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W&F 1990/2

Universität Stuttgart an Forschung für Jäger 90 und SDI beteiligt

von Thomas Schaber

Seit geraumer Zeit sorgt die Universität Stuttgart für negative Schlagzeilen, da bekannt wurde, daß dort militärische Forschung für den Jäger 90 und durch SDI-Gelder finanzierte Grundlagenforschung betrieben wird. Diese Informationen führten Anfang Juni zu einem Eilantrag der SPD und der GRÜNEN an den Stuttgarter Landtag, in dem von der Landesregierung Auskunft über das finanzielle Volumen der Militärforschung und über die Auftraggeber der Forschungsarbeiten gefordert wird und in dem zudem ein Verbot von militärischer Forschung an den Hochschulen des Landes gefordert wird.

Der Vorwurf einer Beteiligung an SDI-Forschung wurde durch eine Liste über den Stand der vergebenen SDI-Verträge an bundesdeutsche Unternehmer, die der Wissenschaftler Bernd W. Kubbig von der HSFK veröffentlichte, bestätigt. Diese offizielle Liste, die der Direktor des Multi-National Program in der SDI-Organisation im Pentagon zusammenstellte, erwähnt die Universität Stuttgart als direkten Vertragsnehmer, mit dem am 1. Mai 1987 ein Auftrag in Höhe von 150.000 Dollar abgeschlossen wurde. In der neuesten Liste vom 29.9.1989 wird weiter berichtet, daß die Universität Stuttgart 1988 zusätzliche Forschungsgelder in Höhe von 50.000 Dollar bekam.

Die Universität Stuttgart hat somit die zweifelhafte Ehre, die einzige Hochschule in der Bundesrepublik zu sein, die sich an SDI-Forschung beteiligt bzw. bei der die SDI-Organisation als Finanzier Forschungsgelder bereitstellt. Konkret durchgeführt wird das Forschungsprojekt vom Institut für Raumfahrtsysteme. Es handelt sich um einen Auftrag für magnetoplasmadynamische Triebwerke (continuous magnetoplasma dynamic propulsors), bei denen Plasmen zur Schuberzeugung beschleunigt werden. Bei diesem neuen Antriebssystem wird zur Schuberzeugung elektrische Energie zugeführt, um so Treibstoff zu sparen.

Für den Direktor des Institutes, den Ex-Astronauten Ernst Messerschmid, handelt es sich dabei um reine Grundlagenforschung, die mit dem SDI-Programm nicht in Verbindung gebracht werden darf, obwohl die Finanzierung über die SDI-Organisation erfolgt, was auch Messerschmid selbst einräumt.

Diese Art der Finanzierung wird auch vom Rektor der Universität Stuttgart, Franz Effenberger, unter Berufung auf die Wissenschaftsfreiheit für unproblematisch erklärt, da es sich hierbei nicht um Kriegsforschung handele, sondern allenfalls um militärische Forschung, die sich innerhalb der legalen Grenzen des Grundgesetzes bewegt.

In dieser Sicht der Dinge wird Wissenschaft noch immer als wertneutrale Angelegenheit betrachtet, in der die Verwendung der Ergebnisse ebensowenig dem Verantwortungsbereich des Wissenschaftlers zuzuordnen ist, wie die moralische Frage nach dem intendierten Zweck solcher Forschung.

Die Beteiligung einer bundesdeutschen Hochschule an diesem Forschungsprojekt muß besonders prekär erscheinen, wenn man bedenkt, daß zahlreiche amerikanische Institute und Forschungseinrichtungen aufgrund einer befürchteten Militarisierung des Weltraums sich weigerten, Aufträge, die mit SDI in Verbindung stehen, anzunehmen, da ihnen der politische und militärische Gehalt der angeblich wertneutralen und zweckfreien Grundlagenforschung durchaus bekannt ist. So hat auch die Universität Frankfurt auf eine geplante SDI-Mitarbeit verzichtet, nachdem dies im Sommer 1986 in der Öffentlichkeit bekannt wurde.

Das zweite militärische Forschungsprojekt, an dem die Universität Stuttgart beteiligt ist, betrifft den Jäger 90, eines der militärisch umstrittensten Projekte der Nachkriegszeit in Europa.

Durch eine Veröffentlichung der amerikanischen Fachzeitschrift »aviation week and space technology» vom 18.6.1989 wurde bekannt, daß in Stuttgart ein Triebwerk für den Jäger 90 – genauer: das dritte Eurojet EJ 200 Design-Prüftriebwerk – getestet wurde.

Diese Information wurde von universitärer Seite inzwischen bestätigt. Es handelt sich dabei um einen Test auf dem Höhenprüfstand des Instituts für Luftfahrtantriebe, der vom Bundesverteidigungsministerium finanziert wird und bei dem die Firma MTU der eigentliche Auftraggeber ist. Das Bundesministerium für Verteidigung hat neben diesem Test zwei weitere Aufträge in den Jahren von 1978-1988 finanziert. Für diese Aufträge wurden Mittel in Höhe von 2,1 Millionen DM bereit gestellt. Bei diesen Projekten handelt es sich nach Angaben der Bundesregierung um wehrtechnisch relevante Forschung und Technologie.

Die Verstrickung der Universität Stuttgart in militärische Forschung ist offenkundig und inzwischen unbestritten. Eine öffentliche Diskussion über die Rolle der Hochschulen bei militärischen Forschungsprojekten steht aber noch aus. Nötig ist deshalb eine verstärkte Transparenz der Drittmittelforschung und der Kooperationsverträge, die in den Ingenieur- und Naturwissenschaften einen immer größeren Stellenwert einnehmen und die befürchten lassen, daß die notwendige Autonomie der Hochschulen zugunsten von Handlangerdiensten für Industrie und andere Drittmittelgeber aufgegeben wird.

Die vielbeschworene Veröffentlichungspflicht für Forschungsergebnisse kann hierbei nicht als ausreichende Kontrolle dienen, da in militärischer Forschung stets ein latenter Konflikt zwischen dieser Veröffentlichungspflicht des Wissenschaftlers und dem Geheimhaltungsinteresse des Auftraggebers inhärent angelegt ist. Die Regelung dieses Konfliktes muß daher einer demokratisch legitimierten Öffentlichkeit zugeführt werden.

Nur durch die Herstellung eines öffentlichen Diskurses kann so einerseits die Freiheit der Wissenschaft gewahrt bleiben und andererseits der Öffentlichkeit die Möglichkeit gegeben werden, Stellung zu nehmen zu der Tatsache, daß an Hochschulen dieses Landes Vernichtungswaffen getestet werden und direkt oder indirekt militärische Forschung betrieben wird.

Thomas Schaber studiert an der Universität Stuttgart

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1990/2 1990-2, Seite