W&F 2005/1

Weapons of Mass Deception

Strategische Manipulation von Medien während des Irak-Krieges

von Jürgen Rose

Wenn politische Entscheidungsträger in Demokratien Bürger – und auch immer zahlreicher Bürgerinnen – in Kriege entsenden wollen, um in fernen Ländern, wie das der Krieg gemeinhin so mit sich bringt, andere Menschen zu töten oder zu verstümmeln und dabei gegebenenfalls selbst das gleiche Schicksal zu erleiden, dann benötigen sie für ein derartiges Unterfangen eine möglichst breite und tunlichst nicht in Zweifel zu ziehende demokratische Legitimation. Freilich ist „[i]nsbesondere in Demokratien der Aufwand groß, mit dem man friedliche Bürger von der Notwendigkeit überzeugen muss, die Waffen aufzunehmen bzw. für die Kosten der Kampagne gerade zu stehen. Nur der allergarstigste Gegner kann schließlich rechtfertigen, dass man sich zu Gegenmaßnahmen entschließt, die so sehr den eigenen zivilen Werten widersprechen.“ (Stephan 1998, S. 157) Gerade demokratische Öffentlichkeiten, die Krieg normalerweise als illegitimes Mittel der Politik betrachten, lassen sich nur durch geschickte und überzeugende Propaganda von dessen Notwendigkeit überzeugen. Die Entscheidung zum Krieg bedarf in Demokratien mittlerweile der Beschwörung von Menschheitsbedrohungen wie Massenvernichtungswaffen, Terrorismus oder Völkermord.

Da in modernen Demokratien jedwede Politik vornehmlich massenmedial vermittelt wird, kann auch die Legitimationsbeschaffung zur Kriegführung nur qua Unterstützung durch die Massenmedien erfolgen. Letzteren kommt die Funktion zu, einer demokratischen Öffentlichkeit jene moralisch unanfechtbare Begründung für den Krieg zu liefern, die sie begehrt. Weil sich derartige Letzt-Begründungen jedoch prinzipiell nicht verfertigen lassen, mutieren Massenmedien in Kriegszeiten gleichwohl regelmäßig zur Propagandamaschine der Regierenden, die dem Wahlvolk jene Lügen liefert, nach denen es partout verlangt. Zugleich machen sie sich dadurch zum ebenbürtigen Partner der Panzer, Flotten und Bomberverbände. Gelingt solchermaßen die erfolgreiche Gleichschaltung von Massenmedien in Zeiten des Krieges, so ist die essentielle Voraussetzung für die Unterstützung des Streitkräfteeinsatzes seitens der Öffentlichkeit und der politischen Entscheidungsapparate erfüllt. Scheitert andererseits die Instrumentalisierung der Massenmedien zum Zwecke der Kriegspropaganda, kann selbst erdrückende militärische Überlegenheit auf dem Schlachtfeld die politische Niederlage nicht verhindern.

In Erkenntnis dieses Sachverhaltes begann mit der Intention, ein erneutes Desaster wie in Vietnam zu vermeiden, bereits 1984 unter der Ägide des damaligen US-Verteidigungsministers Caspar Weinberger die Entwicklung neuer Kriterien für den Gebrauch militärischer Macht. Ein wesentliches Kriterium bestand darin, dass vor jedem denkbaren Streitkräfteeinsatz unbedingt die hinreichende innenpolitische Unterstützung garantiert sein müsste. Im Jahr 1990 erfuhr dieses Prinzip vor dem Krieg gegen den Irak durch die Bush-Administration seine schlagende Bestätigung. Weiterentwickelt und verfeinert wurden die Grundsätze der PR-Arbeit im Rahmen der US-Militärstrategie in der Ära Clinton vom damaligen US-Generalstabschef, General Colin Powell. Auch er erachtete es als unabdingbar, vor jeder Entsendung von US-Truppen die Unterstützung hierfür seitens der Öffentlichkeit, der Medien und des Kongresses sicherzustellen. Ergänzend trat als herausragendes Kriterium hinzu, dass bei jeglichen Einsätzen unter allen Umständen das Ansehen der Streitkräfte gewahrt bleiben musste. Die von Powell formulierten Kriterien gelten auch unter der gegenwärtigen US-Administration fort und wurden seitdem weiter verfeinert. Pars pro toto lässt sich dies sehr eindrucksvoll anhand der von der U.S. Air Force im Januar 2002 präsentierten Doktrin für Informationsoperationen illustrieren. Dort wird zur strategischen Zielsetzung der so genannten Public Affairs Operations unter anderem ausgeführt: „Operationen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit dienen der Unterstützung einer starken nationalen Verteidigung, nämlich die Nation auf den Krieg vorzubereiten, indem sie in der Öffentlichkeit Vertrauen und Verständnis für den Beitrag des Militärs zur nationalen Sicherheit und das dafür notwendige Budget herstellen. Mit dieser Rückenstärkung durch Steuerzahler und Kongress kann die militärische Führung effektiv Soldaten anwerben, ausrüsten und ausbilden, die das gesamte Spektrum militärischer Operationen beherrschen. Im Falle einer nationalen Krise lassen sich durch Operationen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der amerikanischen Öffentlichkeit die Informationen übermitteln, die sie benötigt, um die Relevanz militärischer Aktionen zu verstehen – und zugleich stärken sie die nationale Entschlossenheit. Diese Art der Kommunikation eröffnet den Befehlshabern die Option, sich in der Krise an die Spitze zu stellen, die Wahrnehmung von Ereignissen zu beeinflussen, Klarheit im öffentlichen Bewusstsein zu schaffen und den Rahmen für die Diskussion in der Öffentlichkeit zu bestimmen.“ (United States Air Force 2002, S. 37) Noch unverhohlener decouvriert folgende Formulierung die militärische Bedeutung der »Öffentlichkeitsarbeits-Waffe«: „Als Waffe im Arsenal des militärischen Führerskönnen Operationen der Öffentlichkeitsarbeit einen Kampfkraftverstärker bilden, der das informationelle Umfeld militärischer Operationen zugleich auslotet und gestaltet.“ (United States Air Force 2002, S. 29) Weitere einschlägige Doktrinen, in denen ähnliche oder gleichlautende Prinzipien auftauchen, finden sich in Dokumenten wie der »Joint Doctrine for Information Operations«, der »Doctrine for Public Affairs in Joint Operations« sowie der »Joint Doctrine for Civil-Military Operations«.

Wie die auf der Ebene der Militärstrategie respektive der genannten Doktrinen definierten Grundsätze für die Informations-, Desinformations- und Propagandaarbeit des Pentagons in die Praxis umgesetzt werden, lässt sich empirisch eindrucksvoll am Beispiel der vor dem jüngsten Irakkrieg erlassenen »Richtlinien für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zur Einbettung von Medien im Rahmen möglicher künftiger Operationen/Dislozierungen im Verantwortungsbereich des U.S. Central Command (CENTCOM)« vom 17. Januar 2003 illustrieren (im folgenden »Public Affairs Guidance – PAG«). Mit dieser Richtlinie hat das Pentagon nach den unbefriedigenden Erfahrungen mit der Bildung von Kriegsberichterstatter-Pools während des Golfkrieges 1990/91 erstmals eine neue und vielversprechende Form der Informationskontrolle eingeführt. Diese basierte auf den positiven Erfahrungen, die im Rahmen der »Operation Anaconda« in Afghanistan 2002 gewonnen wurden.

Die fundamentale Innovation der vor dem neuerlichen Krieg gegen Saddam Hussein ausbaldowerten PR-Strategie bestand in der sogenannten Einbettung, d.h. der Integration von Journalisten direkt in die kämpfende Truppe. Die Idee des »Embedding« stammt von Victoria »Torie« Clarke, die als stellvertretende Verteidigungsministerin im Department of Defense der USA (DoD) für Public Affairs zuständig ist. Zu ihrem Aufgabengebiet gehören auch die Armeezeitung Stars & Stripes, das Armed Forces Radio und andere militärpublizistische Erzeugnisse. Gemeinsam mit ihrem Stellvertreter Bryan Whitman, einem ehemaligen Offizier der US-Army, definierte sie die strategischen Leitgedanken des Embedding-Projekts:

  • „die Desinformationsmaßnahmen unserer Gegner neutralisieren,
  • die Unterstützung sowohl für die Politik der USA als auch für den globalen Krieg gegen den Terrorismus mobilisieren und erhalten,
  • offensive Schritte zur Erringung der Informationsüberlegenheit ergreifen,
  • die Professionalität des US-Militärs demonstrieren,
  • die Unterstützung für den Kämpfer da draußen auf dem Schlachtfeld mobilisieren und erhalten. “

Pointiert lautete das sich hinter der Idee des »Embedding« verbergende Kalkül der PR-Spezialisten aus dem Pentagon: „Schleichende Korruption durch Nähe“ (Bussemer 2003, S. 26). Der springende Punkt dabei war, dass die Medienvertreter zuvor einen Katalog vorgegebener Grundregeln für die Berichterstattung – das »CFLCC Ground Rules Agreement« – unterzeichnen mussten (CFLCC = Coalition Forces Land Component Command). Dabei handelte es sich um ein äußerst ausgeklügeltes System von Auflagen und Offerten für die betroffenen Journalisten und ihre Berichterstattung, das der alterprobten Maxime »do, ut des« folgte und zugleich günstigste Voraussetzungen für eine wirkungsvolle Manipulation und Korrumpierung der Kriegsberichterstattung im von der US-Administration erwünschten Sinne schaffte. Auf diese Weise sollten Reporter zu „cheerleaders for the military“ (Shepard 2004, S. 14) respektive „tour guides for war“ (Shepard 2004, S. 37) umfunktioniert werden.

Darüber hinaus wurden in Konkurrenz zu den kommerziellen Medien noch so genannte Joint Tactical Information Cells installiert, deren »Mediensoldaten« mit Hilfe modernster Satelliten-Technologie eigene Text- und Bildberichte über den Kriegsverlauf versenden konnten, was den unschätzbaren Vorteil der Exklusivität sicherte. Geliefert wurden solche Berichte u. a. von so genannten Combat Camera Teams, welche die US-Streitkräfte schon seit längerem unterhält und die für die visuelle Dokumentation des Krieges sorgen sollen. Deren Aufnahmen finden auch als Teil der Media-Kits Verwendung, mit denen Journalisten auf Pressekonferenzen versorgt werden.

Nachfolgend sollen die wesentlichsten Aspekte der vom Pentagon erlassenen »Public Affairs Guidance« und des »CFLCC Ground Rules Agreement’s« näher analysiert werden.

Die PR-Arbeit des US-Militärs zielt auf drei Adressatengruppen, nämlich die amerikanische Öffentlichkeit, die Öffentlichkeit in den verbündeten Staaten sowie die Öffentlichkeit in den Staaten, in denen die USA militärische Operationen durchführen. Die vorrangige Devise dabei lautet: „Wir müssen über die Tatsachen berichten – seien sie gut oder schlecht –, bevor andere die Medien mit Desinformationen und verzerrten Darstellungen impfen, wie sie es mit allergrößter Wahrscheinlichkeit auch weiterhin tun werden. Unsere Leute vor Ort müssen unsere Sichtweise vermitteln (SECDEF/deutsche Übersetzung Reeb 2003)

Mehrfach wird betont, dass es entscheidend darauf ankommt, mittels der Einbettung der Medienberichterstatter die Ereignisse aus amerikanischer Perspektive zu vermitteln und das Verständnis in der (Welt-)Öffentlichkeit daraufhin zu fokussieren: „Diese eingebetteten Medien werden als Teil der Truppenteile, in die sie eingebettet sind, leben, arbeiten und verlegen, um bessere Voraussetzungen für ein Maximum an gründlicher Berichterstattung über die US-Streitkräfte im Gefecht sowie über damit zusammenhängende Operationen zu schaffen.Die Medien werden in der Truppe, auf Stützpunkten der Luftwaffe und der Bodentruppen sowie in schwimmenden Einheiten eingebettet, um ein umfassendes Verständnis aller Operationen zu gewährleisten.Es werden Plätze in Fahrzeugen, in Luftfahrzeugen und auf Kriegsschiffen zur Verfügung gestellt, um eine möglichst umfassende Berichterstattung über die US-Truppen vor Ort zu ermöglichen.Die Truppenteile haben Transportkapazität und logistische Unterstützung vorzusehen, um den Transport von Medienprodukten zum und vom Gefechtsfeld zu unterstützen, damit unsere Darstellung der Ereignisse zeitgerecht ermöglicht wird.“ (SECDEF/deutsche Übersetzung Reeb 2003)

Selbst die militärische Geheimhaltung stellt unter bestimmten Voraussetzungen kein prinzipielles Hindernis für die Berichterstattung dar, wie in der »PAG« ausgeführt wird, wenn der betreffende Reporter sich mit einer erweiterten Zensur seitens der Militärs einverstanden zeigt: „In Fällen, in denen ein militärischer Führer oder sein offizieller Stellvertreter feststellt, dass ein Berichterstatter mehr an geheimhaltungsbedürftigen Informationen erhält als durch eine Belehrung im Rahmen einer Vor- oder Nachbesprechung abgedeckt wird, die Berichterstattung selbst jedoch im besten Interesse des US-Verteidigungsministeriums ist, kann der militärische Führer Zugang zu den Informationen gewähren, falls der Reporter einer Sicherheitsüberprüfung seines Berichts zustimmt.“ (SECDEF/deutsche Übersetzung. Reeb 2003)

Für die Wahrnehmung der ihnen vom US-Verteidigungsministerium zugedachten Aufgaben bietet die »PAG« den eingebetteten Journalisten eine breite Palette von Unterstützungsleistungen an. Darunter fällt unter anderem:

  • der generell erleichterte Zugang zu den Streitkräften,
  • der Zugang zu operativen Kampfeinsätzen mit der Gelegenheit, tatsächliche Kampfhandlungen zu beobachten,
  • kostenloser Transport in Luftfahrzeugen des US-Verteidigungsministeriums,
  • Plätze in Fahrzeugen, in Luftfahrzeugen und auf Kriegsschiffen,
  • ggf. fernmeldetechnische Unterstützung beim Absetzen bzw. Übertragen von Medienprodukten sowie Nutzung schneller militärischer Fernmeldeverbindungen,
  • die Bereitstellung von Unterkunft, Verpflegung und ggf. sanitätsdienstlicher Versorgung,
  • die leihweise Ausgabe von ABC-Schutzausrüstung,
  • die (kostenpflichtige) Gestellung von Impfstoffen gegen Anthrax und Pocken.

Allerdings war die Gewährung dieser Vergünstigungen an die strikte Einhaltung umfangreicher Auflagen gekoppelt. Dazu zählte:

  • die obligatorische Beantragung auf Einbettung beim US-Verteidigungsministerium,
  • das Verbot, eigene Fahrzeuge zu benutzen,
  • die Einholung der Genehmigung zur Nutzung elektronischer Geräte in einem Kampfgebiet bzw. einem feindlichen Umfeld,
  • die Unterzeichnung des »CFLCC Ground Rules Agreement’s« sowie einer »Vereinbarung über Haftungsfreistellung und Klageverzicht«.

Darüber hinaus wies die »PAG« die letztinstanzliche Entscheidungskompetenz über den Bewegungsspielraum der eingebetteten Berichterstatter den militärischen Befehlshabern vor Ort zu – der entscheidende Passus diesbezüglich lautet: „Falls ein Medienvertreter nach Auffassung des militärischen Führers außerstande ist, mit den harten Rahmenbedingungen zurechtzukommen, obwohl dies für den Einsatz mit den vorn dislozierten Kräften erforderlich ist, kann der militärische Führer oder sein Stellvertreter die Teilnahme des Medienvertreters bei den Einsatzkräften einschränken, um die Sicherheit des Truppenteils zu gewährleisten.“ (SECDEF/deutsche Übersetzung Reeb 2003) Wie ein Damoklesschwert schwebte diese Option permanent über den eingebetteten Reportern und musste daher allein aufgrund ihrer potenziellen Nutzung als Sanktion für unvorteilhafte Reportagen auf sublime Weise die Berichterstattung beeinflussen.

Das bereits erwähnte »CFLCC Ground Rules Agreement« enthielt das von der »PAG« vorgegebene detaillierte Regelwerk, das jeder Reporter vor seiner Einbettung in den ihm zugewiesenen Truppenteil förmlich zu unterzeichnen hatte. Grundsätzlich galt: „Die Grundregeln sind von den Medien vorher anzuerkennen und vor der Einbettung zu unterzeichnen. Verstöße gegen die Grundregeln können die sofortige Beendigung der Einbettung und die Entfernung aus dem Verantwortungsbereich zur Folge haben.“ Von nicht zu unterschätzender Relevanz war, die Anweisung, dass „sämtliche Interviews mit Angehörigen der Streitkräfte zu … protokollieren [waren].“ (CENTCOM 2003) (Das CFLCC stellt die Umsetzung der PAG auf nächstniedriger Ebene dar). Damit war sichergestellt, dass einerseits die betroffenen Soldaten bei ihren Aussagen äußerste Zurückhaltung walten ließen und andererseits die Journalisten, um ihre Interviewpartner nicht zu kompromittieren, schon während sie fragten, stets die »Schere im Kopf trugen«. Eine weitere Option zur Steuerung der Berichterstattung bot die Bestimmung, dass Sperrfristen verhängt werden konnten, um die „operative Sicherheit zu gewährleisten.“ Mittels der Anweisung, alle Berichte für Druck- oder Rundfunkmedien mit Orts- und Datumsangabe zu versehen, wurde eine lückenlose Überwachung und Identifikation der jeweilige Urheber sichergestellt. Schließlich wurde noch festgelegt, dass Medienvertreter unbewaffnet zu sein und bei Operationen in der Dunkelheit die Lichtdisziplin (Regelungen zum Gebrauch von Lichtquellen) zu wahren hatten.

Entscheidend war darüber hinaus selbstredend die Festlegung der Kategorien für Informationen, die zur Veröffentlichung freigegeben waren respektive die nicht publiziert werden durften. Prinzipiell freigegeben waren ausschließlich allgemeine, pauschale und ungefähre Angaben über die eigenen Streitkräfte und deren Aktionen, nicht aber konkrete und präzise Zahlen, Daten und Fakten. Details über den Kriegsverlauf sollten tunlichst nicht publik werden, es genügte, wenn die (Welt-)Öffentlichkeit vom grandiosen Sieg der US-Truppen erfuhr. Da passte es ins Bild, dass „gesicherte Zahlenangaben zu verhafteten oder gefangengenommenen Angehörigen der feindlichen Kräfte“ (CENTCOM 2003) durchaus zur Veröffentlichung freigegeben waren.

Verboten war die Veröffentlichung jedweder konkreter Zahlen, Daten und Fakten zu Personal, Material, Truppenteilen, militärischen Einrichtungen, Truppenbewegungen, Dislozierung etc. Unter die Geheimhaltung fielen auch die Einsatzregeln, Sicherheitsmaßnahmen, Informationen über Spezialeinheiten, Methodik und Taktik von militärischen Operationen sowie Informationen über die Effektivität der gegnerischen Kampfführung. Darüber hinaus unterlag der Zugang zu Kriegsgefangenen strikten Restriktionen, ebenso wie jegliche Berichterstattung über tote, verwundete, verletzte und kranke Soldaten der eigenen Streitkräfte. Das Kriegshandwerk im einzelnen sowie die furchtbaren Auswirkungen der Waffengewalt sollten vor der (Welt-)Öffentlichkeit soweit wie irgend möglich verborgen gehalten respektive nur in homöopathischen Dosen zur Kenntnis gegeben werden. Die Konsequenz war, dass die Medien „am Ende den Krieg weichspülten, indem sie es vorzogen, siegestrunkene Amerikaner anstelle von blutigen, verwundeten oder toten amerikanischen oder irakischen Soldaten zu zeigen“ (Shepard 2004, S. 62) und dass insbesondere die US-Medienanstalten „die Schrecken des Krieges vernebelten, indem sie grausame Bilder vermieden, sich des Militärjargons („irakische Ziele aufweichen“) anstatt einer direkten, brutalen, konkreten Ausdrucksweise („Iraker töten“) bedienten.“ (Shepard 2004, S. 71)

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass es dem US-Militär gelang, mittels seiner äußerst ausgeklügelten PR-Arbeit, sicherzustellen, dass der Krieg zwar nicht absolut, aber nahezu nur insoweit abgelichtet werden konnte, wie es dem Pentagon passte. Die Basis des Erfolgs bildete eine Doppelstrategie, nämlich einerseits wohlwollend gesonnene Medienvertreter nach allen Regeln der Kunst zu umgarnen und zu korrumpieren. Ein Washingtoner Redaktionsleiter schwärmte diesbezüglich: „Der Charme des Einbettungsprogramms bestand darin, dass es unsere beiderseitigen Bedürfnisse erfüllte.“ (Shepard 2004, S. 59f.) Andererseits wurden unabhängig recherchierende Reporter, die so genannten unilaterals, insbesondere auch solche aus europäischen und arabischen Ländern, systematisch benachteiligt, behindert, schikaniert und in Einzelfällen auch massiven Bedrohungen für Leib und Leben ausgesetzt, wie die Bombardierungen von Al Jazeera und Abu Dhabi TV sowie der Beschuss des Hotels Palestine illustrieren. Diese Verfahrensweise hatte zur Folge, dass dem Publikum zwar eine Fülle von selektiven Eindrücken über die Kampfhandlungen vermittelt wurden, es aber keine Chance besaß, die komplexe Realität des Krieges zu erfassen. Erzeugt wurde somit allenfalls die Illusion, am Krieg »beteiligt« gewesen zu sein. Diese Einschätzung spiegelt sich auch in dem Umstand wider, dass von den insgesamt 775 »eingebetteten« Reportern gerade einmal 40 bis 50 tatsächlich die Gelegenheit bekamen, „Kriegführung real zu erleben“ (Shepard 2004, S. 23).

Problematisch muss darüber hinaus die grundsätzliche Steuerung der Medienöffentlichkeit durch das US-Militär erscheinen. Zudem werden seitens der US-Administration die Grenzen zwischen Gegenpropaganda und Täuschung nach außen sowie der PR nach innen zunehmend verwischt und dem Militär Aufgaben zugewiesen, die von Diplomaten und anderen zivilen Experten kompetenter wahrgenommen werden können.

Summa summarum demonstriert gerade der jüngste Irak-Krieg, dass die „Massenmedienaus Sicht des Militärs von potentiellen Störfaktoren, die es zu instrumentalisieren gilt, zu willfährigen Helfern der Kriegführung avanciert [sind]. Die Medien selbst wurden zur Kriegswaffe.“ (Bussemer 2003, S.13)

Literatur:

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Bussemer, Thymian: Medien als Kriegswaffe. Eine Analyse der amerikanischen Militärpropaganda im Irak-Krieg, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 49-50/2003

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SECDEF Washington DC//OASD-PA//: SECDEF MSG, DTG 172200Z Jan 03, SUBJ: Public Affairs Guidance (PAG) for movement of forces into the CENTCOM AOR for possible future operationS; im Internet unter: http://www.defenselink.mil/news/ Feb2003/d20030228pag.pdf [29.08.2004]. Deutsche Übersetzung durch Führungsakademie der Bundeswehr, Sprachendienst, Auftrags-Nr. 047/03, in: Reeb, Hans-Joachim: a. a. O., S. 41 – 52

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Virchow, Fabian/Thomas, Tanja: Militainment, unveröffentlichtes Manuskript, Kiel 2003, S. 3. Erscheint unter dem Titel „Militainment als »banaler« Militarismus. Auf dem Weg zu einer Militarisierung der politischen Kultur?“ in: Löffelholz, Martin (Hrsg.): Krieg als Medienereignis II. Westdeutscher Verlag, Opladen 2004

Dipl. Päd. Jürgen Rose ist Oberstleutnant der Bundeswehr. Er vertritt in diesem Beitrag nur seine persönlichen Auffassungen.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2005/1 Triebfedern der Rüstung, Seite