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W&F 2006/1

Was ist der Überfall auf eine Bank gegen die Gründung einer Bank? (nach B.B.)

von Jürgen Nieth

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

dass Männer gegen Sold für eine fremde Macht kämpfen, lässt sich zurückverfolgen bis in die Antike. Im Spätmittelalter war es an der Tagesordnung, dass Könige und Fürsten, die viele Krieger für einen Krieg oder Raubzug benötigten, Söldner engagierten. Die »Schweizer« waren die Elite im 15., deutsche Landsknechte die begehrten Kämpfer im 16. Jahrhundert (siehe Michael Sikora).

Söldner waren auch in zahlreichen Kriegen des 20. Jahrhunderts im Einsatz. In der Fremdenlegion stellte der französische Staat ausländische Bürger unter sein Kommando, u.a. in den antikolonialen Befreiungs-Kriegen in Vietnam und Algerien. Hier ausgemusterte Legionäre heuerten in den sechziger Jahren – zusammen mit vielen anderen Ausländern – bei Bürgerkriegsparteien in den afrikanischen Konflikten an. Gekämpft wurde in der Regel für den, der am besten zahlte. Die Söldner zeichneten sich in den ohnehin schon blutig geführten Kriegen als besonders grausam aus. Die Kunde von den Verbrechen eines »Kongo Müller« und eines »Colonel Callan« gingen um die Welt (siehe Marc von Boemcken).

Dieses Söldnertum gibt es auch heute noch, vor allem in zahlreichen Konflikten auf dem afrikanischen Kontinent. Die »Freiwilligen« haben Zulauf bekommen durch ehemalige Angehörige der südafrikanischen Armee und durch ausgemusterte Soldaten osteuropäischer Staaten.

Und zu den Freiwilligen kommen Hunderttausende zwangsrekrutierter Söldner – darunter Kinder und Jugendliche, die eher Opfer sind (siehe Herbert Wulf) denn Täter.

Die Beweggründe für die nicht zwangsrekrutierten Söldner haben sich kaum verändert: Entwurzelung, berufliche Perspektivlosigkeit, »Abenteuerlust« und der Glaube ans schnelle Geld lassen sie zu Mördern werden. Dementsprechend schlecht ist ihr Image. Und das hat sich auch nicht dadurch verbessert, dass heute – vor allem in den USA und England beheimatete – Söldnerfirmen »Kämpfer« in den Einsatz schicken, die vorgeben „stets im Rahmen nationaler und internationaler Gesetze (zu) agieren.“ (Dario Azzelini).

Betrachten wir die Privatisierung des Krieges, so ist dieser traditionelle Söldner aber nur noch ein Rädchen im Kriegs-Getriebe. In den letzten zwanzig, dreißig Jahren haben private Militärdienstleister immer umfangreichere Aufgaben übernommen. Sie stellen nicht nur zum Töten bereite Söldner, sie stellen militärische Spitzenkräfte und wissenschaftlich-technisches Know-How, das kriegsentscheidend sein kann (siehe Boris Kanzleiter). Sie verfügen über schweres Gerät, wie Panzer, Flugzeuge, Hubschrauber und dem Bedienungspersonal.

Wurden die Söldner früher für einen begrenzten Zeitraum angeworben, um möglichst schnell zu siegen, so haben die privaten Militärdienstleister heute einen ständigen und ständig wachsenden Platz in zahlreichen Armeen und vor allem in den bestgerüsteten. Laut Angaben der Firma Custer Battles stehen über 30.000 Iraker und viele Tausend Ausländer im Irak im Dienst privater Militärdienstleister. Ihr Einsatzgebiet reicht von der Reinigung der Unterhosen bis zur Lieferung der Mittagessen, vom Personen-, Transport- und Objektschutz bis zur Gefängnisaufsicht (Folter offensichtlich manchmal eingeschlossen – siehe Abu Ghraib), vom bewaffneten Einsatz bis zur Betreuung vieler hoch entwickelter Waffensysteme.

Dementsprechend steigen auch die Ausgaben für die Privaten. Im ersten Jahr des Irakkriegs wurden von der US-Regierung allein im Irak Aufträge an 150 private US-Firmen vergeben, mit einem Gesamtvolumen von fast 50 Mrd. US-$.

Kein Wunder, dass bei solchen Geschäftsaussichten die Verflechtungen zwischen Politik und privaten Militärdienstleistern immer enger werden. Nicht nur der Halliburton-Konzern – mit engsten Verbindungen zum US-Vizepräsidenten Cheney – ist mit Tochterfirmen vom Balkan über Lateinamerika bis zum Irak im Einsatz. Mit Carlyle – in dessen Verwaltungsrat Ex-Präsidenten und Ex-Minister sitzen – begab sich auch einer der erfolgreichsten Investment-Fonds früh in jene Grauzone, wo Politik und Geschäft zur „Durchsetzung ihrer Ziele mittels Gewalt in einander fließen.“ (Werner Ruf)

Dieses »Outcourcen« im militärischen Sektor droht das staatliche Gewaltmonopol auszuhöhlen, stellt es u. U. grundsätzlich in Frage.

Begründet wird diese Entwicklung mit dem allseits beliebten neoliberalen Argument: Kosten sparen. Das lässt außer Acht, dass viele dieser »Privaten« in einer Grauzone operieren. Gesetzlich können sie für ihre Handlungen oft nicht zur Rechenschaft gezogen werden. In ihrem Interesse liegen möglichst hohe (staatlich garantierte) Profite und geringe Kontrollen über den Einsatz der Gelder.

Vor allem aber zählt: Wer am Krieg verdient, hat kein Interesse, ihn zu beenden!

Jürgen Nieth

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2006/1 Privatisierte Gewalt, Seite