Kann die Menschheit das Energieproblem friedlich lösen?
Energiekonflikte
von IANUS
In Zusammenarbeit mit der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Naturwissenschaft, Technik und Sicherheit (IANUS) an der TH Darmstadt
I. Was sind Energiekonflikte?
I.1 Der Kampf um Gorleben – Momentaufnahme eines Konflikts
Die Presse sprach von Krieg. Im „größten internen Sicherheitseinsatz der deutschen Nachkriegsgeschichte“1 setzten 19.000 Polizisten anfang Mai den Atommülltransport aus Frankreich gewaltsam durch, begleitet von Protesten in der ganzen Bundesrepublik. Besonders in der Region um Gorleben sah sich die Bonner Atompolitik dem massiven Widerstand der Bevölkerung gegen den Castortransport ausgesetzt, die in ihrer Mehrheit auf gewaltfreie Aktionen setzte und auch vor zivilem Ungehorsam nicht zurückschreckte, um ihre Heimat vor dem nuklearen »Teufelszeug« zu verteidigen. Der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Jürgen Trittin, geißelte die „brutalen Methoden des Atomstaats“, und eine Beobachterin des Komitees für Grundrechte und Demokratie stellte fest „Die erste Gewalt ist die, die im Atomstaat steckt.“ Der Kommentator der Frankfurter Rundschau schließlich fragte sich: „Soll das nun also der Anfang eines neuen Abschnitts der friedlichen Nutzung der Atomenergie sein?“2
Das offizielle Bonn zeigte sich erschüttert über den neuerlichen Ausbruch der Gewalt. Die Regierung betonte, sich nicht durch den Druck der Straße vom eingeschlagenen Kurs abbringen zu lassen. Das Gewaltmonopol des Staates dürfe nicht in Frage gestellt werden. Innenminister Kanther: Der Staat könne es nicht zulassen, daß er durch „Chaoten und Kriminelle“ handlungsunfähig gemacht werde. Es könne auch nicht geduldet werden, daß Atomkraftgegner über den Umweg der Behinderung von Transporten die Verwendung dieser Energieform zu stoppen suchten.
Besorgter gab sich die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Ihrer Ansicht nach beeinträchtigen die massiven Einsätze langfristig die innere Sicherheit in Deutschland. 50 Mio. DM hatte der Einsatz gekostet, mehr als 100 weitere Castortransporte sind geplant. Dazu wieder das Time Magazine: „Doch der Krieg ist nicht vorbei. Die Demonstranten warnten, daß sie weiterkämpfen werden, um den nächsten Transport im gleichen Jahr zu blockieren, mit gleicher wilder Entschlossenheit. Ihr Ziel: Deutschland zu zwingen, die Atomenergie aufzugeben.“
I.2 Handlungsblockaden in der Energiepolitik
Auch wenn der Vergleich mit Krieg überzogen ist, hat der jüngste Konflikt um den Castor-Transport auf drastische Weise das Dilemma der derzeitigen Energiepolitik in der Bundesrepublik Deutschland vor Augen geführt. Der Stillstand der Energiegespräche, die sich ohnehin nur auf die Scheinalternative Kohle oder Kernenergie konzentrierten, ist Ausdruck einer gesellschaftlich-politischen Handlungsblockade, die zukunftsweisende Entscheidungen verhindert.3 Die energiepolitische Situation ist gekennzeichnet durch ein Patt zwischen den Parteien, die den Ausstieg aus der Kernenergie und den Ausbau erneuerbarer Energien befürworten, und jenen, die für einen – die Kernenergie einbeziehenden – Energiemix eintreten. Das Ergebnis ist eine Stagnation, die die Entwicklung und Anwendung erneuerbarer Energietechniken bremst.4
Dabei sind zukunftsweisende Entscheidungen dringend erforderlich. Angesichts der drohenden Verknappung fossiler Energieträger und der Gefahr einer globalen Erwärmung kann die Politik sich nicht länger hinter traditioneller Interessen- und Machtpolitik verstecken. Lösungskonzepte für eine verantwortbare Energieversorgung bis Mitte des nächsten Jahrhunderts sind längst bekannt.5 Die politischen Institutionen scheinen zur Zeit allerdings nicht in der Lage, die nötigen Weichenstellungen einzuleiten. Auch das jüngste Energieprogramm der Bundesregierung hält lieber am Status quo fest. Eine Erklärung ist wohl darin zu suchen, daß eine Änderung im oben beschriebenen Sinne in Konflikt mit bestehenden Macht- und Interessenstrukturen gerät, die vom Status quo profitieren und daran festhalten wollen. Dies wurde schon 1984 in einem Aufsatz formuliert, der die Widerstände und Hindernisse gegen eine veränderte Energiepolitik im kapitalistischen System benennt:
„Die Vertreter von Industrie- und Kapitalinteressen bilden wohl die wichtigsten gesellschaftlichen Kräfte, die einer veränderten Energiepolitik ablehnend gegenüberstehen und sich mit vielfältigen Mitteln einer solchen Veränderung widersetzen. Die Gründe hierfür sind vielschichtiger Natur. So kann das dominierende Kapitalverwertungsinteresse weitaus wirksamer mittels kapitalintensiver Großerzeugungssysteme verwirklicht werden. Auch lassen sich im kapitalistischen System die erwünschten Profite in der Tendenz nur durch eine langfristige Ausweitung des Absatzvolumens erreichen, so daß nur wenig Interesse besteht, Programme zur Energieeinsparung zu unterstützen. Grundsätzlich stehen den Leitvorstellungen dieser Interessengruppen die ökologischen Basisorientierungen mit ihren Ausgangsannahmen entgegen: Dezentralisierung der Erzeugung und des Verbrauchs, Vielfältigkeit der Energieerzeugungs- und -verbrauchsformen, effiziente Energienutzung, Ablehnung eines quantitativen Wachstumsdenkens, usw.“ 6
In heutiger Sprachregelung würde dies etwa wie folgt formuliert: das kurzfristige Partikularinteresse einflußreicher Einzelakteure dominiert gegenüber dem langfristigen Interesse der Gesellschaft. Die Politik, zumal unter dem Druck der Wirtschaftskrise, scheut den offenen Konflikt mit einflußreichen Interessengruppen und nimmt dafür längerfristig andere Konflikte in Kauf, die möglicherweise weit schwerer wiegen. Statt innovativ neue Optionen zu schaffen, wird an »bewährten Leitbildern« festgehalten, ohne zu erkennen, daß es sich dabei um Auslaufmodelle handelt.
Eine Konsequenz der Handlungsblockade ist, daß kurz vor der Jahrtausendwende das Spannungsgefälle zwischen dem, was getan werden müßte und dem, was tatsächlich getan wird, unerträglich wird. Das Streben der etablierten Politik nach Wirtschaftswachstum durch höheren Energieverbrauch gerät zunehmend in Widerspruch zu den beschränkten Optionen und Möglichkeiten dieser Politik. Die Auseinandersetzung um Castor ist Ausdruck dieser sich zuspitzenden Konfliktsituation. Daß die davon betroffenen Menschen sich das Risiko der Kernenergie und damit die Defizite der Energiepolitik nicht aufbürden lassen wollen, ist verständlich.
Das der Energiepolitik innewohnende Konfliktpotential ist von der Friedens- und Konfliktforschung bislang nur sporadisch behandelt worden. So wurde etwa der Krieg um Öl angesprochen oder das Sicherheitsrisiko der Kerntechnik, wenn auch vornehmlich unter dem Aspekt militärischer Angriffe auf kerntechnische Anlagen. Selbst die sehr ernst genommenen Gefahren der nuklearen Proliferation, die aus zivilen Kernenergieprogrammen resultierten, werden in der Regel nicht unter dem Gesichtspunkt nationaler energiepolitischer Entscheidungen diskutiert. Die Geschichte hat gezeigt, daß die Verbindungen zwischen zivilen und militärischen Kernenergieaktivitäten wesentlich enger waren, als unterstellt und gehofft wurde, was eine stärkere Beachtung durch die Friedens- und Konfliktforschung verdient.7
Zunehmend rückt nun auch die Umweltdimension des Sicherheitsbegriffs ins Blickfeld oder wird die Thematik der Umweltkonflikte behandelt.8 Doch wurden Konflikte um und durch verschiedene Energieformen bislang nicht systematisch und vergleichend untersucht. Im folgenden wird der Versuch unternommen, Energiekonflikte im Zusammenhang zu behandeln und an Fallbeispielen zu erläutern. Ziel ist es, durch die Berücksichtigung der Friedens- und Konfliktdimension ein bislang vernachlässigtes Bewertungskriterium hinzuzuziehen, mit dem ein Vergleich verschiedener Energieoptionen ermöglicht werden kann (zur Beschreibung des IANUS-Projekts siehe Kasten 4 am Ende dieses Dossiers).
I.3 Das Konfliktpotential der Energieversorgung
Wie die wissenschaftlich-technische Entwicklung insgesamt, ist auch die Entwicklung und Nutzung von Energiesystemen von widersprüchlichen Tendenzen gekennzeichnet. Zum einen ist die Gewinnung, Nutzung und Verteilung von Energie eine Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung und trägt in vielfacher Hinsicht zur Globalisierung bei. Das Wachstum des Energieverbrauchs – vielfach als Indikator für Wohlstand angesehen – war eine Voraussetzung für die globale Industrialisierung und den internationalen Güteraustausch, der auch den grenzüberschreitenden Technologietransfer im Energiesektor umfaßt. Immer schnellere und weiterreichende Transport- und Kommunikationssysteme erhöhen die Mobilität und ermöglichen einer wachsenden Zahl von Menschen die unmittelbare Kommunikation mit Menschen in anderen Kulturkreisen.
Andererseits verändert jede Form der Energienutzung die soziale und natürliche Umwelt, mit teilweise erheblichen Risiken für Mensch und Natur. Die Frage ist, ob die Energienutzung in einer auf Dauer mit der Umwelt verträglichen (nachhaltigen) Weise geschieht oder ob sie zu tiefgreifenden, irreparablen Schädigungen der natürlichen Umwelt führt, die wiederum negative Rückwirkungen auf die Gesellschaft haben. Sofern Interessen von gesellschaftlichen Akteuren erheblich beeinträchtigt werden, können Konflikte die Folge sein (zum Konfliktbegriff siehe Kasten 1).
Konflikte um Energie sind in der Geschichte nichts Neues, wenn man an die Kriege um fossile Energieressourcen wie Kohle, Erdöl oder Erdgas denkt, bei denen es immer auch um das Streben nach Macht ging.9 Der Golfkrieg, der auch ein Krieg um Öl und ein Krieg durch Öl war, ist hier das jüngste Beispiel. Das Fanal der brennenden Ölquellen ist allen in Erinnerung geblieben. Zunehmend wird offensichtlich, daß auch die »falsche« Nutzung von Energie Folgen mit sich bringen kann, die gewaltsamen Konflikten Vorschub leisten, weil bei den Betroffenen elementare Lebensinteressen berührt werden. Beispiele hierfür sind die sozialen und ökologischen Folgen von Staudammprojekten, die Abholzung von Wäldern zur Brennholzgewinnung, radioaktiver Müll und die grenzüberschreitende Ausbreitung radioaktiver Schadstoffe bei einem Kernreaktorunfall oder die Klimaänderungen als Folge der Verbrennung fossiler Brennstoffe, die zu einer Zuspitzung des »Nord-Süd-Konflikts« und einer Zunahme regionaler Umweltkonflikte führen können. Auch die Verbreitung kernwaffenrelevanter Technologien durch Kernenergie (Proliferation) bleibt ein sicherheitspolitisches Problem der Zukunft. Einige aktuelle Beispiele sollen dies belegen, in Ergänzung zu den folgenden Kapiteln.
Die rücksichtslose Erschließung von Öl- und Gasquellen im Nigerdelta durch ausländische Ölkonzerne, mit Rückendeckung durch die nigerianische Militärregierung, geschieht auf Kosten der dort lebenden Volksgruppen, insbesondere der Ogoni, ohne daß diese dafür entschädigt werden. Die sehr einseitige Risikozuweisung führt zu massiven Protesten der einheimischen Bevölkerung, die gewaltsam unterdrückt werden. Durch die Hinrichtung Ken Saro-Wiwas erhielt der Konflikt internationale Aufmerksamkeit.10
Die neuen Staaten im Transkaukasus und in Zentralasien haben nach dem Zerfall der Sowjetunion große Erdöl- und Gasvorkommen übernommen, die mit Hilfe westlicher und östlicher Geldgeber rasch erschlossen werden sollen. In dieser Schlüsselregion zwischen Europa, Asien und Nahost kämpfen Staaten wie Rußland, USA, Türkei, China, Indien, Pakistan, Iran und Irak um politischen und wirtschaftlichen Einfluß, der sich in einem Wettlauf um die besten Zugriffsmöglichkeiten auf Öl und Gas niederschlägt. Konkrete Konflikte gibt es um die besten Transportwege (insbesondere Pipelinerouten), den rechtlichen Status des Kaspischen Meeres oder die Embargopolitik der USA gegenüber Iran.11
In Indien sind von der Inbetriebnahme des Narmada-Staudammes in den kommenden Jahrzehnten etwa eine Million Menschen betroffen, Hunderttausenden droht die Umsiedlung bei Inbetriebnahme, viele werden indirekt ihrer Überlebensbasis beraubt. Die Entschädigung ist unzureichend, gewachsene Gemeinschaften, familiäre, soziale und kulturelle Zusammenhänge werden auseinandergerissen. Die Folge sind teilweise heftige Auseinandersetzungen mit der Polizei.12
Die chinesische Regierung plant, zur Befriedigung des wachsenden Strom- und Transportbedarfs den größten hydroelektrischen Staudamm der Erde zu bauen, den Drei-Schluchten-Damm über den wegen seiner landschaftlichen Reize berühmten Jangtsekiang. Was von einigen als Wunder der Modernisierung gepriesen wird, ist für Kritiker eine beispiellose ökologische und soziale Katastrophe. 1,4 Millionen Menschen müssen umgesiedelt werden, Arten würden gefährdet, archäologische Stätten überschwemmt. Zudem könnten bei einem Unfall oder einem Gewaltanschlag Millionen Menschen durch das Bersten des Dammes gefährdet sein.13
Das unter sozialistischer Herrschaft begonnene ungarisch-slowakische Staustufenprojekt Gabcikovo an der Donau hat sich zu einem internationalen Streitfall entwickelt. Umstritten sind nicht nur die ökologische Folgen, da Gabcikovo eine einzigartige Flußlandschaft an der Donau bedroht, sondern auch die sozialen Folgen, da die Verschmutzung und Kanalisierung der Donau eines der größten Trinkwasserreservoire Mitteleuropas gefährdet und damit die Lebensbedingungen der ansässigen ungarischen Minderheit. Daneben sind wirtschafts- und staatspolitische sowie völkerrechtliche Fragen betroffen. Während Ungarn, unter dem Druck von Umweltschützern, 1989 aus dem Projekt ausstieg, weigerte sich die Slovakei, die das Kraftwerk zur Verminderung der Energieabhängigkeit von Tschechien und als nationales Prestigeobjekt braucht, die Bauarbeiten einzustellen, was zu gegenseitigen Drohgebährden führte. Die EG hat sich bemüht, einer weiteren Eskalation durch Vermittlung vorzubeugen.14
Diese konkreten Konflikte sind keine Einzelfälle, sondern Ausdruck einer allgemeinen Problemlage, die – bei aller Unsicherheit hinsichtlich der Aussagekraft der Energieszenarien – vor allem durch vier Faktoren gekennzeichnet ist:15
1) Wachsender Energiebedarf bei sinkenden Reserven: Angesichts eines stetigen Anstiegs des Energieverbrauchs, bedingt durch das explosive Anwachsen der Weltbevölkerung und den Konsum einer immer größer werdenden Anzahl von Innovationen und Produkten, sind die Grenzen der Verfügbarkeit nichterneuerbarer Primärenergieträger wie Erdöl, Erdgas und Uran abzusehen. Die meisten Energieszenarien gehen davon aus, daß sich der weltweite Energieverbrauch langfristig vervielfacht: von derzeit knapp 400 Exajoule jährlich auf 1.500 bis 1.700 Exajoule bis zum Jahre 2100 (Exa=1018=Trillion). Die in den Industrieländern teilweise zu beobachtende Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch würde von der nachholenden Entwicklung der Dritten Welt und ihrem Bevölkerungswachstum deutlich übertroffen. Die heute bekannten Reserven reichen noch etwa 40 bis 60 Jahre. So wird gegen Ende des 21. Jahrhunderts der auf ein Maximum gestiegene Bedarf auf ein Minimum gesicherter Reserven an fossilen Energieträgern treffen. Nur Kohle und erneuerbare Energien sind dann noch verfügbar. Die Begrenztheit herkömmlicher Energievorräte und die begrenzte Aufnahmefähigkeit der Erdatmosphäre für Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energie zwingt zur Umgestaltung der westlichen Produktions- und Lebensweise. Statt die Emissionen zu verdoppeln, müßten sie in den nächsten 50 Jahren mindestens halbiert werden, um folgenschwere Klimaveränderungen zu verhindern.
2) Nord-Süd-Gefälle im Energiesektor: Während in den westlichen Industriestaaten der materielle Lebensstandard bislang mit großem Energieverbrauch und vergleichsweise hoher Energieeffizienz verbunden war, sind die östlichen Industriestaaten gekennzeichnet von niedrigen Lebensstandards, hohen Energieverbräuchen und geringer Energieeffizienz. In den Ländern des Südens ist der Energieverbrauch pro Kopf im Durchschnitt weit niedriger, bei geringer Energieeffizienz. In manchen Ländern liegt er unter dem zur Sicherung der physischen Existenz notwendigen Minimum, in vielen unter dem Minimum zur Befriedigung der Grundbedürfnisse einschließlich Gesundheitsvorsorge und Bildung. Entwicklungsländer, die eine konsequente Industrialisierung forcieren, betreiben eine expansive Energiepolitik, die kaum auf ökologische Erfordernisse Rücksicht nimmt. Dies gilt vor allem für das menschenreichste Land der Erde, China.
3) Geopolitisches Konfliktpotential der Erdölabhängigkeit: Sowohl die Energiereserven als auch der Energiekonsum sind ungleich über die Welt verteilt, woraus sich eine Abhängigkeit von wenigen Akteuren ergibt. Während Kohlevorräte noch in unterschiedlichen Weltregionen zu finden sind, konzentrieren sich die Erdölvorräte zu ca. 67% im Nahen Osten, die Gasvorräte zu 43% in der GUS und zu 29% ebenfalls im Nahen Osten, und die bekannten Uranreserven Australien (28%), Niger (18%) und Südafrika (13%) sowie Brasilien und Kanada (je 10%). Aus der Konzentration und der Verknappung fossiler Energieträger ergibt sich eine wachsende Abhängigkeit der Weltenergieversorgung von wenigen Quellen. Die vom OPEC-Kartell ausgelösten Ölpreiskrisen der siebziger Jahre haben das internationale politische Klima belastet; als Folge wurde damit begonnen, Energie zu sparen und Öl aus verschiedenen Lieferländern zu beziehen. Dies betrifft besonders die Entwicklungsländer, die selbst keine Öl- oder Gasvorräte haben und deren Ökonomien in hohem Maße von Ölimporten abhängen. Die privilegierten Industriestaaten werden versuchen, ihre Interessen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln durchzusetzen, um nicht von den Quellen abgeschnitten zu werden. So war ein wesentliches Motiv des Golfkriegs auch die Aufrechterhaltung des freien Zugangs zu den Ölquellen des Nahen und Mittleren Ostens.
4) Ökologische Risiken: Jede Energieform weist ein spezifisches ökologisches Belastungs- und Risikoprofil auf. Das Erdöl verschmutzt die Weltmeere und die Atmosphäre. Die Kohleförderung verursacht erhebliche Schäden an Landschaft und Grundwasser und setzt bei ihrer Verbrennung säurebildende Schadstoffe, photochemische Substanzen und klimarelevante Spurengase frei. Die Kernenergie weist ein katastrophenhaftes Risikoprofil auf und führt zu langanhaltenden radioaktiven Belastungen der natürlichen Kreisläufe. Die Schädigung der Erdatmosphäre, unter anderem durch Treibhausgase, ist so weit fortgeschritten, daß zusätzliche Belastungen zu weiteren Klimaveränderungen – verbunden mit einem Ansteigen der Meeresspiegel und Verschiebungen der Klimazonen – führen werden.
Betrachtet man diese Faktoren für sich wie auch in ihren Wechselzusammenhängen, wird erkennbar, daß die ungelösten Probleme einer ausreichenden, gerechten und umweltorientierten Energieversorgung in der Zukunft zu erheblichen internationalen Konflikten führen können. Eine prospektive konfliktvorbeugende und konfliktregelnde »Weltenergiepolitik« ist noch nicht in Sicht. Die Zuspitzung der globalen Energiesituation kann sich in vier Typen von Energiekonflikten äußern:
1) Knappheitskonflikte: Sofern die Nutzung von Energie mit der Schaffung von Wohlstand verknüpft ist, kann der Mangel an Energie zu Wohlstandseinbußen, Einschränkungen der Lebensqualität, gesamtwirtschaftlicher Stagnation sowie damit verbundenen sozialen Abstufungen und Konflikten führen.
2) Verfügbarkeits-, Verteilungs- und Gerechtigkeitskonflikte: Die Verteilung, Verfügbarkeit und Finanzierung von Energie, im nationalen, regionalen oder globalen Maßstab, ist ein Faktor, der heftig umkämpft sein kann, besonders wenn das Gerechtigkeitsprinzip verletzt ist. Ein Beispiel ist der Zugriff auf Öl, ein anderes der gleichberechtigte Zugang zur Hochtechnologie Kernenergie, die ein Prestige- und Machtymbol darstellt.
3) Konflikte um die Form und das Risiko der Energie: Diese werden ausgetragen, um die unmittelbaren Folgen und Risiken der Energienutzung zu verhindern oder zu begrenzen. Die Gefährdung von Wohlstand, Gesundheit und Leben kann zu heftigen Abwehrmaßnahmen der Betroffenen gegen das verursachende Energiesystem führen (z.B. die Risiken der Kernenergie).
4) Konflikte durch energiebedingte Auswirkungen: Hierbei handelt es sich um Konflikte, die indirekt durch energiebedingte Wirkungen und Folgen hervorgerufen werden, nicht aber das Energiesystem selbst zum Konfliktgegenstand haben (z.B. Sicherheitsrisiken durch Proliferation von Atomwaffen, globale Erwärmung und daraus folgende Konflikte).
In realen Konfliktkonstellationen gibt es Überschneidungen und Querbezüge zwischen den vier Konflikttypen. Um einen Knappheitskonflikt zu vermeiden, kann etwa ein Verteilungskonflikt ausgetragen werden, der wiederum die Bereitschaft erhöht, Risiken und damit verbundene Konflikte einzugehen.
Je nachdem, welche Konfliktakteure beteiligt sind, können verschiedene Ebenen des Konfliktaustrags unterschieden werden:
1) Intrapersonale Konflikte zwischen Werten und Interessen: In der Energiedebatte spielen die unterschiedlichsten Werte und Interessen eine Rolle, von individueller Wohlstandssicherung und Profitstreben bis zu übergeordneten Zielsetzungen wie nachhaltige Entwicklung, Gerechtigkeit oder Gewaltfreiheit, die alle zugleich nicht zu harmonisieren sind. Unterschiedliche Leitbilder, welches Ziel bevorzugt verfolgt werden soll, können zu Konflikten innerhalb von Personen oder sozialen Gruppen führen. Solche Konflikte wurden bislang eher der Psychologie als der Friedens- und Konfliktforschung zugewiesen.
2) Innergesellschaftliche Konflikte: Sind die genannten Ziele mit verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren (Parteien, Firmen, Gewerkschaften, Bürgerinitiativen, usw.) verbunden, können innergesellschaftliche Konflikte die Folge sein, die nicht immer auf nationale Grenzen beschränkt sein müssen.
3) Zwischenstaatliche und interregionale Konflikte: Wenn Staaten oder ganze Staatengruppen jeweils unterschiedliche Ziele verfolgen, sind zwischenstaatliche Konflikte möglich. Ein Beispiel ist die bevorzugte Unterstützung des Umweltziels durch den »Norden« bei starkem Einsatz des »Südens« für das Entwicklungs- und Gerechtigkeitsziel.
4) Intergenerationelle Konflikte: Die heute lebenden Menschen profitieren von der bislang weitgehend unbegrenzten Nutzung von Naturressourcen zur Schaffung von Wohlstand auf Kosten zukünftiger Generationen, deren Lebensbedingungen erheblich beeinträchtigt werden. Spätere Generationen haben auf jetzige Entscheidungen keine Einflußmöglichkeiten, es sei denn indirekt über die ethische Reflexion, die Verantwortungsübernahme und die Solidarität der heutigen Generation. Ein Konfliktaustrag im herkömmlichen Sinne ist nicht möglich, da die Wirkung von Handlungen nur in die Zukunft reichen kann, nicht jedoch umgekehrt.16
Während Knappheits- und Verteilungskonflikte sowie indirekte Konflikte durch energiebedingte Auswirkungen bereits zu zwischenstaatlichen Auseinandersetzungen geführt haben, bleiben die Mittel und der Verlauf des Austrags von Konflikten über die Form oder das Risiko der Energieversorgung bislang weitgehend im innergesellschaftlichen Rahmen: legitime Demonstrations- und Protestformen, Blockaden und Sabotagemaßnahmen, polizeiliche Gewalt. Im Extremfall ist jedoch auch hier der Einsatz organisierter Gewalt bis zum Krieg zwischen Staaten denkbar. Gewaltkonflikte zeichnen sich besonders dann ab, wenn die Energienutzung einiger Akteure elementare Lebensinteressen anderer Akteure berührt, die über ausreichende Gewaltmittel verfügen. Dabei können auch Teile des Energiesystems selbst (Reaktoren, Stromleitungen, Staudämme, Bauzäune) Ziel des Einsatzes von Konfliktmitteln sein, was wiederum erhebliche Risiken in sich bergen kann.
Durch die vergleichende Behandlung der genannten Konflikttypen, Konfliktebenen und Konfliktmittel im Bereich der Umwelt- und Energiekonflikte ist ein weites Spektrum zukünftiger Konfliktforschung umrissen, wobei nicht nur das komplexe Ursache-Wirkungsgeflecht, sondern auch neuartige Möglichkeiten der Konfliktbearbeitung, -prävention und -lösung zu untersuchen sind. Im folgenden sollen exemplarisch einige Energiekonflikte behandelt werden, die schon heute international (und intergenerationell) politisch relevant sind (Konfliktebenen 3 und 4).
II. Konflikte um fossile Energien: Handlungs- optionen der Internationalen Energie-Agentur
Mit der Entwicklung des Automobils durch Carl Benz im Jahre 1886 verwandelte sich die übelriechende, schwarze Flüssigkeit Erdöl zur schier unerschöpflichen, bequem zu transportierenden und billigen Energiequelle. Die Firmen konnten ihre Produkte aufgrund des Einsatzes von Lastwagen, Diesellok und später Flugzeug, verbunden mit der mühelosen Überwindung großer Entfernungen, weltweit absetzen und bescherten wegen der enormen Steigerung der Warenproduktion der wachsenden Bevölkerung der nördlichen Hemisphäre einen bis dahin nicht gekannten Wohlstand.17 Der Aufstieg von Erdöl zum bedeutendsten strategischen Rohstoff des 20. Jahrhundert hatte seinen Anfang genommen.18
Gleichzeitig hatte sich damit aber die gesamte industrialisierte Welt in eine zunächst nicht erkannte Abhängigkeit begeben, da die ergiebigsten Quellen spätestens seit Ende des 2. Weltkrieges außerhalb der Grenzen der Industriestaaten lagen. Erst die Ölkrise 1973/74, verbunden mit drastischen Preiserhöhungen und weltweiter Rezession führten zu einer Bewußtseinsänderung der Industriestaaten hinsichtlich der Verletzbarkeit ihrer Volkswirtschaften durch die hohe Importabhängigkeit von Erdöl aus der Golfregion.
Vor diesem Hintergrund wurde eine langfristig angelegte internationale Lösung des Energieproblems thematisiert, und im November 1974 wurde auf Initiative des damaligen US-Außenministers Henry Kissinger die Internationale Energie-Agentur (IEA) gegründet, der inzwischen bis auf Island alle Mitgliedsländer der OECD angehören.
Nicht zuletzt auch aus den Erfahrungen des Golfkrieges 1990/91 ist in jüngster Zeit wieder eine verstärkte Diskussion darüber in Gang gekommen, mit welchen Gefahren für das westliche Wirtschaftswachstum durch die Instabilitäten im arabischen Raum zukünftig zu rechnen sei und welche Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen seien.
II.1 Versorgungssicherheit und Konfliktpotentiale
Wie Erfahrungen in der Vergangenheit gezeigt haben, können bestehende Konfliktpotentiale zu realen Gefährdungen der Versorgungssicherheit mit Erdöl führen:
Innerarabische Verteilungs- und Verfügbarkeitskonflikte wie der Überfall von Irak auf Kuwait am 2. August 1990 oder der iranisch/irakische Krieg in den achtziger Jahren: Ursache für solche Verteilungskonflikte kann dabei neben der Ressource Erdöl auch das aufgrund der steigenden Verstädterung und der zunehmenden Bewässerung in der Landwirtschaft immer knapper werdende Gut Wasser sein.
Arabisch-israelische Konflikte wie etwa der Jom-Kippur-Krieg im Oktober 1973: Da der Westen ein starkes Interesse an der Aufrechterhaltung der Souveränität des Staates Israel hat, wird er auch zukünftig der Gefahr ausgesetzt sein, daß die arabischen Gegner Israels die »Ölwaffe« zücken. Dabei ist zu bedenken, daß im Falle einer erneuten Zuspitzung des hier beschriebenen Konfliktes die erdölreichen Staaten der Golfregion auch aufgrund des innenpolitischen Druckes nur einen sehr engen Handlungsspielraum besitzen und sich gezwungen sehen könnten, die arabischen »Brudervölker« im Kampf gegen den »Erzfeind« Israel und seine westlichen Schutzpatrone zu unterstützen.
Soziale und politische Spannungen innerhalb der OPEC-Staaten könnten zu einer Stärkung des islamischen Fundamentalismus führen, wie seit Ende der achtziger Jahre in Algerien, oder sogar zu politischen Umstürzen wie bei den Revolutionen in Libyen 1969 oder im Iran 1979. Dabei könnte die Strategie der IEA-Staaten zur Verringerung der Ölabhängigkeit diese Entwicklung sogar noch beschleunigen, da dann durch die Einnahmeausfälle aus dem Ölgeschäft die wirtschaftliche Entwicklung vor allem der großen Erdölexporteure wie Algerien oder Nigeria nachhaltig gestört wird.
Die Bedeutung solcher Konflikte in der Golfregion für die westlichen Industrienationen wird dadurch untermauert, daß nach den wichtigsten Energieszenarien Erdöl auch in den nächsten Jahren der wichtigste Energieträger bleiben wird. Die IEA erwartet, daß die Ölimporte der OECD-Länder in den kommenden 10-15 Jahren mit 70% den Stand der siebziger Jahre erreichen.19 Gleichzeitig werden sich die Erdölvorräte zunehmend wieder auf den Nahen Osten konzentrieren, da die Ressourcen außerhalb dieser Region (z.B. Norwegen, ehemalige Sowjetunion …) zur Erschöpfung gelangen.
Angesichts der wieder steigenden Abhängigkeit von Lieferländern aus der Golfregion und der damit verbundenen politischen Unabwägbarkeiten sowie der großen Ungewißheit über die weitere Entwicklung in der GUS als größtem Exporteur des bedeutenden Energieträgers Erdgas stellt sich die Frage nach den Zusammenhängen von Energieversorgung und internationaler Sicherheit.
Im folgenden soll nunmehr der Frage nachgegangen werden, warum die Entwicklung zur Importabhängigkeit von Erdöl ungebrochen ist und welche Folgen sich daraus aus dem Blickwinkel der westlichen Industriestaaten für die zukünftige weltweite politische Stabilität ergeben könnten.
II.2 Handlungsoptionen bei Ölkrisen
Hierzu sollen zunächst einmal die Interaktionen zwischen OPEC und IEA genauer beleuchtet werden. Die IEA besitzt verschiedene Handlungsoptionen, um auf eine Erdölpreissteigerung der OPEC bzw. politische Krisensituationen in der Golfregion reagieren zu können.
Im Golfkrieg zu Beginn 1991 wurde die Fähigkeit der IEA, leistungsstarke Krisenprogramme zu verwirklichen, erstmals an einem der zuvor beschriebenen Konfliktherde umfassend getestet. Angesichts dieser Erfahrungen werden die IEA-Mitgliedsstaaten auch zukünftig ihre Anstrengungen forcieren, um auf alle zuvor beschriebenen potentiellen Konflikte angemessen reagieren zu können bzw. die angestrebte Verringerung der Verletzbarkeit ihrer Länder gegenüber Ölversorgungsstörungen fortzusetzen.
Hierbei wird allerdings hinsichtlich der praktischen Umsetzung der Ziele der IEA bislang zu sehr nur auf kurzfristig erfolgsorientierte Strategien zur Weiterentwicklung des Krisenmechanismus der IEA gesetzt, wie etwa die Erhöhung der öffentlichen Bevorratungsmengen über die Reichweite von 90 Tagen hinaus und die Freigabe von gewissen Lagervorräten schon im Vorfeld physischer Engpässe. Dabei ist zu bedenken, daß das Anlegen von Tanklagern für die Notstandsreserven zum einen mit enormen Kosten verbunden ist und zum anderen sich für länger anhaltende Versorgungsschwierigkeiten als völlig unwirksam erweist. Darüber hinaus scheinen die Substituierbarkeits- und Einspareffekte, welche als Reaktion auf Krisensituationen in der Golfregion kurzfristig erzielt werden können, an ihre Grenzen gelangt zu sein.
So ist die Energieintensität in den OECD-Ländern zwischen 1973 und 1990 um jährlich 1,7% gesunken, so daß die einzelnen OECD-Staaten heute nur noch 74% der Energie benötigen, die sie 1973 brauchten, um eine Einheit des Bruttosozialprodukts zu produzieren. Weitere Fortschritte in diese Richtung sind jedoch nur bei langfristiger Planung zu erzielen.20
Angesichts der Ereignisse in der Vergangenheit scheinen die Aussichten eher gering, mit einer kooperationswilligen OPEC einen Dialog über faire Rahmenbedingungen zu führen, damit Joint Ventures vom „Bohrloch bis zur Tankstelle“ zwischen Verbraucher- und Produzentenländern fortentwickelt werden könnten.21 Bei welcher Institution könnte die IEA im Falle eines »Vertragsbruches« durch die OPEC klagen? Bei der Auswahl und Bewertung der Handlungsoptionen dürfte die IEA daher vielmehr jene bevorzugen, mit welchen es möglich ist, Drohpunkte gegenüber den Aktionen der OPEC zu entwickeln.
II.3. Drohpunkte: Militär oder Substitution?
Als Handlungsoptionen mit »Drohpunktcharakter« der IEA sind hierbei in erster Linie der Einsatz von militärischen Mitteln (siehe Golfkrieg) sowie die Entwicklung von Erdölsubstituten (Backstop-Technologien) zu nennen. Hierbei ist es nunmehr interessant zu untersuchen, welche Hemmnisse einer erfolgreichen Entwicklung einer Backstop-Technologie entgegenstehen und welche Möglichkeiten (auch aus dem Blickwinkel der Erdölexporteure) es geben kann, diese zu beseitigen.
Der IEA stehen bei der Erforschung, Entwicklung und Demonstration neuer fortschrittlicher Energietechnologien eine Reihe von Kooperationsmechanismen zu Verfügung, wodurch Doppelarbeit auf nationaler Ebene vermieden wird. Technologische Entwicklungen können aber nur dann wirklich zügig umgesetzt werden und damit einen wirklichen Drohpunktcharakter gegenüber der OPEC darstellen, wenn sie auf den bestehenden Infrastrukturen des Energiesektors aufbauen. Nur so scheint es für zukünftige Energiequellen möglich zu sein, die Zeitspanne von 50-60 Jahren deutlich zu reduzieren, welche in der Vergangenheit bei der Einführung der Energieträger Kohle, Erdöl und Erdgas verging, ehe diese einen nennenswerten Beitrag zur Energiebereitstellung leisten konnten. Da die Investitionskosten hoch und die Reinvestionszyklen energietechnischer Umwandlungsanlagen sowie die Lern- und Einführungszeiten lang sind, ist eine langfristige Vorausplanung in den Entscheidungsorganen der Energiewirtschaft der OECD-Länder erforderlich.22
Als problematisch könnten sich die Erfahrungen aus der Vergangenheit erweisen, welche zeigen, daß erst durch die Markteinführung die wesentlichen Impulse zur Kostenreduktion, zur Erhöhung der technischen Effizienz und damit auch zur kommerziellen Verbreitung von technischen Innovationen gegeben werden.23 Daher ist es auch nicht verwunderlich, daß trotz der jüngsten Erfolgsmeldungen hinsichtlich der Entwicklung der Brennstoffzelle bislang kein wirklicher technologischer Durchbruch hin zur vollständigen Substituierbarkeit von Erdöl im Verkehrsbereich absehbar ist.
Angesichts des starken Preisverfalls beim Mineralöl seit Mitte der achtziger Jahre mag die Frage erlaubt sein, ob der rationelleren Energieverwendung bzw. der Entwicklung von neuen Energietechnologien derzeit überhaupt noch eine volkswirtschaftliche Bedeutung zukommt. Hierbei ist nach Gründen zu suchen, um die bisweilen erheblichen finanziellen F&E-Anstrengungen der IEA-Staaten im Energiesektor zu legitimieren. Welche Folgen sind zu erwarten, wenn die IEA-Staaten ihre F&E-Budgets im Energiebereich an die reale Preisentwicklung für Erdöl koppeln? Bei fallenden Erdölpreisen könnte es dann als gesamtwirtschaftlich legitim angesehen werden, die staatlichen F&E-Ausgaben im Energiebereich zu senken und eher für andere Projekte zu verwenden.
Eine genauere Analyse der Ursachen für die Phase der niedrigen Erdölpreise seit Mitte der achtziger Jahre kommt zu dem Ergebnis, daß weniger die gestiegene physische Verfügbarkeit für den Preisverfall verantwortlich ist als vielmehr institutionelle Probleme des OPEC-Kartells. Selbst wenn man von einer sehr langen Reichweite der Erdölressourcen ausginge, müßte eine Konzentration der Lagerstätten in der Golfregion aus der Sichtweise der IEA-Staaten pessimistisch bewertet werden. Für sie wäre es erforderlich, derartige externe Effekte zu internalisieren. Ein Ansatz zur Lösung dieses Problems könnte z.B. in der Besteuerung des Erdölpreises liegen, um trotz der scheinbar grenzlosen Verfügbarkeit von billigem Erdöl aus der Golfregion einen größeren Anreiz für das Suchen nach alternativen Energieträgern zu schaffen.
Es kann also nicht einfach eine Kopplung der F&E-Ausgaben an den empirisch beobachtbaren Erdölpreis erfolgen, ohne eine genauere Analyse der potentiellen (möglicherweise auch wechselnden) Einflußgrößen auf den Ressourcenpreis vorgenommen zu haben.
Sollte die Entwicklung einer Backstop-Technologie nicht in absehbarer Zeit gelingen, könnte die IEA in Handlungszwänge geraten. Aus ihrer Perspektive könnte dann u.U. nur der Einsatz von militärischen Mitteln als einzig wirkliche Handlungsoption verbleiben, was mit unabsehbaren Folgen verbunden wäre. Somit muß die Förderung der Suche nach Backstop-Technologien nicht nur unter dem Aspekt der Versorgungssicherheit, sondern auch hinsichtlich einer globalen Friedenssicherung positiv bewertet werden. Folglich müssen alle Anstrengungen unternommen werden, die Hemmnisse im Staats- und Unternehmenssektor zu beseitigen.
III. Krieg im Treibhaus? Das Konfliktpotential der globalen Erwärmung24
III.1 Neue Bedrohungen durch den Klimawandel
Die Produktion und Nutzung fossiler Energie, die den größten Anteil an der heutigen Energieversorgung ausmacht, ist mit etwa 46% der größte Verursacher des Treibhauseffekts,25 der durch die Emission von Spurengasen (neben Kohlendioxid auch Stickoxide, Kohlenmonoxid, Methan und Ozon) entsteht und für die globale Erwärmung und daraus folgende Klimaveränderungen verantwortlich gemacht wird. Neben dem verschwenderischen Verbrauch fossiler Brennstoffe sind weitere Hauptursachen die Zerstörung von Wäldern und Böden (18%) sowie die Nutzung von FCKW und Halonen vor allem in den Industrieländern (24%). Trotz verbleibender Unsicherheiten rechnet des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) bei einer Verdopplung des CO2-Gehalts in der Atmosphäre mit einer Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur um 1,5-4 Grad Celsius.26
Für das Konfliktverhalten in Öffentlichkeit und Politik ist nicht allein die Sicherheit der wissenschaftlichen Aussage ausschlaggebend, sondern schon die Wahrnehmung der durch den Treibhauseffekt angenommenen Klimaänderungen entfaltet Wirkung. Ein letzter Nachweis ist ohnehin erst möglich, wenn die Klimaveränderungen tatsächlich eingetreten sind und die Folgen für alle spürbar werden. Für die politische Realität bedeutsam ist schon jetzt die in den vergangenen Jahren beobachtete Zunahme ungewöhnlicher Wetterphänomene, die als Vorboten der prophezeiten Klimakatastrophe angesehen werden. Messungen zeigen, daß seit Anfang der achtziger Jahre eine extrem warme Klimaphase begonnen hat, unterbrochen durch den Pinatubo-Effekt, der die globale Erwärmung in den vergangenen zwei Jahren abgebremst hat, nunmehr aber an Kraft zu verlieren scheint. Das Sommerhalbjahr 1994 war nach Erhebungen amerikanischer und britischer Meteorologen das wärmste seit weltweit Messungen angestellt wurden. Das Climate Prediction Center der US-Regierung hat für die Monate März bis Oktober 1994 weltweit eine Durchschnittstemperatur errechnet, die um rund 0,4 Grad Celsius über normal lag.27
Auch die Zahl und Stärke der klimabedingten Naturkatastrophen (Wirbelstürme und Überschwemmungen, Dürreperioden und Waldbrände) in verschiedenen Regionen der Welt war in den achtziger Jahren tendenziell steigend, ebenso die Zahl der damit verbundenen Opfer und Schäden, die von Versicherungen Zahlungen in Milliardenhöhe verlangten. Einige Beispiele mögen dies verdeutlichen:28
Im Januar und Februar 1990 richteten vier aufeinanderfolgende Orkane in Mitteleuropa Schäden in Höhe von 17 Mrd. DM an.
Im Mai 1991 überflutete ein Zyklon weite Teile des tiefliegenden Küstenlandes in Bangladesh. Etwa 139.000 Menschen wurden getötet und mehr als eine Million Häuser beschädigt oder zerstört. Die Sachschäden wurden auf insgesamt etwa drei Milliarden DM geschätzt, was etwa zehn Prozent des Bruttosozialprodukts von Bangladesch entspricht.
Den finanziell größten Schaden richtete der Hurrikan Andrew an, der am 24. August 1992 das südliche Florida traf. Obwohl Andrew nur der drittstärkste in den USA registrierte Hurrikan war, lag der Schaden mit 42 Mrd. DM so hoch wie bei den drei verheerendsten Stürmen zusammen, die die USA zuvor erlebt hatten.
Wenn auch davon ausgegangen werden kann, daß die wachsende Schadenshöhe zum Teil auf den zunehmenden versicherten Besitz zurückgeführt werden kann, ist doch die Häufung und Intensität derartiger Naturkatastrophen ungewöhnlich. Mehr noch als für die Versicherungsindustrie, die ihre auf historischen Meßreihen basierenden Schätzungen hinsichtlich Schadensmaß und Häufigkeit von Naturkatastrophen überdenken muß, um nicht bankrott zu gehen, sind die betroffenen Menschen gefährdet, für die eine Naturkatastrophe ein Schicksalsschlag ist, auch wenn sie von ihnen möglicherweise mitverursacht wurde.
Die bisherigen Beispiele zeigen auch, daß in den Industrieländern Naturkatastrophen vor allem finanzielle Schäden anrichten, da sich die Menschen durch Vorwarnzeiten und sichere Häuser meist schützen können. In Entwicklungsländern sind dagegen oft weit mehr Todesopfer zu beklagen, während die materiellen Schäden aufgrund des niedrigeren Wohlstandsniveaus geringer liegen.
III.2. Risiken der globalen Erwärmung
Auch wenn noch nicht mit letzter Sicherheit erwiesen ist, ob die genannten Wettererscheinungen mehr sind als nur statistische Ausreißer, werden diese auch von Experten als Vorgeschmack für das gedeutet, was bei Eintreten der vorhergesagten Klimaänderungen erwartet wird. Je mehr die noch verbleibenden Unsicherheiten beseitigt werden, desto mehr verlagert sich die Diskussion von klimatologischen Fragen hin zu den Folgen und Risiken der Klimaänderung sowie ihrer Beseitigung bzw. Begrenzung.
Was möglich erscheint, wird in in einer wachsenden wissenschaftliche Literatur über die Konsequenzen der globalen Erwärmung analysiert (siehe Kasten 2).29 Zumeist wird als Standardfall eine Erwärmung bei einer CO2-Verdopplung gegenüber dem vorindustriellen Niveau angenommen, bei dem sich die mittlere globale Temperatur um 1,5-4,5 Grad erhöht, verbunden mit einer Erhöhung des Niederschlages um 10-15% und einem Meeresspiegelanstieg von 50 cm.
Zu den Kosten der Folgen von Klimaänderungen wurden eine Reihe ökonomischer Untersuchungen durchgeführt, die sich auf die Abschätzung der monetären Schadensvermeidungskosten und den Vergleich mit den Verminderungskosten bei einer Verringerung der Treibhausgas-Emissionen konzentrierten.30 Die ökonomischen Studien stimmen weitgehend überein in der Größenordnung der jährlichen Verminderungskosten – 1 bis 3% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – und kommen mit Unterschieden zu ähnlichen Ergebnissen hinsichtlich der jährlichen Schäden durch globale Erwärmung – etwa 1 bis 2% des BIP.31 Diese aggregierten Zahlen können weiter aufgeschlüsselt werden hinsichtlich verschiedener Länder und der einzelnen Schadensdimensionen. Die Grenzen und Gefahren einer rein monetären Betrachtung dürfen jedoch nicht übersehen werden:
Bestimmte Schadensdimensionen lassen sich nur unzureichend in Geldeinheiten umrechnen, wie etwa der Verlust von Arten oder von Menschenleben. Dies stößt auch auf ethische Grenzen.
Unvorhersehbare Katastrophen und nichtlineare Effekte (Rückkopplungen) können Schadensberechnungen völlig über den Haufen werfen. Dies wäre etwa der Fall, wenn Klimasprünge über das im IPCC-Szenario prognostizierte Maß auftreten oder der Golfstrom nicht mehr Europa erreicht.
Das Argument, eine CO2-Verminderung könne teurer sein als die Schadensbeseitigung beim Treibhauseffekt, übersieht, daß erstere Maßnahmen auch aus anderen Gründen sinnvoll und damit Zukunftsinvestitionen sind, während letztere unproduktive Reparaturkosten sind.
Die sozialen Aspekte und die Konfliktdimension der globalen Erwärmung lassen sich monetär nicht erfassen.
III.3 Alle in einem Boot oder nach mir die Sintflut?
Die Vorstellung, alle Menschen säßen, wie bei der von Überschwemmungen und Stürmen geschüttelten Arche Noah, in einem »gemeinsamen Boot«, war eine Klammer, die die UNO-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro im Juni 1992 zusammenhielt. Das Gefühl gemeinsamen Bedrohtseins von Nord und Süd erleichterte, trotz aller sonstigen Divergenzen, die Unterzeichnung verschiedener Verträge, darunter der Klimakonvention.32
Nachdem im Anschluß an die Rio-Konferenz erst einmal Ruhe an der öffentlichen Klimafront eingekehrt war, ist auf der Weltklimakonferenz in Berlin vom 28. März bis zum 7. April 1995 der ohnehin schwierige Konsens von Rio brüchig geworden; weitergehende Maßnahmen wurden fraglich. Neuere Untersuchungen haben nicht nur ein erschreckendes Bild der möglichen Folgen der Klimaveränderungen erkennen lassen, sondern auch die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kosten und die Widerstände gegen die notwendigen Anpassungsprozesse zur Vermeidung des Treibhauseffekts den Entscheidungsträgern vor Augen geführt. Gefürchtet werden bei Politikern, die auf den kurzfristigen Erfolg der Wiederwahl orientiert sind, die mit der Durchsetzung verbundenen Konfliktpotentiale innerhalb der eigenen Gesellschaft. Unter Verweis auf andere schwarze Schafe, scheinen einige Akteure zu glauben, als Trittbrett-Fahrer noch so lange wie möglich der Formel „Ressourcenverbrauch=Wohlstand“ nachhängen zu können, zugleich jedoch von den Emissionsreduzierungen anderer profitieren zu können. Ein solches ungerechtes und nicht-nachhaltiges Vorgehen verlagert jedoch den Konflikt nur auf die internationale Ebene.
Eine Konsequenz der neuen Nach-mir-die-Sintflut-Mentalität ist, daß das Bild vom gemeinsamen Boot Risse zeigt. Ein Indiz dafür ist die kurz vor der Weltklimakonferenz erschienene Zeitschrift „Bild der Wissenschaft“, die unter dem Titel „Kampf ums Klima“ angesichts einer sehr unterschiedlichen Verteilung der Risiken die Alle-in-einem-Boot-Metapher in Zweifel zieht.33 Während nördliche Regionen von der Verschiebung der Klimaänderung profitieren könnten, wird die in wärmeren südlichen Regionen liegende Dritte Welt eindeutig zu den Verlierern gerechnet. Im einzelnen werden Gewinner und Verlierer der Klimaerwärmung aufgelistet.
Grundlage des Zeitschriftenberichts ist ein Aufsatz von Klaus Meyer-Abich, der in differenzierter Weise die naturwissenschaftlich erfaßbaren Auswirkungen der Klimaänderungen in die soziale und politische Realität übersetzt, d.h. in bestehende Macht- und Gesellschaftsverhältnisse einbettet.34 Ausgangspunkt ist die Kernthese, daß die Implikationen der Klimaänderungen verschiedene gesellschaftliche Gruppen (verschiedene Länder, Männer und Frauen, reich und arm, Berufsgruppen, verschiedene Gemeinschaften) in unterschiedlichem Maße treffen. Selbst die scheinbar kleinsten Veränderungen können einigen Akteuren Vorteile und anderen Nachteile bringen. Selbst wenn auf lange Sicht die Nachteile die Vorteile für jedermann übertreffen, würden einige weniger Nachteile als andere haben und damit relative Vorteile.
Dabei werden gewisse Analogien zwischen biologischen und sozialen Systemen nahegelegt. Besonders empfindlich und damit gefährdet gegenüber Klimaänderungen sind Arten an der Grenze ihres optimalen Lebensraums oder ihrer Belastbarkeit (z.B. geographisch eingegrenzte oder genetisch verarmte Arten, spezialisierte Organismen in spezifischen Nischen oder Lebewesen, die sich zu langsam reproduzieren oder fortbewegen). Entsprechend verwundbar gegenüber Klimaänderung sind Länder,
- die35 in starkem Maße von der Landwirtschaft abhängen, da dieser Sektor besonders vom Klima beeinflußt wird;
- sich nicht leicht selbst helfen können, wenn die Landwirtschaft geschädigt wird;
- bereits von Dürren betroffen sind oder anders von der Klimavariabilität beeinträchtigt werden;
- unter Überflutungen zu leiden haben, wenn der Meeresspiegel ansteigt.
Es stimmt bedenklich, daß diese Kriterien besonders auf arme Länder in südlichen Regionen der Erde zutreffen.
III.4. Die Verschärfung des Nord-Süd-Konflikts
Die bestehenden Asymmetrien zwischen Industrie- und Entwicklungsländern würden durch die globale Erwärmung in dreifacher Weise verstärkt:
Die industrialisierte Welt ist Hauptverursacher des Treibhauseffekts. Die G7-Staaten und die ehemalige Sowjetunion sind für etwa 55 Prozent der energiebedingten CO2-Emissionen verantwortlich, obwohl dort nur ein Sechstel der Menschheit lebt. Ein US-Amerikaner verursacht pro Kopf und Jahr das 25-fache der CO2-Emissionen eines Inders.
Entwicklungsländer sind in der Regel verwundbarer gegenüber den Folgen der globalen Erwärmung (Dürren, Meeresspiegelanstieg, Sturmfluten oder Orkane), die ihre Landwirtschaft und Nahrungsmittelversorgung stärker treffen. Besonders in Regionen, in denen die Ressourcenverfügbarkeit bereits durch das Bevölkerungswachstum unter Druck ist, kann die Klimaänderung Hunger und Flüchtlingskrisen fördern. Für einige Länder kann die mit der globalen Erwärmung verbundene Bedrohung der eines Krieges gleichkommen (etwa für die Malediven, Bangladesch oder Ägypten).
Entwicklungsländer haben weniger Mittel als die Industrieländer, um die Folgen zu begrenzen oder zu beseitigen. Die Möglichkeiten zur institutionalisierten Konfliktregelung sind unterentwickelt. Der Norden wäre dagegen ökonomisch und technologisch in einer besseren Position als der Süden, seine Ressourcen und sein Territorium zu verteidigen, falls sich die Konsequenzen der globalen Erwärmung als katastrophal erweisen sollten (etwa durch die Verstärkung von Schutzdämmen oder auch mit militärischen Mitteln).
Kurz gesagt: der Treibhauseffekt wird besonders vom Norden verursacht, trifft aber den Süden zunächst in weit stärkerem Maße, der zudem verwundbarer ist und weit weniger Mittel hat, um die Folgen zu begrenzen oder zu beseitigen. Ähnliches gilt für den Schwund der Ozonschicht, der bislang vor allem von den Industrieländern verursacht wurde, aber im Süden, nahe der Antarktis, am stärksten ausgeprägt ist.36 Zwar hängen auch Industrieländer vom Klima ab, mögen jedoch bei ausreichender wirtschaftlicher Leistungskraft glauben, sich selbst helfen zu können, wobei auch hier die Folgen die verwundbarsten und schwächsten Bevölkerungsschichten am stärksten treffen würden. Dagegen könnten einige Industriezweige darauf hoffen, von möglichen Vorteilen der Erwärmung (Tourismusbranche, Klimaanlagenhersteller) oder auch von der Schadensbeseitigung im Verlauf der Klimakatastrophe zu profitieren (vergleichbar dem Aufbau nach einem Krieg).
Meyer-Abich zieht den Schluß, daß die Dritte Welt wieder einmal damit rechnen muß, bei den erwarteten Klimaänderungen auf der Verliererseite zu stehen, während die Industrieländer eher zu den Gewinnern gehören dürften, zumindest relativ. Die Dritte Welt wird noch mehr als bisher zur Hochrisikozone der Erde. Das gemeinsame Boot erweist sich als marodes Schiff, bei dem die Rettungsboote bereits der ersten Klasse zugewiesen wurden.
Mit einer Einteilung in Gewinner und Verlierer wird jedoch davon abgelenkt, daß letztlich alle verlieren. Langfristig wird auch der Norden von den Folgen nicht verschont bleiben, die derzeit bestehende räumliche Distanz zu den Krisenherden wird im Verlauf der Zeit schwinden. Eine Nord-Süd-Spaltung darüber, wie auf die Klimänderungen reagiert werden soll, würde die Ursachen und Folgen weiter verschlimmern und wirksame globale Aktionen erschweren. Der Streit wird sich an Themen wie Handel, Einwanderung und Technologietransfer entzünden.
Wenn sich durch die globale Erwärmung die Lücke zwischen Industrie- und Entwicklungsländern vergrößert, sind daher langfristige und tiefgreifende Konflikte im Nord-Süd-Verhältnis zu erwarten, das durch das unterschiedliche Niveau der industriellen Entwicklung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern ohnehin stark belastet ist. Mit nur 20% der Weltbevölkerung verbraucht der Norden derzeit 80% der Weltressourcen und emittiert den größten Teil der industriellen Umweltverschmutzung.
Zwar gibt es einen wachsenden Druck auf alle Länder, ihren Verbrauch an fossilen Brennstoffen einzuschränken, doch werden Länder im Frühstadium ihrer industriellen Entwicklung besonders betroffen und werden sich nicht einschränken wollen. Sie argumentieren, daß vor allem die reichen Industrieländer des Nordens, die das nicht-nachhaltige Niveau des Ressurcenverbrauchs bereits überschritten haben, die Bürde tragen sollten, die globalen Treibhausgasemissionen zu beschneiden. Das im Süden vorhandene Mißtrauen wird weiter genährt, wenn der Norden auf den Süden Druck ausübt, um die Zerstörung der tropischen Wälder und anderer Ökosysteme zu vermeiden, die als Senken für Treibhausgase dienen.
III.5. Die Zunahme von Umweltkonflikten
Wenn der Süden die Hauptlast der Risiken der globalen Erwärmung zu tragen hat, dürften sich dort bereits bestehende Konfliktursachen (Wettstreit um Ressourcen, Unterentwicklung, soziale und wirtschaftliche Unterschiede, ethnische oder religiöse Differenzen) weiter verschärfen. Die Knappheit an erneuerbaren Ressourcen trägt in vielen Entwicklungsländern ohnehin schon zu bewaffneten Konflikten bei, den sogenannten Umweltkonflikten. Betroffen sind auch hier vor allem die ärmeren Länder, in denen die Verknappung von Wasser, Wäldern und vor allem fruchtbarem Land in Verbindung mit einer rapide wachsenden Bevölkerung großes Elend bedeutet.
Umweltkonflikte im weiteren Sinne umfassen Konflikte, die um die Nutzung natürlicher Ressourcen ausgetragen werden oder durch die Schädigung natürlicher Ressourcen ausgelöst bzw. deutlich verschärft werden. Im Unterschied zu Kriegen um erschöpfbare Ressourcen (Mineralien, fossile Brennstoffe, Territorium) geht es bei Umweltkonflikten im engeren Sinne um die Degradation erneuerbarer Ressourcen als Folge einer anthropogenen Störung ihrer Reproduktion.37
Beispiele für erneuerbare Ressourcen sind landwirtschaftliche Produkte, Süßwasser und Fischbestände, günstigere klimatische Bedingungen sowie die Qualität von Wasser, Boden und Luft, die als frei verfügbare Güter gelten. Sie werden in Stoffwechselkreisläufen regelmäßig regeneriert, abhängig von der Funktionsfähigkeit und Stabilität der Ökosysteme. Ihre Schädigung (etwa durch Wüstenbildung und Anstieg des Meeresspiegels infolge des Treibhauseffektes) kann die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen dauerhaft beeinträchtigen. Eine Degradation kann sich auf drei Ebenen erstrecken:
1. die Übernutzung einer erneuerbaren Ressource (Quelle);
2. die Überbeanspruchung der Umwelt als Senke für Abfälle und Verschmutzung;
3. die irreversible Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen.
Die schwindende Ressourcenbasis verschärft den Wettbewerb um die Ressourcennutzung, der in Umweltkonflikte umschlagen kann, wenn Akteure ihre Nutzungsziele als nicht miteinander vereinbar ansehen. Eine wesentliche Ursache für Umweltkonflikte ist die asymmetrische Verteilung von Nutzen und Schaden durch Umweltveränderungen, wenn Verursacher, Nutznießer und Leidtragende des Ressourcenverbrauchs verschieden sind oder die Mittel zur Bedürfnisbefriedigung und Risikovermeidung bei Betroffenen unterschiedlich vorhanden sind. Umweltveränderungen sind insofern nicht »gerecht«.
Oftmals geht die Verknappung erneuerbarer Ressourcen schleichend vor sich, wobei die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen sich aufsummieren und erst langfristig zu Konflikten zwischen ethnischen Gruppen bis hin zu Bürgerkrieg und Aufständen führen können. Bei einer Reihe aktueller Konflikte wird der Faktor Umwelt als konfliktauslösend oder -verschärfend angesehen, so beim Streit um die Wasserversorgung in Nahost, bei Umweltflüchtlingen in Afrika oder Südasien, die ihre Heimat aufgrund von Desertifikation oder Überschwemmungen verlassen müssen, oder auch bei den gewaltförmigen Auseinandersetzungen in Haiti oder Ruanda. Meist bleiben die Folgen auf die Region begrenzt.
Umweltkonflikte haben internationale Bedeutung, wenn die Nutzung erneuerbarer Ressourcen durch ein Land die Landesgrenzen überschreitet und negative Umweltkonsequenzen für ein anderes Land (oder eine Ländergruppe) hat. Dies ist angesichts der globalen Verflechtung natürlicher Ressourcen zunehmend der Fall. Länder und Regionen können heute in wenigen Jahrzehnten entwaldet werden. Der ganze Globus ist von Klimaänderungen und Ozonabbau betroffen. Damit verbundene Umweltänderungen erzeugen immer neue Konfliktherde, besonders in der Dritten Welt, wo die institutionalisierten Konfliktregelungsmechanismen unterentwickelt sind. Umweltkonflikte in der Dritten Welt enthalten daher eine vergleichsweise größere Kriegsgefahr in sich als im industrialisierten Norden oder zwischen Nord und Süd.
Eine Konfrontation zwischen Nord und Süd ist dann wahrscheinlich, wenn der Norden seinen wirtschaftlichen Wachstumspfad ebenso beibehält wie sein militärisches Droh- und Gewaltpotential gegen »widerspenstige« Staaten im Süden, die wiederum glauben, Industrialisierung auf Kosten der Umwelt erreichen und mit militärischen Mitteln eine Intervention abschrecken zu können. Ein daraus folgendes neues Wettrüsten würde auf unheilvolle Weise mit den negativen Entwicklungen in den anderen Bereichen korrelieren.
Bei einer Zunahme entsprechender Konfliktursachen sind herkömmliche Verfahren zur Konfliktbearbeitung und -lösung immer weniger wirksam. Dies betrifft insbesondere den Einsatz von UNO-Blauhelmen zur Befriedung von Krisengebieten. Auch zivile Maßnahmen des Umwelt- und Katastrophenschutzes können nicht mehr, als die Zahl der Opfer regional zu begrenzen. Um mit der Energienutzung verbundene Konflikte zu vermeiden oder in ihrer destruktiven Wirkung abzuschwächen, ist ein Bündel von Maßnahmen erforderlich, das sich nicht auf traditionelle Mittel des Konfliktmanagements, der Rüstungskontrolle und Abrüstung sowie der Katastrophen- und Flüchtlingshilfe beschränkt. Das Konzept einer nachhaltigen Ressourcennutzung, das sich präventiv darum bemüht, die Konfliktursachen auszuschließen (durch Energieeinsparung, Effektivierung, angepaßte Energieformen, Beseitigung der Asymmetrien, Verbesserung der Kooperation, Änderung der Lebensweise), ist somit ein wesentlicher Beitrag zur Friedenssicherung.
IV. Der Streit um die Kernenergie zwischen Treibhaus, Risiko und Proliferation
IV.1 Atomstaat und Atomkonflikt
Keine Technologie war und ist in so starkem Maße Gegenstand gesellschaftlicher Kontroversen wie die Atomtechnologie. Der Gegensatz zwischen den überzogenen Versprechungen der fünziger Jahre, in denen das friedliche Atom zum Heilsbringer der Welt hochstilisiert wurde, den enttäuschten Erwartungen der siebziger und den Katastrophenerfahrungen der achtziger Jahre hätte kaum größer ausfallen können. Kernenergie wurde zum Synonym für eine komplexe, fehleranfällige und zentralisierte Großtechnologie, ja zum Symbol für das Scheitern der Moderne. Nach Robert Jungk sind die gesellschaftlichen und politischen Implikationen der Atomtechnologie derart folgenschwer, daß vom »Atomstaat« die Rede ist. In seinem Vorwort zum gleichnamigen Buch stellt er einen Zusammenhang zur Gewalt her:38
„Mit der technischen Nutzbarmachung der Kernspaltung wurde der Sprung in eine ganz neue Dimension der Gewalt gewagt. Zuerst richtete sie sich nur gegen militärische Gegner. Heute gefährdet sie die eigenen Bürger. Denn »Atome für den Frieden« unterscheiden sich prinzipiell nicht von »Atomen für den Krieg«. Die erklärte Absicht, sie nur zu konstruktiven Zwecken zu benutzen, ändert nichts am lebensfeindlichen Charakter der neuen Energie.“
Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl im April 1986 hat in tragischer Weise deutlich gemacht, daß Versuche zur Kontrolle der enormen Zerstörungskraft des gespaltenen Atoms fehlschlagen können. Weltweit wurden Millionen von Menschen auf unsichtbare Weise einer radioaktiven Strahlung ausgesetzt, die einem Vielfachen der Hiroshima-Bombe entspricht. In den besonders betroffenen Regionen der Ukraine und Belorus ist Tschernobyl eine soziale Katastrophe apokalyptischen Ausmaßes: hunderttausende mußten ihre Heimat verlassen, zehntausende von Menschen, darunter viele Kinder, müssen sterben, wenn neueren Studien über die Wirkung radioaktiver Niedrigstrahlung Glauben geschenkt werden darf. Schließlich dürften die immensen volkswirtschaftlichen und politischen Schäden dazu beigetragen haben, die Reformpolitik Gorbatschows zu unterminieren.39 Durch die atmosphärische Ausbreitung sind v.a. Nachbarstaaten, letztlich aber auch die ganze Welt betroffen.40
In den Augen der Bevölkerung führt das hohe – und eigentlich unvorstellbare – Schadenspotential im Falle der Havarie eines Reaktors zu erheblichen Akzeptanzproblemen. Mit den Risiken der Kernenergie ist daher zugleich eine Gegenbewegung mit hohem Widerstandspotential entstanden.41 Die Bewegung gegen die Atomenergie hat ein breites Arsenal von Protestformen entwickelt, von der Bürgerinitiative über friedliche Massendemonstration bis zu eher »militanten«, aber gewaltfreien Aktionen wie Blockaden und Bauplatzbesetzungen, die anderen sozialen Bewegungen als Vorbild dienten. Die Entschlossenheit der Auseinandersetzung ist zum einen auf die wahrgenommenen existentiellen Gefahren der Kernenergie zurückzuführen, zum anderen aber auch durch das teilweise harte Vorgehen der Gegenseite zu erklären, der durch starke Polizeikräfte repräsentierten Staatsmacht im Verein mit der interessierten Industrie.
Während die Erfahrungen von Tschernobyl das Kräfteverhältnis deutlich zu Gunsten der Atomenergiegegner verschoben hatten, arbeiten die Befürworter seit Beginn der neunziger Jahre zielstrebig an einer Rennaissance der Kernenergie. Neben der Energieknappheit, die bei Festhalten am derzeitigen Wachstumsmodell und dem Auslaufen fossiler Energieträger für Mitte oder Ende des nächsten Jahrhunderts erwartet wird, spielt zunehmend die globale Erwärmung eine Schlüsselrolle in der Argumentationskette für die Kernenergie.42
Zweifellos birgt die globale Erwärmung ein enormes Risiko- und Konfliktpotential in sich, wie im letzten Kapitel gezeigt wurde. Geflissentlich wird in der Argumentation jedoch übersehen, daß die Kernenergie in den nächsten Jahren gar keinen nennenswerten Beitrag zur Ersetzung fossiler Energieträger leisten kann, um dem befürchteten Treibhauseffekt entgegenzuwirken, und auch langfristig aufgrund begrenzter Uranvorräte nicht in der Lage ist, eine dauerhaft tragfähige Energieversorgung für die Erde bereit zu stellen. Selbst ein drastischer Ausbau der Kernenergiekapazität wäre kein wesentlicher Beitrag zum Schutz der Erdatmosphäre. Eine Verdoppelung des derzeitigen Anteils der Kernenergie am Weltenergieverbrauch würde – bei konstantem Energieverbrauch – nur eine CO2-Minderung von 5% im Weltmaßstab ergeben, die durch den wachsende Energiehunger im Süden alsbald wieder überkompensiert wäre. Erforderlich ist jedoch mindestens die globale Halbierung der CO2-Emissionen bis Mitte des nächsten Jahrhunderts.43
Unter rein ökonomischen Gesichtspunkten ist es zweifelhaft, ob die Kernergie mit regenerativen Energien konkurrieren kann, vorausgesetzt, diese erhalten eine vergleichbare Förderung und alle Folgekosten der Kernenergie werden in die Berechnung einbezogen. Bei einer ökologischen Gesamtrechnung, die versucht, beispielsweise auch Abfallentsorgung, ökologische Kosten für Bergbau, weitere Brennstoffbearbeitung und Normalbetriebsemissionen monetär auszudrücken, würden schon heute einige regenerative Energieträger (wie Wasser und Wind) deutlich besser abschneiden als der Nuklearstrom (und fossile Energieträger). Der nukleare Billigstrom ist Fiktion geblieben. Dies erklärt im Wesentlichen den anscheinend stattfindenden langsamen Rückzug der Stromversorgungsunternehmen aus der Nuklearenergie, der sich zunächst – solange die Altanlagen nicht abgeschrieben sind – in einem erlahmten Interesse an einem weiteren Ausbau der Kernenergie ausdrückt. Das Investitionsrisko ist überdies durch den Protest der Bevölkerung gewachsen und durch die gestiegenen Anforderungen bei der staatlich kontrollierten Genehmigungsprozedur einiger Länder (darunter Deutschland und USA).
Ob Kernenergie einen relevanten Beitrag zu einer klimaverträglichen Energiepolitik leisten kann, war auch einer der wesentlichen Streitpunkte in der Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“ des Deutschen Bundestages. Während das Mehrheitsvotum sich für „eine weitere Nutzung einer verantwortbaren, weil risikoarmen und umweltverträglichen Kerntechnik“ aussprach (S. 1056), vertrat das Minderheitsvotum die Ansicht, daß „nicht trotz, sondern wegen eines effektiven Klimaschutzes (…) aus der Atomkernenergie ausgestiegen werden“ müsse, denn diese sei „quasi die »Speerspitze« eines »harten« Energiepfades, der bislang sowohl das atomare als auch das Treibhausrisiko verschärft hat.“44
Eine genauere Betrachtung des Risiko- und Konfliktpotentials der Kernenergie zeigt, daß diese keine attraktive Variante zu den fossilen Energieträgern und den damit verbundenen Risiken darstellt.
IV.2 Militärische Risiken
Ein hohes sicherheitspolitisches Risiko- und Konfliktpotential ist durch die Überschneidung von zivilen und militärischen Nukleartechnologien gegeben. An verschiedenen Stellen der nuklearen Brennstoffspirale sind Übergänge zur Atomwaffentechnologie möglich, die zur Gefahr ihrer weltweiten Verbreitung (Proliferation) beitragen. Besonders problematisch ist die zivil-militärische Ambivalenz bei Technologien und Anlagen, in denen waffengrädiges Material produziert bzw. verarbeitet wird. Hierzu gehören Urananreicherung, Wiederaufarbeitung und Teile der Brennelementfertigung. Etwa 20 Länder haben bereits den Zugriff auf solche Technologien erreicht. Die Tendenz wird steigen bei weiterem weltweiten Ausbau der Kernenergie.
Schon heute liegen mehr als 1.000 Tonnen Plutonium im zivilen Bereich vor – allerdings zum größten Teil noch eingebettet in den radioaktiven Nuklearabfall, der eine radiologische Barriere darstellt, die nur durch Wiederaufarbeitungstechnologie überwunden werden kann. Etwa bis zu 130 Tonnen Plutonium – theoretisch ausreichend für etwa 25.000 atomare Sprengkörper – liegen in abgetrennter Form vor, ohne daß eine baldige Nutzung im zivilen Kreislauf abzusehen wäre. Eine wachsende Tendenz im Bereich der aufgehäuften Plutoniummengen ist auszumachen.
Solange eine Plutoniumnutzung im weltweitem Maßstab betrieben wird, ist ein unumkehrbarer Weg in die atomwaffenfreie Welt nicht möglich. Die offensichtlichen Probleme durch die Gefahr der Atomwaffenproliferation und die fortdauernde Beibehaltung von existierenden Atomwaffenprogrammen und -optionen wären nicht mehr zu lösen bei gleichzeitiger Existenz nationaler Nuklearprogramme, die den Zugriff auf Waffenstoffe willentlich oder unwillentlich zulassen.
Betroffen sind auch Forschungsprogramme wie der geplante neue Garchinger Forschungsreaktor, der mit waffengrädigem hochangereicherten Uran (HEU) arbeiten soll und damit Programme zur Vermeidung von HEU für zivile Zwecke torpediert.
Ein erheblicher internationaler Aufwand an Inspektionen wird durch die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO, Wien) betrieben, um zu vermeiden, daß Nicht-Kernwaffenstaaten, die Mitglied des Nichtverbreitungsvertrages sind, kein Material für Kernwaffen abzweigen. Eine wirkliche Kontrolle, die zivil-militärische Übergänge ausschließt, existiert aber nicht und ist auch nicht als lückenlos vorstellbar.
Der Bestand an Kernwaffen in den USA und Rußland ist zwar reduziert worden, aber in weiteren acht Ländern sind Kernwaffenarsenale aufgebaut worden, existieren noch, werden erweitert und modernisiert oder mit guten Gründen vermutet. In anderen Ländern wie Deutschland sind Kernwaffen immer noch stationiert. Weitere Staaten werden verdächtigt, den Bau von Kernwaffen anzustreben.
Selbst wenn es keine reale Intention gibt, eine Kernwaffe zu bauen, kann technologisch eine Option vorbereitet oder beibehalten werden. Dadurch haben andere Länder sowie Kritiker im eigenen Land immer wieder Anlaß für Spekulationen über aktuelle oder zukünftige Absichten, ein Kernwaffenprogramm zu starten. Das wirkt eher als Same für Konfrontation als für Kooperation und Vertrauen. Die berechtigten Verdächtigungen gegen den Irak wurden neben der Besetzung von Kuwait von den Aliierten als Hauptgrund dafür angegeben, den Krieg zu führen. Regional können undeklarierte Atomwaffenprogramme oder ambivalente Nuklearprogramme als zusätzlicher Risikofaktor in Krisen oder als Krisenverstärkungsfaktor wirken. Befürchtet wird dies zur Zeit insbesondere im südlichen Asien.
Die Konsequenz ist, daß Kernwaffen mit ihrer Verbindung zur Kernenergie eine ständige Quelle für Diskriminierung, Drohung, Mißtrauen und Angst in den internationalen Beziehungen bleiben. Bei ihrer Fortexistenz besteht die Gefahr, daß an Waffen und Strategien zu ihrer militärischen Bekämpfung gearbeitet wird. Dies zeigen insbesondere die US-Strategie der Counterproliferation sowie Programme zur Raketenabwehr, die ein neues Wettrüsten zwischen Nord- und Süd forcieren und zur Destabilisierung der Sicherheitslage beitragen können.45
Meist unterschätzt wird das Risiko der Kernenergie durch Kriegs- und sonstige Gewalteinwirkungen, insbesondere durch Terror- und Sabotageakte in Gebieten mit politischen und sozialen Spannungen. Schon dreimal wurden Nuklearanlagen Ziel militärischer Angriffe (Israel gegen Irak 1981, Irak gegen Iran im ersten Golfkrieg, USA gegen Irak im zweiten Golfkrieg). Würde ein größerer Leistungsreaktor bombardiert, sind Unfallszenarien vorstellbar, die mit der Tschernobyl-Katastrophe vergleichbar sind. Die bewußte Verseuchung durch einen militärisch erzeugten Kernschmelzunfall mit massiver Radioaktivitätsfreisetzung hätte eine Wirkung auf die betroffenenen Menschen und einen ganzen Landstrich, die länger wirksam sein wird als ein Atomwaffenangriff.
IV.3. Radioaktive Strahlung und die Umweltrisiken der nuklearen Spaltstoffspirale
Die gesamte nukleare Spaltstoffspirale enthält eine Vielzahl von Problemen und Risiken,46 die Werte und Interessen von Menschen empfindlich berühren und damit zu Konflikten beitragen können. In allen Phasen der Spaltstoffspirale, vom Uranbergbau, über die Brennelementfertigung, den Reaktorbetrieb und die Wiederaufarbeitung bis zum Transport und zur Lagerung fallen radioaktive Stoffe an, deren Freisetzung eine Gefahr darstellt. Es ist schon im Normalbetrieb kaum zu vermeiden, daß auf jeder Verfahrensstufe radioaktive Stoffe in die Umwelt gelangen, ganz abgesehen von den immer wieder auftretenden Stör- und Unfällen. Gerade im Normalbetrieb stellen radioaktive Belastungen ein Konfliktpotential mit internationalen Dimensionen dar. Die Hauptrisiken erwachsen aus dem Uranbergbau und der Wiederaufarbeitung. Die deutschen Kernenergienutzer haben beide Risikoquellen ins Ausland verlagert. Die Leukämiefälle rund um die irische See sind somit auch durch die Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente in Sellafield zu verantworten.
Bei der Urangewinnung und Erzaufbereitung werden große Mengen schwachaktiver Abfälle produziert, die in Halden gelagert werden und die Umgebung kontaminieren. Reaktoren produzieren hochradioaktive Gase und Flüssigkeiten, die an die Umwelt abgegeben werden, und müssen nach einer Betriebszeit von 25 bis 35 Jahren demontiert und als radioaktiver Abfall behandelt werden. Auch der Umgang mit hochaktiven, strahlenden Materialien bei der Uranbearbeitung und -anreicherung sowie der Brennelementfertigung führt zur Produktion weiterer radiotoxischer Abfälle. Die abgebrannten Brennelemente selbst sind hochaktiver Atommüll, der über Jahrtausende radioaktive Strahlung abgibt.
Im Uranbergbau werden jährlich mehrere Millionen Tonnen von Material bewegt, um die benötigten etwa 100.000 Tonnen Uranerz zu schürfen, die den Uranbrennstoffbedarf von zur Zeit knapp 10.000 Tonnen pro Jahr befriedigen. Die Abraumhalden enthalten bis zu 85% der ursprünglichen Radioaktivität. Neben den radioaktiven Emissionen geben die Abraumhalden auch andere toxische Substanzen ab, darunter Schwermetalle, Nitrate und Phosphate. Die deutsche Wismut-AG produzierte 220.000 Tonnen Uran und hinterließ 48 Halden mit mehr als 300 Millionen Kubikmetern radioaktiv verseuchten Materials. Zwischen 1946 und 1990 erkrankten mehr als 7.000 Menschen an Lungenkrebs. 13 Mrd. DM soll die Sanierung kosten.47
Rund 70% der Uranerzstätten liegen in Gebieten indigener Völker, besonders in den großen Abbaugebieten Australiens, Südafrikas oder der USA.48 Dabei geht es nicht nur um radioökologische Folgen und Eingriffe in die Landschaft. Erstaunlich häufig finden sich Uranminen unter Tabuzonen und Heiligtümern der UreinwohnerInnen, die durch den Abbau zerstört wurden und werden. Die Folgen des Uranabbaus sind somit ein trauriges Beispiel für vernachlässigte Folgen, von denen weit entfernt lebende Menschen betroffen sind, die nicht profitieren von der Nutzung des Urans in Kernreaktoren.
Anlaß zur Sorge bereiten auch Unfallrisiken und Strahlenbelastungen durch Transporte von Nuklearmaterial auf dem Schienen-, Straßen- und Luftweg sowie die dabei gegebene Möglichkeit terroristischer Anschläge. Bei den Transporten abgebrannter Brennelemente in den Castorbehältern wird das Begleitpersonal einer unverantwortbar hohen zusätzlichen Strahlenbelastung ausgesetzt.
Die tatsächliche Wirkung niedriger Strahlendosen auf die belebte Natur, die auch im Normalbetrieb von Nuklearanlagen auftritt, kann nicht sicher angegeben werden, doch gewichten neuere Untersuchungen (z.B. bei Arbeitern in der Atomindustrie und dem größten Teil der Atombombenüberlebenden) die Schadenswirkung radioaktiver Niedrigstrahlung heute höher als früher.
Letztlich kann jede freigesetzte Radioaktivität Schäden in biologischen Kreisläufen anrichten, die über räumliche und zeitliche Grenzen hinweg wirksam werden können. Auch wenn die Risiken zunächst lokal in Erscheinung treten, wird letztlich die Anzahl der global durch Emissionen betroffenen Menschen noch wesentlich größer sein als die regional Betroffenen, u.a. weil die Emissionen aus den Kernkraftwerken irgendwann aufhören, die global verteilten Radioisotope aber nur langsam zerfallen. Weniger als 2% der für alle Zeit aufsummierten Kollektivdosis als Folge der Kernenergienutzung wird von den Menschen getragen, die in der regionalen und lokalen Umgebung und in der historischen Zeit ihrer Nutzung leben, d.h. von den Menschen, die wahrscheinlich fast 100% des Nutzens haben. Nicht berücksichtigt sind hierbei der Anteil von beruflich strahlenexponierten Personen an der Kollektivdosis (etwa 5%) und die Folgen möglicher unfallbedingter Emissionen. Die über Jahrtausende hinweg weltweit akkumulierte Schadenswirkung an menschlichen Organismen durch Krebs oder genetische Defekte mag somit zu unzähligen Opfern führen, die auf das Konto der heute lebenden Generationen gehen.
Bei der durch Radioaktivität erhöhten Krebswahrscheinlichkeit handelt es sich um ein reales Risiko; dagegen gerichtete Handlungen von potentiell Betroffenen sind keineswegs irrational oder Panikmache, wie von interessierter Seite gerne suggeriert wird. Die Betroffenen werden zu einem Verhalten genötigt, daß zu Konfliktsituationen führen kann.
IV.4 Reaktorunfälle
Im Zentrum der öffentlichen Debatte über die Kernenergie steht die Sorge über das Versagen von Atomkraftwerken und die damit verbundenen Folgen. Im schlimmsten Fall kann der Reaktorkern mit den Brennelementen schmelzen. Bei Durchbrechen des Sicherheitsbehälters kann massiv Radioaktivität freigesetzt werden. Die Reaktorunfälle im englischen Windscale in den fünfziger Jahren, im Kernkraftwerk Three Mile Island in Harrisburg 1978 sowie die Katastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986 haben das öffentliche Mißtrauen gegenüber Kernkraftwerken verstärkt.
Alle Versuche, die Gefahren des Reaktorbetriebs vollständig unter Kontrolle zu bekommen, sind bislang an den enormen technischen Anforderungen an das Sicherheitssystem und am »Unsicherheitsfaktor Mensch« gescheitert. Da es perfekte Sicherheit nicht geben kann, führt das Versagen des hochkomplexen, eng-gekoppelten und zeitkritischen Gesamtsystem zu »normalen Katastrophen«. Entgegen der Vorstellung, alles technisch beherrschen zu können, lassen sich nicht alle Unfallszenarien erfassen, können unvorhergesehen Fehlermöglichkeiten aufreten, die zum GAU mit unabsehbaren Folgen führen können. Die Möglichkeit dazu wurde in Katastrophenplänen immer ins Kalkül gezogen. Nach der ersten deutschen Risikostudie aus dem Jahre 1979 etwa sei, bezogen auf den Referenzreaktor Biblis, im schlimmsten Falle mit bis zu 14.500 Soforttoten und 104.000 Fällen von Spätfolgen zu rechnen; desweitern könnte eine Fläche von bis zu 5.600 Quadratkilometern so stark kontaminiert werden, daß 2.9 Millionen Menschen evakuiert werden müßten.
Auch wenn die Unfallwahrscheinlichkeit klein erscheinen mag, so ist doch im Falle des Eintretens wenig Hoffnung auf Hilfe durch den Katastrophenschutz zu setzen. Auswirkungen über die Region hinaus sind zu erwarten, wie der Tschernobyl-Unfall vor Augen geführt hat. Die Atomtechnologie »bestraft« schwerwiegende Fehler mit Folgen katastophalen Ausmaßes, die soziale Strukturen destabilisieren oder gar zerstören können. Derartige Risiken sind inakzeptabel, zwingen davon Betroffene zu Abwehrhandlungen und können zu Konflikten zwischen Staaten führen.
Von Experten wird die Meinung vertreten, daß zur Zeit kein Reaktortyp verfügbar ist, der nach dem modifizierten deutschen Atomgesetz genehmigungsfähig wäre.49 Ob »inhärent sichere« oder »katastrophenfreie« Reaktoren entwickelt werden können, die folgenschwere Unfälle völlig ausschließen, bleibt abzuwarten. Auch wenn ein Reaktor theoretisch vorstellbar wäre, der viel »sicherer« sein könnte als alle bisher betriebenen, so bleibt doch ein erhebliches »Restrisiko« der Kernenergienutzung, das unabhängig von der Wahl eines speziellen Reaktortyps ist.
IV.5. Das Abfallproblem: ein Konflikt mit zukünftigen Generationen
Offensichtlich ist das langfristige Risiko der Kernenergie am Ende der Brennstoffspirale. Über Jahrzehnte hinweg wurde in Atomreaktoren Atommüll produziert, ohne daß ein schlüssiges Abfallkonzept für den anfallenden radioaktiven Müll realisiert worden wäre. Täglich wächst der Atommüllberg, und das damit verbundene Risiko wird über Hunderttausende von Jahren wirksam sein. Daher wird das Problem der langfristigen Lagerung radioaktiver Abfälle als ein internationales Problem betrachtet, das internationale Lösungsansätze erfordert.
Aufgrund der langen Halbwertszeit einiger Isotope (beispielsweise 24.110 Jahre für Plutonium-239 oder 210.000 Jahre für Technecium-99) sind derart viele zukünftige Generationen von den radioaktiven Abfällen betroffen, daß die menschliche Vorstellungskraft und Prognosefähigkeit überfordert sind. Erst nach 1.000 Generationen ist die Hälfte des Plutonium-239 zerfallen. Dieser Zeitraum ist länger als die Geschichte des modernen Menschen, die nach Ende der letzten Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren begann. Die Notwendigkeit, den Atommüll über so lange Zeiträume von der Biosphäre zu isolieren, übertrifft bei weitem die gesellschaftlichen Perspektiven, dies sicherzustellen.
Alle derzeit diskutierten Lösungsvorschläge sind mit großen Problemen behaftet. Bis zum Anfang der siebziger Jahre gab es bei den Kernenergiebetreibern keinen internationalen Konsens, wie hochradioaktive Abfälle sicher auf lange Zeit gelagert werden können. Versenkung im Meer, Lagerung im Eis der Antarktis, die Verschießung ins All, Injizierung flüssiger Abfälle unter grundwasserführende Schichten und verschiedenste Varianten der unterirdischen Lagerung wurden ernsthaft in Erwägung gezogen und teilweise praktiziert. Erst in den siebziger Jahren etablierte sich zunehmend das Konzept der „wartungsfreien, zeitlich unbefristeten und sicheren Beseitigung in tiefen geologischen Formationen“ (kurz: »Endlagerung«), wobei Salz, Granit, Mergel, Ton und einige andere Materialien auf ihre Eignung geprüft wurden. Zunächst setzte sich dieses Konzept der Endlagerung weltweit durch und ermöglichte den Abschluß der Londoner Konvention, die die einzige noch ernsthaft vertretene Alternative, die Meeresversenkung, unter Verbot stellt.50
Bis heute, nach rund vier Jahrzehnten Kernenergienutzung, gibt es auf der Welt jedoch nicht ein einziges Endlager für hochradioaktive Abfälle mit Betriebsgenehmigung, und es ist ungewiß, ob jemals der Nachweis für ein Endlager erbracht werden kann, der die Langzeitsicherheit zufriedenstellend garantiert. Etwa 90.000 Tonnen abgebrannter Brennelemente haben sich in Zwischenlagern angesammelt.
Ob überhaupt eine verantwortbare Lösung für die langfristige sichere Lagerung von radioaktiven Abfällen geschaffen werden kann, und welche Folgen diese für viele Tausende zukünftiger Generationen haben wird, ist ungewiß. Während die meisten Regierungen und internationalen Organisationen heute ein Konzept der Endlagerung in tiefen geologischen Formationen favorisieren, wird vor allem von BürgerInneninitiativen die Forderung entgegengehalten, den Müll rückholbar und kontrolliert zu lagern. Eine gezielte langfristige Überwachung zwecks Kontrolle und Reparatur der Schutzbehälter erscheint nötig, weil jedes Behältermaterial korrodiert und Radioaktivität durch jede Art geologischer Barriere über lange Zeit in nicht genau vorhersagbarer Weise entweicht. Die Lagerung soll auf den jeweils technologisch besten Stand gebracht werden.
Obwohl diese Gegenposition nicht mit einem schlüssigen und technisch weit entwickelten Konzept auftreten kann, muß die dauerhaft bewachte Lagerung als ernsthafte Alternative zur Endlagerung dieser Abfälle in Betracht gezogen werden. Diese Gegenposition bekommt dann mehr Gewicht, wenn man einerseits gelten läßt, daß neben rein technischen Kriterien auch soziale, politische, ethische und psychologische eine Rolle spielen, und wenn man zugesteht, daß andererseits schon bei Beschränkung auf technische Kriterien kein Konsens über die Erreichbarkeit der Schutzziele hergestellt werden kann.
Angesichts fehlender Entscheidungen stellen sich verantwortliche Stellen und die Nuklearindustrie zunehmend darauf ein, daß hochradioaktive Abfälle langfristig zwischengelagert werden müssen, weil ein für hinreichend sicher bewertbares Endlager innerhalb der nächsten Generation nicht und vielleicht nie errichtet werden kann. Dies hat tiefgehende ethische Implikationen, insbesondere hinsichtlich des Verursacherprinzips sowie bezüglich Entscheidungsfreiheit und Selbstschutz zukünftiger Generationen.
Die wesentlichen Konflikte sind dabei:51
1. Vermeidung von Abfällen durch Einstellung des Reaktorbetriebs vs. Bereitstellung eines Entsorgungnachweises zur rechtlichen Sicherung des Reaktorbetriebs
2. Vermeidung irreversibler unerwünschter Folgen (z.B. durch Rückholbarkeit) vs. Wahl einer endgültigen Lösung (Endlager) mit Restrisiko
3. Schutz der weit entfernten Generationen vor potentiellen radiologischen Gefährdungen vs. Schutz der heutigen und nahen Generation vor bekannten Risiken (zeitliche Aufteilung des Risikos)
4. Weitgehende Partizipation der Öffentlichkeit bei Entscheidungen, Informationsvermittlung und Bewachung vs. Effektivierung der Entscheidungsprozesse und Beauftragung von Fachleuten
5. Dauerhafte Bewachung der radioaktiven Abfälle als soziale Aufgabe vs. Endlagerung als technische Aufgabe.
Eine Klärung der verschiedenen Positionen anhand solcher Zielkonflikte könnte vielleicht zur Konfliktbearbeitung und zu einer Lösung des Problems beitragen. Stattdessen wird derzeit versucht, das Problem durch administrative Entscheidungen von oben in den Griff zu bekommen, beispielsweise durch eine Weisung vom Bundesminister an eine Landesregierung, oder es wird versucht, in einem gesellschaftlichen Aushandlungsprozeß einen Konsens herbeizuführen. Bisher sind in dieser Frage allerdings weder ein »herrschaftsfreier Diskurs« noch eine demokratisch tragfähige Entscheidung erreicht worden. Die verschiedenen Interessenparteien müßten sich stärker von ihren kurzfristigen Partikularinteressen lösen können, wenn sie eine auf die Dauer haltbare Umgangsweise mit den radioaktiven Abfällen finden wollen und damit die Interessen zukünftiger Generationen gleichberechtigt anerkennen wollen. Ohne eine absehbare Lösungsperspektive wäre es unverantwortlich, den Problemberg durch atommüllproduzierende Reaktoren weiter anwachsen zu lassen.
IV.6 Kriterien für eine verantwortbare zukünftige Nutzung der Kernenergie
Durch den bestehenden Betrieb von Kernreaktoren ist bereits eine »nukleare Hinterlassenschaft« entstanden, die weitere – auch wissenschaftliche – Arbeit in diesem Bereich dringend erforderlich macht. Die sichere Lagerung bzw. Beseitigung des nuklearen Abfalls und der aktivierten Anlagenteile muß ein wesentliches Thema bleiben. Ebenso muß die Sicherheit laufender Nuklearanlagen ständig überprüfbar und verbesserbar bleiben – auch wenn diese nur noch im Ausland betrieben werden sollten.
Offen ist die Frage, wie eine Weiterentwicklung nuklearer Energieoptionen bewertet werden soll, die für den längerfristig anstehenden teilweisen Ersatz fossiler Energieträger vorbereitet werden. Vorschläge für eine neue Generation von Kernspaltreaktoren werden dazu in verschiedenen Labors und Firmen erarbeitet. Mit großem finanziellen Aufwand wird die Kernfusion als mögliche neue nukleare Energiequelle erforscht. Weiterhin gibt es Ansätze, mittels beschleunigergestützter unterkritischer Reaktoren eine neuartige Kernspaltenergiequelle zu entwickeln bzw. eine Maschine zur Umwandlung von hochaktivem Nuklearabfall in kurzlebigen radioaktiven Abfall zu erfinden (Transmutation).
Wenn wirklich eine neue überzeugende Generation von Reaktoren entwickelt werden soll, die breite Akzeptanz nicht nur der Reaktorbetreiber, sondern auch der Bevölkerung erreichen will, muß bereits im Entstehungsprozeß von Forschung und Entwicklung darüber nachgedacht werden. Einerseits müssen die neuen Technologien insgesamt akzeptabler erscheinen als die bislang genutzten Technologien auf der Basis fossiler Rohstoffe und andererseits müssen sie den Wettbewerb mit weiterzuentwicklenden regenerativen Energieträgern aufnehmen können – und dies nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht. Zu den Kriterien für eine verantwortbare Verfolgung von Zukunftsoptionen im Bereich nuklearer Technologien, die die mögliche Entwicklung selbst mitbeeinflussen, sollten gehören:52
1. Es muß nachprüfbar erkennbar sein, daß das Ziel einer wohldefinierten Katastrophenfreiheit erreichbar erscheint, d.h. das Unfallrisiko und das Schadensausmaß müßten drastisch reduziert werden können (vergl. Paragraph 7 des revidierten Atomgesetzes).
2. Die Proliferationsresistenz aller verwendeten und vorgeschlagenen Nukleartechnologien sollte angestrebt werden, d.h. waffengrädiges Nuklearmaterial sollte weder produziert noch genutzt werden.
3. Absehbare Langzeitfolgen aus dem Betrieb entwickelter Anlagen sollten auf ein vertretbares Minimum reduziert werden; dies bedeutet u.a., daß die Notwendigkeit einer Langfristlagerung von großen radioaktiven Abfallmengen ausgeschlossen sein sollte.
4. Die erforderlichen Rohstoffe sollten von vorneherein in die Betrachtung miteinbezogen werden, so daß ein langer Horizont der Technologienutzung möglich erscheint, der weit über den theoretisch nutzbaren Zyklus für fossile Brennstoffe hinausgehen sollte.
5. Der Investitionsbedarf und die erwartbaren Betriebskosten sollten nicht größer sein als diejenigen, die man für die wesentlichen regenerativen Energieträger erwartet.
6. Der tatsächliche Beitrag zur Erreichung von Klimaschutzzielen (beispielsweise Reduktion der CO2-Emissionen) muß in Konkurrenz zu demjenigen Beitrag durch mögliche Installierung erneuerbarer Energiequellen überzeugend sein – auch hinsichtlich der spezifischen Kosten.
Gemäß dieser Kriterien müßte beispielsweise die Weiterentwicklung der Brütertechnologie wohl als zu risikoreich und wenig erfolgversprechend angesehen werden. Die bisherigen negativen Erfahrungen mit dieser Technologie und die Tatsache, daß höchstens eines der genannten Kriterien erfüllbar erscheint, sprechen eine deutliche Sprache.
Es besteht die Hoffnung, durch die Debatte anhand dieser Kriterien eine frühzeitige und vorausgreifende Konfliktminderungsstrategie im erwartbaren Streit um zukünftige Nukleartechnologien herbeiführen zu können. Es wäre wünschenswert, wenn durch die implizite Definition eines Leitbildes die zukünftige Forschung und Entwicklung sinnvoll und transparent gesteuert werden kann.
V. Leitbilder, Zielkonflikte und Handlungsperspektiven – Aspekte einer ethischen Urteilsbildung
Angesichts des erkennbaren Konflikt- und Katastrophenpotentials der bestehenden Energieversorgung stellt sich die Frage, wie eine verantwortbare Energieversorgung für das nächste Jahrhundert aussehen könnte, die gefährlichen Energiekonflikten vorbeugt. Das soll nicht heißen, daß alle Risiken und Konflikte grundsätzlich auszuschließen sind (was kaum möglich und auch nicht immer wünschenswert erscheint), sondern daß es keine Katastrophen und Gewaltkonflikte geben soll, die verheerende Zerstörungen und soziale Deformationen nach sich ziehen können.
Die wesentlichen Lösungskonzepte sind bekannt. Um das gewünschte Ziel einer verantwortbaren Energieversorgung bis Mitte des nächsten Jahrhunderts zu erreichen, bedarf es einer Reihe ordungspolitischer Maßnahmen, von denen einige hier angedeutet werden:
Wirtschafts- und finanzpolitische Maßnahmen steuern die Energiepreise, um sowohl erhebliche Einsparungen beim Energieverbrauch zu erzielen wie auch die Wirtschaftlichkeit ressourcen-schonender und risikoärmerer Energien sicherzustellen.
Technologiepolitische Entscheidungen fördern die Entwicklung und Erprobung regenerierbarer Energien.
Verkehrspolitische Entscheidungen entwickeln ein neues Verkehrskonzept, das sich sowohl auf das Verhältnis von öffentlichem und privatem Verkehr als auch auf die Antriebsart der Kraftfahrzeuge bezieht.
Gesellschaftspolitische Entscheidungen fördern die Dezentralisierung und setzen damit kleinere gesellschaftliche Einheiten in die Lage, über Energieversorgungskonzepte selbst zu bestimmen.
Um Handlungsoptionen bewerten, vergleichen und im Rahmen eines Gesamtkonzepts umsetzen zu können, sind Beurteilungskriterien erforderlich, die für eine konkrete Fragestellung zu operationalisieren sind. Dabei ist zu berücksichtigen, daß jeder Beurteilung Leitbilder zugrundeliegen, die den kommunikativen Prozeß der ethischen Urteilsbildung maßgeblich beeinflussen. Im folgenden sollen mit den Begriffen »Erhaltung und Entfaltung« zwei Leitkriterien zur Beurteilung der Energiepolitik herangezogen werden, die Schlüsselbegriffe sowohl für die Friedensdiskussion wie auch für die Debatte über nachhaltige Entwicklung sind.53
V.1 Ethische Urteilsbildung – ein kommunikativer Prozeß
Ethische Urteilsbildung ist als ein kommunikativer Prozeß zu verstehen, in den die Beteiligten ihre Kenntnisse, Reflexionen, Argumentationen, Bewertungen und Betroffenheiten mit dem Ziel der Verständigung einbringen. Dabei bedeutet Verständigung nicht sofort Konsens. Ein erstes wichtiges Ziel ist vielmehr, die unterschiedlichen Interessen, kompetenzbedingten Sichtweisen und moralischen Positionen – also die entscheidenden Punkte des Dissenses – herauszuarbeiten. Erst dann kann die Frage nach einem möglichen Kompromiß aus Gründen dringender Handlungsnotwendigkeit gestellt oder weiter nach einem möglichen Konsens gesucht werden.
Was Kompromisse angeht, so ist zwischen solchen auf der Ebene der strategischen und der praktischen, sprich ethischen Diskurse zu unterschieden. Kompromisse auf der strategischen Ebene sind immer wieder notwendig, um politische, gesellschaftliche und persönliche Handlungsfähigkeiten zu erhalten; sie sind schon schwierig genug. Noch schwieriger sind ethische Kompromisse; angesichts des Pluralismus von kulturellen Traditionen und ethischen Grundüberzeugungen, repräsentiert in einer Vielfalt sozialer Bewegungen, sind sie oft nicht möglich und vor allem dann auch gar nicht wünschenswert, wenn sie das Selbstverständnis von Personen oder Gruppen beschädigen würden.
Wenn auch immer wieder Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen getroffen werden müssen, bleibt der ethische Urteilsbildungsprozeß – selbst bei einem erreichten Konsens – prinzipiell offen. Neue Erkenntnisse und Erfahrungen, in unserem Zusammenhang gerade auch aufgrund wissenschaftlich-technischen Handelns, machen es immer wieder notwendig, in ethische Urteilsbildungsprozesse einzutreten. Ethische Urteilsbildungsprozesse sind iterativ.
Die Offenheit ethischer Urteilsbildungsprozesse darf allerdings nicht so verstanden werden, als ob in ihnen schlechterdings alles zur Disposition gestellt werden sollte. Es gibt notwendige Bedingungen für Urteilsbildungsprozesse, die gleichzeitig normative Ansprüche an die Beteiligten enthalten: die wechselseitige Anerkennung und Achtung als Personen, das Bemühen um sachlich zutreffende Aussagen und um Wahrhaftigkeit, die Bereitschaft zur Revision eigener Auffassungen. Darüber hinaus werden im folgenden Abschnitt Leitwerte eingeführt, an denen Urteilsbildungsprozesse sich orientieren sollten: Erhaltung und Entfaltung. Die nähere Präzisierung dieser Bedingungen bzw. dieser Leitwerte bleibt allerdings wieder Angelegenheit der Urteilsbildungsprozesse.
V.2 Politische und ethische Zielperspektiven
a) Das politische Leitbild der nachhaltigen Entwicklung
In dem Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung „Unsere gemeinsame Zukunft“ wird »sustainable development« als politischer Leitbegriff eingeführt. Damit ist in diesem Dokument eine Entwicklung gemeint, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können. Im Vordergrund stand damals die dauerhafte Überwindung der Armut. Dieser sogenannte Brundtland-Bericht ebnete den Weg zur UNCED, der United Nations Conference on Environment and Development, die 1992 in Rio de Janeiro stattfand.
Bei dem Konzept des »sustainable development« – im Deutschen am häufigsten mit »nachhaltiger Entwicklung« wiedergegeben – handelt es sich um einen politisch-normativen Begriff, der drei Imperative umfaßt: den Imperativ der internationalen Gerechtigkeit, der eine gerechte Verteilung von Gütern (outputs) und Einflußmöglichkeiten (inputs) zwischen allen heute lebenden Menschen verlangt, den Imperativ der intergenerationellen Gerechtigkeit, der auf die Gerechtigkeit zwischen den Generationen zielt, und den Imperativ der Bewahrung der Natur.54
b) Die ethischen Leitkriterien von Erhaltung und Entfaltung
Die ethischen Dimensionen von nachhaltiger Entwicklung lassen sich ausdrücken durch die Leitkriterien der Erhaltung und Entfaltung der Menschheit (siehe auch Kasten 3).55 Erhaltung meint die Fortdauer menschlichen Lebens im Kontext natürlicher und kultureller Lebenszusammenhänge. Entfaltung bezieht sich auf die innere Dynamik menschlicher Personen und Gesellschaften, die ihre Erhaltung nur im Prozeß der Entfaltung ihrer Fähigkeiten und Anlagen sinnvoll anerkennen können. Beschreibt man Entfaltung bezugnehmend auf die Personalität der Menschen, so sind in diesem Begriff zwei Inhalte von gleicher Wichtigkeit: Autonomie und Partizipation oder Mündigkeit und Partnerschaft.
Autonomie bzw. Mündigkeit betont die Fähigkeit zu eigenständigem Denken und Urteilen und damit zur Selbstentscheidung und Eigenverantwortlichkeit. Die Ausdrücke Partizipation bzw. Partnerschaft bezeichnen einen zur Autonomie komplementären Gesichtspunkt im Begriff der Personalität: die Person als Beziehungswirklichkeit. Personen können sich nur in kommunikativen Prozessen entfalten, die ihrerseits an gesellschaftliche Rahmenbedingungen – nämlich die Autonomie und die personale Integrität zu achten und Kommunikationen zu fördern – geknüpft sind.
c) Die Zielformulierung angesichts des Energieproblems
Als verantwortbare Zielsetzung – unter Berücksichtigung der Kriterien von Erhaltung und Entfaltung sowie des politischen Leitbilds des »sustainable development« – läßt sich formulieren:
Sicherstellung einer human-, sozial- und umweltorientierten Energieversorgung bis zum Jahr 2050 und darüber hinaus.
Der Begriff der Humanorientierung bezieht sich in unserem Zusammenhang besonders auf die Sicherung des Existenzminimums, die Befriedigung der Grundbedürfnisse unter Beachtung regionaler und kultureller Besonderheiten sowie auf die Sicherheit der menschlichen Gesundheit und des menschlichen Lebens vor technikbedingten Bedrohungen. Zum Begriff der Sozialorientierung gehören die Aspekte der gerechten Verteilung der verfügbaren Energie wie auch der Vermeidung von gravierenden Vorgriffen auf die Entscheidungsfreiheit künftiger Generationen. Der Gesichtspunkt der Umweltorientierung verbietet die weitere Belastung des Ökosystems und verlangt eine Minderung oder Beseitigung der eingetretenen Schädigungen.56
V.3 Die Mittel zur Lösung und ihre Beurteilung
Bei der Frage nach den Mitteln zur Erreichung des vorgestellten Ziels ist die weiter oben beschriebene Problemlage im Auge zu behalten: Bevölkerungswachstum und somit erhöhter Energiebedarf in den betroffenen Ländern, Vermeidung einer folgenreichen Klimaveränderung und somit drastische Reduzierung vor allem der Belastung der Atmosphäre mit Kohlendioxid, Verteilungsgerechtigkeit hinsichtlich der Energiemengen und damit verbundener Risiken. Von hier ergeben sich die Themenschwerpunkte dieses Abschnitts. Sie sind allerdings auch mitbestimmt von der Auseinandersetzung mit jenen Autoren, die aus ethischen Gründen die weitere Nutzung und den Ausbau der Kernenergie – zumindest für die nächsten 50 bis 100 Jahre fordern.57
a) Energiesparende Maßnahmen
Unbestritten ist, daß im Hinblick auf eine verantwortbare Energieversorgung für die Zukunft den energiesparenden Maßnahmen hohe Priorität zukommt. Einsparungen können erreicht werden durch effizienzsteigernde Techniken, durch Veränderung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen – z.B. im Verkehrsbereich – sowie durch Änderung von Lebensformen – z.B. im Konsum- oder Freizeitbereich.
Die erste Strategie – Effiziensteigerung – betrifft sowohl die Industrie- wie auch die Entwicklungsländer. Sie wird in den ersteren leichter politisch durchsetzbar sein als in den letzteren; allerdings stimmen die Erfahrungen nach der Rio-Konferenz für Umwelt und Entwicklung und bei der Weltklimakonferenz in Berlin nicht optimistisch.
Die zweite Strategie – Veränderung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen – wird von den politischen Entscheidungsinstanzen höchst zögerlich behandelt, weil fehlende gesellschaftliche Akzeptanz – wohl zu recht – unterstellt wird.
Änderungen der Lebensformen sind nur über bewußtseinsverändernde Prozesse im Zusammenhang mit sozialen Bewegungen möglich und mit der Bereitschaft, experimentierend neue Lebenserfahrungen zu sammeln. Es ist offen, ob die nachfolgenden Generationen sich diese Optionen zu eigen machen. Zunächst ist eher festzustellen, daß relevante soziale Bewegungen wie die Frauen-, Friedens- und Umweltbewegung den Anschluß an die jüngere Generation nicht gefunden haben.
b) Kohlendioxidärmere oder kohlendioxidfreie Energieträger
Ein weiterer wichtiger Beitrag zur Entlastung der Erdatmosphäre kann durch die Umstellung auf kohlendioxidärmere Energieträger geleistet werden. Zur Zeit wird der größte Anteil der verbrauchten Energie aus fossilen Energieträgern gewonnen (1990 weltweit 87%). Gerade diese Art der Energieerzeugung ist mit dem hohen Ausstoß von Kohlendioxid verbunden. Aus Gründen der Sozial- und Umweltorientierung muß der Einsatz fossiler Energieträger – dies gilt vor allem für Kohle und Erdöl – drastisch verringert werden. Deshalb dürften auf keinen Fall neue Kohlekraftwerke in Betrieb genommen werden. Dies wäre ein erster notwendiger, aber nicht hinreichender Schritt. Die derzeitige Diskussion um die Zukunft des Steinkohlebergbaus und der Braunkohleförderung in Deutschland zeugt allerdings von erheblichen Denk- und Handlungsblockaden, durch die verhindert wird, längst vorhandene ökologische Einsichten umzusetzen.
Überlegungen, aus wirtschaftlichen Gründen solchen tiefgreifenden und natürlich auch kostenintensiven Umstellungen in der Energieversorgung die Finanzierung von Schutzmaßnahmen (z.B. Deiche und Dämme) vorzuziehen, gewichten zu wenig die Kriterien der Umwelt- und vor allem der Zukunftsorientierung. Sie nehmen in Kauf, daß heute getroffene und mit nicht mehr revidierbaren Folgen verbundene Entscheidungen den Gestaltungsspielraum kommender Generationen erheblich einschränken.
Vor allem aber läßt sich an diesem Beispiel der Unterschied zwischen technizistisch-probabilistischen und ökologisch-tutioristischen Entscheidungsvorgängen verdeutlichen. Als technizistisch wird hier eine Denk- und Verhaltensweise bezeichnet, die durch die wissenschaftlich-technische Zivilisation bedingte Probleme ausschließlich durch technische Reparaturmaßnahmen zu beheben sucht, ohne deren Ursachen zu beseitigen. Probabilistisch ist ein Entscheidungsverhalten, dem wahrscheinlich gute Gründe für die zu wählende Alternative ausreichen, wenn auch wahrscheinlichere Gründe gegen sie sprechen mögen. Die Entscheidung für Schutzmaßnahmen wie das Eindeichen riesiger überflutungsbedrohter Gebiete wäre eine technizistische Entscheidung, wenn sie nicht auch die Ursachen des Ansteigens der Meeresspiegel angehen würde. Sie ist probabilistisch, weil gute Gründe für das Gelingen dieser Maßnahmen sprechen mögen, da nach Meinung einiger Experten die Klimaveränderung durch Sonnenflecken verursacht sei und deshalb wieder rückläufig werden könne.
Ökologisch wird dagegen ein Entscheidungsverhalten genannt, das den komplexen Wechselwirkungsverhältnissen auf unserem Planeten Rechnung zu tragen versucht und deshalb um eine Beseitigung von Störungen und Zerstörungen dieser Synergismen bemüht ist. Tutioristisch ist eine Entscheidung, die eine deutliche Begrenzung von Risiken anstrebt und deshalb den Nachweis sicherer (tutior=sicherer) Gründe verlangt, um eine Handlung verantworten zu können. Hans Jonas hat den Tutiorismus pointiert ausgelegt, indem er das Prinzip vom Vorrang der schlechten Prognose vor der guten aufgestellt hat, nach welchem „der Unheilsprophezeiung mehr Gehör zu geben ist als der Heilsprophezeiung. … Es ist das Gebot der Bedächtigkeit im Angesicht des revolutionären Stils, den die evolutionäre Entweder-Oder-Mechanik im Zeichen der Technologie, mit dem ihr immanenten und der Evolution fremden »aufs Ganze Gehen«, annimmt.“58 Tutioristisch ist einzig die Entscheidung, den Ausstoß von Kohlendioxid sofort und drastisch zu verringern.
c) Begrenzte Möglichkeiten der erneuerbaren Energien
Der risikoärmste Weg zu diesem Ziel wäre, die fossilen Energieträger durch erneuerbare zu ersetzen. Letztere – vor allem die solare Strahlungsenergie – genügen am besten den Kriterien des »sustainable development«, der Umwelt- und Zukunftsorientierung. Auch wenn erneuerbare Energien und ihre Durchsetzung nicht völlig konfliktfrei sind (wie sich etwa am Streit um Windenergieanlagen ersehen läßt), so muß den dezentralen erneuerbaren Energiekonzepten zugute gehalten werden, daß sie weit besser sozialverträglich sind als zentralisierte Großtechnologien wie Kohle- und Kernkraftwerke oder riesige Staudämme. Die Frage ist, ob und wie schnell vor allem die Solarenergie so genutzt werden kann, daß wesentliche Anteile des Energiebedarfs durch sie gedeckt werden. Zu klären ist auch, in welcher Weise – als Solarthermik, Photovoltaik, solare Wasserstofftechnik – und wo sie eingeführt werden soll.
Das Ob scheint – jedenfalls was Solarthermik und Photovoltaik betrifft – positiv entschieden, da die entsprechenden Techniken zur Verfügung stehen. Wie schnell sie eingeführt werden können, hängt von politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen ab, die unverzüglich zu treffen wären. Aber auch im besten Fall wird die Solarenergie bis zum Jahr 2020 nicht in der Lage sein, die fossilen Energieträger, vor allem Kohle und Erdöl, in einem umweltverträglichen Ausmaß zu substituieren.59
d) Die Kernenergienutzung: bedingtes Veto, aber kein kategorisches Verbot
Diese Substitution sei in den zu prognostizierenden Zeiträumen nur durch verstärkte Nutzung der Spaltungsenergien erreichbar, betonen die Befürworter der Kernenergie. Als Argument führen sie die Unterlassungsfolgenregel an. Diese bezieht sich auf das Verhältnis von Handeln und Nichthandeln und bedenkt, daß auch das Unterlassen von Handlungen mit Folgen verbunden sein kann. Wenn die mit dem Nichthandeln verbundenen negativen Folgen bedeutend schwerwiegender sind als die Nebenfolgen des Handelns, dann kann das Unterlassen der Handlung nicht gerechtfertigt werden. Bezogen auf die Frage „Nutzung der Kernenergie: Ja oder Nein?“ wird argumentiert: „Das Ausmaß möglicher Schäden ist … bei globalem Energiemangel um vieles größer als bei den schlimmsten denkbaren Unfällen der Kernenergie. Bei dem Verzicht auf Kernenergie ist außerdem die Wahrscheinlichkeit solcher Schäden erheblich größer als die Wahrscheinlichkeit großer Unfälle durch Kernreaktoren mit hohem Sicherheitsstandard. In beiden Risikokategorien, sowohl im Schadensumfang als auch in der Eintrittswahrscheinlichkeit, ist der Energiemangel bedrohlicher als die Kernenergie.“60
Die Anwendung der Unterlassungsfolgenregel setzt voraus, daß überhaupt eine Güterabwägung zwischen Nutzung oder Nicht-Nutzung der Kernenergie unter den gegenwärtigen Bedingungen vorgenommen werden kann. Dies wäre nicht der Fall, wenn ethische Prinzipien deontologischer Art gegen die zivile Nutzung der Kernenergie sprechen würden. Deontologische Prinzipien verpflichten immer und in jeder Hinsicht. I. Kants kategorischer Imperativ ist ein solches Prinzip; es ist formal, weil es ein verbindliches Verfahren zur Überprüfung von Handlungsabsichten oder -maximen formuliert. Es gibt auch inhaltlich bestimmte deontologische Prinzipien, z.B. kann in keinem Fall sittlich gerechtfertigt werden, einen Menschen zu foltern oder einen unschuldigen Menschen zu töten.
Liegen vergleichbar verbindliche Imperative vor, die die Nutzung der Kernenergie verbieten würden? Drei Imperative dieser Art sind vorgetragen worden: 1. Es ist nicht erlaubt, über die in der Natur schon vorhandenen Gefahrenquellen hinaus weitere in sie einzubauen. 2. Es ist nicht erlaubt, durch irreversible und folgenreiche Entscheidungen in der Gegenwart die Entscheidungsmöglichkeiten kommender Generationen einzuengen. 3. Es ist nicht erlaubt, eine Wette auf das Überleben kommender Generationen einzugehen.61
Zunächst ist festzustellen, daß das kulturtechnische Handeln der Menschen in vielfältiger Weise in Konflikt mit diesen Imperativen gerät – nicht erst im Fall der Kernenergienutzung. Sie sind in dieser Allgemeinheit als kategorisch verpflichtende Imperative nach vielen Seiten hin anwendbar, was zu Widersprüchlichkeiten und auch zu folgenreichen, nicht vertretbaren Handlungsblockaden führen kann. Unter den immer bewußter werdenden Bedingungen der Risikogesellschaft allerdings gewinnen sie ein zunehmendes Gewicht als regulative Prinzipien, die die Richtung von Handlungsoptionen bestimmen. Alle drei Imperative sind im übrigen auch auf die Situationen zu beziehen, die möglicherweise durch den Verzicht auf die Nutzung der Kernenergie entstehen. Eine deontologische Argumentation führt also zu keiner kategorischen Entscheidung gegen die Kernenergie.
Befürworter eines weiteren Ausbaus der Kernenergie zählen diese zu den kohlendioxidfreien Energieträgern und argumentieren mit der Notwendigkeit, die Nutzung fossiler Energieträger massiv zu reduzieren und dennoch einen bei allem Sparen doch steigenden Energiebedarf zu decken.
Von den Kriterien der Sicherheit, Human-, Sozial- und Umweltorientierung her ergeben sich allerdings aus der oben durchgeführten Risikoanalyse schwerwiegende Gründe gegen die weitere Nutzung und vor allem gegen den Ausbau der Kernenergie. Sie beziehen sich auf die Freisetzung radioaktiver Strahlung durch die nukleare Brennstoffspirale, die Möglichkeit atomarer Unfälle oder Katastrophen, die Gefahr der Weiterverbreitung atomarer Waffen und die ungeklärte Beseitigung atomaren Mülls. Die Gründe sind derart schwerwiegend, daß von einer verantwortbaren Nutzung der Kernergie derzeit keine Rede sein kann.
Allerdings ist der Grundsatz zu berücksichtigen, durch heutige Entscheidungen die Freiheitsspielräume kommender Generationen nicht einzuschränken. Daher kann weitere Kernenergieforschung gerechtfertigt werden, um mit den Belastungen bisheriger militärischer und ziviler Kernenergienutzung sicher umgehen zu können, insbesondere um die sichere Lagerung atomarer Abfälle zu ermöglichen oder um Verfahren zur Beseitigung der großen Mengen von Waffenplutonium zu entwickeln. Auch die Forschung zu inhärent sicheren Spaltungsreaktoren oder zur Nutzung der Fusionsenergie soll nicht ausgeschlossen sein, sofern die Bedingungen für solche Zielperspektiven im Bereich nuklearer Technologien klar formuliert werden (vgl. Kap. IV). Dazu gehören die Katastrophenfreiheit der Reaktoren ebenso wie die Proliferationsresistenz, der nachprüfbar sichere Umgang mit verbleibenden radioaktiven Materialien und die Möglichkeit einer langfristigen Nutzung – weit über den Nutzungshorizont fossiler Energiequellen hinaus. Zudem dürfen die finanziellen Mittel für Kernergieforschung die vordinglichere Entwicklung und Einführung erneuerbarer Energien nicht behindern.
V.4 Plädoyer für regional-partizipative Lösungen
In der gegenwärtigen Energiediskussion werden zwei Strategien zur Lösung des Problems vertreten.
Der global-deduktive Lösungsweg geht von Annahmen über die Entwicklung der Weltbevölkerung bis zur Mitte des nächsten Jahrhunderts, über den damit verbundenen Weltenergiebedarf sowie über die notwendige Senkung der Kohlendioxidemissionen aus. Dann wird errechnet, wieviele Solaranlagen weltweit zu errichten wären, um das Ziel einer ausreichenden Energieversorgung sowie das einer Umweltentlastung zu erreichen. Dabei ergibt sich aus technischen und aus finanziellen Erwägungen die Unmöglichkeit dieser Lösung im vorgesehenen Zeitraum. Nach dieser Argumentationsstrategie bleibt – auf jeden Fall für die nächsten 50 bis 100 Jahre – keine Alternative zur weiteren Nutzung, d.h. zum weiteren Ausbau der Kernenergie. Diese Argumentation hat allerdings drei Schwächen. Sie muß mit Annahmen über künftige Entwicklungen arbeiten, die nicht genügend abgesichert sind, um wichtige Entscheidungen auf sie zu stützen. Sie muß eine Weltinstanz, einen weisungsbefugten Weltenergierat, voraussetzen, der »top-down«-Prozesse einleiten wird. Schließlich bleiben bei dieser Denk- und Argumentationsweise die kulturellen und regionalen Unterschiede unberücksichtigt.
Der regional-partizipative Ansatz dagegen konzentriert sich auf die spezifischen Gegebenheiten und Möglichkeiten einzelner Regionen.62 Er will in einem Prozeß (vermittelt etwa durch einen regionalen runden Tisch), an dem möglichst viele Experten und Betroffene beteiligt sind, zu je spezifischen schrittweisen Lösungen für die jeweiligen Regionen kommen. Der Vorteil dieses Ansatzes besteht darin, daß eine größere Vielfalt von Möglichkeiten genutzt werden und durch die mit dem partizipativen Prozeß verbundene höhere gesellschaftliche Akzeptanz auch größere Effizienz erzielt werden kann. Ein Nachteil dieses Ansatzes ist allerdings, daß ein überzeugender Nachweis nicht zu erbringen ist, wie auf diesem Weg in allen Regionen der Erde eine ausreichende und umweltorientierte Energieversorgung sichergestellt werden kann. Die Tatsache, daß ein dringender Handlungsbedarf hinsichtlich einer verantwortbaren Energieversorgung für die Zukunft besteht, macht es notwendig, an möglichst vielen Orten Initiativen regionaler Art fortzuführen oder zu beginnen.
Es ist von Interesse zu untersuchen, inwieweit derartige regionale Initiativen zur Bewältigung der globalen Energieproblematik beitragen können. Für die interdisziplinäre Friedens- und Konfliktforschung ist es eine lohnende Zukunftsaufgabe herauszufinden, welche Instrumente zur Verfügung stehen bzw. zu entwickeln sind, um Energiekonflikte bewältigen und eine nachhaltige Energieversorgung friedlich durchsetzen zu können.
Kasten 1: Zum Konfliktbegriff
Im allgemeinen Sinne ist Voraussetzung für einen Konflikt ein Spannungsgefälle (Konfliktpotential) zwischen Sein (Ist-Zustand) und Wollen/Sollen (Soll-Zustand). Die Überbrückung dieser Differenz ist Anlaß zum Konflikthandeln. Wird trotz wiederholten Handelns das Konfliktpotential nicht abgebaut, kann der Einsatz der Mittel bis zum äußersten eskalieren (einschließlich Gewalt). Die Konfliktspannung kann aber auch dadurch abgebaut werden, daß der Soll-Zustand zurückgenommen, an den Ist-Zustand angepaßt wird: man findet sich ab. Dies ist dann nicht möglich, wenn der Ist-Zustand als unerträglich oder gar lebensbedrohend empfunden wird, es sich also um ein existenzielles Bedürfnis handelt.
In der Konfliktforschung werden vorwiegend die zwischenmenschlichen Konflikte untersucht, in denen mindestens zwei Akteure (Personen, Gruppen, Organisationen, Staaten oder Staatengruppen) beteiligt sind, die Absichten und Ziele (Interessen) verfolgen, sich gegenseitig wahrnehmen, durch ihr Handeln und ihre Kommunikation gegenseitig beeinflussen können. Ist der eine dem anderen im Wege, handelt es sich um einen Gegensatz (Zusammenstoß, Inkompatibilität) von Interessen.
Ob ein oder mehrere Akteure ihre Interessen im Verlauf des Konflikts wahren können, hängt ab von der Art und dem Ausmaß der vorhandenen Mittel des Konfliktaustrags, der Wirksamkeit und dem Geschick bei ihrem Einsatz sowie von der Kompromißbereitschaft der Akteure. Handlungen können darauf gerichtet sein, den geplanten Weg zu gehen und den anderen dabei zu verdrängen oder gar zu vernichten (Konfrontation), oder darauf, diesen zu einem erwünschten Verhalten zu bewegen, durch Überzeugungsarbeit mittels Argumentation und Kommunikation (Kooperation). Eine Konfliktlösung ist dann nicht zu erreichen, wenn die Akteure sich im Verlaufe des Konflikts trotz verstärkter Anstrengungen mehr und mehr von dem Ziel entfernen (Eskalation). Ziel von Konfliktlösungsstrategien ist es, zwischen den Akteuren über die Wahl der Mittel und auch der Ziele zu verhandeln, um diese kompatibel zu machen oder zumindest zu regulieren (z.B. durch internationale Regime). Am ehesten ist eine Konfliktlösung zu erreichen durch eine Strategie beiderseitigen Vorteils, wenn beide ihre gewünschten Ziele annähernd erreichen, bei möglichst geringen Reibungsverlusten (Kompromiß, Konsens).
Da zur Konfliktbewältigung zuvor schlummernde geistige und physische Potentiale freigesetzt werden, sind Konflikte ein wesentliches Moment der sozialen Bewegung, können jedoch bei den Betroffenen erhebliches Leid verursachen. Ausschlaggebend ist letztlich, ob im Konfliktverlauf die destruktiven oder die konstruktiven Mittel überwiegen.
Quelle: J. Scheffran, Frieden und nachhaltige Entwicklung, in: W. Vogt (Hrsg.), Kultur des Friedens, Beiträge zum UNESCO-Programm „Culture of Peace“ (in Vorbereitung)
Kasten 2: Potentielle Gefahren durch die globale Erwärmung (Nach Cline 1992, Bach 1995 a.a.O.)
1. Landwirtschaft und Ernährungssicherung
- Anfälligkeit gegen extreme Wetterphänomene (Stürme, Dürre, Überschwemmungen)
- Wassermangel
- Ausbreitung der Wüsten
- Kohlenstoff-Düngung und verstärktes Pflanzenwachstum
- Polwärtige Verlagerung der Anbauzonen
- Verringerung der Weltgetreide-Produktion
- Mehr Ungeziefer und Krankheiten
- Zunahme des Hungers
2. Verluste von Wald und biologischer Vielfalt
- Destabilisierung von Ökosystemen durch raschen Klimawechsel
- Verringerung der Artenvielfalt
- Schrumpfung des Waldbestandes
- Weitere Streßfaktoren: Schadstoffbelastungen, Radioaktivität, Bodenversauerung, Grundwasserabsenkung, Schädlingsbefall, Änderung des Lokalklimas, vermehrte UV-Bestrahlung durch Ozonabbau
3. Anstieg des Meeresspiegels
- Einflußfaktoren: Wärmeausdehnung des Ozeanwassers, Abschmelzen der Gebirgsgletscher, Abschmelzen des grönländischen und antarktischen Eisschildes.
- Historische Beobachtung: bei 2°C höherer Temperatur 6 m höherer Meeresspiegel
- Vergangene Jahrzehnte: Meeresspiegelanstieg um 25 cm an der deutschen Nordseeküste
- Berechneter Meeresspiegelanstieg: ca. 20 bis 100 cm zwischen 1990-2100 (Business as Usual); Überflutung von bis zu 3% der Erdoberfläche
- Folgen eines Meerespiegelanstiegs: verstärkte Küstenerosion, Sturm- und Flutkatastrophen, Eindringen von Salzwasser in Trinkwasser- und Bewässerungsanlagen, Schrumpfen des Lebensraums
4. Änderung der Ozeanzirkulation
- Mögliche Änderung der atlantischen Ozeanzirkulation und Ablenkung des Golfstroms: Abkühlung in Europa
5. Wasserversorgung
- Wasserabflüsse schrumpfen durch höhere Verdunstung
- Höhere Klär-Kosten
- Wüstenbildung und Dürre
6. Naturkatastrophen, Krankheit, Tod
- Zunahme von Wirbelstürmen, Überschwemmungen, Dürreperioden, mit hohen Schäden
- Ausbreitung von Seuchen und Krankheiten nach Norden
- Verlust menschlichen Lebens
7. Weitere Schäden
- Elektrizitätsbedarf: höhere Kosten für Klimaanpassung, z.B. Klimaanlagen
- Luftverschmutzung: wächst mit steigenden Temperaturen
- Industrie: Abhängigkeit bestimmter Industriezweige (z.B. Landwirtschaft, Ski-Industrie) von klimatischen Bedingungen
Kasten 3: Frieden und nachhaltige Entwicklung:
Begriffliche Verknüpfungen
Die negative Definition des Friedens (Abwesenheit von Krieg bzw. organisierter Gewalt) ist zur Behandlung von Energiekonflikten nicht ausreichend, da sie den Bedürfnissen und positiven Voraussetzungen für Frieden nicht gerecht wird, auf deren Zustandekommen die Energienutzung Einfluß hat. Auch die Bindung an den Gerechtigkeitsbegriff hilft nicht weiter, da dies zum Dilemma vom »gerechten Kriege« führen kann, in dem Gewalt zur Herstellung von Gerechtigkeit eingesetzt wird. Fruchtbarer ist der Ansatz, in Anknüpfung an die Menschenrechte, die die Grundrechte des Individuums zur Existenzerhaltung und Entfaltung sichern sollen, Frieden zu charakterisieren durch:63
„1. Existenzerhaltung des einzelnen aufgrund abnehmender Gewalt,
2. kontinuierliche Existenzentfaltung des einzelnen aufgrund zunehmender Gleichverteilung von Entfaltungschancen.“
Die Begriffe Erhaltung und Entfaltung sind zur Einordnung der Energiekonflikte gut geeignet, da sie zugleich zentrale Kategorien nachhaltiger Entwicklung sind. Während mit der Nachhaltigkeit die Entfaltung des Individuums an die Erhaltung der Umwelt gebunden ist, wird im Frieden die Existenzerhaltung des Individuums zur Grundvoraussetzung für seine Entfaltung. Zugleich ist menschliche Existenz ohne Entfaltung, die zur Selbstverwirklichung des einzelnen gehört, nicht denkbar. Sie schafft rückwirkend auch die Voraussetzungen für die Existenzerhaltung in einer sich ändernden Welt.
So wie nachhaltige Entwicklung eine Voraussetzung für die zukünftige Friedenssicherung ist, so ist auch der Erhalt des Friedens eine wesentliche Rahmenbedingung für die kooperative Durchsetzung von nachhaltiger Entwicklung. In der Negation beider Begriffe wird ein Teufelskreis sichtbar: Bleibt die Welt unfriedlich, besteht die Gefahr des Scheiterns nachhaltiger Entwicklung, was wiederum Ursache neuer gewalttätiger Konflikte wäre. Um die bei der Durchsetzung eines gerechten nachhaltigen Verteilungsniveaus (etwa des Energieverbrauchs oder der CO2-Emissionen pro Kopf der Bevölkerung) auftretenden Konflikte gewaltfrei zu halten, werden geeignete Konfliktregelungsmechanismen und Vermittlungsprozesse benötigt.
Quelle: J. Scheffran, in: W. Vogt, a.a.O.
IANUS-Projekt zu Energiekonflikten
Seit 1994 wird bei IANUS an der TH Darmstadt das interdisziplinäre Forschungsprojekt „Globale Sicherheit und nachhaltige Entwicklung als Kriterien für Technikbewertung am Beispiel von Energiesystemen“ durchgeführt. Ziel ist die Entwicklung, Operationalisierung und Anwendung von Kriterien für Technikbewertung, besonders der Schlüsselbegriffe globale Sicherheit und nachhaltige Entwicklung, auf den Bereich der globalen Energieversorgung und damit verbundener Konflikte. Damit möchte IANUS einen Beitrag zu einer global orientierten und verantwortlichen Forschungs- und Technologiepolitik in einer Weltgesellschaft leisten.
Das auf mehrere Jahre angelegte fächerübergreifende Rahmenprojekt besteht aus vier Teilprojekten, in denen jeweils sozialethische, ökonomische, physikalische und mathematische Aspekte im Vordergrund stehen. Die verschiedenen Dimensionen werden in einem interdisziplinären Diskurs behandelt, zusammen mit interdisziplinärer Lehre. Die ersten beiden Jahre des Projekts wurden vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst mitfinanziert. Vom 28. Februar bis 3. März 1995 veranstaltete IANUS mit Unterstützung durch die Berghof-Stiftung für Konfliktforschung einen Workshop „Verantwortbare Energieversorgung für die Zukunft“ in Darmstadt; eine Buchpublikation ist in Vorbereitung. Im November dieses Jahres ist IANUS Mitveranstalter eines Fachgesprächs zu „Frieden und nachhaltige Entwicklung“, auf der es u.a. auch um Energiekonflikte geht.
Anmerkungen
1) Time Magazine vom 29.5.1996. Zurück
2) Frankfurter Rundschau, 9.5.1996. Zurück
3) M. Teschner, Klima, Verkehr und Gesellschaft, VDW info, Nr.3, September 1995, S.12-16. Zurück
4) Zur Kritik der Konsensgespräche siehe: „Ein Parteienkonsens nur über Kernenergie und Kohle wäre fatal“, Ein gemeinsames Positionspapier von BUND, Öko-Institut, IPPNW und Peter Hennicke, Frankfurter Rundschau, 29.5.1995. Zurück
5) Für Deutschland sei hier nur genannt G. Altner, H.-P. Dürr, G. Michelsen, J. Nitsch, Zukünftige Energiepolitik, Bonn: Economica Verlag 1995. Zurück
6) Zitat aus: D. Viefhues, Sanfte Energiezukunft – Wege und Widerstände, in: H. Müller, D. Puhl (Hrsg.), Ressourcenpolitik – Konfliktpotentiale und Kooperationschancen bei der westlichen Rohstoffsicherung, Haag + Herchen, 1984, S. 260. Zurück
7) Siehe z.B. R. Kollert, Die Politik der latenten Proliferation. Militärische Nutzung »friedlicher« Kerntechnik in Westeuropa, Dissertation, Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden, 1994. IANUS hat die Themen Ambivalenz und Proliferation zu Arbeitsschwerpunkten gemacht. Siehe J. Scheffran et al., Ambivalenz der Forschung – Dual-use der Technik. Zivil-militärische Wechselbeziehungen, in: U. Kronfeld, W. Baus, B. Ebbesen, M. Jathe (Hg.), Naturwissenschaft und Abrüstung. Forschungsprojekte an deutschen Hochschulen, Münster: Lit-Verlag, 1993, S. 87-119; W. Liebert et al., Proliferation von Massenvernichtungswaffen aus naturwissenschaftlicher Sicht, in: U. Kronfeld et.al., 1993, a.a.O., S. 120-174; W. Liebert, R. Rilling, J. Scheffran (Hrsg.), Die Janusköpfigkeit von Forschung und Technik – Zum Problem der zivil-militärischen Ambivalenz, Marburg: BdWi-Verlag, 1994. Zurück
8) Zum Thema Umweltkonflikte siehe Kapitel III. Zur Diskussion über die Erweiterung des Sicherheitsbegriffs siehe C. Daase, Ökologische Sicherheit: Konzept oder Leerformel?, in: B. Meyer, C. Wellmann (Red.), Umweltzerstörung: Kriegsfolge und Kriegsursache, Edition Suhrkamp, 1993 S. 21-52; L. Brock, Weder für alles Gute noch für alles Schlechte in der Welt zuständig, Frankfurter Rundschau, 9.5.95; Environment and Security Debates: An Introduction, Report of the Environmental Change and Security Project, Washington, DC: The Woodrow Wilson Center, Spring 1995. Zurück
9) Nicht zufällig hat das englische Wort »Power« im deutschen zwei Bedeutungen: Macht und Energie/Leistung. Zurück
10) Zu den Hintergründen siehe P. Bushel Okoh, Environmental Conflicts in the Niger-Delta Region, Aufsatz präsentiert beim ENCOP-Meeting, Zürich/Bern, Schweiz, 29.4.-1.5.1993; eine überarbeitete Kurzfassung ist erschienen in: Frankfurter Rundschau, 5.7.1995; K. Saro-Wiwa, Flammen der Hölle, Reinbek: rororo aktuell 1996. Zurück
11) Siehe hierzu weiter A. Bozdag, Um Öl und Gas. Internationale Konfliktlinien im Kaukasus und in der kaspischen Region, Blätter für deutsche und internationale Politik, 5/96, S. 587-597; C. Gasteyger, Ölpoker am Kaspischen Meer, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7.5.96, S. 12. Zurück
12) Siehe hierzu V. Boege, Das Sardar-Sarovar-Projekt an der Narmada in Indien – Gegenstand ökologischen Konflikts, ENCOP-Report No. 8, 1993; G. Sen, National development and local environmental action – the case of the River Narmada, in: V. Bhaskar, A. Glyn (Eds.), The North – the South. Ecological Constraints and the Global Economy, London: Earthscan, 1995 S. 184-200. Zurück
13) A. Waldron, Ecological Roulette: Daming the Yangtze, Foreign Affairs, September/October 1995. Zurück
14) S. Kloetzli, Der slowakisch-ungarische Konflikt um das Staustufenprojekt Gabcíkovo, ENCOP Report, No.7, 1993. Zurück
15) Die folgenden Angaben stützen sich weitgehend auf: I. Hauchler, Globale Trends 1996, Stiftung Entwicklung und Frieden, Fischer, 1995. Zurück
16) Siehe hierzu M. Kalinowski, Zukunfts- und Ganzweltverträglichkeit. Versuche zur Einbeziehung der Interessen zeitlich und räumlich weit entfernt Betroffener in die Technikfolgen-Abschätzung am Beispiel der Kerntechnik, Schriftenreihe der Gesellschaft für Technikfolgen-Abschätzung Nr. 9/1992, Berlin 1992; M. Kalinowski, Über den engen Horizont hinaus. Versuche zur Einbeziehung der Interessen zeitlich und räumlich weit entfernt Betroffener in die Technikfolgen-Abschätzung, Wechselwirkung Nr. 60, April 1993, S. 11-14. Zurück
17) Vgl. E. Müller, Das Ende der Ölzeit. Strategie für eine saubere Wirtschaft in Deutschland, Frankfurt a.M., 1993, S. 20. Zurück
18) Die wechselhafte Geschichte des Kampfes um Öl ist in aller Breite beschrieben in D. Yergin, The Prize – The Epic Quest for Oil, Money and Power, New York et al: Simon & Schuster, 1992. Zurück
19) Vgl. M. Stürmer, Energieversorgung und internationale Sicherheit (Interview), In: Energiewirtschaftliche Tagesfragen, 1993, S. 376-380 (S. 376). Zurück
20) Vgl. G. Maass, Die Internationale Energieagentur. Lehren aus der Vergangenheit – Herausforderung an die Zukunft, In: Energie-Politik-Geschichte, Wiesbaden, 1993, S. 191-203 (S. 197). Zurück
21) Vgl. H.-J. Schürmann, Golfkrise und Weltölversorgung, In: Energiewirtschaftliche Tagesfragen, 1990, S. 680-682 (S. 682). Zurück
22) Vgl. U. Widmaier, T. König, Engpaßdiagnosen und Handlungsoptionen im Energiesektor, in: U. Widmaier, T. König (Hrsg.), Technische Perspektiven und gesellschaftliche Entwicklung, Baden-Baden, 1989, S. 259-277 (259). Zurück
23) Vgl. M. Meliß, Trends und Schwerpunkte bei der Entwicklung regenerativer Energieträger, in: Widmaier/König 1989, a.a.O., S. 279-306 (303). Zurück
24) Der folgende Abschnitt ist eine gekürzte und modifizierte Version von: J. Scheffran, Konfliktfolgen energiebedingter Umweltveränderungen am Beispiel des globalen Treibhauseffekts, in: W. Bender (Hrsg.), Verantwortbare Energieversorgung für die Zukunft, Tagungsband zum gleichnamigen IANUS-Workshop, Darmstadt, 28.2.-3.3.1995 (in Vorbereitung). Zurück
25) Davon entfielen 18 % auf die Industrie, 16 % auf den Verkehr und 12 % auf Haushalte und Kleinverbraucher; vgl. W. Bach, Anthropogene Klimaveränderungen – Übersicht zum aktuellen Kenntnisstand, Blätter für deutsche und internationale Politik, 1/95, S. 67-79. Zurück
26) Intergovernmental Panel on Climate Change, Climate Change: The IPCC Scientific Assessment, Cambridge University Press, 1990. Der zweite IPCC Assessment Report wurde 1995 veröffentlicht. Zurück
27) Treibhaus 1994: Das heißeste Sommerhalbjahr weltweit, Bulletin Klimaforum '95, 9. Dezember 1994, S. 1. Zurück
28) C. Flavin, Keine Ruhe vor dem Sturm, World-Watch, Januar/Februar 1995, S. 11-23. Zurück
29) Siehe insbesondere J.B. Smith, D.A. Tirpak, The Potential Effects of Global Climate Change on the United States, U.S. Environmental Protection Agency, 1989; W. Cline, The Economics of Global Warming, Institute for International Economics, Washington 1992; Preparing for an Uncertain Climate, 2 Volumes, Washington, DC: Office of Technology Assessment, OTA-O-567, October 1993; S. Frankhauser, D.W. Pearce, The Social Costs of Greenhouse Gas Emissions, in: The Economics of Climate Change, Proceedings of an OECD/IEA Conference, Paris: OECD, 1994, S. 71-86; C. Krupp, Klimaänderungen und die Folgen, Berlin: edition sigma, 1995. Zurück
30) Die Kosten der CO2-Verminderung sind hauptsächlich die Verluste an wirtschaftlichem Output, die mit den Beschränkungen von Energie-Inputs einhergehen. Zurück
31) W.R. Cline, Costs and Benefits of Greenhouse Abatement: A Guide to Policy Analyis, in: The Economics of Climate Change, Proceedings of an OECD/IEA Conference, Paris: OECD, 1994, S. 87-105. Zurück
32) Zur Analyse des Nord-Süd-Verhältnisses nach Rio siehe L. Brock, Nord-Süd Kontroversen in der internationalen Umweltpolitik: Von der taktischen Verknüpfung zur Integration von Umwelt und Entwicklung? Frankfurt: HSFK-Report 1/1992. Zurück
33) H.-D. Heck, Die Mär vom gemeinsamen Boot – Gewinner und Verlierer der weltweiten Klimaerwärmung, Bild der Wissenschaft, 3/1995, S. 58-61. Zurück
34) Siehe K.M. Meyer-Abich, Im gemeinsamen Boot? Gewinner und Verlierer beim Klimawandel, in: W. Sachs, Der Planet als Patient, Berlin/Basel/Boston: Birkhäuser, 1994, S. 194-210. Zurück
35) Vgl. Meyer-Abich 1994, a.a.O., S. 190. Zurück
36) Zudem wird ein FCKW-Verzicht die Entwicklungsländer am härtesten treffen; siehe F. Biermann, Nord-Süd-Gerechtigkeit als Schlüssel – Zehn Jahre Ozonpolitik, Blätter für deutsche und internationale Politik, 12/95, S. 1492-1500. Zurück
37) Zur Einführung in Umweltkonflikte siehe G. Bächler, V. Böge, S. Klötzli, S. Libiszewski, Umweltzerstörung: Krieg oder Kooperation?, Münster: agenda Verlag, 1993; S. Libiszewski, Umweltkonflikte. Die Konfliktform im post-ideologischen Zeitalter? Wissenschaft & Frieden, 2/93; K.R. Spillmann, G. Bächler (Eds.), Environmental Crisis: Regional Conflicts and Ways of Cooperation, ENCOP Occasional Papers No.14, September 1995; T.F. Homer-Dixon, J.H. Boutwell, G.W. Rathjens, Umwelt-Konflikte, Spektrum der Wissenschaft, April 1993, S.36-44; T. Homer-Dixon, On the Threshold – Environmental Changes as Causes of Acute Conflict, International Security, Vol. 16, No.2, Fall 1991, S. 76-116; T. Homer-Dixon, Environmental Scarcity and Violent Conflict: Evidence from Cases, International Security, Vol.19, No.1, Sommer 1994, S. 5-40. Zurück
38) R. Jungk, Der Atomstaat, Reinbek: rororo 1979, S.9. Zurück
39) Zu den ökologischen und sozialen Folgen des Tschernobyl-Unglücks siehe die Schwerpunkthefte von Wissenschaft und Frieden 1/96 und Wechselwirkung Nr. 78, April/Mai 1996 sowie: K.-H. Karisch, J. Wille, Der Tschernobyl-Schock, Frankfurt: Fischer, 1996; E. Lengfelder et al., 10 Jahre nach der Tschernobyl-Katastrophe. Schildrüsenkrebs und andere Folgen für die Gesundheit in der GUS, Münchner Medizinische Wochenschrift, Vol. 138 (1996) 15, S. 259-264. Zurück
40) Das internationale Recht kennt daher eine Reihe von Vereinbarungen, die grenzüberschreitende Atomkonflikte regeln sollen, insbesondere die Nuclear Safety Convention. Zurück
41) Zu den Anfängen siehe L. Mez (Hg.), Der Atomkonflikt, Reinbek: rororo, 1981. Zurück
42) Siehe hierzu G. Rosenkranz, I. Meichsner, M. Kriener, Die neue Offensive der Atomwirtschaft, München: Beck-Verlag, 1992. Zurück
43) Globale Trends 1996, a.a.O., S. 321. Zurück
44) Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“ des Deutschen Bundestages (Hrsg.), Mehr Zukunft für die Erde – Nachhaltige Energiepolitik für dauerhaften Klimaschutz, Bonn: Economica-Verlag, 1995, S. 1137. Zurück
45) Siehe hierzu J. Scheffran, P. Schäfer, M. Kalinowski, Nichtverbreitung mit militärischen Mitteln? Nordkorea und die Strategie der Counter-Proliferation, Blätter für deutsche und internationale Politik, Juli 1994, S. 834-847. Zurück
46) Siehe hierzu ausführlicher W. Liebert, Das Risiko der Kernenergie, Wissenschaft und Frieden 1/1996, S. 18-22. Zurück
47) P. Diehl, Uranium Mining in Europe – The Impact on Man and Environment, WISE News Communique 439/440, Sept. 1995. Zurück
48) Siehe hierzu G. Hensel, »Strahlende« Opfer: Amerikas Uranindustrie, Indianer und weltweiter Überlebenskampf, Ökozid extra, Gießen, 1987; H. Schuhmann et al., Das Uran und die Hüter der Erde. Atomwirtschaft, Umwelt, Menschenrechte, Stuttgart, 1990; P.H. Eichstaedt, If You Poison US – Uranium and Native Americans, Santa Fe: Red Crane Books, 1994. Zurück
49) Vgl. K. Kugeler, Inhärent sichere Reaktoren – Anstoß zur Überprüfung der Ablehnungshaltung zur Kerneenergie, In: W. Bender (Hrsg.), a.a.O. Zurück
50) Beschluß im November 1983 auf dem 16ten Treffen der Vertragsparteien der Londoner Konvention von 1972. Zurück
51) Ausführlich wurde dies dargestellt in: M. Kalinowski, Was sollen wir tun mit radioaktiven Abfällen? Vergleich von Endlagerung in geeigneten geologischen Formationen mit dauerhaft zugänglich bewachter Lagerung, Internationales Endlager-Hearing, 21.-23. September 1993 in Braunschweig. Zurück
52) Vgl. W. Liebert, Aussichten nuklearer Energieversorung für die Zukunft, erscheint in: W. Bender (Hrsg.), a.a.O. Zurück
53) Diese Abschnitt basiert teilweise auf den gemeinsamen Thesen zur IANUS-Tagung „Verantwortbare Energievesorgung für die Zukunft“, Darmstadt, 28.2.-3.3.1995. Zurück
54) BUND/Misereor (Hrsg.), Zukunftsfähiges Deutschland. Ein Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwicklung, Studie des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt, Energie, Basel u.a.: Birkhäuser 1996, S.11-88. Zurück
55) Vgl. W. Bender, Erhaltung und Entfaltung als Kriterien für die Gestaltung von Wissenschaft und Technik, IANUS-Arbeitsbericht 9/1991. Zur Verknüpfung beider Begriffe mit Frieden und nachhaltiger Entwicklung siehe J. Scheffran, Frieden und nachhaltige Entwicklung, in: W. Vogt (Hrsg.), Kultur des Friedens, Beiträge zum UNESCO-Programm „Culture of Peace“ (in Vorbereitung). Zurück
56) Zu den Leit- und Überprüfungskriterien vgl. W. Bender, Zukunft der Wissenschaft – Prospektive Ethik, Nova Acta Leopoldina, NF 74, 297, 1996, S. 39-51; W. Bender, K. Platzer, K. Sinemus, On the Assessment of Genetic Technology: Reaching Ethical Judgement in the Light of Modern Technology, In: Science and Engineering Ethics (1995), 1, S. 21-32. Zurück
57) Vgl. z.B. H. Henssen, Energie zum Leben. Die Nutzung der Kernenergie als ethische Frage, München u.a.: Bonn Aktuell 1993. Zurück
58) H. Jonas, Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation, Frankfurt a.M.: Insel 1984, S. 70f. Zurück
59) Vgl. M. Fischedick, Globale und regionale Energieszenarien im Vergleich, In: W. Bender (Hrsg.) a.a.O. Zurück
60) H. Henssen 1993, a.a.O., S. 175. Zurück
61) Vgl. R. Spaemann, Technische Eingriffe in die Natur als Problem der politischen Ethik, In: D. Birnbacher (Hrsg.), Ökologie und Ethik, Stuttgart: Reclam 1990, S. 180-206; H. Jonas, a.a.O., S. 76-83. Zurück
62) In zahlreichen Untersuchungen wurden die Möglichkeiten alternativer regionaler Energie- und Verkehrskonzepte unter Beweis gestellt; siehe z.B. C.C. Noack, D.v. Ehrenstein, J. Franke (Hrsg.), Energie für die Stadt der Zukunft – Das Beispiel Bremen, Marburg: SP-Verlag Norbert Schüren, 1989; W. Bach, Konkrete kommunale Klimaschutzpolitik am Beispiel Münsters, in: Enquete-Kommission 1995, a.a.O., S.1354-1385. Zurück
63) E.-O. Czempiel, Der Friede – sein Begriff, seine Strategien, in: D. Senghaas (Hrsg.), Den Frieden denken, edition suhrkamp, 1995, S. 165-176, hier S. 170. Zurück
An diesem Dossier haben folgende IANUS-Autoren mitgewirkt:
Wolfgang Bender (Sozialethik); Sven Brückmann (Politische Ökonomie); Martin Kalinowski, Wolfgang Liebert und Jürgen Scheffran (Physik/Mathematik).
Koordination und Endredaktion: Jürgen Scheffran
Kontakt: IANUS, c/o Institut für Kernphysik, Schloßgartenstr. 9, 64289 Darmstadt, Fax: (06151) 166039, email: ianus@hrzpub.th-darmstadt.de