W&F 1992/1

Verantwortliche Entwicklung

Die Herausforderungen der Umwelt*

von Devaki Jain

Verantwortliche Entwicklung wird gewöhnlich mit Bezug auf die Umwelt definiert – danach nämlich, ob die Elemente des Planeten Erde durch einen bestimmten Weg des ökonomischen, technologischen und demographischen Wachstums erhalten oder zerstört werden. Der Begriff ist überstrapaziert und oft mißbraucht.

Als Wirtschaftswissenschaftlerin, die auf dem Gebiet der Armut und ihrer Beseitigung in einem Land wie Indien arbeitet, würde ich vielleicht eine andere Definition wählen. Ich möchte verantwortliche Entwicklung als die Entwicklung definieren, die den Armen gegenüber verantwortbar und von ihnen tragbar ist. Die Armen können oft nicht jeden Entwicklungsvorstoß verdauen, durchhalten oder von ihm profitieren. Eine arme Frau ohne Land in den trockenen Ebenen Indiens, vielleicht die einzige Ernährerin der Familie, wird eine gute Milchkuh oder einen Büffel ablehnen. Selbst wenn man sie ihr schenkt, wird sie vielleicht zwei Ziegen vorziehen. Warum? Eine Kuh braucht umfangreiche Pflege, mehr Futter und Betreuung durch einen Tierarzt. Sie ist anfälliger für Krankheiten, der Stall, den sie benötigt, ist vielleicht größer, als die Frau zur Verfügung hat. Ziegen könnte sie aber bewältigen.

Es geschieht so oft, daß die Entwicklungsangebote an die Armen, nicht nur wirtschaftliche, auch soziale, kulturelle, wissenschaftliche, sogar pädagogische, gar nicht aufgenommen werden können. Aber da es sich um Vorstöße handelt, dringen sie in ihre Bereiche oft nur als Störung ein, korrumpieren und bringen ihren Rhythmus durcheinander. Oft geht es ihnen danach in jeder Hinsicht noch schlechter – ihren kulturellen und intellektuellen Status eingeschlossen.

Daher möchte ich in dem Begriff der Verantwortlichkeit eher die Verantwortung gegenüber den Menschen und dem, was für sie tragbar ist, betonen, als diejenige gegenüber der Erde, und dem, was für sie tragbar ist. Auch ziehe ich vor, von den verantwortbaren Möglichkeiten des Lebensunterhalts für die Armen zu sprechen, und den Aspekt des Lebensunterhalts in der Entwicklung gegenüber der Entwicklung im allgemeinen zu betonen.

Durch die Veränderung in der Auslegung dieses Begriffs hoffe ich, die Betonung vom Planeten, von der Erde zu den Menschen zu verschieben. Selbst diejenigen, die ihren Blick auf die Sicherheit des Planeten gerichtet haben, tun dies offensichtlich, um den Menschen einen gesicherten Lebensraum zu bieten. Mit anderen Worten, auch ihr Ziel ist dasselbe, wenn auch um eins versetzt. Doch meine Verschiebung in der Betonung ist Absicht, denn manchmal vergessen wir in unserem Enthusiasmus für alles »Grüne« die grundlegenden Fragen: für wen dieses Grüne, zu welchem Preis und auf wessen Kosten und durch welche Mechanismen?

Die Debatte

In der Aktivierung für den Bereich des Umweltschutzes gibt es heute zwei Strömungen. Eine ist die »Begrünung«, d.h. stetige Bemühungen und Ausübung von Druck, um die Erweiterung der Waldgebiete um jeden Preis sicherzustellen, und die andere ist die Sorge um das Überleben der Armen und die Beseitigung der Ungerechtigkeit auf der Welt. Diese beiden Ansätze prallen häufig aufeinander. Es sieht so aus, als seien die, die die grüne Karte hochhalten, nicht genügend an der Frage nach den Menschen interessiert und umgekehrt.

Die »Menschen«-Strömung legt ein Konzept für die Beseitigung der Armut vor, in dem Entwicklung mit der Erhaltung der Umwelt in engem Zusammenhang gesehen wird. Dieses Konzept führt konsequent zu zwei weiteren Thesen. Zum einen, daß Armut der größte Umweltzerstörer ist. In ihren Strategien, ihren Unterhalt zu sichern, übernutzen die Armen die Ressourcen, fällen Bäume etc. – daher kann durch die Beseitigung der Armut die Umwelt erhalten werden. Zum anderen stellt Unterstützung, finanziell und durch bessere Bedingungen für den Handel und die nationale Entwicklung, einen Hebel zur Beseitigung der Armut dar; darum muß Entwicklung auf der Tagesordnung stehen (nicht nur der Wald).

Auf der anderen Seite sieht ein grüner Aktivist die politischen und bürokratischen Repräsentanten der südlichen Länder als ein Hindernis für die grünen Ideen im Süden, für die Sicherheit und die Bewahrung des natürlichen Erbes des Südens. Er möchte sich mit Gleichgesinnten im Süden verbünden und den brasilianischen oder den malaysischen Regenwald retten. Der grüne Aktivist ist also unsicher, was die Zukunft der Umwelt in den Entwicklungsländern betrifft, und nimmt deshalb auf sich, die Führungsrolle zu übernehmen.

Doch weder sind die Armen die größten Umweltzerstörer, noch ist die Entwicklungshilfe immer fähig, die Armut zu lindern. Die Ungleichheit ist groß, und selbst in den Entwicklungsländern gibt es Gleichgültigkeit gegenüber der Armut.

„Niemand hat saubere Hände, jeder ist verantwortlich. Wir sind zugleich die Übeltäter und die Opfer.“ sagte Dr. Carl Segan vor zwei Jahren in Delhi zu der Herausforderung durch die Umweltzerstörung, der die Welt sich zu stellen hat. Der anerkannte Astronom, Wissenschaftler und Autor warnte, daß viele Teile der Welt bei einer fortgesetzten Erwärmung der Erde auf dem derzeitigen Niveau bis zum Jahr 2050 überflutet sein und tiefliegende Länder wie Bangladesh vollständig untergehen werden. Zwar seien die entwickelten Nationen die größten Produzenten von Kohlendioxid, das durch fossile Brennstoffe wie Holz, Kohle und Benzin entsteht, und daher in erster Linie für die Erwärmung der Erde verantwortlich, aber die Entwicklungsländer lägen nicht mehr weit zurück, sagte er. Die USA und die UdSSR seien die schlimmsten Übeltäter, aber alle Entwicklungsländer zusammengenommen lägen hinter ihnen an dritter Stelle.

Doch die widerstreitenden Positionen, auf die ich oben hingewiesen habe, sind inzwischen verhärtet. Die UN-Konferenz zum Umweltschutz könnte, mit den Worten Maurice Strongs, des Generalsekretärs der UNCED, ein „großer Mißerfolg“ werden. Der UNCED-Prozeß ist – und das ist in UN-Kreisen bekannt – deutlich in zwei Lager gespalten. Das eine ist das der hochindustrialisierten Länder, die sich mit den Umweltproblemen nur in stark spezialisierter Form beschäftigen wollen (Ozon, Artenvielfalt, Wald, Erwärmung der Erde etc.) und die nur die Symptome angehen wollen, nicht aber die systemischen Fragen wie internationale Gerechtigkeit, verantwortliche Lebensweise und die einseitige Kontrolle der Ressourcen. Das andere Lager, das der Entwicklungsländer, sieht in dem Programm des Nordens eine Bedrohung seiner Souveränität, seines Rechts auf Entwicklung und auf die Nutzung seiner natürlichen Ressourcen in der Weise, die es selbst für die beste hält.

Die größte Aufmerksamkeit auf der UNCED-Konferenz gilt zur Zeit dem Wald. Während ein Ozonabkommen bereits unterzeichnet und unter Dach und Fach ist und getrennte Verhandlungen über die Erwärmung der Erde und den Artenschutz geführt werden, betonen die westlichen Länder die Notwendigkeit weltweiten verantwortlichen Managements. Am stärksten konzentrieren sie sich allerdings auf den tropischen Regenwald. Gerade dieses Thema zu forcieren war wahrscheinlich die schlechteste Wahl, die die westlichen Nationen treffen konnten, wenn man bedenkt, daß Wälder, anders als Ozonschicht und Atmosphäre, souveräne nationale Ressourcen sind.

Die Entwicklungsländer befürchten, wenn sie der Notwendigkeit von Umweltmanagement auch nur in allgemeinster Form ohne entsprechende ausgleichende, die Notwendigkeit von Entwicklung anerkennende Zusätze zustimmen, könnten auf der Konferenz in Rio getroffene Vereinbarungen die Hilfen, den Handel und die Schuldenpolitik beeinflussen. Ökonomische Hebel also, die sich alle ausschließlich in den Händen der entwickelten Länder befinden – und auf diese Weise wirtschaftliche Entwicklungsprogramme in souveränen Staaten von »grünen« Vorbedingungen abhängig gemacht werden. Schließlich sehen die Entwicklungsländer natürlich in dem Versuch, das Problem der Wälder in den Vordergrund zu rücken, einen Versuch, die Aufmerksamkeit von dem gewaltigen Energiehunger des Nordens abzulenken.

Die Nachdenklichen unter den führenden Politikern allerdings möchten einen Durchbruch erzielen und aus der Sackgasse herausfinden. Der indische Premierminister Mr. Rao sagte im November anläßlich der Eröffnung einer internationalen Konferenz: „Die Herausforderung des 21. Jhs. scheint schlicht darin zu bestehen, sicherzustellen, daß eine Gruppe von Geschöpfen – die Menschen nämlich – das gelungene Werk nicht sabotieren, das der Schöpfer vollbracht hat. … Seien wir gewarnt! Lassen wir das 21. Jahrhundert nicht zum Jahrhundert der zerstörten Hoffnungen werden.“

Er warnte vor den „beunruhigenden Tendenzen“ der Aufrüstung und der regionalen Konflikte. Abrüstung, sagte er, sei die einzig mögliche Antwort, wolle man die Sicherheit für die Zukunft gewährleisten. Mr. Rao warnte vor der Gefahr einer Loslösung der Wissenschaft von gesellschaftlichen Zielen, die sich im Wettrüsten in besonders dramatischer Weise manifestiert. Das Gebot der Stunde sei verantwortliche Entwicklung im Kontext der Umweltprobleme. Auch müsse entschieden werden, wie der Konsum in der entwickelten Welt auf ein akzeptables Maß reduziert werden könne, und er fügte hinzu, daß der Einzelne heute isolierter sei, verletzbarer und verwirrter als jemals zuvor. Es gebe eine zunehmende Apathie gegenüber der gesellschaftlichen Realität, die die Menschen umgibt. „Wenn dieser Trend sich fortsetzt, könnte es passieren, daß das Individuum seiner Menschlichkeit bald ganz und gar verlustig geht.“

Die Erklärung dieses Kongresses, die wir erhalten haben, kommt zu genau derselben Analyse, wie der indische Premierminister. „Wir sind in eine Phase eingetreten, in der sich die weltweite Entwicklung der Menschheit mit den Erfordernissen menschlichen Überlebens im Konflikt befindet. Das Wettrüsten, der Hunger und die Umweltzerstörung sind Gründe für die zunehmenden Konflikte überall auf der Welt.“

Wir sehen also, daß das, was uns zurückhält weder mangelndes Bewußtsein für die Fragen ist noch mangelnde Vorstellungskraft oder fehlende Entschlossenheit, das Trennende zu überwinden. Wir wissen, was nicht stimmt; wir wissen, was zu tun ist. Wir tun es nicht, weil es oft ein zu großes „Opfer“ verlangt – ein altmodisches Wort, von Moralisten gebraucht und mißbraucht, das, wenn man es „Tauschhandel“ nennt, besser klingt, aber dasselbe meint. Gandhi gründete seinen moralischen Appell an seine Mitstreiter auf diese alte Tugend des »Opfers« – wir müssen solche Ideen neu überdenken.

Die Rolle der Wissenschaftler und Ingenieure

Die Frage, die ich stellen möchte, lautet: Können Wissenschaftler und Ingenieure vermitteln? Können sie die Menschen und den Planeten aus dieser schwierigen Lage befreien? Ich glaube, sie können es. In sämtlichen Analysen der sich schnell verändernden Welt nehmen Wissenschaft und Technologie eine zentrale, eine entscheidende Stellung ein. Die Südkommission, ein Forum, das sich seit drei Jahren um ein Verständnis für den Süden bemüht, und das sich der Vision einer sicheren und gerechten Welt widmet, sagt Folgendes: „Die Technologie hat wesentlich zur Globalisierung beigetragen, sie ist von entscheidendem Einfluß auf das Tempo der gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen überall auf der Welt. Das Tempo der wissenschaftlichen und technologischen Weiterentwicklung hat weitreichende Auswirkungen auf alle Aspekte der Gesellschaft und alle Bereiche der menschlichen Beziehungen. Neue Technologien eröffnen der Menschheit dramatische neue Möglichkeiten, die genutzt werden könnten, um einige der hartnäckigsten Hindernisse zu beseitigen, die der Entwicklung des Südens im Wege stehen. Doch wissenschaftliche und technologische Innovationen sind nicht notwendigerweise heilbringend, wie ihre militärische Anwendung und ihre Folgen für die Biosphäre beweisen. Zudem könnten durch die ungleiche Verteilung wissenschaftlicher Kompetenz globale Ungerechtigkeiten und die Machtlosigkeit und Abhängigkeit derer, die nicht über dieses Potential verfügen, noch verstärkt werden. … Für jeden Versuch, Ungleichgewicht zu beseitigen, ist es wieder von zentraler Bedeutung, auf dem Gebiet der Wissenschaft und Technologie aufzuholen. Aber gerade deshalb sind die Wissenschaftler und Ingenieure, die diese Aufgabe übernehmen, aufgerufen, ihr Denken auf die gesellschaftlichen Ziele zu richten. …

„Die tiefgreifenden Auswirkungen der jüngsten Weiterentwicklungen in Wissenschaft und Technologie im Norden haben die Bedingungen für eine Wissenschafts- und Technologiepolitik im Süden erschwert. Es ist die Pflicht aller Länder im Süden langfristige Anstrengungen zur Erhöhung ihrer eigenen Kompetenz auf diesem Gebiet zu unternehmen und aufrechtzuerhalten. Die jeweilige Stoßrichtung und die Prioritäten können sicher von Land zu Land variieren, aber ein gemeinsames und fundamentales Ziel muß sein, den Bestand an wissenschaftlich qualifiziertem Personal zu erhöhen, ohne die Bemühungen um die Modernisierung der Gesellschaften im Süden zu behindern.“

Die Wissenschaftler und Ingenieure können auf verschiedenen Ebenen vermitteln: intellekuell, politisch und moralisch. Auf der intellektuellen Ebene gibt es bereits Ideen und Strategien, die zum Schutz der Menschen und des Planeten beitragen könnten. Meiner Ansicht nach brauchen wir eine weit größere Konzentration auf diese spezifischen Punkte und eine Art Zusammenschluß der Meinungen. Dieser Zusammenschluß wird vielleicht zunächst in den Grenzen der beiden Hemisphären stattfinden müssen, um dann in einer weltweiten Solidarität fortgeführt zu werden.

Zur Verdeutlichung: Es ist notwendig, international für eine Bewegung einzutreten, die wegführt von der Zentralisierung und hin zu dem, was man dezentralisiertes Management von Wirtschaft und Gemeinwesen nennen könnte. Wir alle kennen die bedeutenden Umwälzungen, die in diese Richtung zielen. Aber was wir alle nicht kennen, und womit wir uns nicht befaßt haben, sind die Grundlagen, der institutionelle Rahmen für die Entwicklung.

In Indien nennen wir das Panchayati Raj, eine Regierungsform mit einem Dorf oder einer Gruppe von Dörfern als Basis. Wir verabschieden im Parlament gerade ein Gesetz, nach dem wir dann die Repräsentanten auf Ortsebene und aus der örtlichen Bevölkerung wählen werden. Unsere Hoffnung ist, ihnen dadurch die Möglichkeiten zu geben, nicht nur ihre Entwicklung selbst gestalten und durchführen zu können, sondern auch Zugang zu Ressourcen und ihrer Nutzung zu erhalten.

Dieser Ansatz zur Dezentralisierung weitet sich auf die Gebiete der Industrie und der Landwirtschaft aus. Dr. Abdus Salam, hat in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus Korea eine hervorragende Analyse von Wissenschaft und Technologie für die industrielle Entwicklung erstellt. Er hat gezeigt, daß die breitgestreute und auf kleinen Einheiten basierende Produktionsweise die effizientere, die effektivere und die technologisch angemessenere ist. Denn je geringer die Größe, desto leichter fällt die Anpassung an das rapide Tempo der wissenschaftlichen und technologischen Weiterentwicklungen. Die Logik dieses Ansatzes ist unbestreitbar. In große Einheiten gebundene Kapitalmengen abzuziehen ist weit kostenaufwendiger, als die Demontierung einer Maschine oder Technologie, die klein, aber darum auch billiger ist.

Auf der politischen Ebene, so scheint es, herrscht eine weit größere Notwendigkeit, die Probleme derer zu verstehen, die sich für größere soziale Gerechtigkeit in den Entwicklungsländern einsetzen. Es muß uns klar sein, daß heute selbst Menschenrechtsaktivisten, selbst Umweltschützer im Süden nicht gerne die Souveränität des Südens gegen die „grüne“ Sache oder die Sache der Menschenrechte eintauschen würden. Das ist ein Fehler. Gewiß, die Sicht wird durch den Dunst politischer und bürokratischer Führung verschleiert. Aber was der grüne Aktivist, sagen wir in Deutschland, verstehen muß, ist, daß auch sein Gegenüber in Malaysia, Brasilien oder Indien diese Länder, vor allem die G7-Staaten des Nordens, durch einen ähnlichen Schleier sieht. Die Führer der G7 Staaten erscheinen uns nicht als edel, selbstlos, unkorrumpierbar, demokratisch oder voller Verständnis für den Planeten. Sie erscheinen in genauso wenig schmeichelhaften Farben.

Abfall und die USA

In den »harten« – zwischen Regierungen, offiziell zwischen Nord und Süd – wie in den »sanften« – Umweltschützer, der Nicht-Regierungs-Sektor – Debatten über unseren Planeten, die gegenwärtig auf ECCO 1992 in Brasilien hinarbeiten, bleibt die Welt weiterhin gespalten in Nord und Süd, reich und arm, die technologisch Fortgeschrittenen und die Rückständigen.

Menschen, in ihren jeweiligen Rollen, werden nur als reiche oder arme Objekte in Betracht gezogen. Arm bedeutet hohe Bevölkerungsdichte, das Fällen von Bäumen und Zerstörung von Land als Teil einer Überlebensstrategie. Reich bedeutet hoher Energieverbrauch, Produktion von Giftmüll in Industrie- und Wohngebieten. Die Kategorisierungen schließen das Selbst nicht ein, uns selbst, die Subjekte.

Um diese Situation zu verändern und uns selbst zum »geometrischen Punkt« zu machen – als Subjekte und nicht als Objekte – schlage ich eine andere Einteilung vor, die um den Begriff »Abfall« konstruiert ist. Ich schlage vor, daß wir die Welt/Gesellschaft einteilen in Abfallproduzierende und Nicht-Abfallproduzierende, mit Zwischenkategorien wie Abfallrecycling und Abfallreduzierung.

Die traditionelle Einteilung der Welt und die Art, in der die Akteure handeln, bieten uns keine emotionalen Hebel, die uns tatsächlich zu einer Geisteshaltung und zu Gewohnheiten bewegen könnten, die die Prozesse, durch die Umweltschäden reduziert würden, wirklich in Gang brächten. Darum schlage ich diese andere Art der Einteilung der Welt vor.

Die Hauptaufmerksamkeit gilt zur Zeit dem Aspekt der Verschmutzung durch Abfall. Abwässer und Abgase, die in die Erde, ins Wasser, in die Luft geleitet werden. Ein weiterer Aspekt bei der Produktion ist der Abfall, der wiederverwertet werden kann und der umweltverträglich ist. Auf diesem Gebiet werden verschiedene Technologien und Prozesse diskutiert und ausgetauscht.

Überdies gibt es auch Produktionen, bei denen überhaupt kein Abfall entsteht. Es gibt Formen der Verarbeitung und des Verbrauchs, die die restlose Verwertung des Rohmaterials sicherstellen. Zum Beispiel wird der pflanzliche Abfall, der aus der Küche kommt, an die Kühe verfüttert. Bäume wie Bananenbäume oder Kokospalmen werden in allen ihren Teilen genutzt. Mit anderen Worten, es gibt keinen Abfall. Es gibt Kulturen, die Abfall gar nicht erst zulassen. Ich nenne sie abfallvermeidende Kulturen. In diesen Kulturen werden Bäume danach ausgewählt, ob sie in allen ihren Teilen verwertbar sind. Es gibt Beispiele für Traditionen von Nahrungszubereitung und -konsum, in denen nicht die geringste Menge an Abfall erlaubt ist; in denen jeder angehalten ist, nicht mehr auf seinen Teller zu nehmen, als er essen kann. Es gibt religiöse Sanktionen und Mythen, die es den Menschen verbieten, Verschwendung von Korn oder gekochter Nahrung zuzulassen.

Nicht-abfallproduzierende Gewohnheiten oder Kulturen entstehen aus einer engen Verflechtung mit der Natur. Aus allem, was die Natur hervorbringt, dem Wasser, dem Boden und was auf ihm wächst, wird das ausgewählt, was in allen seinen Teilen verbraucht werden kann, ohne etwas verkommen zu lassen. All dies zusammengenommen kann man als die nichtverschwendende, abfallvermeidende Kultur bezeichnen, die in der Mehrzahl der frühen Gesellschaften und Kulturen fest verwurzelt war. Einige dieser »Kulturen, Sittenkodices« existieren weiter in den weniger »zivilisierten« Teilen der Erde.

Es ist interessant, daß in diesem Moment, auf der Schwelle zum 21. Jahrhundert, die meisten fortgeschrittenen, industrialisierten und wohlhabenden Gesellschaften zur Praxis der geringen Abfallproduktion und ebenso zu einer rationalen Verteilung des Abfalls zurückkehren.

Es ist interessant zu beobachten, daß, befördert durch den Alarm, den die Umweltschützer geschlagen haben, Altes und Neues eins geworden sind. Zugleich legitimiert diese Übereinstimmung jene alten Praktiken, und vielleicht können die »neuen Gesellschaften« einen tieferen Einblick in die Traditionen der alten Gesellschaften gewinnen. Möglicherweise wollen sie nicht nur die Methoden der Abfallbeseitigung untersuchen, einschätzen und ihnen nacheifern, sondern auch die Methoden einer Lebensweise, die Abfallproduktion vermeidet oder minimiert. Abfallminimierung ist, genauso wie wirtschaftliche Produktion und Konsum, ein Aspekt menschlichen Verhaltens. Man kann Abfallminimierung als die eine Seite der Münze sehen, deren andere die Einschränkung des Konsums ist.

Wenn wir die Methoden betrachten, die Frauen in den armen Ländern anwandten, bevor sich die Brennholzkrise abzeichnete, so handelte es sich dabei um einen im höchsten Maße konservierenden und regenerierenden Prozeß. Mit der Einführung der rapiden Kommerzialisierung, die sich durch die Notwendigkeit beschleunigten Produktionswachstums auszeichnet, das wiederum eine schnelle Nutzung der Ressourcen erfordert, begann das gesamte System dieser Praktiken sich zu verändern, und der Mangel wurde in den armen Ländern so sehr zur Neurose wie der Krieg oder die Atomtests in den reichen Ländern. Man könnte daher argumentieren, daß die traditionellen Praktiken der Frauen zusammengenommen mit der Herausforderung von bestehenden Paradigmen durch Forschung zu und Analyse von Frauenfragen einen Weg aus der Sackgasse weisen.

Zwar wurde bei den jüngsten Veränderungen in Osteuropa Kritik laut, doch richtete sich diese weniger gegen die Eigentumsverhältnisse als gegen die zentralistischen wirtschaftlichen und politischen Strukturen. Das Streben gilt größerer Freiheit und dem Glauben, daß mehr Freiheit in Form ökonomischer und politischer Rechte mehr Raum bieten wird für Initiativen der ökonomischen und gesellschaftlichen Umgestaltung.

Darüberhinaus muß den ersten Anzeichen von Schwierigkeiten mit ökonomischen, sozialen und politischen Managementstrategien begegnet werden, die bei gravierenden Versorgungsengpässen – ökonomischen und natürlichen – die Lieferung der Waren ermöglichen. Das alternative Paradigma, hervorgebracht durch die Erfahrung und die Sichtweise der Frauen, könnte in der Tat nicht nur für die Entwicklungsländer einen Ausweg bedeuten, sondern ebenso für diese sich neu herausbildenden ehemaligen sozialistischen Länder.

Ein gemeinsames Programm

Lebensweisen

Wir sehen also, daß Nord und Süd ein ähnliches Programm haben können, wenn man es um das Problem des Abfalls konstruiert. Eine Kultur, die nicht verschwendet und Abfall vermeidet, kann Teil einer gemeinsamen Ethik sein. Die Wissenschaft kann sich lediglich darum bemühen, die durch Abfälle verursachte Verschmutzung zu verringern. Ingenieure können im nachhinein Technologien entwickeln, die keine giftigen Gase oder Abgase produzieren. Aber nur Menschen können den Prozeß wirklich umkehren und so, im vorhinein, die eigentliche Wurzel des Problems entdecken.

Zur Diskussion steht heute, mit den Ländern im Süden zu verhandeln – zu bezahlen, damit sie weniger giftige Technologien verwenden, z.B. Kühlschränke, die kein FCKW abgeben.

Ich schlage vor, daß wir die höchste Priorität der Lebensweise einräumen. Sie ist unter unserer Kontrolle, menschlicher Kontrolle. Sie ist nicht »weit weg«, wie Gesetze und internationale Marktmechanismen. Sie liegt in unserer Hand. Indem wir daher die Welt nach der Kategorie »Abfall sortieren«, zeigen wir direkt auf die Verantwortlichen für die Zerstörung. Unser Beifall gehört dem Naturschutz, unsere Wertschätzung den Kulturen. Die feineren Unterschiede, die ökologisch und ökonomisch innerhalb der Länder bestehen, werden registriert. Mit anderen Worten, die Aufmerksamkeit würde in gleichem Maße auf den Norden wie auf den Süden gelenkt. Das Spezifische – die Produzenten und Konsumenten – würde aufgezeigt, und die Verantwortlichkeiten würden nicht vertuscht.

Würde die Welt in dieser Weise unterteilt, würde sich nicht nur ein völlig neues Bild ergeben, sondern die Finger würden genau auf die relevanten Stellen zeigen. Wir würden aufhören, auf Distanz zu gehen; es wäre nicht mehr möglich, sich der Verantwortung zu entziehen. Vielleicht würde zudem in den gesellschaftlichen Gruppen das Bewußtsein für die eigene Verantwortlichkeit wachsen; mit anderen Worten, vielleicht entsteht auf diese Weise ein besseres Werkzeug, mit dem die tatsächliche Veränderung der Verhaltensweisen herbeigeführt werden kann, die anscheinend der Schlüssel ist für die Erhaltung unseres Planeten.

Ein Appell

Ich möchte an Sie appellieren, daß wir, vergleichbar der heute berühmten Gruppe mit dem Namen Naturwissenschaftlerinitiative – Verantwortung für den Frieden, die diesen Kongress initiiert hat, eine Naturwissenschaftlerinitiative – Verantwortung für den Abfall ins Leben rufen und in unsere Vorbereitungen für Brasilien eine neue Art der Schichtung einführen. Ich erinnere mich, als ich in Triest war, beim Gründungstreffen zweier großer Netzwerke – der Third World Women Science and Technology Association einerseits, der naturwissenschaftlichen Institutionen andererseits – waren genau an jenem Tag die Zeitungen voll von der Nachricht, daß mit Giftmüll beladene Schiffe in einen afrikanischen Hafen einliefen, nachdem sie zuvor von einem anderen abgewiesen worden waren, und ich dachte, Dr. Salam und die anderen dort versammelten Wissenschaftler könnten gemeinsam diese Vorgehensweise öffentlich verurteilen.

Geistige Partnerschaft

Zur Zeit leben all diejenigen, die aus der Konsumgesellschaft aussteigen, in Ghettos, in Kommunen. Ob Nord oder Süd, sie sind Vegetarier, sie bleiben unter sich. Sie sind keine Massenbewegung.

Ein Vorschlag an meine Schwestern in Europa war, die Debatte über den Schuldenerlaß für den Süden zu vertiefen. Anhand von Studien lassen sich die tatsächlichen Auswirkungen auf ihren Warenkorb erkennen, d.h. die Waren, die sie kaufen, die sie essen, die sie tragen, die Häuser, in denen sie wohnen, ihre Einkommen, ihre jeweilige Arbeit. Wenn zum Beispiel die deutsche Regierung die Schulden irgend eines seiner Schuldnerländer erlassen würde, käme die deutsche Wirtschaft unter Druck, weil es sich hier um eine Investition handelt, ein Darlehen, das sich nicht so leicht abschreiben läßt und das eingeplant war. Aber was genau wären die Folgen für die »Bürger« (nicht für den Handel)? Wenn sie das klären könnten und es dann als ein Programm vorbrächten, und die Frauen im Süden genau sagen würden, welcher Art die Auswirkungen dieses Schuldenerlasses auf sie wären, dann könnten wir sehen, ob das Opfer, das die deutschen Frauen vielleicht zu bringen bereit sind, den Frauen im Süden tatsächlich helfen könnte. Nach allem, was Sie darüber wissen, würde der Schuldenerlaß eine kleine Gruppe von kleinen Betrieben und Händlern entlasten, die Güter herstellen, die für die Massen bedeutungslos sind.

Genau diese Art der Untersuchungen, die exakt die Gruppen von Menschen aufzeigt, die durch die großen politischen Themen wie zwischenstaatliche Verschuldung betroffen sind, würde das gesellschaftliche Interesse wachrufen. Ich sehe die Frauen in Europa aufhorchen, wenn sie die genauen Auswirkungen erfahren, die diese Politik auf sie und in ähnlicher Weise auf ihre Schwestern im Süden haben würde. Dann könnten sie die Verfahrensweise bei der Vergabe von Krediten tatsächlich beeinflussen. Dies ist eine Art der Aufdeckung von Informationen, durch die wir zu Erkenntnissen gelangen könnten.

Der Kongress könnte also eine führende Rolle übernehmen, indem er diejenigen Aspekte der wissenschaftlichen und ökonomischen Theorie zusammenträgt, die sich für eine verantwortliche Entwicklung und insbesondere für die Bekämpfung der Armut als schädlich erweisen. Eine solche Kritik zu katalogisieren, zusammenzufassen und zu artikulieren wäre äußerst hilfreich angesichts der derzeitigen Weltlage, die nach einem alternativen Paradigma sucht, das weder rein marktorientiert noch rein staatlich organisiert ist.

Eine weitere Empfehlung an diesen Kongress lautet, Versuche einer kritischen Untersuchung traditioneller Entwicklungsmethoden auf verschiedenen Gebieten zu unterstützen, wie auf dem der Ressourcen, Boden und Wasser, der wirtschaftlichen und kulturellen Institutionen, des sozialen Managements oder der Gesundheit. Der Versuch bestünde darin, aus diesen Katalogen und genau geprüften Dokumentationen den Entwurf eines Curriculums zu erstellen, das nicht nur in den Entwicklungsländern, sondern auch in den entwickelten Ländern in die moderne Erziehung Eingang findet.

In dem Bericht der Südkommission, „Herausforderungen für den Süden“, haben wir die Einrichtung von geistigen Elitezentren im Süden empfohlen, die auf dem gesellschaftlichen, ökonomischen und geistigen Klima des Südens aufbauen sollen. Ihre Signale sollten Aufnahme und Aufnahmebereitschaft im Norden finden, damit die Verantwortbarkeit und Tragbarkeit der weltweiten Entwicklung gewährleistet ist.

Gandhi

So sehe ich ein gemeinsames Programm entstehen, das sich begrifflich fassen läßt als kollektiver Widerstand mittels persönlicher Teilnahme, wenn es um Entwicklungen geht, die eindeutig nicht am Menschen orientiert sind oder am Ziel einer besseren Welt.

Ich sehe keine andere Möglichkeit für uns, Druck auszuüben auf die gängige Politik und die herrschende Wirtschaft, als durch das, was Ghandi »Satyagrahe« nannte, d.h. eine Form so massiven und kollektiven Widerstands oder Boykotts, daß die Ökonomie zum Stillstand kommt. Gandhi hatte die Inder angewiesen, die Stoffe aus Manchester zu boykottieren und nur selbstgewebte Stoffe zu tragen. Durch die Unterstützung der Massen hat er es tatsächlich geschafft, England einen Schlag zu versetzen. Er forderte unterdrückte Gruppen stets auf, massenhaften Widerstand zu leisten. Er rief die Frauen auf, gegen die Herrschaft der Männer aufzubegehren, sogar den Geschlechtsverkehr zu verweigern, weil dies der einzige Weg war, klar zu machen, daß sie keine Sexobjekte sind. Er forderte die sogenannten oberen Kasten auf, ihre Toiletten selber sauberzumachen und auch die Toiletten derer, die angeblich dafür geboren sind, die Abtrittsgruben zu säubern. Er bestand darauf, daß Männer kochen und nähen sollten, und er bestand darauf, daß Frauen in den öffentlichen Demonstrationen mitmarschieren sollten. Er forderte die Intellektuellen auf, manuelle Arbeit zu tun. Tatsächlich mußten die, die zur Bewegung gehörten, diese Tätigkeiten ausüben, um an dem politischen Kampf teilnehmen zu dürfen.

In der Gründungserklärung der INES führen wir eine Reihe von Pflichten auf, die von den Mitgliedern zu erfüllen sind. Aber unsere eigene persönliche Verantwortung wird nicht angesprochen. In einem Workshop dieses Kongresses „Wissenschaft und Ethik“, leitet Franz Moser eine Diskussion über die zerstörerischen Tendenzen in uns selbst. Für mich ist dies für das Überleben der Menschen und des Planeten entscheidend. Unsere persönlichen Handlungen, unsere Lebensweise, Opferbereitschaft, Selbstkontrolle.

Mahatma Gandhi illustriert vielleicht derzeit am besten den praktischen Aspekt, die Umsetzbarkeit eines solchen Konzepts für globales Handeln. Er bestand darauf, daß seine Mitstreiter für die politische Befreiung von Ausbeutung und Abhängigkeit praktizierten, was sie predigten.

Will man Widerstand leisten gegen die wirtschaftliche Kontrolle durch Großbritannien, kann man nicht Produkte verwenden, die dort hergestellt wurden. Im Gegenteil, man verwendet, was man selbst produziert (der Kern der Selbständigkeit). Will man die Schranken und die Konflikte zwischen den Klassen, den Kasten und den Geschlechtern überwinden, so muß man wie die Armen leben, ihre Lebensweise übernehmen, das »Unwürdige« tun, das die Harijans tun; Man versetzt sich in die Haut der Anderen, wie man sagt, in das Bewußtsein der Anderen, um in deren Geist und im eigenen die Distanz abzubauen. So kommt es zu geistiger Konfliktlösung.

Viele Gelehrte haben über seine Methoden geschrieben – den Unterschied zwischen ihm und Marx verdeutlicht. Beide hätten eine Gesellschaft der Gleichheit und Gerechtigkeit angestrebt, doch sei Marx amoralisch gewesen, während Gandhi seine Hoffnung auf das moralische Bewußtsein des Menschen setzte. Gandhi postulierte den Menschen als gut – die Seele Gottes sei in ihm/ihr. Hobbes dagegen hatte vom Menschen gesagt, er sei „gemein, viehisch und schroff“. In Gandhis Augen war der Mensch ein Spiegelbild Gottes – und Gott umfaßte, wie es dem Grundgedanken des Hinduismus entspricht, nicht mehr und nicht weniger als das Universum, den Rhythmus, jenen Supercomputer, der das All ordnet.

Gandhi hoffte also, das Selbst könnte blankgeschliffen werden. Er stellte sehr schwierige Anforderungen an seine Mitstreiter für den Frieden. Jeder von ihnen mußte ein Meister der Selbstkontrolle und der Selbstdisziplin sein, ein Vorbild an Furchtlosigkeit, ohne Angst vor dem Tod, um an den kollektiven Massenaktionen teilnehmen zu können.

Solche Ideen sind es, über die wir erneut nachdenken müssen. Wir müssen auch unsere Verantwortung personalisieren – nicht nur unsere Rechte.

Da die UNESCO an diesem Kongreß beteiligt ist, möchte ich sie auf zwei Bereiche aufmerksam machen. Der eine ist der Bereich der Erziehung. Wir müssen in unseren Schulen und anderen Erziehungs- und Ausbildungsstätten »gerechte Geister« heranbilden.

In den besten Beispielen Ghandischer Pädagogik liegt das Gewicht auf einer Erziehung der jungen Menschen zur Überwindung der Spaltungen, von denen sie sich umgeben sehen. Durch direktes Leben reinigen sie ihren Geist von diesem Zustand des Getrenntseins. Aus diesem Grund bestehen die Schulen darauf, daß jeden Tag manuelle und niedrige, produktive Arbeiten getan werden müssen, um die Hierarchie zwischen geistiger und schwerer körperlicher Arbeit aufzuheben. (Lakshai Ashram)

Traditionelle und einheimische Wissenschaft und Technologie müssen zur modernen Währung werden – einen Platz in der gängigen Wissenschaft und Technologie erhalten. Das nenne ich den »indischen Geist«. Es gibt hervorragende Methoden der Wasserspeicherung in der Wüste in der Türkei, China und Indien, der Bodenkonservierung, der Schädlingsbekämpfung bei der Lagerung von Nahrungsmitteln, ganz abgesehen von Methoden des Energiesparens, der pflanzlichen Medizin usw.. Sie haben Methoden der Astronomie, die Mathematik, der Werkzeugbearbeitung. Die gesellschaftliche und politische Bewältigung von Konflikten nicht zu vergessen. Wir müssen sie integrieren um nach einer Überprüfung die naturwissenschaftliche Erziehung zu verändern.

Der Gedanke des Dalai Lama

Ich glaube, was wir heute brauchen, ist mehr Denken, mehr Einheit im Denken, mehr Führung im Denken. Aber wofür wir tatsächlich mobilisiert werden müssen, ist Handeln.

Handeln, etwas verändern ist die Methode, und es sind Einheit und globales Handeln, was wir durch solche Versammlungen erreichen wollen. Aber die Lücke klafft in der theoretischen ideologischen Führung, nicht in der Fähigkeit zum Handeln. Selbst für Nord-Süd Bündnisse, für Bündnisse zwischen Wissenschaftlern, Ingenieuren und gesellschaftlich Aktiven brauchen wir einen Standpunkt, einen gemeinsamen ethischen, geistigen, einigenden Rahmen – mit einigen ausgearbeiteten und akzeptierten moralischen Codes und Antworten. Vergangene Woche war der Dalai Lama in Delhi zu einem Treffen der Foundation for Universal Understanding. Er fragte die Inder: „Wo sind eure großen Geister? Ihr brachtet Geister hervor, die in die Zukunft sehen konnten. Heute sind euch die Füße gebunden.“ Wir müssen unserem Geist Beachtung schenken, unseren Kulturen und unserer Erziehung, die ihn nähren. Ghandi tat das.

* Vortrag auf dem Kongreß »Challenges« am 30.22.91 in Berlin.

Devaki Jain arbeitet am Institut of Social Studies Trust in Bongalore, Indien.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1992/1 Wissenschaft und Verantwortung, Seite