario mit hoher Wahrscheinlichkeit der Hafen von Hodeidah blockiert sein, der zur Versorgung eines großen Teils der Bevölkerung Jemens strategisch wichtig ist (United Nations 2020a und 2020b; Greenpeace 2020).

Das » Übereinkommen über das Verbot der militärischen oder einer sonstigen feindseligen Nutzung umweltverändernder Techniken« der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1977 untersagt verändernde Eingriffe in die Natur zu militärischen Zwecken. Insbesondere das Beispiel Syrien unterstreicht, dass dieses Verbot nicht ausreicht. Ein Reformprozess auf UN-Ebene hat begonnen, ist jedoch nicht abgeschlossen.

Ohne intakte Umwelt kein Frieden

Während die Umwelt zum Opfer des Krieges werden kann, kann umgekehrt ein Friedenszustand durch Umweltzerstörung gefährdet oder gar beendet werden. Als Beispiel soll hier allein die womöglich größte Herausforderung in der Geschichte der internationalen Staatengemeinschaft genannt werden: die Klimakrise.

Mittlerweile hat sich unter Wissenschaftler*innen, Politiker*innen und darüber hinaus ein Konsens herausgebildet, wonach die Erderhitzung als »Bedrohungsmultiplikator« zu betrachten ist (vgl. z.B. IISS 2019, S. 37-46). Von einem »Bedrohungsmultiplikator« spricht auch das Auswärtige Amt (2020). Die Auswirkungen des Klimawandels können ohnehin instabile Regionen weiter erschüttern und noch scheinbar stabile Regionen destabilisieren. Der Zugang zu knapper werdenden Ressourcen, wie fruchtbarem Land oder Wasser, wird häufig zum Treiber von Konflikten. Ebenso kann durch die Klimakrise erzwungene Migration destabilisierende Effekte auf Staaten wie Regionen haben.

Das Bewusstsein für die vorhandene Bedrohung des Friedens infolge der Klimakrise wächst. Sichtbarer Ausdruck dafür ist, dass die Bundesregierung dieses Thema offensiv vorantreiben will. So veranstaltete das Auswärtige Amt 2020 die »Climate and Security Conference« in Berlin, und die Bundesregierung setzte Klima und Sicherheit für ihre Zeit als nicht-ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates auf die Agenda der Weltorganisation.

Die Antwort auf die epochale Bedrohung für Frieden und Stabilität weltweit kann nur eine doppelte sein: Es müssen seitens der internationalen Staatengemeinschaft alle Anstrengungen unternommen werden, die Erderhitzung zu begrenzen. Zudem ist es zwingend notwendig, neue Mittel und Wege zu finden, sich abzeichnende (Klima-) Konflikte zu verhindern. Dabei reicht es eben nicht aus, Mehr vom Gleichen zu tun, also beispielsweise die Gelder für Entwicklungszusammenarbeit für besonders betroffene Entwicklungsländer zu erhöhen. Es bedarf einer wirksamen Stützung durch gerechte und faire Handelsbeziehungen, die es solchen Staaten erlauben, sich mit größeren Mitteln und eigenständig vorzubereiten. Es bedarf ebenso einer präventiven Mäßigung seitens der Staaten, deren Interessen rund um den Globus reichen und die durch Waffenlieferungen und Militärinterventionen Instabilität ­schaffen.

Was tut Greenpeace?

Umwelt und Frieden lassen sich nicht getrennt denken. Greenpeace Deutschland – Kolleg*innen in anderen Länderbüros arbeiteten teils kontinuierlich daran weiter – hat sich seit Mitte des letzten Jahrzehnts punktuell zum Thema Frieden medienwirksam geäußert. Seit dem vergangenen Jahr gibt es nun auch eine stetige Friedensarbeit in Deutschland – getragen vom Wunsch der Ehrenamtlichen, der Förder*innen und den Hauptamtlichen bei Greenpeace Deutschland, hier wieder mit aller Kraft aktiv zu werden. Das Kampagnenteam arbeitet derzeit zu deutschen Waffenexporten, Atomwaffen und Klima und Konflikt. Studien, wie zur geplanten Beschaffung von F-18-Kampflugzeugen als neuem Atomwaffenträgersystem der Bundeswehr oder zur (verheerenden) Bilanz der deutschen Waffenexportpolitik der vergangenen 30 Jahre, sowie Artikel zur UN-Resolution 1325 »Frauen, Frieden und Sicherheit« und über bisherige Greenpeace-Aktionen bei Rheinmetall, vor dem Wirtschafts- und dem Verteidigungsministerium finden sich online unter greenpeace.de/frieden.

Literatur

Arkin, W.M.; Durrant, D.; Chreni, M. (1991): : On Impact – Modern Warfare and the Environment. Greenpeace.

Auswärtiges Amt (2020): Climate change as a secur­ity risk – Berlin Climate and Security Conference 2020; berlin-climate-security-conference.de.

Averting an oil spill from the FSO SAFER tanker in Yemen. Offener Brief von Jennifer Morgan, Geschäftsführerin Greenpeace International, an UN-Generalsekretär António Guterres, 11.8.2020.

International Institute for Strategic Studies/IISS (2019): Armed Conflict Survey 2019 – The Security Implications of Climate Change.

United Nations (2020a): Without Access to Stricken Oil Tanker off Yemen, Under-Secretary-General, Briefing Security Council, Warns of Environmental, Economic, Humanitarian Catastrophe. Press release SC/14254, 15.7.20.

United Nations (2020b): Guterres ‘deeply concerned’ over environmental threat posed by stricken oil tanker off Yemen coast. UN News, 14.8.2020.

Zwijnenburg, W. (2018): Nefarious Negligence – Post-Conflict Oil Pollution in Eastern Syria. Bellingcat, 9.4.2018.

Zwijnenburg, W.; te Pas, K. (2015): Amidst the debris … – A desktop study on the environmental and public health impact of Syria’s conflict. Utrecht: Pax.

Alexander Lurz ist Greenpeace-Campaigner Peace and Disarmament.
An diesem Text arbeiteten Tabea Schüssler und Antje Rudolph mit.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2020/4 Umwelt, Klima, Konflikt – Krieg oder Frieden mit der Natur?, Seite 20–22