Nachruf

Friedensarbeit als Lebensaufgabe

Nachruf auf den unermüdlichen Dr. Dirk-Michael Harmsen

Dr. Dirk-Michael Harmsen (*1934 – † 4.2.2023)

Dr. Dirk-Michael Harmsen ist am 4. Februar 2023 im Alter von 88 Jahren verstorben. Wir verlieren mit ihm einen lebenslang für Frieden und Gewaltfreiheit aktiven Menschen der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft. Er war Teil einer „Suchbewegung in dem entschlossenen Hören auf das Friedensgebot Gottes, das als solches aber auch Hoffnungswort ist, das mehr Möglichkeiten seiner Verwirklichung aufzeigt, als diese Welt sich träumen lässt.“ Er dachte ganz ohne theologische Scheuklappen immer auf dem historischen Kontext, „in dem wir handeln oder nicht handeln, aber auf jeden Fall verantwortlich sind“.

So hat er bereits 1961 zum Ende seines Physikstudiums bei Carl Friedrich von Weizsäcker mit dessen Einleitung das damals Aufsehen erregende Fischer-Taschenbuch »Kernexplosionen und ihre Wirkungen« über die in der deutschen Politik und Öffentlichkeit verharmlosten Nukleargefahren herausgegeben.

Die Elementarteilchenphysik war dann auch sein Dissertationsthema und Anlass für Forschungstätigkeiten in den USA und am CERN in Genf. 1973 wechselte er in die Innovationsforschung am Fraunhofer-Institut für Systemtechnik in Karlsruhe, bis er sich 1999 schließlich als Internationaler Berater für Forschungs- und Innovationssysteme selbstständig machte und auf diese Weise bis 2006 tätig war.

Er gehörte der badischen Landessynode sowie der EKD-Synode an und engagierte sich dort, aber auch in seiner Heimatstadt Karlsruhe, im Sinne des »Konziliaren Prozesses für Frieden, Gerechtigkeit und Schöpfungsbewahrung«. Dirk-M. Harmsen war auch Mitglied der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW).

Wir durften Dirk Harmsen die letzten 12 Jahre seines Lebens begleiten, seit dem Moment in dem der friedensethische Diskussionsprozess in der badischen Landeskirche seinen Anfang nahm. Dirk hatte das schon ein Jahrzehnt früher von ihm mitgegründete »Forum Friedensethik in der Evangelischen Landeskirche in Baden« (FFE) aktiv in diesen Prozess eingebracht.

Die sonst so beliebte Unterscheidung zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik waren bei ihm zwei Seiten eine Medaille: Er hatte eine im christlichen Glauben und in seinen wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete pazifistische Gesinnung, die in politisches Handeln umzusetzen für ihn Ausdruck von Verantwortung war.

Seine Friedensarbeit im umfassenden Sinne des biblischen Schalom praktizierte er mit einer bewundernswerten Freundlichkeit, Sachlichkeit, Zuverlässigkeit, Ausdauer und Kollegialität.

Als Geschäftsführer des FFE wirkte er mit bei den Themen Kosovokrieg, Kairos Palästina, versuchter Dialog mit der Militärseelsorge, EU-Verfassung, und nicht zuletzt der Friedensdenkschrift der EKD. Das FFE fungierte als zivilgesesellschaftlicher Arm in der verfassten badischen Landeskirche. Kein friedensethisch und friedenspolitisch agierendes Netzwerk arbeitete so eng mit einer Landeskirche zusammen wie das FFE. Dirk-M. Harmsens Arbeit spiegelt sich sowohl in den vom ihm publizierten FFE-Rundbriefen, in der Organisation des alljährlichen FFE-Studientags, aber auch in den von ihm in den letzten fünf Jahren mit herausgegebenen und mitgestalteten Büchern wider, so z. B. dem von Wilhelm Wille herausgegebenen Band »Sie sagen Frieden, Frieden… – Zwanzig Jahre Forum Friedensethik in der Evangelischen Landeskirche in Baden« (2022, BoD).

Er gehörte der ökumenischen Projektgruppe an, die im Auftrag der badischen Landessynode das Szenario »Sicherheit neu denken. Von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik« erarbeitete. Ebenso war er Mitglied der daraus hervorgegangenen »Fachgruppe Internationale Polizei« und präsentierte noch drei Wochen vor seinem Tode das neue Buch »Weltinnenpolitik und Internationale Polizei« (2023, v+r unipress) der Presse und Fachöffentlichkeit.

Auch die praktische Friedensarbeit lag ihm am Herzen: Parallel zu seinen publizistischen Tätigkeiten war er einer der Initiatoren und Organisatoren des alljährlichen »Kirchlichen Aktionstags gegen Atomwaffen« in Büchel.

Wir und seine MitstreiterInnen u.a. aus der »Initiative Sicherheit neu denken« und der Projektgruppe Büchel »Kirchen gegen Atomwaffen« sehen in Dirk-M. Harmsen ein ermutigendes Vorbild. Wir haben ihm sehr viele Einsichten und dauerhafte Hinweise zu verdanken. Wir arbeiten in seinem Sinne weiter, um das ehrende Andenken an ihn zu bewahren.

Dr. Theodor Ziegler, für den Koordinationskreis »Sicherheit neu denken«

Ulrich Frey, Mitglied der Projektgruppe Büchel »Kirchen gegen Atomwaffen«