Weitere Eskalation mit Iran vermeiden
von Kathrin Vogler
Noch ist es ein Krieg der Wörter. Trump drohte im Mai: „Wenn der Iran kämpfen will, wird das das offizielle Ende des Iran sein.“ Irans Präsident Rohani warnte den US-Präsidenten kürzlich vor der „Mutter aller Kriege“.
Erleben wir gerade das dramatische Scheitern aller hoffnungsvollen Bestrebungen, den Iran als Verhandlungspartner zu halten und das Pulverfass Mittlerer Osten zu entschärfen? Es ist bekannt, dass der Iran auf der US-amerikanischen Regime-Change-Agenda seit den 1980er Jahren ganz oben steht. Aus dieser Perspektive hatte das Iran-Abkommen (Joint Comprehensive Plan of Action) den Nebeneffekt, einer drohenden US-Intervention vorzubeugen. Aber die Multilateralismus-Aversion der Trump-Regierung ließ sich auf diesem Weg nicht einhegen. Außenminister Mike Pompeo, der gerade für eine weltweite Kriegskoalition gegen den Iran wirbt, bezeichnete den JCPoA schon 2015 als „skrupellose Vereinbarung“; sie sei „keine Außenpolitik, sondern eine Kapitulation“.
Jetzt schlägt sich der neue britische Premierminister Boris Johnson auf die Seite der USA und will die Militäraktion »Sentinel« in der Straße von Hormus mit eigenen Kriegsschiffen unterstützen. Dies hat primär wirtschaftspolitische Gründe: Ein Post-Brexit-Großbritannien wird noch mehr als bisher auf gute Handelsbeziehungen mit den USA angewiesen sein. Zugleich zerreißt Johnson damit aber das europäische Bündnis, das sich für das Zustandekommen des JCPoA eingesetzt hatte. Nach jahrelangen Verhandlungen verpflichtete sich der Iran 2015, alles Nuklearmaterial im Land ausschließlich zu friedlichen Zwecken zu verwenden und nichts zu tun, was dieser Vereinbarung zuwider laufen könnte. Im Gegenzug sollten die Sanktionen gegen den Iran nach und nach aufgehoben werden. Bis Ende 2018 erstellte die IAEA zwölf Quartalsberichte über ihr „weltweit robustestes“ Monitoring und bestätigte, dass der Iran sich an die JCPoA-Vereinbarungen hielt.
Seit die Trump-Regierung im Mai 2018 den JCPoA kündigte und ihre Iran-Sanktionen wieder verschärfte, brach die Wirtschaft im Iran drastisch ein. Das führt zu innenpolitischen Verwerfungen, die die radikalen Kräfte im Iran stärken und die Position des immer noch verhandlungsbereiten Rohani schwächen. Durch den Verfall des Rial werden lebenswichtige Medikamente knapp, sogar Betäubungsmittel für Operationen fehlen. Die Bevölkerung leidet unter Wassermangel, Stromausfällen, überteuerten Lebensmitteln und wachsender Korruption. Der Iran steht kurz vor der Implosion. Inzwischen hat die iranische Atomindustrie nach eigenen Angaben wieder begonnen, Uran über das JCPoA-Limit von 3,67 Prozent hinaus anzureichern.
Umso frustrierender ist die Schockstarre, mit der die Bundesregierung auf die Trump‘sche Kriegshetze und dessen Strategie des »maximalen Drucks« reagiert. Sie hatte für den JCPoA als wichtiges Instrument der Rüstungskontrolle und Krisenbewältigung im Mittleren Osten geworben und erklärt bis heute, daran festhalten zu wollen. Aber es fehlt die Bereitschaft, den USA mit klaren Worten und Taten in die Parade zu fahren, zum Beispiel durch die längst überfällige Implementierung der Zweckgesellschaft INSTEX zur Aufrechterhaltung des Geld- und Warenhandels zwischen europäischen Unternehmen und dem Iran. Auch wären deutliche Ansagen nötig, dass im Kriegsfall die US-militärische Infrastruktur in Deutschland, insbesondere die Air Base Ramstein, nicht für Einsätze gegen den Iran genutzt werden darf und der deutsche Luftraum für US-Militärflüge Richtung Iran gesperrt wird. Trump selbst müsste mit maximalem Druck dazu gebracht werden, seine Suche nach einem Kriegsanlass und die verheerende Sanktionspolitik gegen den Iran einzustellen, damit Rohani wieder an den Verhandlungstisch zurückkehrt und der JCPoA gerettet werden kann. Befremdlich ist, dass diese Option im politischen Diskurs kaum noch ein Thema ist. Stattdessen fordert Außenminister Maas jetzt eine europäische Beobachtermission zum Schutz der Handelsschiffe im Persischen Golf. Damit wäre die EU, bisher federführend für das Iran-Abkommen, als Friedensstifterin diskreditiert; ein Militäreinsatz vor der iranischen Küste würde die ohnehin völlig überrüstete Region noch näher an den Rand eines Krieges bringen.
Es gibt nur einen wirksamen Schutz für die Handelsschiffe im Golf und für die Bevölkerung im Mittleren Osten: die Wiederaufnahme politischer Verhandlungen und Frieden. Dazu bekennt sich u.a. der Verband Deutscher Reeder, der gerade an die Bundesregierung appelliert: „Bitte alles vermeiden, was zu einer weiteren Eskalation führt, das hilft keinem.“
Kathrin Vogler, MdB, ist Friedenspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und Obfrau im Unterausschuss Zivile Krisenprävention.