• Archiv
  • Alle Ausgaben
  • 1985/5
  • Artikel: „Wir fanden nichts, wofür Sternenkrieg nützlich sein könnte…“
W&F 1985/5

„Wir fanden nichts, wofür Sternenkrieg nützlich sein könnte…“

Auszüge eines Interviews mit Robert M. Bowman, Direktor des Institute for Space and Security Studies, Maryland (USA)

von Robert M. Bowman und Redaktion

Robert Bowman blickt auf eine zweiundzwanzigjährige Karriere in der US-Luftwaffe zurück. Zeitweilig Professor am Air Force Institute of Technology in Dayton, Ohio, leitete er schließlich die Raumforschungsprogramme der Luftwaffe und der DARPA (Defense Advance Research Programs Agency) zwischen 1976 und 1978. Wenn er über Weltraumwaffen spricht, weiß er, wovon er redet. Nach einem Intermezzo in der Industrie gründete Bowmann 1982 das ISSS, um wirkungsvoller gegen „star-wars“ auftreten zu können…

Mr. Bowmann, können Sie uns etwas über die Geschichte von Star-Wars sagen, die ja nicht mit der Reagan-Rede im Jan. 1983 beginnt?

Meine Aufmerksamkeit gegenüber den Star-Wars-Aktivitäten begann in der Zeit zwischen der Wahl Reagans und seinem Amtsantritt. Es gab in dieser Übergangsperiode Teams, die versuchen sollten, die Politik für die neue Administration zu entwickeln. Diese informellen Gruppen wurden durch den extrem rechten Flügel dominiert und es wurde nach einer Weile deutlich, daß moderate Positionen nicht akzeptiert wurden. Einbezogen in diese Teams war z. B. General Graham, der die „high-frontier-group“ vertrat Im Laufe des Jahres 1980 war klargeworden daß substantielle Änderungen in der Politik der Regierung vorgenommen werden sollten, Änderungen bezüglich der Rüstungskontrollpolitik, bezüglich kooperativer Programme mit der UdSSR usw. Wesentlich auch eine Wende in der Weltraumpolitik. Die Aktivitäten stiegen signifikant Zur Zeit der Reagan Rede sah der 5-Jahres-Plan bereits 15 Mrd. Dollar für die SDI-Forschung vor, Die Star- Wars- Rede bot ein anderes Bild, eine andere Begründung, aber sie bekräftigte nur den Drang nach militärischer Überlegenheit, die in der Wahlplattform der Republikaner 1980 versprochen worden war.

Wofür ist das Star-Wars-Programm gut?

Als ich Direktor der ABM-Forschungen war, fanden wir nichts, wofür es gut sein könnte. Mit einer Ausnahme: In den Händen eines Aggressors könnte ein solches System einen Schutz bieten gegenüber der dann reduzierten Vernichtungskapazität Ich selber glaube nicht, daß diese Möglichkeit wahrscheinlich ist aber sie reicht aus, um beide Seiten zu beunruhigen.

Der kurzfristige militärische Nutzen von Star Wars liegt in der Möglichkeit, Satelliten anzugreifen und auszuschalten, Interkontinentalraketen abzufangen, dürfte viel schwieriger sein…

Würde SDI die USA in die Lage versetzen, einen Erstschlag zu führen?

Nein. Die UdSSR hätte genug Gegenmittel. Aber entscheidend ist – ob es funktioniert oder nicht – daß ein Raketenabwehrsystem die Sowjetunion beunruhigt und von ihr als Bedrohung empfunden wird. Dies vor allem, weil die Fähigkeit, einen Zweitschlag abzuwehren, wesentlich glaubwürdiger ist als ein Schatz vor dem Erstschlag.

Ich habe Grund anzunehmen, daß Schutz vor einem massiven Erstschlag unmöglich ist; weniger unmöglich ist eine Abwehr eines Vergeltungszweitschlags; nicht fraglich und relativ leicht ist es, mit den angestrebten Systemen eine offensive Rolle im Weltraum zu spielen, diesen zu kontrollieren.

Wie sehen Sie die Beziehung zwischen dem Sternenkrieg- Konzept und den neuen amerikanischen Mittelstreckenraketen in Europa?

Die Pershing II scheint geeignet, um gehärtete militärische Ziele, wie gegnerische Kommandozentralen zu vernichten; Ziele, die schnell ausgeschaltet werden müssen damit die Sowjetunion nicht mehr in de; Lage wäre, einen Vergeltungsschlag anzuordnen und durchzufahren. Ich bin mir nicht sicher, wie glaubhaft eine solche Drohung ist, aber sie hat die UdSSR außerordentlich beängstigt

Für einen Erstschlag wäre jedoch erforderlich eine Kombination von

  • erstens Interkontinentalraketen mit erheblicher Zerstörungskraft,
  • zweitens den Raketen mit kurzer Anflugzeit und der Fähigkeit, gehärtete Ziele zu vernichten („hard-target-killer“)
  • und drittens Anti- Satelliten- und Raketenabwehrsysteme.

Als Pakt können MX, Trident, Pershings und Star Wars der Sowjetunion gegenüber Erstschlagfähigkeit präsentieren. Ich kenne nicht viele Militärs, die glauben, daß die USA eine Erstschlagsstrategie haben sollten; aber es gibt Leute in den USA, die offen gesagt haben, daß wir die Möglichkeit einer solchen Drohung haben sollten. Die Konservativen sind nicht zufrieden mit dem nuklearen Patt, sie wollen militärische Überlegenheit, um dadurch das sowjetische Verhalten in der Weltpolitik ändern zu können.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1985/5 1985-5, Seite