Wege zum Green Blue Deal
Umweltkonflikte und Friedensförderung: Das Beispiel EcoPeace Middle East
von Nada Majdalani und Jürgen Scheffran
Die politischen Krisen im Nahen Osten werden von der Frage überlagert, wie mit den Bedürfnissen und Unsicherheiten, die sich aus dem rasch fortschreitenden Klimawandel ergeben, angemessen umgegangen werden kann. Da die meisten infrastrukturellen Umsetzungen und Entscheidungen zu ökologischen Fragen auch in politische Konflikte eingebettet sind, ist jede Arbeit an diesen Fragen zugleich dringend geboten und umstritten. EcoPeace war eine der ersten Nichtregierungsorganisationen (NRO) auf dem Gebiet des »Environmental Peacebuilding«. Wie versucht sie Konflikttransformation und Klimaschutz gleichzeitig anzugehen und wie erfolgreich ist sie dabei?
Die dramatischen Folgen der langwierigen Konflikte im Nahen Osten zeigen sich in den Bereichen Wasserknappheit, Umweltzerstörung, Wüstenbildung und anderen ökologischen Dimensionen: Häufige Episoden politischer Gewalt haben in der Konsequenz zu massiven Infrastrukturprojekten geführt, die sich auf die Verfügbarkeit von Ressourcen auswirken (z.B. die Umleitung von Wasser aus dem Jordan) und unbeabsichtigte Folgen haben (z.B. die Umweltauswirkungen einer ungeregelten Abfallentsorgung). Eine Organisation, die sich für die Überwindung dieser Folgen und die Schaffung friedlicher Verhältnisse auch mit der Umwelt einsetzt, ist EcoPeace Middle East (ME), die 1994 im Zuge des arabisch-israelischen Friedensprozesses zunächst für die Umweltüberwachung gegründet wurde. Dies war verbunden mit der Erwartung, dass Frieden und Stabilität zu wirtschaftlichen Aktivitäten und Entwicklung führen, die mehr Druck auf die knappen Ressourcen und empfindliche Umwelt der Region ausüben würden.
In den vergangenen 30 Jahren seit der Unterzeichnung des Osloer Interimsabkommens zwischen Palästinensern und Israelis ist der Frieden nicht zustande gekommen, doch der Konflikt und die fehlende Zusammenarbeit reichen aus, um zu einer raschen Umweltzerstörung beizutragen. EcoPeace ME hat im Laufe der Jahre seine Strategien und Interventionsmethoden angepasst, doch die Theorie der Veränderung ist dieselbe geblieben. Durch seine Aktivitäten bringt EcoPeace ME Akteure aus Israel, Palästina, Jordanien und anderen Ländern zusammen, um gemeinsam ökologische, soziale und politische Probleme anzugehen, die durch Umweltzerstörung und Ressourcenknappheit verursacht werden (Harari und Roseman 2008). Die Arbeit umfasst verschiedene Ebenen des Engagements, von Graswurzelbewegungen bis hin zu politischen Verhandlungen auf Regierungs- und UN-Ebene. Im Jahr 2020 legte EcoPeace ME einen umfassenden Plan zur Überwindung der Probleme vor, der im Folgenden analysiert werden soll.
Green Blue Deal für den Nahen Osten
Der von EcoPeace ME im Jahr 2020 vorgelegte Green Blue Deal (GBD) für den Nahen Osten schlägt Maßnahmen in vier Schlüsselbereichen vor, um die Risiken des Klimawandels zu mindern und die Chancen für seine Bewältigung durch Kooperation zu vervielfachen (siehe Grzybowski und Hunnie 2021), auch unter Nutzung von Synergien im Rahmen des Wasser-Energie-Nexus. Die wichtigsten Interventionsbereiche sind die Umverteilung und Bewirtschaftung der Wasserressourcen (1), die Sanierung des Jordantals (2), ein neues »Friedensdreieck« der Zusammenarbeit im Wasser-Energie-Nexus zwischen Jordanien, Palästina und Israel (3) sowie Programme zur Sensibilisierung und Bildung der Öffentlichkeit (4) (Bromberg, Majdalani und Taleb 2020).
1. Umverteilung und Management der Wasserressourcen
Ein Schwerpunkt in der Region ist die Zusammenarbeit bei der Suche nach gemeinsamen Lösungen für die lebenswichtige, aber sehr knappe Ressource Wasser. Deren geringe Verfügbarkeit und ungleiche Verteilung birgt Konfliktpotenzial, wenn keine kooperativen Lösungen gefunden werden. EcoPeace ME setzt sich für eine gerechte und nachhaltige Wassernutzung ein und geht davon aus, dass dies zur Konfliktminderung und Friedensförderung beiträgt.
Da Israelis und Palästinenser*innen seit langem über die Aufteilung der knappen natürlichen Wasservorräte streiten, war es schwierig, Mitte der 1990er Jahre in den Verhandlungen zu den Osloer Verträgen eine Einigung über die Aufteilung des knappen natürlichen Wassers zu erzielen. Trotz des Bevölkerungswachstums und der Entwicklung blieb die palästinensische Entnahme von Wasser aus dem »Mountain Aquifer«1 begrenzt, häufig erzwungen durch Israels militärische Kontrolle. Die Wasserknappheit beeinflusste weite Teile des Westjordanlandes, wo der größte Teil des Einzugsgebiets des Mountain Aquifer von Grundwasserverschmutzung bedroht ist und durch unzureichend behandelte Abwässer und unhygienische Mülldeponien beeinträchtigt wird. Da die küstennahe Grundwasserleitung (»Coastal Aquifer«) unter dem Gazastreifen extrem überbeansprucht wurde, sind 96 % des Grundwassers dort nicht mehr trinkbar. Das Eindringen von Meerwasser in den Aquifer und der steigende Salzgehalt beeinträchtigen die Sicherheit des Trinkwassers. Hinzu kommt die Verschmutzung durch die Einleitung der meist ungeklärten Abwässer von 2 Millionen Menschen. Die anhaltende Blockade des Gazastreifens und das Scheitern einer innerpalästinensischen Aussöhnung haben zu der Wasser- und Abwasserkrise geführt, die auch die israelische Wassersicherheit und die nationalen Sicherheitsinteressen stark beeinträchtigt.
Vor 2018 führte das Versäumnis, Kläranlagen im Gazastreifen zu bauen, zu einer täglichen Einleitung von ungeklärten Abwässern ins Mittelmeer (siehe Katz 2021). Da die Verschmutzung mit den Strömungen nach Norden wandert, führte dies zur Schließung einer großen israelischen Entsalzungsanlage in Aschkelon, die etwa 15 % des Trinkwassers liefert. EcoPeace ME machte die Öffentlichkeit darauf aufmerksam und mobilisierte israelische Bürgermeister*innen und Bürger*innen. Durch ihr Engagement bei der Regierung und der internationalen Gemeinschaft wurde Baumaterial für die Fertigstellung von drei modernen Kläranlagen bis 2021 in den Gazastreifen geliefert. Leider wird die vollständige Zerstörung der Wasser- und Abwasserinfrastruktur während des laufenden Krieges das bisher Erreichte wieder zunichte machen.
Die Fortschritte in der Technologie zur Wassergewinnung und -aufbereitung bieten die Möglichkeit, palästinensische Wasserrechte zu erfüllen, ohne die Wasserverfügbarkeit für Israel zu verringern. Diese Innovationen verringern die Ressourcenknappheit durch eine immer weiter entwickelte Entsalzungstechnologie für Trinkwasser (rund 70 % werden in Israel bereits durch Entsalzung gewonnen) und ermöglichen den Anbau der Hälfte der landwirtschaftlichen Erzeugnisse mit wieder aufbereitetem Abwasser. Die Verfügbarkeit großer Mengen an künstlich hergestelltem Wasser, das die natürlichen Wasservorkommen ergänzt, macht eine faire Aufteilung des Wassers zwischen Israel und Palästina möglich. Ein Vorschlag könnte darin bestehen, die Wasserrechte der palästinensischen Seite dadurch zu gewährleisten, dass sie verstärkt Wasser aus dem »Mountain Aquifer« pumpt und so ihren gerechten Anteil aus dem Jordan-Flusssystem erhält (mindestens den erforderlichen Anteil gemäß der WHO-Definition des täglichen Wasserverbrauchs).
Das Wasser-Management könnte durch die Schaffung von Wassermärkten zwischen Israel und Palästina verbessert werden, wobei die Effizienz noch größer wäre, wenn auch Jordanien mit einbezogen würde. Eine Einigung in der Wasserfrage könnte das Leben der Palästinenser*innen erheblich verbessern und ihrer Wirtschaft zugute kommen, da die Verfügbarkeit von Wasser für die landwirtschaftliche Produktion gesichert wäre und die Preise infolge einer solchen Einigung voraussichtlich sinken würden. Im Vergleich zu anderen Themen des israelisch-palästinensischen Konflikts ist Wasser das am wenigsten umstrittene und am ehesten lösbare Thema – ein Grund, weshalb EcoPeace vorschlägt, die Friedensverhandlungen mit Schwerpunkt auf diesem Thema wieder aufzunehmen. Wasser als eines der Kernthemen des Zwei-Staaten-Friedensprozesses voranzubringen, würde dazu beitragen, das notwendige Vertrauen für eine allgemeinere Friedenskonsolidierung zwischen den beiden Parteien wiederherzustellen, da immerhin die Grundbedürfnisse erfüllt würden (Aggestam und Sundell-Eklund 2014).
Unter Berücksichtigung der komplexen Zusammenhänge mit anderen Konfliktthemen (wie Landrechte, Grenzziehungen usw.) würde ein Mittelweg die vereinbarten Wassermengen besser verteilen, um den vollen palästinensischen Wasserrechten gerecht zu werden, und gleichzeitig die israelische Wassersicherheit durch verstärkte Entsalzung zu erhalten. Angesichts der Klimakrise ist der Handlungsbedarf in der Wasserfrage dringender denn je, um eine Bedrohung der nationalen Sicherheit zu vermeiden, während die Lösung des Problems den Klimasicherheitsbedürfnissen beider Völker dient (siehe EcoPeace 2020).
Der Ansatz von EcoPeace für eine gerechte Aufteilung des Wassers zwischen Israel und Palästina betont gleiche Rechte und gleiche Pflichten für die gemeinsame Bewirtschaftung des Wassers. Zu den prioritären Empfehlungen an die israelische, palästinensische und jordanische Regierung gehören: Verhandlungen über Wasserfragen im Hinblick auf ein Wasserabkommen zu führen, die Entwicklung eines Aktionsplans für palästinensische Wasser- und Umweltprojekte zur Lösung dringender Probleme wie Wasserversorgung und Abwasserentsorgung im Gazastreifen und im Westjordanland, sowie die Einrichtung einer gemeinsamen israelisch-palästinensischen Wasserkommission zur Verwaltung aller gemeinsamen Wasserressourcen (Carry 2019; Brooks und Trottier 2010). Vorrangige Empfehlungen an die internationale Gemeinschaft dagegen sind die Erfüllung der Prioritäten für die Klimasicherheit sowie die Schaffung einer Staatenkoalition und einer internationalen Führungsrolle bei der Lösung von Wasserfragen im israelisch-palästinensischen Konflikt im Rahmen einer Zweistaatenlösung und auf der Grundlage international vereinbarter Parameter.
Karte der geteilten Wasseradern und ihrer Einzugsgebiete in Israel/Palästina und Jordanien.
Quelle: Fanack Water 2023 (water.fanack.com).
EcoPeace ME hat in den vergangenen zwei Jahren mit einer Gruppe palästinensischer und israelischer Wissenschaftler*innen unter der Leitung des Stockholmer Umweltinstituts zusammengearbeitet, um das Mehrjahres-Wasserzuteilungssystem (Multi Year Water Allocation System – MYWAS) zu verbessern. Es soll auch Wirtschaftssimulationen erstellen, die Win-Win-Szenarien für die Zuteilung von Wasserressourcen zwischen Palästinensern und Israelis sowie kooperative Wassermanagementansätze formulieren könnten. Als laufendes Forschungsprojekt werden die Ergebnisse des Wirtschaftsmodells (hoffentlich im kommenden Jahr) Daten und Nachweise für die Formulierung von politischen Empfehlungen für die Zusammenarbeit und die Priorisierung von Wasserfragen bei der Lösung des Konflikts liefern. Die wissenschaftliche Zusammenarbeit selbst in den schlimmsten Kriegszeiten hat bewiesen, dass es ein hohes Engagement für die Zusammenarbeit zum Wohle der Allgemeinheit und für eine gemeinsame Zukunft gibt.
2. Sanierung des Jordan
Das im global bedeutenden Großen Grabenbruch gelegene Jordantal ist einzigartig in seinem natürlichen und kulturellen Reichtum, ist aber bedroht durch übermäßige Wasserverschmutzung und -umleitung sowie durch die Einleitung großer Mengen ungeklärter Abwässer. In den letzten 50 Jahren ist die jährliche Wassermenge des Jordans von mehr als 1,3 Mrd. Kubikmetern pro Jahr auf weniger als 30 Mio. Kubikmeter gesunken. Israel, Jordanien und Syrien entnehmen jeweils so viel sauberes Wasser wie möglich und haben das Wasser flussaufwärts für häusliche und landwirtschaftliche Zwecke abgezweigt, so dass der Fluss fast kein Süßwasser mehr führt, sondern hauptsächlich Abwässer, die sein einst blühendes Ökosystem bedrohen. Neben der Flora und Fauna entlang des Flusses ist das Jordantal eine der wichtigsten Kreuzungen der Welt für rund 500 Mio. Zugvögel. Ein großer Teil des Flusses ist eine militärische Sperrzone und für die Öffentlichkeit nicht zugänglich.
Als Reaktion auf die jahrelangen Bemühungen von EcoPeace ME ergreifen die nationalen Regierungen und Gemeinden erste Maßnahmen, um zumindest das Einleiten von Abwässern in den Fluss zu verhindern. In jordanischen, israelischen und palästinensischen Gemeinden werden derzeit neue Kläranlagen gebaut, oft mit finanzieller Unterstützung der internationalen Gemeinschaft. Im Jahr 2013 leitete die israelische Wasserbehörde sauberes Wasser in den Fluss ein, wobei sie 9 Mio. Kubikmeter zuwies und sich verpflichtete, in naher Zukunft 30 Mio. Kubikmeter pro Jahr zu liefern, was jedoch weit hinter den 400 Mio. Kubikmetern pro Jahr zurückblieb, die zur ökologischen Sanierung des Flusses und zur Maximierung seines wirtschaftlichen Nutzens erforderlich wären. Im Jahr 2015 veröffentlichte EcoPeace ME den ersten regionalen NRO-Masterplan für die nachhaltige Entwicklung des Jordantals, der auf wissenschaftlich fundierten und wirtschaftlich umsetzbaren Empfehlungen beruht und zu einer Blaupause für die Wiederbelebung des Flusses werden könnte. Nach erfolgreicher Lobbyarbeit unterzeichneten die jordanische und die israelische Regierung immerhin im Jahr 2022 eine Absichtserklärung zur Sanierung des Jordans (siehe Surkes 2022).
EcoPeace ME setzt sich zusätzlich für die Einrichtung eines regionalen Treuhandfonds ein, um die zur Verwirklichung dieser Vision notwendigen Projekte vor Ort umzusetzen. Besonderes Augenmerk gilt dabei jordanischen Gemeinden, um deren Wirtschaft anzukurbeln, sowie dem Gebiet C auf der palästinensischen westlichen Seite des Jordantals. Es geht darum, Mechanismen zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit von Gemeinden zu schaffen, die von Vertreibung und Siedlungsausbau bedroht sind. EcoPeace ME war auch in der Lobbyarbeit und in der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft aktiv, um nationale und regionale Initiativen für eine klimafreundliche Landwirtschaft voranzutreiben.
3. Wasser-Energie-Nexus
EcoPeace ME setzt sich seit langem für einen regionalen Wasser-Energie-Nexus (WEN) zwischen Jordanien, Israel und Palästina ein, der ein Vorzeigeprojekt für die Anpassung an den Klimawandel und dessen Abschwächung darstellt und eine Säule des vorgeschlagenen »Green Blue Deal« für den Nahen Osten ist. Ein Ziel ist die Schaffung gesunder und nachhaltiger regionaler Interdependenzen auf der Grundlage eines integrierten Wasser- und Energiehandels, wobei Israel und Palästina entsalztes Wasser und Jordanien erneuerbare Energie produzieren würden. Die potenziellen Auswirkungen gehen über Jordanien und Israel hinaus und umfassen auch Palästina und andere Länder wie den Libanon, Ägypten/Sinai, Saudi-Arabien, Teile Syriens und des Irak, deren Küsten und Wüstengebiete zum Portfolio eines potenziellen WEN-Netzes im gesamten Nahen Osten beitragen könnten.
Neue Technologien für die Wasserversorgung (wie die Wiederverwendung von Abwässern aus der Landwirtschaft und die Meerwasserentsalzung, siehe oben) haben den Wassersektor revolutioniert und Israels Wasserwirtschaft in den letzten zehn Jahren von jährlich 2 auf über 3 Mrd. Kubikmeter gesteigert. Die zusätzliche Verfügbarkeit von Wasser ist von erheblicher Bedeutung für den Friedensprozess im Nahen Osten und erleichtert eine Einigung über die gemeinsamen natürlichen Wasservorkommen zwischen Israel und Palästina. Kurzfristig wird die Wasserversorgung durch die Nutzung von Erdgas für den Betrieb von Entsalzungsanlagen sichergestellt, längerfristig kann dies jedoch durch umfangreiche Investitionen in Solarenergie in Jordanien ersetzt werden, dem wichtigsten Land in der Levante mit den erforderlichen Landflächen für eine groß angelegte Solarenergieproduktion und Solarparks.
Im November 2021 unterzeichneten die Vereinigten Arabischen Emirate, Israel und Jordanien ein von den Vereinigten Staaten vermitteltes Abkommen über den Austausch von Wasser und Energie, was einen bedeutenden Durchbruch für die Lobbyarbeit von EcoPeace ME darstellte. Leider war Palästina nicht Teil des Abkommens, wie es EcoPeace ME in seiner 2017 mit Unterstützung der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung erstellten Machbarkeitsstudie vorgeschlagen hatte (siehe Katz und Shafran 2017). EcoPeace ME setzt sich weiterhin dafür ein, dass Palästina mehr denn je in den Diskurs über eine Vision für den Tag nach dem Krieg mit einbezogen wird. Der Wasser-Energie-Nexus steht im Mittelpunkt der aktuellen EcoPeace-Vision für ein »Friedensdreieck« der regionalen Integration zwischen Palästina, Israel und Jordanien, in dem die Wiederaufbaubemühungen im Gazastreifen mit wichtigen Katalysatorprojekten in den Bereichen Wasser und Energie verknüpft sind, die für die Klimaresilienz-, Friedens- und Stabilitätsagenda des Nahen Ostens notwendig sind und die – durch den Export erneuerbarer Energien – gleichermaßen dem Interesse Europas an der Erfüllung der Verpflichtungen des Pariser Abkommens und von REPower EU dienen könnten.2
EcoPeace ME setzt sich für das Friedensdreieck und die vorgeschlagenen Katalysatorprojekte in den Bereichen Meerwasserentsalzung, erneuerbare Energieerzeugung, nachhaltiger Transport und Handelsverbindungen ein. Die für diese Projekte erforderlichen Investitionen sollen auf ihre Durchführbarkeit und künftige Umsetzung hin untersucht werden.
4. Bildung für Frieden und Nachhaltigkeit
Gleichzeitig versucht EcoPeace ME, eine umweltfreundliche Politik zu fördern und durch öffentliche Aufklärung ein Umfeld zu schaffen, das den Dialog zwischen den politischen Akteuren erleichtert, Spannungen abbaut und grenzüberschreitende Vereinbarungen unterstützt. Persönliche Treffen dienen als Brücke, um Hindernisse für eine gemeinsame Wasserbewirtschaftung zu überwinden und Vertrauen zwischen Gemeinschaften im Konflikt aufzubauen. Erfolgsfaktoren sind professionelle Beziehungen zwischen den lokalen Projektbeteiligten in kommunalen Strukturen und Gemeinden, Investitionen, um die Herausforderungen in der Wasser-Kooperation zu lösen, und die Verknüpfung ökologischer und wirtschaftlicher Interessen, von der Landwirtschaft bis zum Tourismus.
Dazu gehört das Projekt Good Water Neighbors (GWN), das 2001 ins Leben gerufen wurde, um das Bewusstsein für die gemeinsame Wasserversorgung in Jordanien, Palästina und Israel zu schärfen und den politischen Willen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen Gemeinden in den Bereichen Wasser und Abwasser zu stärken (siehe EcoPeace 2012). Unabhängig von politischen Grenzen fördert GWN das Verständnis und das Vertrauen zwischen benachbarten Gemeinden, zum Beispiel durch gemeinsame Müllsammelkampagnen, Umweltbildungsworkshops und Infrastrukturprojekte. Die Schwerpunkte liegen auf lokalen Maßnahmen wie Umweltbildung mit jungen Menschen, Entwicklungshilfe für Gemeinden und der miteinander koordinierten Einrichtung von Infrastruktur und Schutzgebieten.
EcoPeace ME hat das GWN-Wasserdiplomatie-Programm entwickelt, um junge Jordanier*innen, Palästinenser*innen und Israelis für ihre Wassersituation zu sensibilisieren und ihnen die Mittel, Möglichkeiten und Ermutigung an die Hand zu geben, in ihrem eigenen Namen zu handeln und die Sicherheit ihres Wassers für die Zukunft zu schützen. Es werden spezielle Programme für Schüler*innen und Studierende, junge Führungskräfte und »Green Social Entrepreneurs« (»grüne« Sozialunternehmer*innen) entwickelt. Das neue ShaRed-Sea-Programm fördert Advocacy, Aktivismus und Koalitionen, um ein abfall- und plastikfreies Rotes Meer zu erreichen und so die Schäden und die zunehmenden Risiken für das Meeresleben und die biologische Vielfalt in einem der weltweit einzigartigsten Ökosysteme für Korallen und Meereslebewesen zu verringern.
Anstrengungen auf der höchsten politischen Ebene
Trotz einiger Erfolge bei der Bewältigung akuter Umweltsicherheitsprobleme und der Stärkung der Widerstandsfähigkeit kooperierender Gemeinschaften agieren zivilgesellschaftliche Initiativen wie EcoPeace ME innerhalb der politischen Machtverhältnisse und Besatzungsstrukturen, die für Konflikte und wasserbezogene Probleme in der Region verantwortlich sind. Top-down- und Bottom-up-Ansätze greifen ineinander und beinhalten praktische Ansätze, um für die Zusammenarbeit und verbesserte Voraussetzungen für Klimaresilienz in der Region zu werben.
Es bedarf ebenso hochrangiger Bemühungen, um das »Friedensdreieck« in den neuen Wirtschaftskorridor »Indien-Mittlerer Osten-Europa« (IMEC) einzubinden, der auf dem G20-Gipfel in Neu-Delhi im September 2023 beschlossen wurde. Diese politisch-wirtschaftliche Koalition könnte dazu beitragen, den zum Frieden notwendigen politischen Willen innerhalb und außerhalb der Region aufzubringen, unter Einbezug internationaler Finanzinstitutionen, möglicherweise einschließlich eines Mechanismus, der einem »Golf-Marshall-Plan« für Palästina ähnelt. Die Zusammenarbeit kann den Rahmen für Frieden und Klimasicherheit für alle schaffen:
- durch die Änderung von Denkweisen, die zu Konflikten geführt haben,
- durch die Förderung »gesunder« Interdependenzen rund um geteilte natürlichen Ressourcen,
- durch die Entwicklung gegenseitiger wirtschaftlicher Unterstützung auf der Grundlage einer gesünderen und stärkeren Umwelt,
- durch das Vorantreiben der Zweistaatenlösung im israelisch-palästinensischen Konflikt.
Als EcoPeace ME sehen wir die Notwendigkeit, führende Vertreter*innen ausgewählter Regierungen in eine »Koalition der Willigen« einzubinden, um die Umsetzung eines Green Blue Deal für den Nahen Osten zu unterstützen. Es muss jedoch ein erheblicher Druck von Seiten der Bevölkerung ausgeübt werden: Ohne die Menschen in Israel, Palästina und Jordanien, die von ihren Staatsoberhäuptern verlangen, den GBD zu unterstützen und die politischen Empfehlungen des Abkommens umzusetzen, wird es höchstwahrscheinlich keine Bewegung in dieser Hinsicht geben. Da der GBD viele Konfliktbereiche berührt, wäre es hilfreich, wenn lokale Umwelt-, Friedens- oder Glaubensorganisationen den GBD aus ihrer jeweiligen Fachposition heraus aktiv unterstützen würden.
Jetzt dringender denn je
Angesichts des eskalierenden Konflikts mit zahlreichen Todesopfern und schwerwiegenden Folgen für die Umwelt geraten auch die friedensfördernden Maßnahmen im Umweltbereich immer mehr in die Krise. Langfristige Umweltkooperationen zur Bewältigung gemeinsamer Probleme, für den Abbau von Spannungen und die Friedensförderung sind nach wie vor dringend erforderlich. Wir sind davon überzeugt, dass Advocacy-Projekte wie EcoPeace ME das Potenzial haben, in der gesamten Region Wirkung zu entfalten und als Inspiration für andere zu dienen. Wir sind weiterhin der festen Überzeugung, dass Frieden, Klimasicherheit und Nachhaltigkeit zusammengehören und dass sich dabei Synergien für die Bewältigung der dringendsten Probleme ergeben.
EcoPeace ME kann auf eine eindrucksvolle Erfolgsbilanz zurückblicken und hat in den letzten drei Jahrzehnten zahlreiche Eskalationen überstanden. Die Lobbyarbeit von EcoPeace ME hat Wasser- und Abwasserprojekte im Wert von mehr als einer halben Milliarde US$ in Palästina und Jordanien auf den Weg gebracht und trotz der schwankenden und sich verschlechternden politischen und sicherheitspolitischen Lage professionelle Netzwerke von Fachleuten und Interessenvertreter*innen auf allen Seiten geschaffen – und erhalten. Der derzeitige Krieg im Gazastreifen, der in seinem Ausmaß einzigartig ist, hat alle in der Region unter massiven Schock gesetzt. Er hat das Vertrauen in den Frieden und den Glauben daran geschwächt, dass es auf allen Seiten einen Partner für den Frieden gibt. Die EcoPeace-Teams in Ramallah, Tel Aviv und Amman mussten in den ersten Monaten des tragischen Krieges gemeinsam einen Heilungsprozess durchlaufen. Mit Unterstützung verschiedener Geber und der deutschen Stiftung Agiamondo durchlief das EcoPeace-Team eine Reihe von Achtsamkeitssitzungen, um die Beziehungen wiederherzustellen und die Bande des Teams zu stärken. Das Ziel dabei: Gemeinsam zu bekräftigen, dass der Status quo abgelehnt wird und dass alle Menschen in der Region im selben Boot sitzen. Die Bewältigung der humanitären Krise und der unmittelbare Nothilfebedarfe des Gazastreifens stehen nun im Mittelpunkt der gemeinsamen Arbeit von EcoPeace ME.
Die Aktualität für den politischen Moment zu haben, ist der Schlüssel zum Überleben von EcoPeace ME in den letzten 30 Jahren gewesen. Dies hat dazu beigetragen, bei nationalen und internationalen Partnern Glaubwürdigkeit zu gewinnen. Die daraus in den letzten Jahren entstandenen Verbindungen sollten daher auf keinen Fall und unter keinem Vorwand zerbrochen werden, sondern müssen vielmehr weiter gefestigt werden, da sie mehr denn je benötigt werden.
Anmerkungen
1) Der »Mountain Aquifer« (Berg-Wasserader) ist die wichtigste Grundwasserquelle in der Region. Er erstreckt sich hauptsächlich über das zentrale Gebiet des Westjordanlandes, wo er seine Haupteinzugsgebiete hat, und erstreckt sich jenseits der Grünen Linie in einem breiten Streifen durch Israel. Mehr als 80 % des Wassers des Aquifers wird von Israel kontrolliert, der Rest steht unter palästinensischer Kontrolle und Nutzung (siehe Shewring 2024).
2) REPowerEU ist eine Initiative der Europäischen Kommission, die im Mai 2022 als Reaktion auf die durch den Krieg zwischen Russland und der Ukraine verursachte Erdgaskrise gestartet wurde. Ziel ist es, die Energiequellen zu diversifizieren und stärker auf saubere, nachhaltige Energie zu setzen. Die Vision von EcoPeace ME für den Wiederaufbau des Gazastreifens besteht darin, eine Energieexportleitung einzurichten, die der Vision von REPowerEU und dem EuroAsia-Interconnector-Projekt entspricht, ähnlich der geplanten Leitung zwischen Ägypten, Zypern und Griechenland und der anderen geplanten Leitung zwischen Israel (vom Hafen Haifa) und Zypern.
Literatur
Aggestam, K., Sundell-Eklund, A. (2014): Situating Water in Peacebuilding: Revisiting the Middle East Peace Process. Water International 39(1), pp. 10-22.
Bromberg, G., Majdalani, N., Taleb, Y. A. (2020): A Green Blue Deal for the Middle East. EcoPeace Middle East.
Brooks, D. B.; Trottier, J. (2010): A modern agreement to share water between Israelis and Palestinians: The FoEME proposal. EcoPeace/Friends of the Earth Middle East.
Carry, I. (Ed.) (2019): Climate Change, Water Security, and National Security for Jordan, Palestine, and Israel. Report EcoPeace Middle East.
EcoPeace (2012): Community Based Problem Solving on Water Issues: Cross-Border Priority Initiatives of the Good Water Neighbors Project. EcoPeace Middle East.
EcoPeace (2020): The Climate Crisis and the Changing Security Environments of the Middle East. Report produced of a simulation project including Palestinian, Jordanian and Israeli experts. Final Insights Report, EcoPeace Middle East.
Grzybowski, A.; Hunnie, C. (2021): Mediating Peace with Climate Change. Integrating Mitigation and Adaptation Strategies into Peace Processes. Pacific Resolutions, June 2021.
Harari, N.; Roseman, J. (2008): Environmental Peacebuilding, Theory and Practice. A Case Study of the Good Water Neighbours Project and In Depth Analysis of the Wadi Fukin / Tzur Hadassah Communities. Report EcoPeace / Friends of the Earth Middle East, January 2008.
Katz, David and Shafran, Arkady (Eds.) (2017): Water Energy Nexus. A Prefeasibility Study for Mid-East Water-Renewable Energy Exchanges. EcoPeace Middle East / Konrad-Adenauer-Stiftung. Amman, Jordan.
Katz, D. (2021): Desalination and hydrodiplomacy: Refreshening transboundary water negotiations or adding salt to the wounds? Environmental Science & Policy 116, pp. 171-180.
Shewring, E. (2024): Hydropolitics in the Middle East. MITVIM Working Paper, May 2024.
Surkes, S. (2022): Israel and Jordan pen agreement to clean up Jordan River. Times of Israel, 17.11.2022.
Nada Majdalani ist die Direktorin für Palästina von EcoPeace Middle East (ecopeaceme.org). Sie hat einen MSc-Abschluss in »Environmental Assessment and Management« von der Oxford Brookes University (UK) und war in führenden technischen Positionen bei mehreren internationalen Organisationen im Bereich der Infrastrukturentwicklung tätig.
Dr. Jürgen Scheffran ist Professor (em.) für Integrative Geographie, Leiter der Forschungsgruppe Klimawandel und Sicherheit (CLISEC) an der Universität Hamburg und Mitglied der W&F-Redaktion.
Aus dem Englischen übersetzt von David Scheuing.

