Vorfahrt für Zivil in Europa
von Stephan Brües
Ein dreiviertel Jahr wurde es vorbereitet, nun ist das Projekt Berlin 07 – die Jahresversammlung des »European Network for Civil Peace Services« (EN.CPS) und der »Nonviolent Peaceforce Europe« – vom 20.-26. April über die Bühne gegangen. Der Tagungsort war mit dem Jugendgästehaus Lehrter Str. gut gewählt: mitten in der Stadt, in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs und trotzdem mit ruhigem Innenhof, in dem die 50 Teilnehmenden aus 15 Ländern bei konstant schönem Wetter Workshops abhalten oder auch mal relaxen konnten.
Die Tagung mit dem Titel »Civil Society Working on Conflict – Practices and Perspectives« begann im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus des Deutschen Bundestages. Neben Gästen vom »Entwicklungshilfe«ministerium, dem Auswärtigen Amt, der EU-Kommission, dem Leiter des Zentrum für internationale Einsätze (ZIF) und dem European Peace Liason Office (EPLO) wurden die Konferenzteilnehmenden auch von zwei MdBs (Niels Annen, SPD und Winni Nachwei, Bündnis90-Grüne) und den Vorsitzenden der beiden gastgebenden Organisationen, Tilman Evers (Forum ZFD) und Ute Finckh-Krämer (BSV) begrüßt. Im Mittelpunkt standen jedoch die Berichte dreier Friedensfachkräfte: der Juristin Deborah Nonhoff (DED) über ihre Arbeit in Afghanistan im Bereich Menschenrechtserziehung; von Atif Hameed von der Nonviolent Peaceforce über seine Arbeit im Osten Sri Lankas sowie von Biljana Todorovic, Leiterin des Büros des Forum ZFD in Mitrovica, Kosovo, über ihre Unterstützung lokaler Gruppen, die den schwelenden Konflikt zwischen Albanern und Serben zu überwinden suchen. In der von der Journalistin Mirjam Gehrke moderierten Diskussion wurde v.a. über die Frage gesprochen, ob der deutsche Zivile Friedensdienst Vorbild für die EU-Ebene sein könne. Die Arbeit der Friedensfachkräfte des Zivilen Friedensdienste wurde allseits hoch geschätzt und eine intensivere Zusammenarbeit mit den zivilgesellschaftlichen Trägerorganisationen versprochen. Im Anschluss hieß die Berliner Bürgermeisterin Junge-Reyer die internationalen Gäste herzlich in der Hauptstadt willkommen.
Der 21. und 22. April standen im Zeichen des Open Space. Unter der umsichtigen Moderation von Ruben Kerschat entstanden rasch Workshops, deren Ergebnisse in Form von Wandzeitungen sofort für alle anderen sichtbar gemacht wurden und am Ende in gebundener Form jedem Teilnehmenden vorlagen. So war sicher gestellt, dass nicht nur interessant diskutiert wurde, sondern auch zielführend im Hinblick auf die wichtigen Fragen der organisationsinternen Tage 23.04. (EN.CPS) und 24.04. (NP).
Am Sonntag sollst du ruhen – oder an einer Bootsfahrt teilnehmen. Das taten die Gäste und lauschten bei reichhaltigem, leckeren Buffet und kühlen Getränken den Ausführungen der Berliner Geschichtswerkstatt über »Krieg und Frieden in Berlin«, die Annedore Smith ins Englische übersetzte. Die Bootsfahrt endete ziemlich genau dort, wo der nächste Programmpunkt der Tagung stattfand: am Gendarmenmarkt. Im Französischen Dom spielten sich LeLeMam, sieben Vollblutsängerinnen aus Alkmar, in die Herzen der viel zu wenigen Anwesenden. Bei den organisationsinternen Tagen wurden Strukturen, Strategien und mögliche Kandidierende für Vorstandsaufgaben diskutiert.
Am 25.05. fand zum Abschluss der Jahresversammlung eine Pressekonferenz mit Tilman Evers und Ute Finckh, dem Konferenzorganisator Jochen Schmidt sowie Agnieszka Komoch, Leiterin des NP-Büros in Brüssel statt. Die Redner stellten dabei die positive Arbeit der Friedensfachkräfte heraus und forderten angesichts des Bedarfs an Projekten des Zivilen Friedensdienstes eindringlich mehr Geld für diese erprobten Formen der Konfliktbearbeitung auszugeben statt für fragwürdige Militäreinsätze. Mit genau diesen Forderungen zogen dann die 50 europäischen Friedensexperten öffentlichkeitswirksam mit 300 Luftballons (Aufschrift »Vorfahrt für Zivil«), begleitet von viel zu vielen Polizisten, durch den Hauptbahnhof zum Washingtonplatz, verteilten Flugblätter und ließen die Luftballons schließlich steigen.
Der 26.04. stand im Zeichen einer Follow-up-Konferenz, bei der Experten aus Friedensorganisationen und Vertreter von Ministerien und EU darüber diskutierten, wie die Förderung des Zivilen Friedensdienstes und der gewaltfreien Konfliktbearbeitung weitergehen kann. Insgesamt gesehen kann die Konferenz als großer Erfolg gewertet werden, vor allem im Hinblick auf die Vernetzung der Mitgliedsorganisationen der beiden Netzwerke und der Lobbyarbeit. Besondere Aufmerksamkeit erhielten dabei die Mitarbeiterinnen aus den »exotischen« Ländern Moldawien und Georgien, über deren Menschenrechtsarbeit recht wenig bekannt war. Beispielhaft sei die aktuelle Kampagne des georgischen Menschenrechtszentrums HRIDC genannt, bei der der zurückliegende Krieg mit dem separatistischen Abchasien thematisiert und mit einer an die Abchasen gerichteten Bitte um Vergebung für georgische Gewalt ein eindrucksvolles Versöhnungszeichen gesetzt wird. Möglicherweise findet die nächste Jahrestagung der beiden Verbände in Georgien statt.
Stephan Brües arbeitet als freier Journalist und war der Medienverantwortliche für die Friedensfachtagung in Berlin