Verdeckte Kriegsbeteiligung?
von Jürgen Nieth
„Deutschland beteiligt sich nicht an diesem Krieg,“ sagte Bundeskanzler Schröder am Abend des US-Angriffs auf den Irak. Eine Position, die die Bundesregierung auch in den Monaten vor dem Krieg immer wieder betont hatte und die sicher nicht unwesentlich zu ihrem knappen Sieg bei der vorhergehenden Bundestagswahl beigetragen hatte. Schon damals gab es zahlreiche Hinweise auf eine Doppelbödigkeit dieser Politik. So hat W&F (2-2003) u.a. darauf hingewiesen, dass „über die Fluglätze Frankfurt, Ramstein und Spangdahlen… Kriegsmaterial und Soldaten an den Golf verlegt“ wurden; dass „deutsche Häfen und Bahnhöfe… Zwischenstation (waren) für die Reise in den Krieg;“ dass „die europäische Kommandozentrale der US-Armee in Stuttgart (den) Nachschub für die Kriegführung“ koordinierte; dass deutsche Soldaten den Schutz von US-Einrichtungen übernahmen und ihre Präsens in anderen Konfliktregionen verstärkt wurde, um US-Soldaten für den Irakkrieg freizustellen.
»Rot-Grün im Zwielicht«
Was über die deutsche Unterstützung für die US-Kriegsführung bisher schon bekannt war, verstieß nicht nur nach dem Verständnis der Friedensbewegung gegen Grundgesetz und Völkerrecht. In der FR (14.01.06) schreibt Stephan Hebel: „Wer sich fragt, was vom Verhalten Deutschlands im Irak-Krieg zu halten sei, kann beim Bundesverwaltungsgericht längst fündig werden. Im Juni vergangenen Jahres stellte es fest: Gegen die Überflugrechte, die den US-Streitkräften während des Angriffs 2003 gewährt wurden, gegen die Bewachung amerikanischer Kasernen durch Bundeswehr-Soldaten und andere Hilfsdienste bestünden ‘gravierende völkerrechtliche Bedenken’.“
Jetzt gibt es neue Details, die vermuten lassen, dass die deutsche Unterstützung für den US-Angriffskrieg noch viel umfassender war.
BND-Agenten im Irak-Einsatz
Nach Berichten des ARD-Magazins Panorama (12.01.06) hatte der BND während des Irakkriegs zwei Spezialisten in Bagdad stationiert, deren Informationen an den US-Militärgeheimdienst (DIA) weitergegeben wurden. Ein ehemaliger Pentagon-Mitarbeiter teilte »Panorama« mit, die Deutschen hätten die US-Militärs direkt unterstützt. So soll ein BND-Agent am 07.04.03 „Informationen über den möglichen Aufenthaltsort einer Wagenkolonne Saddam Husseins an die Amerikaner weitergegeben haben. Diese hätten Minuten später mehrere Gebäude bombardiert, bis zu 19 Zivilisten seien dabei ums Leben gekommen.“ (FR 13.01.06)
»Wachsweiche Dementis«
Laut Spiegel (3-2006, S. 23) dementiert BND-Chef Ernst Uhrlau diese direkte Kriegsbeteiligung: „Die beiden Deutschen hätten nur so genannte Non-Targets identifiziert, Gebäude also, die US-Bomberpiloten hätten verschonen sollen.“ Dazu Bettina Gaus in der TAZ vom 13.01.06: „Natürlich bestreitet der Bundesnachrichtendienst (BND), den USA während des Irakkrieges bei der Auswahl von Bombenzielen behilflich gewesen zu sein. Geheimdienste räumen niemals mehr ein als zwingend nötig. Aber die Dementis klingen wachsweich, während die Medienberichte präzise und detailreich sind und in den Teilen bereits bestätigt wurden, die sich schwerlich leugnen lassen.“
Fälle in der Grauzone
Die Zusammenarbeit der Geheimdienste rund um den Irakkrieg beschränkte sich nicht auf BND-Informationen aus Bagdad. Es gibt mindestens vier weitere Fälle, die der Aufklärung bedürfen. Da ist zum einen der vom BND angeworbene »Curveball«, ein junger Iraker, dessen zusammen gelogene Angaben über eine angebliche irakische Bio-Waffen-Produktion Colin Powell zur Kriegsbegründung vor der UNO nutzte. „Diese Rede war es, die Amerikas Bevölkerung auf die Seite der Kriegsplaner zog“ (Spiegel 3-2006, S. 30). Dazu gehören aber auch die geheimen CIA-Flüge über deutsche Flughäfen, die Entführung des in Ulm wohnhaften Libanesen Khaled el-Masri und die Verhöre des BND in Guantanamo und anderen Foltergefängnissen.
Opposition fordert Untersuchungsausschuss
Nach Linkspartei und Grünen hat sich auch die FDP für die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses ausgesprochen. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses von W&F (19.01.06) steht noch nicht fest, ob die erforderlichen 153 Abgeordneten den Antrag unterschreiben. Bei der FDP gab es einige Enthaltungen und Ex-Außenminister Joschka Fischer hat bereits mitgeteilt, dass er „gegen den Ausschuss stimmen“ werde (SZ 18.01.06). Fischer sieht die Angelegenheit lieber im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG), dort ist Geheimhaltung angesagt. Wie umfassend da aber in der Vergangenheit informiert wurde, dazu der Grüne Christian Ströbele auf die Frage, was er über die BND-Arbeit im Irak wusste: „Offenbar viel zu wenig. Was jetzt… bekannt wurde, ist unglaublich und entsetzlich. Ich fürchte, dass die Berichte im Kern richtig sind… (Als Mitglied des PKG) war ich jedenfalls nicht ausreichend informiert.“ (taz 13.01.2006)
Begrenzte Möglichkeiten
„Mit der Entscheidung, einen Untersuchungsausschuss einzurichten, zückt die Opposition ihr Buschmesser, um von Heimlichkeiten überwucherte Tatsachen freizuschlagen.“ (FAZ 18.01.2006) Peter Carstens weist in seinem Artikel in der FAZ aber auch darauf hin, dass die Möglichkeiten dieses Untersuchungsausschusses sehr begrenzt sind: „Die große Koalition wird dort mit mindestens zehn Abgeordneten vertreten sein, die Oppositionsparteien nach klassischer Berechnung mit jeweils einem. Entsprechend wird die Zeit für Fragen an Zeugen und Sachverständige verteilt sein. Auf jede Stunde Redezeit für die Opposition kämen drei Stunden für die große Koalition… Es darf bezweifelt werden, dass diese Geheimdienstmitarbeiter (aus Bagdad) demnächst in öffentlicher Sitzung eines Untersuchungsausschusses aussagen werden.“
„Seit 1949 hat der Bundestag 35 Untersuchungsausschüsse eingesetzt. Immer wieder ging es auch um Nachrichtendienste, Agenten und die Geheimnisse des dunklen Gewerbes,“ schreibt Hans Leyendecker in der SZ (18.01.06). Und er zitiert einen der Profis auf diesem Gebiet, nach dem das Verdienst eines Ausschusses oft darin bestehe, „dass die Skizze eines durch die Medien ans Licht gekommenen Skandals mit Details ausgefüllt wird.“
„Hochrangige Regierungsbeamte und Pentagon-Generäle dankten den Deutschen nach dem Krieg immer wieder, weil sie die deutsche Kriegshilfe als so bedeutend ansahen,“ heißt es im Spiegel (3-2006, S. 24). Ein paar weitere »Details« dazu sind gefragt.