W&F 2008/4

Was können wir vom nächsten US-Präsidenten erwarten?

von David Krieger

Die bevorstehende Wahl des nächsten US-Präsidenten ist vielleicht die wichtigste in der Geschichte der USA, ja sogar in der Geschichte der Menschheit. Der nächste Präsident wird, wie alle US-Präsidenten seit dem Zweiten Weltkrieg, seinen Finger auf dem nuklearen Knopf haben, und von seinem Charakter und Temperament wird es abhängen, ob er die Weltpolitik weiter aus dem Blickwinkel des Militarismus angeht oder ob die Außenpolitik der USA statt dessen auf Dialogbereitschaft setzt.

Die Wahl markiert das Ende der fast achtjährigen widerwärtigen Herrschaft durch George W. Bush und Richard Cheney. In den vergangenen acht Jahren wurde die Außenpolitik der USA zunehmend vom Militarismus bestimmt. Die USA haben im Irak einen illegalen Angriffskrieg begonnen, in dessen Verlauf schon über eine Million Irakis getötet wurden und etwa vier Millionen flüchten mussten. Die USA haben Folter gebilligt und die Genfer Konvention zur Behandlung von Kriegsgefangenen ignoriert. Die USA haben den Raketenabwehrvertrag aufgekündigt, um Raketenabwehrtechnologie zu bauen, die nicht funktioniert, und um die Bewaffnung des Weltraums zu betreiben. Die USA haben das Völkerrecht einfach bei Seite geschoben.

Der Auszug von Bush und Cheney aus ihrem Amtssitz ist ein Grund zu feiern, innerhalb und außerhalb der USA. Wer an sie denkt, dem werden »shock and awe« einfallen, Abu Ghraib, Guantanamo und ihre Missachtung des Völkerrechts, der US-Verfassung und der Weltmeinung. Nicht zu vergessen ihr verschwenderischer Umgang mit den Steuergeldern und die Tatsache, dass sie die Wirtschaft der USA gegen die Wand gefahren haben. Bush, und mit ihm Cheney, werden höchstwahrscheinlich als schlechtestes Präsidententeam der USA in die Geschichtsbücher eingehen – keine geringe Leistung. Bush hinterlässt seinem Nachfolger zahlreiche außenpolitische und wirtschaftliche Katastrophen. Die aufzuräumen ist für seinen Nachfolger, egal wer das sein wird, eine gewaltige Aufgabe.

Zwischen den beiden Kandidaten dieser Präsidentschaftswahl gibt es große Unterschiede. McCain unterstützt die militärische Lösung internationaler Konflikte und wird wohl der Bush-Strategie folgen, erst dann zu verhandeln, wenn die andere Seite vor der US-Position schon kapituliert hat. McCain hat von Anfang an den Krieg im Irak unterstützt, ist ein Hurrapatriot und setzt auf militärischen Sieg. Das heißt noch mehr Truppen und noch mehr Kämpfe, auch in völkerrechtswidrigen Kriegen. Er glaubt fest daran, dass eine massive Truppenaufstockung den USA im Irak zum Sieg verhelfen wird. McCain wird nachgesagt, er sei jähzornig und hitzköpfig. Das ist für jemanden, der jahrlang in Nord-Vietnam gefangen gehalten wurde, vermutlich ein nachvollziehbarer Charakterzug, aber nicht notwendigerweise wünschenswert bei jemandem, der den Finger auf dem nuklearen Knopf hat.

Obama hingegen begründet seine Meinung und ist maßvoll. Er wirkt bedacht und ausgeglichen. Er denkt nach, bevor er den Mund aufmacht. Er hat den völkerrechtswidrigen Angriff gegen den Irak nicht unterstützt. Er scheint nicht auf die falschen Versprechungen hereinzufallen, dass eine Aufstockung der Truppen den USA im Irak zum Sieg verhilft. Er glaubt, dass dort schon zu viele Menschen – US-Soldaten wie Irakis – gestorben sind und leiden, und dass es Zeit ist, unsere Truppen nach Hause zu bringen. Obama ist zu Verhandlungen bereit, um Frieden zu erreichen und zu bewahren. Natürlich ist er auch nicht perfekt, aber Obama hat seine strategische Vision darauf konzentriert, die Täter der Angriffe vom 11. September zur Rechenschaft zu ziehen. Er würde den Krieg im Irak beenden.

Obwohl es McCain vermeidet, Bush in seinem Wahlkampf namentlich zu nennen, ist erkennbar, dass er den Militarismus von Bush in der nächsten Präsidentschaft weiterführen würde. Er würde auch die Doppelstandards verwenden, mit denen die Regierung Bush ihre Außenpolitik führte. Es besteht die Hoffnung, dass Obama als Präsident bedacht auf internationale Krisen reagieren, Frieden stiften und dem Völkerrecht in der US-Politik wieder Beachtung verschaffen würde. Ich bezweifle, dass die Welt vier weitere Jahre ertragen könnte, die von der Arroganz und dem Militarismus gekennzeichnet wären, die McCain in die Präsidentschaft mitbringen würde. Die Hoffnung für die USA und unser aller Zukunft hängen schlicht davon ab, ob die US-Bürger Obama wählen, einen Kandidaten, der als junger Mensch Bürgergemeinschaften nicht bombardiert sondern organisiert hat. Außerdem hat Obama angekündigt, dass er der US-Präsident sein will, der den Weg in eine atomwaffenfreie Welt bereitet.

David Krieger ist Präsident der Nuclear Age Peace Foundation (www.wagingpeace.org) und Mitglied des World Future Council. Dieser Kommentar gibt seine private Meinung wieder.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2008/4 Friedenswissenschaft – Friedensbewegung – Friedenspolitik, Seite