W&F 1985/5

Weigerung

von Redaktion

Vor wenigen Monaten schrieben 350 Wissenschaftler und Techniker von Max- Planck- Instituten im Raum München einen Offenen Brief an Bundeskanzler Helmut Kohl. Sie erklärten: „Wir lehnen die Mitarbeit am SDI-Projekt ab“. Sie orientierten sich dabei am Beispiel vieler amerikanischer Kollegen, die ebenfalls die Mitarbeit am SDI-Projekt verweigern. In den USA haben bisher fast 3000 Wissenschaftler eine Petition gegen die star wars- Forschung unterzeichnet. Darunter befanden sich mehr als 500 Forscher der Cornell- University in Ithaca, NY.

380 Berliner Wissenschaftler und Techniker haben diese Initiative aufgegriffen und sich ebenfalls an den Bundeskanzler gewandt. Die Unterzeichner des Briefes sind Mitarbeiter des Hahn- Meitner- Instituts, der naturwissenschaftlichen Fachbereiche an der Freien Universität und an der Technischen Universität sowie des Fritz- Haber-Instituts. 315 bei DESY Hamburg tätige Wissenschaftler haben sich gegen eine deutsche Beteiligung am SDI-Projekt ausgesprochen. Das Deutsche Elektronen Synchrotron ist ein Großforschungszentrum, in dem mit Beschleunigern und Speicherringen hochenergetische Teilchenstrahlen für Experimente zur Erforschung der Struktur der Materie erzeugt werden. Im DESY ist bislang keine militärische Forschung betrieben worden. 78 Angehörige der Bundeswehr- Hochschule in Hamburg wandten sich gegen eine bundesdeutsche Beteiligung an SDI. 20 Berliner Physiker und Chemiker haben, neben einem Appell an die verantwortlichen Politiker, eine Verpflichtungserklärung - in Analogie zum hippokratischen Eid der Ärzte - unterzeichnet, die folgenden Wortlaut hat:

„Ich anerkenne, daß mir aus meiner Vorbildung und Tätigkeit als Naturwissenschaftler, Ingenieur oder Techniker eine besondere Verantwortung gegenüber der menschlichen Gesellschaft und der Umwelt erwächst.

Ich werde - selbst unter Bedrohung - meine Kenntnisse nicht im Widerspruch zu den Gesetzen der Menschlichkeit anwenden.

Ich verpflichte mich, einer Nutzung naturwissenschaftlicher Ideen, Erkenntnisse und Entdeckungen, die zur Schädigung oder gar Vernichtung menschlichen Lebens oder zur lebensfeindlichen Störung natürlicher Gleichgewichte beitragen könnten, entgegenzuwirken. Insbesondere verpflichte ich mich, weder ab der Forschung und Entwicklung noch an der Herstellung, Erprobung und dem Einsatz nuklearer, biologischer, chemischer und anderer Massenvernichtungswaffen mitzuarbeiten.

Kollegen, die in Einhaltung dieser Verpflichtung in berufliche Schwierigkeiten geraten, werde ich über einen entsprechenden Hilfsfonds unterstützen.“

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1985/5 1985-5, Seite