W&F 1987/5

Waffentauglichkeit von Reaktor-Plutonium

von Christian Küppers

In diesem Beitrag soll untersucht werden, ob unter Verwendung von Plutonium, das in stromerzeugenden Leichtwasserreaktoren (LWR) gewonnen wird („Reaktor-Pu“), ein Atomwaffenbau realisierbar ist. In der Bundesrepublik als einem der wenigen Nicht-Atomwaffenstaaten der Welt mit weiter expandierender Pu-Wirtschaft kommt der Frage der Möglichkeit eines Mißbrauchs besondere Bedeutung zu. Eine „Bastlerbombe aus der Garage“ ist sicher unrealistisch. Nach den Möglichkeiten eines Staates, sei es ein hochentwickeltes Industrieland oder ein Land der sogenannten Dritten Welt, sowie nach Möglichkeiten einer technisch versierten Gruppe ist umso mehr zu fragen.

Unterschied zwischen Reaktor- und Waffen-Pu: Das Isotopengemisch

Jeder mit Uran betriebene Atomreaktor produziert Pu. Mit zunehmender Verweilzeit des Brennstoffs im Reaktor (höherer „Abbrand“) wächst der relative Anteil der schweren Pu-Isotope Pu 240, Pu 241 und Pu 242 sowie von Pu 238. Als Waffen-Pu wird häufig ein Pu mit mindestens 93% Pu 239 definiert; hinzu kommen bis 7 % Pu 240 und Pu 241. Reaktor-Pu kann 20 bis 30% Pu 240 enthalten. Im Folgenden wird dargestellt, weshalb und in welcher Weise die Isotopenzusammensetzung Bedeutung für den Bau von Pu-Waffen hat.

Die „kritische Anordnung“

„Kritikalität“ bedeutet das Eintreten einer sich selbst erhaltenden Kettenreaktion im Spaltstoff. Zur Einleitung und Aufrechterhaltung der Kettenreaktion muß eine hinreichend große Spaltstoffmasse vorliegen, deren erforderliche Größe wiederum von der geometrischen Konfiguration dieses Spaltstoffs und von dessen Dichte spaltbarer Atomkerne abhängt. Die optimale Konfiguration ist durch ihr günstiges Oberflächen-Volumen-Verhältnis die Vollkugel. Eine größere Masse zum Erreichen der Kritikalität erfordert z.B. eine Hohlkugel. Ein den Spaltstoff umgebender Neutronenreflektor (z.B. Be, U) reduziert die kritische Masse. Wichtig ist auch der Einfluß der Spaltstoffdichte: Die kritische Masse ist umgekehrt proportional zum Quadrat der Dichte. Aus diesem Grund ist z.B. die kritische Masse von Pu-Dioxid deutlich größer als diejenige von Pu-Metall. In Atomwaffen des unten erläuterten Implosionstyps ist nicht die Pu-Dichte unter Normalbedingungen ausschlaggebend, da die auftretenden Drücke von einigen ES bar die Dichte des Metalls mehr als verdoppeln. Auf diese Weise ist es möglich, auch mit einer zunächst sicher unkritisch erscheinenden Spaltstoffmasse (z.B. 4 kg Pu) eine Atomwaffe zu konstruieren. Eine untere Grenze der erforderlichen Pu-Masse ergibt sich aus der militärisch gewünschten Energiefreisetzung. Um die Sprengkraft von etwa 10.000 t (10 kt) – etwa der halben Sprengkraft der Nagasakibombe – des Sprengstoffs Trinitrotoluol (TNT) zu erreichen, muß 1 kg Pu vollständig gespalten werden. Die Sprengkraft wird üblicherweise in kt TNT-Äquivalent angegeben.

Tabelle 1: Spontanspaltraten für Pu-Isotope 11

Pu 238 Pu 239 Pu 240 Pu 241 Pu 242
3,4E6 30 1,6E6 0 1,7E6 n/s x kg

Funktionsweise einer Atomwaffe

Es werden hier die grundsätzlich verschiedenen Funktionsprinzipien Geschütz- und Implosionsmethode vorgestellt, ohne z.B. auf Neutronenbomben oder Fusionsbomben einzugehen. Vom Typ der Geschützmethode war die 1945 über Hiroshima abgeworfene U-Bombe. Bei diesem Typ wird in einem Kanonenrohr eine Spaltstoffmenge in eine andere hineingeschossen und so eine kritische Konfiguration erreicht (siehe Abb.1). Solche Bomben sind aufgrund der Beschleunigungsstrecke groß, unhandlich und schwer. Die erzielbaren Zusammenschußgeschwindigkeiten sind erheblich niedriger (1945 ca. 900 m/s) 1, als bei der unten vorgestellten Implosionsmethode (mehrere km/s).

Vom Typ der Implosionsmethode waren die im Juli 1945 in der Wüste von New Mexico (Alamogordo) getestete Bombe und die Nagasakibombe; sie enthielten je 6,1 kg Pu 2 Bei der Implosionsmethode wird eine Hohlkugel aus spaltbarem Material durch Zündung einer sie umhüllenden Sprengstoffladung zu einer kritischen Konfiguration komprimiert. Es können heute solche Waffen sehr kompakt und transportabel gebaut werden, was z.B. „Rucksackbomben“ und Mehrfachsprengköpfe möglich gemacht hat. Die Implosionsmethode diese Vorzüge nur bei der Verwendung von Pu als Spaltstoff auf, denn die kritische Masse von hochangereichertem Uran wäre zu groß, um eine vergleichbar handhabbare Waffe zu konstruieren.

Die besondere Schwierigkeit der Implosionsmethode besteht in der Erhaltung der kugelförmigen Gestalt während der Komprimierung. Der die Hohkugel umgebende Sprengstoff wird nur an einigen Punkten seiner Oberfläche gezündet, von denen dann eine Druckwelle ausgeht, die die gesamte Oberfläche der Spaltstoff-Hohlkugel nicht zeitgleich erreicht und eine ungewünschte Deformierung zur Folge hätte. Die Implosionsmethode erfordert deshalb die Beherrschung der „Sprenglinsentechnik“. Durch ausgeklügelte Zusammensetzung der Sprengstoffhülle aus unterschiedlichen Sprengstoffen (mit z.B. unterschiedlichen Detonationsgeschwindigkeiten) oder auch durch gezielte Hohlräume in der Sprengstoffschicht kann die Druckwelle gelenkt werden. Diese 1943 neu entwickelte Technik wird – ihrem Grundgedanken nach – heute auch im zivilen Sektor angewendet 3, so daß sich hieraus keine unüberwindbaren Schwierigkeiten für eine technisch versierte Gruppe ergeben.

Isotopenzusammensetzung und Frühzündung

Stellen wir uns vor, das Komprimieren des Pu einer Implosionswaffe geschähe sehr viel langsamer, als dies tatsächlich der Fall ist (z.B. innerhalb 1 Minute). Bei Erreichen der kritischen Konfiguration würde dann die Kettenreaktion durch Neutronen des Pu eingeleitet. Die Folge wäre eine schnelle Expansion des Spaltstoffs aufgrund der freigesetzten Energie und damit ein Abbruch der Kettenreaktion, da die Konfiguration sogleich wieder unterkritisch würde. Die in einem solchen Fall gespaltene Pu-Masse und damit auch die freigesetzte Energie wären nicht sonderlich groß. Eine Pu-Kontamination wäre die Folge, jedoch keine Atomexplosion.

Dieses Problem wird in Atomwaffen umgangen. Es sind 4 Phasen zu unterscheiden: Die Komprimierung bis zur kritischen Anordnung, eine weitere Komprimierung bis zur optimalen „Überkritikalität“ (ca. 1 (s), der Ablauf der Kettenreaktion (ca. 0,1 (s) und die eigentliche Energiefreisetzung gegen Ende dieser Phase (ca. 0,02 (s). Durch die Komprimierung auch über den Zustand der kritischen Anordnung hinaus kann die Kettenreaktion während der Expansion des Spaltstoffs noch andauern. Tritt die Zündung mittels Neutronen nach Erreichen der kritischen Anordnung vor Ablauf von 1 (s ein, so wird dies als Frühzündung bezeichnet. Eingeleitet wird die Kettenreaktion bei maximaler Überkritikalität mit Hilfe einer künstlichen (elektronisch gesteuerten) n-Quelle. Je größer die Rate der spontan auftretenden Neutronen ist, um mit so höherer Geschwindigkeit muß die Anordnung komprimiert werden, wenn mit hinreichender Sicherheit eine Frühzündung ausgeschlossen werden soll. Eine höhere n-Rate kann also innerhalb gewisser Grenzen ausgeglichen werden.

Natürlich kann eine Frühzündung weder bei Waffen- noch bei Reaktor-Pu mit Sicherheit ausgeschlossen werden; sie ist eine Frage der Wahrscheinlichkeit. Je länger die Zeit zwischen Erreichen der kritischen Konfiguration und dem Anlaufen der Kettenreaktion ist, um so größer ist auch die Zeitspanne, in der ohne Abbruch der Kettenreaktion der Spaltstoff expandieren kann. Innerhalb dieser Zeitspanne wird Spaltenergie freigesetzt und die insgesamt erzielte Sprengkraft ist eine statistische Größe.

In der wichtigen Eigenschaft der spontanen n-Rate, die überwiegend aus Spontanspaltung des Pu herrührt, unterscheiden sich Reaktor- und Waffen-Pu. Für Pu-Dioxid ist die n-Freisetzung noch einmal deutlich durch ((, n)-Reaktionen zwischen der ( Strahlung des Pu und Sauerstoffkernen erhöht. Die Halbwertszeiten hinsichtlich Spontanspaltung liegen für die Isotope Pu 238, Pu 239, Pu 240 und Pu 242 zwischen 4,8 E10 und 5,5 E15 Jahren Für U 234, U 235 und U 238 zwischen 2 E16 und 3,6 E17 Jahren);4 Pu 241 spaltet nicht spontan. Bei der Spontanspaltung werden im Mittel etwa 2,5 Neutronen frei. In Tabelle 1 ist die durch Spontanspaltung verursachte n-Rate der einzelnen Pu-Isotope aufgetragen. Sie ist für Pu-240 etwa 50000 mal größer als für Pu-239. Wichtiger als der Vergleich einzelner Isotope ist jedoch der Vergleich von tatsächlichem Waffen-Pu, welches ja auch kein istotopenreines Pu-239 ist, mit Reaktor-Pu.

Gemessen an einem Pu mit 7 % Pu 240 wäre die n Rate von Reaktor Pu mit einem heute (noch) üblichen mittleren Abbrand von etwa 33000 MWd/t etwa 4 mal so groß, bei 45000 MWd/t etwa 5 mal so groß. Nach dreimaliger Pu-Rückführung in thermischen LWR wäre das Verhältnis auf etwa 7 angestiegen. Allerdings ist nicht anzunehmen, daß die Atomwaffenstaaten heute noch Waffen-Pu mit 7 % Pu 240 verwenden, 1/3 bis 1/4 dieses Werts dürfte realistischer sein. Nach einerAussage des US-Verteidigungsministeriums von 1975 wies zumindest damals der überwiegende Teil der Pu-Waffen neben Pu 239 7 % andre Isotope auf.5 Das Verhältnis der n-Raten könnte also bei 12 bis 28 liegen. Als Isotopenzusammensetzung wurden hier die Werte der Tabelle 2 gewählt.

Eine höhere n-Rate erfordert, wie bereits erwähnt, eine aufwendigere Schießtechnik, soweit eine schlechte Vorhersagbarkeit der Sprengkraft nicht akzeptiert wird. Mit Reaktor-Pu kann also entweder eine z.B. durch umfangreichere Sprengstoffladung schwere und unhandliche Waffe, die etwa der Nagasakibombe entspräche, konstruiert werden, oder die Sprengkraft ist nicht mit hoher Zuverlässigkeit voraussagbar. Es wäre im zweiten Fall nur die untere und obere Grenze der Sprengkraft sowie die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Zwischenstufen bekannt. Eine in ihrer Wirkung nicht exakt vorhersagbare Waffe würde anspruchsvolle Militärs sicherlich abschrecken; terroristische Gruppen oder sich gerade entwickelnde Atommächte könnten sie akzeptieren.

Tabelle 2: Isotopenzusammensetzung von Pu (in Massen, in %)12

Pu 238 Pu 239 Pu 240 Pu 241 Pu 242
33.000 MWd/t 1,4 59,3 20,85 14,2 4,25
45 000 MWd/t 2,45 53,75 22 15,5 6,3
nach 1.Rückführung 1,7 56 23,6 12,3 6,3
nach 2.Rückführung 2,8 47,7 28,4 12,6 8,5
nach 3.Rückführung 3,6 43,8 29,5 12,9 10,3

Um die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Sprengkraft quantitativ und anschaulich darzustellen, sind in der Abbildung 2 Berechnungsergebnisse 6 aufgetragen, die auf einer Pu-Kugel von 6,1 kg basieren, welche von 8,4 cm auf 6,4 cm Durchmesser komprimiert wird (Dichteerhöhung: Faktor 2,3). Auf eine Reihe weiterer vereinfachender Annahmen kann hier nicht näher eingegangen werden. In ihrer Tendenz sind die Ergebnisse von hinreichender Aussagekraft.

Die Abbildung geht von 100 Pu Bomben aus (waagerechte Achse). Senkrecht aufgetragen ist die Energiefreisetzung in kt TNT für die jeweilige Waffe, wenn die Waffen der Höhe ihrer Energiefreisetzung nach sortiert sind. Die Abbildung zeigt die Verhältnisse bei Pu eines Abbrands von 300 MWd/t Waffen-Pu mit ca. 1 % Pu 240) und 30000 MWd/t (Reaktor-Pu) aus einem LWR. Um einen Endladeabbrand von 300 MWd/t zu erzielen, hätte der Brennstoff nach etwa 10 Tagen entladen werden müssen. Unterschieden werden 4 radiale Komprimierungsgeschwindigkeiten der Oberfläche der Pu-Hohlkugel (1 bis 8 km/s). Derartige Geschwindigkeiten dürften heute technisch realisiert sein.

Betrachten wir zunächst Waffen-Pu bei einer Komprimierungsgeschwindigkeit von 1 km/s: Etwa 80 % der Bomben detonieren mit der maximal möglichen Sprengkraft von 20 kt TNT; eine Sprengkraft nahe 0 ist jedoch nicht ausgeschlossen. Wird die Komprimierungsgeschwindigkeit auf 2 km/s gesteigert, so wird die volle Sprengkraft von 90 %, bei 8 km/s von 98 % der Bomben erreicht. Außerdem ist im letztgenannten Fall eine Mindestsprengkraft von etwa 3 kt TNT erkennbar.

Bei Reaktor-Pu ist die maximal mögliche Sprengkraft hier auf etwa 8 kt TNT reduziert, da in allen Beispielen die gleiche Pu-Masse zugrunde liegt. Durch deren Erhöhung könnte die Sprengkraft gesteigert werden. Bei einer Komprimierungsgeschwindigkeit von 1 km/s liefern nur wenige der 100 Bomben die maximale Energiefreisetzung; etwa 70 Bomben würden mit weniger als 1 kt TNT detonieren. Es ist jedoch zu erkennen, daß mit Steigerung der Komprimierungsgeschwindigkeit auch Waffen mit Reaktor-Pu deutlich an Zuverlässigkeit gewinnen. Bei 8 km/s würden mehr als 80 % der Waffen die maximal mögliche Sprengkraft erreichen. Die Mindestsprengkraft würde sich in diesem Fall auf immer noch über 3,7 kt TNT belaufen, entsprechend einer Energie der Detonation von etwa 100 LkW-Ladungen TNT. Im folgenden Abschnitt soll auf Probleme eingegangen werden, die Reaktor-Pu über das Frühzündungsproblem hinaus bereiten kann.

Wärmeentwicklung, Strahlung und kritische Masse von Plutonium

Neben der verschiedenen n-Raten haben die einzelnen Pu-Isotope auch eine unterschiedliche Wärmeleistung. Diese rührt überwiegend von abgebremster (-Strahlung her (siehe Tabelle 3).

Wärmeleistung von Pu-Isotopen13
Pu-238 Pu-239 Pu-240 Pu-241 Pu-242
560 1,9 6,85 4,23 0,115 W/kg

Die Wärmeleistung wird vom Isotop Pu 238 bestimmt, dessen Anteil mit höherem Abbrand bzw. nach mehrfacher Rezyklierung zunimmt (vgl. Tab. 2). Reaktor-Pu ist zu heiß, um es mit bloßen Händen anzufassen. Durch Berechnung von Temperaturen in verschiedenen Designs 6 (Änderungen von z.B. Pu-Masse, Hohlkugelradius, Dicke der Sprengstoffschicht) läßt sich feststellen: Selbst ohne gezielte Kühlung einer Waffe sollte es möglich sein, sie so zu konstruieren, daß Sprengstoff oder Pu nicht zum Schmelzen oder zur Detonation gebracht werden. Kann der Zusammenbau von konventionellem und nuklearem Teil der Waffe erst wenige Stunden vor Zündung erfolgen, so hat sich auch die maximale Temperatur im Innern noch nicht aufgebaut.

Die Strahlung des Reaktor-Pu unterbindet dessen Verarbeitung nicht. Es sind jedoch besondere Techniken erforderlich (Handschuhkastentechnik), die bei Inkaufnahme eines erhöhten Krebsrisikos, z.B. bei einer terroristischen Gruppe, nicht in dem Maße nötig wären; auch ohne Abschirmmaßnahmen sind akute Strahlenschäden nicht zu erwarten. Eine unabgeschirmte 10 kg Kugel Reaktor-Pu weist in 10 cm Abstand eine Ortsdosisleistung von 0,15 cSv/h auf.7 Zu weiteren Problemen der Verarbeitung und deren Bewältigung (z.B. Pu-Selbstentzündung) gibt die internationale frei verfügbare Literatur hinreichend Auskunft. 8 Die auch längerfristige Unempfindlichkeit vieler – nicht aller – konventioneller Sprengstoffe gegenüber der Pu-Strahlung wurde in einer Vielzahl von Experimenten seit Mitte der 40er Jahre nachgewiesen und dokumentiert.9

Von einigen Autoren wird die „Denaturierung“ von Pu durch gezielte Erhöhung des Pu 238-, Pu 240- und Pu 241 Anteils, durch Zusatz harter Gammastrahler (z.B. Co 60) oder (n)-Quellen (z.B. Be, Cf) vorgeschlagen.10 Nachteil dieser Maßnahmen ist die in einem Pu-Kreislauf eingeschränkte Verwendbarkeit von denaturiertem Pu, da es in heutigen Reaktoren nicht mehr einsetzbar wäre oder in existierenden Anlagen aus Strahlenschutzgründen nicht verarbeitet werden kann.

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß anders als z.B. in einem thermischen Reaktor, wo nur die Pu-Isotope Pu 239 und Pu 241 spaltbar sind, jedes Pu-Isotop in einer Pu-Waffe gespalten werden kann. Dies liegt an der in Atomwaffen höheren Energie der spaltenden Neutronen, die dort nicht auf thermische Geschwindigkeiten abgebremst werden. Die kritische Masse von Reaktor-Pu ist gegenüber Waffen-Pu um etwa 20 % erhöht.

Schlußfolgerungen

Reaktor-Pu ist für den Bau von Atombomben geeignet. Der Besitz von Atombomben die Auswirkungen wie die über Hiroshima und Nagasaki gezündeten Waffen haben können, verleiht auch heute noch eine gewisse Macht und ist nicht „hinter der Zeit“ insbesondere wenn terroristische Interessen berücksichtigt werden. Nicht geeignet ist Reaktor-Pu im militärischen Bereich dagegen dort, wo möglichst kleine, leichte und in ihrer Sprengkraft vorhersagbare Sprengsätze gewünscht sind. Die Verarbeitung von Reaktor-Pu im Tonnenmaßstab im zivilen Bereich wirkt sich in militärischer Hinsicht aus, da die regelmäßige heimliche Abzweigung einer größeren Pu-Menge möglich wird und eher die Gefahr eines Überfalls auf einen Pu-Transport besteht der Dritte in Besitz einer für einen Sprengsatz ausreichenden Pu-Menge bringt.

Abkürzungen:

E = Exponent (E3 = 10³ = 1000)

n = Neutronen

Be = chemisches Zeichen für Beryllium

U = chemisches Zeichen für Urans = Mikrosekunden

MWd/t = Megawatt-Tage/Tonne

Co = chemisches Zeichen für Kobalt

cSv/h = centi-Sievert/Stunde

a = alpha

Cf = chemisches Zeichen für Californium

Anmerkungen

1 D. Hawkins, Manhattan District History, Project Y, Vol. 1, LAMS 2532 (Vol. 1), Los Alamos 1961 Zurück

2 T. B. Cochran et al., Nuclear Weapons Data Book, Vol. 1, Cambridge 1984 Zurück

3 z.B. R. Schall, Detonation Physics, in: R Caldirola et al. (Eds.), Physics of High Energy Density, New York 1971 Zurück

4 C. M. Lederer et al. (Eds.), Table of Isotopes, 7th Edition, New York 1978 Zurück

5 T. B. Cochran et al., Nuclear Weapons Data Book, Vol. 2, Cambridge 1987 Zurück

6 E. Kankeleit, Chr. Küppers, Bericht zur Waffentauglichkeit von Reaktorplutonium, unveröffentlichtes Manuskript, Institut für Kernphysik der TH Darmstadt, Darmstadt 1986 Zurück

7 D. O. Campbell et al., Proliferation-Resistant Nuclear Fuel Cycles, ORNL/TM-6392, Oak Ridge 1978 Zurück

8 z.B. O. J. Wick, Plutonium Handbock - A Guide to the Technology, NewYork 1967; A. L. Staut in: E. Grison et al. (Eds.), Plutonium 1960, London 1961; IAEA, Safe Handling of Plutonium, Safety Series No. 34, Wien 1974 Zurück

9 z.B. H. Rosenwasser, Effects of Gamma Radiation on Explosives, ORNL-1720, Oak Ridge 1955 J.V. R. Kaufman, Proc. Royal Soc. A246 (1958) 219, E R Bowden et al., Proc. Royal Soc. A227 (1954) 22; R. V. Phung, J. Chem. Phys. 53 (1970) 2906, J. M. Groodcock, Proc. Royal Soc. A246 (1958) 225, E. R. Bowden, Proc. Royal Soc. A246 (1958) 216, M. J. Urizar et al., Explosivstoffe 3 (1962) 55 R. O. Bolt et al., Radiation Effects on Organic Materials, New York 1963 Zurück

10 z.B. A. De Volpi, Proliferation Plutonium and Policy, New York 1979; B. A. Hutchins, Denatured Plutonium: A Study of Deterrent Action, EPRI 310 FR, PB-245831 (1975); G. Locke, Möglichkeiten Reaktorplutonium als Nuklearsprengstoff unbrauchbar zu machen, Reaktortagung Düsseldorf 1976; T H. Pigford et al., Nucl. Technology 41 (1978) 46; J. G. Asquith et al., Nucl. Technology 41 (1978)137; R. E. Brooksbank et al., Proc. ASME-Symposium, Albuquerque 1978, CONF-780330-2 Zurück

11 IAEA, Safe Handfing of Plutonium, Safety Series No. 34, Wien 1974 Zurück

12 Öko-Institut, Stellungnahme zur beantragten ALKEM-Brennelementfabrik in Hanau-Wolfgang, Werkstattreihe Nr. 12, Freiburg/Dammstadt 1984 Zurück

13 ALKEM GmbH, Sicherheitsbericht Gesamtanlage, ALKEM-SB-3/82 (1982) Zurück

Christian Küppers, Diplom-Physiker, Mitarbeiter am Öko-Institut Darmstadt.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1987/5 Die Karte der nuklearen Welt, Seite