Zivilklausel in Bewegung
Arbeitstreffen »6 Jahre aktuelle Zivilklausel«, 24./25. Januar 2015, AStA TU Berlin
von Lucas Wirl
Gut sechs Jahre, nachdem Dr. Subrata Ghoshroy vom Massachussetts Institute of Technology (MIT) in einem voll besetzten Hörsaal an der Universität Karlsruhe über Rüstungsforschung in den USA und die große Abhängigkeit vieler US-Universitäten von Geldern des Pentagon referierte, zog die Zivilklauselbewegung Bilanz über ihre Arbeit, über Erfolge, Niederlage und Probleme. An dem Arbeitstreffen nahmen ca. 60 Aktive aus 26 Hochschulen, von GEW und ver.di sowie aus friedensbewegten Organisationen teil.
Auf den ersten Blick spricht die Bilanz für ein Erstarken der Zivilklauselbewegung: Es wurden seit besagtem Abend im Dezember 2009 an der Universität Karlsruhe sechs Urabstimmungen über die Einführung von Zivilklauseln an Hochschulen durchgeführt, 21 Hochschulen haben inzwischen eine Zivilklausel, und an über 50 Hochschulstandorten gibt es aktive Gruppen und Einzelpersonen. Dazu kommen viele GewerkschaftlerInnen der GEW und von ver.di, ebenso zahlreiche ProfessorInnen und DoktorantInnen, die sich intensiv für die Einführung einer Zivilklausel einsetzen. Durch diese dezentralen Gruppen, die bundesweit in der Initiative »Hochschulen für den Frieden – Ja zur Zivilklausel« zusammengeschlossen sind und sich landesweit verstärkt vernetzen (z.B. in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Thüringen) wurde Rüstungsforschung delegitimiert und der Begriff an sich zu einem negativ besetzten, zu einem »dirty word«. Das ist eine Erfolgsstory.
Dennoch wird eine Zunahme von Rüstungsforschung verzeichnet – auch an Hochschulen, die eine Zivilklausel eingeführt haben. Dies bestätigten erneut die Offenlegungen der Süddeutschen Zeitung und des Norddeutschen Rundfunks im November 2013 zu Pentagon-finanzierter Forschung an deutschen Hochschulen. Die »alten« Reflexe zur Rechtfertigung dieser Forschung funktionieren nach wie vor: Grundlagenforschung, Dual-use, Sicherheits- bzw. Friedensverteidigungsforschung, Freiheit der Wissenschaft… Allerdings wachsen die Widerstände gegen diese Argumente, gerade unter dem Eindruck der sich ausweitenden Ökonomisierung der Hochschulen und der Wissenschaft.
Herausforderungen für die Zivilklauselbewegung ergeben sich vor allem aus ihrem Erfolg: Wie können Zivilklauseln an Hochschulen operationalisiert und verankert werden? Papier ist geduldig und Bürokratie behäbig. Eine Zivilklausel muss gelebt werden, z.B. durch die Aufnahme in Lehrpläne und ins Selbstverständnis der Universität und ihrer Angehörigen, durch Veranstaltungen, Diskussionen und Diskurse – auch um Krieg und Frieden – sowie die Schaffung von Stellen und Kommissionen in der Hochschulstruktur. Dazu gehört auch das Aufdecken, Thematisieren und der Umgang mit Verstößen gegen eine Zivilklausel. Transparenz ist dafür Grundbedingung; eine objektivierbare Zahl der jährlichen Rüstungsforschungsausgaben an deutschen Hochschulen ist unbedingt einzufordern. Die Bundesregierung hingegen verschleiert ihre Fördermittel unter dem Vorwand des Geheimschutzes.
Auch die erfolgreiche Aufnahme von Zivilklauseln in Landeshochschulgesetze birgt Herausforderungen: Wie können auf dieser Basis weitere Zivilklauseln in der Grundordnung von Hochschulen verankert werden, und wie lässt sich eine Operationalisierung von Zivilklauseln auf Landesebene bewerkstelligen? Erste Diskussionen dazu werden geführt.
Auf dem Arbeitstreffen wurde die Zivilklausel als ein Mittel im »Kampf um die Köpfe« an Hochschulen verortet. Breite Bündnisse und vielfältige Aktivitäten, Beharrlichkeit und Kontinuität sind vonnöten. Die Zivilklauselbewegung kann dann gestärkt werden, wenn Hochschulangehörige der Frage nach Krieg und Frieden eine hohe Bedeutung zumessen.
Die Dokumentation des Arbeitstreffens auf natwiss.de enthält Berichte aus den Arbeitsgruppen, Berichte zur Lage an den einzelnen Hochschulen sowie die Vorträge der Referierenden. Der Einführungsvortrag von Reiner Braun ist in Dossier 78, »Zivilklauseln«, abgedruckt, das dieser Ausgabe von W&F beiliegt.
Lucas Wirl