Dossier 100

Krise der Weltpolitik –
Multilateralismus gefragt

herausgegeben von Johann Ivanov und Paul Schäfer

Informationsstelle Wissenschaft und Frieden e.V. (IWIF)
und Friedrich-Ebert-Stiftung (FES)

erscheint als Beilage zu W&F 2/2025

Für einen solidarischen Multilateralismus

von Paul Schäfer

Folgt man Wikipedia, so ist unter Multilateralismus schlicht die Zusammenarbeit mehrerer Staaten bei der Lösung von grenzüberschreitenden politischen und gesellschaftlichen Problemen zu verstehen. Seine Funktionsweise sei durch Regeln bestimmt, die auf den Prinzipien Konsultation, Inklusion und Solidarität beruhen. Eine solche Definition greift zu kurz. Die internationale Ordnung lässt sich sicher anhand der Kategorien Institutionen, Normen/Werte, Regeln und Verhaltensmuster allgemein beschreiben. Dem Multilateralismus werden in diesem Kontext das Bestreben, möglichst weitreichende, internationale Institutionen zu bilden und auf Kooperation gerichtete diplomatische Verhaltensweisen zugerechnet. Eine Beschreibung, die von dem konkret-historischen Kontext abstrahiert, in dem sich die jetzt noch gültige internationale Ordnung nach 1945 entwickelt hat, ist nach meiner Überzeugung jedoch unzureichend.

Die historischen Grundlagen

Am Ende zweier verheerender Weltkriege stand das Bemühen weitsichtiger Politiker*innen und Intellektueller, das Erbe zwischenstaatlicher Kriege und des »Rechts des Stärkeren« hinter sich zu lassen. Zu diesem Zwecke sollte eine Weltfriedens- und Weltrechtsordnung entwickelt werden, die das friedliche Zusammenleben der Völker und das gemeinsame Bemühen um Konfliktlösungen garantiert. Die Präambel der im Juni 1945 angenommenen Charta der Vereinten Nationen bringt die Grundlagen und Ziele einer neuen Ordnung sehr präzise zum Ausdruck. Zweifellos bedeuteten die in dieser Zeit entwickelten normativen, aber auch institutionellen Regeln für das Zusammenwirken der Staaten einen zivilisatorischen Fortschritt. Wir reden vom Völkerrecht, von dem danach entwickelten Kanon der Menschenrechte und dem Prozess konkreter Institutionenbildung in Gestalt des gesamten »UN-Systems«. Die Mitglieder der »Weltgemeinschaft« sollten sich an diesen Ordnungsvorstellungen und Regulativen einer multilateralen Diplomatie messen lassen. Damit war auch die ständige Herausforderung, die vielfältigen Konflikte kooperativ zu lösen, überaus präsent. Aber machen wir uns nichts vor: Kennzeichnend für diese Epoche war eine tiefgehende Diskrepanz. Die Weltpolitik wurde durch den bipolaren Gegensatz zwischen »Ost« und »West« und die harte Konkurrenz zweier Systeme/Ideologien geprägt. Die proklamierten Werte für die Gestaltung der Gesellschaften und der Internationalen Beziehungen konnten schon mal auf der Strecke bleiben, wenn es um die Durchsetzung eigener Machtinteressen ging. Multilaterales Zusammenwirken, etwa im Rahmen der Vereinten Nationen, war entsprechend schwierig. Erst in der Phase der Entspannungspolitik in den 1970er Jahren gab es engere Austauschbeziehungen und die Besinnung auf gemeinsame Interessen. Durch die daraus abgeleiteten Kompromissmöglichkeiten konnten neue gemeinsame Institutionen wie die KSZE gebildet werden.

Multilateralismus und regelbasierte Weltordnung

Dieser offenkundige Widerspruch ändert nichts daran, dass das Konstrukt des Multilateralismus weit über intensive Austauschbeziehungen zwischen den Staaten oder rege konfliktbearbeitende Diplomatie hinausgeht. Multilateralismus ist ein Beziehungsmuster, das die Gesamtheit des institutionellen Rahmens und der normativen Grundlagen einschließt. Mit dem sich darauf beziehenden Begriff der »regelbasierten, liberalen Weltordnung« werden als konstitutive Merkmale dieser Ordnung auf freie Wahlen beruhende Parteiendemokratie, eine plurale Gesellschaft und auch gerne die kapitalistische Marktwirtschaft und der internationale Freihandel hinzugerechnet. Die individuellen Persönlichkeitsrechte werden zu Lasten sozialer Grundrechte betont. Darüber lässt sich trefflich streiten, und genau das ist der Konflikt, der nicht zuletzt zwischen der Staatenwelt der nördlichen Hemisphäre und dem sog. Globalen Süden geführt wird. Mir erscheint deshalb wichtig, die Begriffe und Konzepte nicht durcheinanderzuwerfen und sich auf das Wesentliche der konstitutiven Elemente zu beschränken, nämlich auf die Universalität der Menschenrechte und die Verhaltensgrundsätze der UN, die in Artikel 1 der UN-Charta genannt sind: Friedenssicherung, Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker, internationale Zusammenarbeit zur Lösung der Entwicklungsprobleme, die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten, die für alle Menschen gleichermaßen gelten, und die UN als Mittelpunkt dieser Bemühungen.

Nur am Rande sei bemerkt, dass es weder den Tatsachen entspricht noch hilfreich für die Problemlösung ist, die Herausbildung dieses UN-Wertekanons als ausschließlich westlich-imperiales Projekt einzuordnen. Das oft hinter einer solchen Bewertung liegende Motiv ist kaum zu übersehen: Es geht dabei um die Verschleierung einer anderen Ordnungsvorstellung, die sich an autoritären Herrschaftsmodellen orientiert.

Argumente für den Multilateralismus

Vor fünf Jahren hat der Politikwissenschaftler Hanns W. Maull einen knappen Text verfasst, der sich mit dem Konzept des Multilateralismus, den Grenzen und Möglichkeiten seiner Anwendung befasst. Er kommt zu dem Schluss:

„Multilateralismus erscheint angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen der Weltpolitik und ihrer strukturellen Gegebenheiten (nationalstaatliche Souveränität, Machtdiffusion) als eine geradezu unerlässliche Form der internationalen Diplomatie.“ (Maull 2020)

Drei Sachverhalte könnten die Befürworter des Multilateralismus ins Feld führen:

  • die Dimension der globalen Herausforderungen, wozu nicht zuletzt der Klimawandel zu rechnen ist;
  • die Realität der Machtverteilung in den internationalen Beziehungen, die es erschwere, zu verbindlichem Handeln zu kommen. Maull macht die Problematik weniger an den bestehenden Machthierarchien, sondern mehr an der Unübersichtlichkeit der heutigen Staatenwelt, der Vielzahl zwischenstaatlicher Organisationen und zivilgesellschaftlicher Akteure fest;
  • die Gestaltungsmöglichkeiten einer Ordnung, die auch globales Regieren einschließen sollte. Es geht ergo um die Gestaltungspotenziale einer multilateralen Ordnung, die darum bemüht ist, eine Win-win-Situation für möglichst alle Beteiligten herzustellen.

Am Scheideweg: Miteinander oder Gegeneinander

Dass die multilaterale Weltordnung unter Druck ist, konnte Maull bereits 2020 konstatieren. Der Angriff Russlands auf den Nachbarstaat Ukraine und die zweite Machtübernahme Donald Trumps symbolisieren gegenwärtig besonders drastisch, dass dieses Ordnungskonzept weltweit infrage gestellt ist.

Eine scharfe Bruchlinie zeichnet sich ab:

In zahllosen Weltgipfelerklärungen ist seit 1990 dokumentiert, dass die Zuspitzung globaler Probleme und Krisen nur durch globale Kooperation auf der Basis gemeinschaftlich festgelegter Zielvorstellungen gelöst werden kann. Dem diente auch die Idee des globalen Regierens (Global Governance) mittels internationaler Institutionen, den Einzelstaaten und Nichtregierungsorganisationen, die nach dem Epochenbruch 1989/90 in den Vordergrund trat. Im Kern geht es dabei um die Sicherung des »Weltfriedens«, um die Abwehr einer weltumspannenden Klimakatastrophe, um die Beseitigung von Hunger und Armut. Diese Erkenntnis gilt heute mehr denn je.

Realiter aber erleben wir die Erosion der internationalen Ordnung, die nunmehr von der Renaissance gnadenloser Großmächtekonkurrenz und dem Erstarken nationalistischer Strömungen geprägt zu sein scheint. Unter dem US-Präsidenten Trump führt der ultranationalistische Ansatz dazu, dass multilaterale Strukturen systematisch angegriffen und zerstört werden sollen. Durch skrupellose Machtanwendung (Deals, Drohungen, Druck, Erpressung) sollen sie abgelöst werden, um die frühere Ausnahmeposition der USA als einzige Weltmacht wiederherzustellen. Und Russland hat sich unter Putin zu einer »revisionistischen« Macht entwickelt, die bestehende Staatsgrenzen verschiebt und sich eine imperiale Einflusszone im östlichen Teil des europäischen Kontinents sichern will.

Die neue multipolare Weltordnung

Eine multipolare Weltordnung hat sich de facto herausgebildet. Wir erleben die Pluralisierung der Machtzentren, die mit dem Ringen um jeweilige Einflusszonen und um mehr Macht im internationalen System verbunden ist. Der internationale Wettbewerb verschärft sich, ob es um die Wachstum sichernden Rohstoffe bzw. Energiequellen geht oder um die Definitionsmacht der Spielregeln in den Internationalen Beziehungen. An der Spitze der Machthierarchien kämpfen China und die USA darum, wer als hegemoniale Globalmacht Bedingungen des Zusammenlebens bestimmen kann oder klein beigeben muss. Politische Polarisierung und die allenthalben zu konstatierende Dominanz des Sicherheitsdenkens, das mit exorbitanten Steigerungen der Rüstungsanstrengungen einhergeht, sind die Folgen. Haben wir es daher nicht mit einem Gegenentwurf zur multilateralen, regelbasierten Weltordnung zu tun?

Zweifelsfrei ist die Vorstellung einer Multipolarität in China, Russland, Indien, aber auch in Teilen des sog. Globalen Südens populär. Sie zielt darauf ab, die Vorherrschaft »westlicher Institutionen«, vor allem der USA, zu brechen. Sind dies nicht legitime Ziele? Durchaus. Die Vereinten Nationen und die internationalen Finanzinstitutionen bedürfen dringend einer Reform, damit möglichst alle zum Zuge kommen und die globalen Ressourcen gerechter verteilt werden. Aber dass die Neuverteilung von Macht quasi automatisch – durch den Zwang, die Interessengegensätze immer wieder ausgleichen zu müssen, – zu mehr Stabilität und mehr Frieden führen wird, ist auch durch die jüngsten Erfahrungen keineswegs gedeckt und bedarf kritischer Prüfung. Offenkundig müssen die innergesellschaftlichen Strukturen und die dominanten politisch-geistigen Strömungen in den aufstrebenden Staaten und daraus erwachsende internationale Ambitionen mit betrachtet werden, wenn man mehr Aufschluss darüber erhalten will, wohin die Reise geht bzw. welche Veränderungen notwendig sind, um das Schiff in die richtige Richtung zu lenken.

Multilaterale Allianzen im Rahmen der multipolaren Welt

Es ist zugleich unverkennbar, dass eine Politik, die nur mit dem moralischen Zeigefinger auf die Bösewichte, Schurken, Rückständigen zeigt und diese durch Bestrafung in die Botmäßigkeit zwingen will, zur Erfolglosigkeit verdammt ist. Es kommt darauf an, in diesem Umfeld auf kleine Entwicklungsfortschritte zu setzen, Ansatzpunkte für Veränderungen durch Interessenausgleich zu finden und allzu Schlimmes – nicht zuletzt große Kriege – zu verhüten. Dazu wird es auch weiterhin notwendig sein, bilaterale Kontakte und Beziehungen in alle Richtungen zu pflegen und zu entwickeln.

Es ist dennoch darauf zu insistieren, dass eine andere Grundordnung nötig ist, mit der die globalen Entwicklungsziele (SDGs) konsequent umgesetzt werden. Global Governance auf Basis der UN-Gipfelbeschlüsse bleibt ein Ziel, das nicht durch die Unzulänglichkeiten der heutigen Welt hinfällig wird. Auf absehbare Zeit wird es um die Bildung von Allianzen der Gutwilligen gehen, mit denen dem Rechtsdrift der gegenwärtigen politischen Landschaft entgegengewirkt wird. Dabei kann es sich um themenbezogene Bündnisse handeln, mit denen die Weltöffentlichkeit mobilisiert wird, um den Druck auf die entscheidenden Machtstaaten und die internationalen Gremien zu erhöhen und Blockaden innerhalb der UN zu überwinden. Eine übergreifende Allianz für den Multilateralismus, die ja rudimentär bereits besteht, könnte ein entscheidender Hebel sein, um die Richtung, in der sich die Welt morgen bewegen wird, zu bestimmen. Eine solche Allianz wird umso wirkmächtiger, je mehr sie zivilgesellschaftliche Organisationen und Netzwerke in die politische Willensbildung und Öffentlichkeitsarbeit einbezieht. Nur so kann es gelingen, die Kräfteverhältnisse gerade in den UN-Mitgliedsstaaten positiv zu beeinflussen, in denen der Aktionsraum fortschrittlicher Gruppen begrenzt ist.

Wichtig wird sein, dass multilaterale Allianzen, die die Lücke füllen sollen, die eine marginalisierte UN hinterlässt (G 7, G 20, Ad-hoc-Konferenzen), immer die Stärkung der Vereinten Nationen – und nicht deren Ersetzung – im Auge haben. Es wäre gut, wenn immer wieder Initiativen gestartet würden, die der UN wieder mehr Gewicht verleihen. Dies mag in einer Situation, in der die Ressourcen für die UN und die Entwicklungszusammenarbeit dramatisch sinken, etwas utopisch erscheinen. Aber ein »Mächtekonzert« der Großen und Starken wird die Probleme der Welt nach aller Erfahrung nicht lösen.

Vom selektiven zum solidarischen Multilateralismus

Die Bruchpunkte, die wir heute erleben und den heutigen Krisenstatus herbeigeführt haben, sind nicht aus dem Nichts entstanden. Die alte regelbasierte Weltordnung war nicht goldglänzend. Auch die Führungsnationen der »westlichen Welt« haben das Völkerrecht gebrochen, es missachtet, haben Militärdiktaturen in ihren Reihen (NATO) geduldet und haben sich, wenn es ihrem wirtschaftlichen Vorteil diente, über die Belange der Entwicklungsländer hinweggesetzt. „Double standards“ wurde zum geflügelten Wort, um dieses Verhaltensmuster zu charakterisieren. Daraus sind tiefsitzende Enttäuschungen entstanden, die in eine ebenso tiefe Vertrauenskrise mündeten. Als Beispiele seien nur das Thema Gesundheitsversorgung in der Corona-Krise, der Umgang mit dem Ukraine-Krieg oder die Reaktionen auf die israelische Vertreibungspolitik in Gaza genannt. Auch heute noch gilt etwa für die deutsche bzw. europäische Außenpolitik, dass sich in vielen Fällen eine Kluft zwischen deklaratorischer und faktischer Politik auftut. Jens Martens (Global Policy Forum), der die deutsche Politik in den Vereinten Nationen genau verfolgt, spricht von einem „selektiven Multilateralismus“, den er auch an den Beispielen Schuldenmanagement, globale Gesundheitspolitik und internationale Steuerkooperation belegt (Martens 2023). Wenn es darauf ankommt, sei man eher bereit, die eigenen, eng gefassten Wirtschaftsinteressen zu verfolgen, statt einen Allen nützenden Interessenausgleich zu stützen. Martens fordert stattdessen einen „solidarischen Multilateralismus“ ein, der die berechtigten Interessen der Länder des Globalen Südens aufnimmt und die gemeinsam verankerten Nachhaltigkeitsziele ernst nimmt.

Frieden, Entwicklung, Menschenrechte

Angesichts der heute vorherrschenden Vorstellungen einer polarisierten Welt, in der es vor allem um die Akkumulation von Macht und Geld geht und die Wucht der Waffen über den weltpolitischen Einfluss entscheidet, sollten wir den alten Satz beherzigen: „Respige finem.“ Man bedenke das Ende. Es war der langjährige Generalsekretär der Vereinten Nationen, Dag Hamarskjöld, der frühzeitig erkannte, dass ein Ausweg gefunden werden muss aus dem Teufelskreis von hemmungsloser Aufrüstung und dem scharfen Gegensatz der Nationen, der die Hochzeit des Kalten Krieges in den fünfziger Jahren bestimmte und die Menschheit an den Rand des Abgrunds geführt hatte. Daher hat er beharrlich seine Vorstellungen von Frieden und Entwicklung unter der Ägide der UN vorgebracht und wesentliche Konzepte für eine zukunftsorientierte globale Entwicklung formuliert. Der paradigmatische Zusammenhang von Frieden, Entwicklung und Menschenrechten war sein Mantra. Davon sollten wir uns leiten lassen, wenn wir nach Möglichkeiten suchen, das gedeihliche globale Überleben zu sichern. Multilateralismus ist ein wesentlicher Teil davon.

Literatur

Maull, H. W. (2020): Multilateralismus. Varianten, Möglichkeiten, Grenzen, Erfolgsbedingungen. SWP-Aktuell, Nr. 11, Februar 2020.

Martens, J. (2023): Debatte: Vom selektiven zum solidarischen Multilateralismus. Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V., 7.11.2023.

Friedenssicherung in einer multipolaren Welt?

von Martina Fischer

Globale Herausforderungen, wie die Klimakrise und atomare Gefahren, können nur multilateral und im Rahmen der UN erfolgreich bewältigt werden. Rüstungskontrolle ist das Gebot der Stunde. Dafür braucht es die Unterstützung möglichst vieler Staaten und auch der internationalen Zivilgesellschaft.

Aktuell ist viel von der Herausbildung einer „neuen Weltordnung“ die Rede. Die Nationale Sicherheitsstrategie der Bundesregierung (2023) verweist auf ein „Zeitalter wachsender Multipolarität“. Der Historiker Herfried Münkler (2023) sieht die Hegemonie der USA am Ende und die Welt im Übergang zu einem System mit fünf Machtzentren (Pentarchie), begleitet vom „Stühlerücken“ im Ringen um die besten Plätze. So strebe Russland mit dem Krieg gegen die Ukraine nach Herrschaft über das Schwarze Meer und einen Platz in der ersten Reihe. Münkler stellt die Demokratien (USA und Europa) den Autokratien Russland und China gegenüber und zählt auch Indien zum Club. Es sei zu hoffen, dass diese fünf gemeinsame Regeln verabreden, sich bemühen, ihre „Einflussbereiche friedlich zu halten“, und „darauf verzichten (…) sich gegenseitig ihre Ordnung aufzwingen zu wollen“ – analog zum Frieden von Münster und Osnabrück, in dem 1648 eine neue Ordnung „auf Grundlage einer wechselseitigen Respektierung von Werten der verschiedenen Konfessionen“ entstand. Die fünf Mächtigen müssten zwar berücksichtigen, dass sie Zustimmung von Ländern aus der zweiten Reihe benötigen, würden aber in Zukunft den Takt vorgeben. Den UN billigt Münkler nur mehr die Rolle einer Hilfspolizei zu, die internationale Fragen vorsortiert. Münklers Überlegungen werden viel zitiert, bilden aber nur eine mögliche und keine zwingende Entwicklung ab. Manche halten die Annahme, dass wir uns auf eine multipolare Welt zubewegen, für vorschnell. Der Politikprofessor Thomas Jäger beispielsweise erwartet aufgrund des Machtvorsprungs der USA und Chinas eher ein bipolares System, gefolgt von „einigen eingeschränkt handlungsfähigen Staaten“, und verbunden durch „sich verändernde internationale Wertschöpfungsnetze“. Der Handlungsspielraum aller übrigen hänge davon ab, wie sich das amerikanisch-chinesische Verhältnis gestalte: „Je konfrontativer dies wird, desto geringer wird der autonome Handlungsspielraum anderer.“ (Jäger 2023)

Offensichtlich wird das unipolare System, in dem die USA seit 1989 den Ton angaben, in Frage gestellt, seit es China gelang, wirtschaftlich aufzuschließen. Noch lässt sich aber schwer abschätzen, wie sich das internationale Machtgefüge gestalten wird. Welche Visionen entwickelt und wie sie bewertet werden, hängt von der Geographie ab. In vielen Thinktanks im Globalen Süden ist die Vorstellung von einer multipolaren Ordnung positiv besetzt. Man erhofft sich vom Machtverlust des »Westens« eine Erweiterung von Spielräumen (leider sind darunter nicht nur demokratische, sondern auch autokratische Akteure, vgl. Kavita Krishnan in diesem Dossier). In den westlichen Ländern hingegen wird die Herausbildung neuer Allianzen (z.B. BRICS, BRICS+) mit Sorge betrachtet. (Die BRICS-Allianz wurde 2006 von Brasilien, Russland, Indien und China gegründet und 2010 um Südafrika erweitert. 2024 kamen Iran, Ägypten, Äthiopien und die Vereinigten Arabischen Emirate und 2025 Indonesien hinzu (BRICS+)). Eine mögliche Schlussfolgerung könnte darin liegen, die Perspektiven von Ländern im Globalen Süden zunächst besser zu verstehen und in ihrer Widersprüchlichkeit zu analysieren (dazu ausführlich Maihack und Plagemann 2023), sich um gerechtere Nord-Süd-Beziehungen zu bemühen, und das UN-System zu stärken. Das setzt Bereitschaft für Strukturreformen voraus, und die Einsicht, dass es die UN als Forum für multilaterale Abstimmung zu erhalten gilt. Schließlich gibt es Probleme und Bedrohungen, die die gesamte Menschheit betreffen, allen voran die Klimakrise und die Gefahr eines neuerlichen atomaren Rüstungswettlaufs, und sie können nur bearbeitet werden, wenn möglichst viele Länder beteiligt werden. Die UN haben seit 1945 maßgeblich dazu beigetragen, Gewaltkonflikte zu beenden, Opfer von Kriegen und Naturkatastrophen mit humanitärer Hilfe zu versorgen und internationale Vereinbarungen für Umweltschutz und Rüstungskontrolle zu treffen. Das Büro für Abrüstungsfragen (United Nations Office for Disarmament Affairs), 1998 vom Generalsekretär Kofi Annan als Abteilung des UN-Sekretariats gegründet (Hohe Beauftragte für Abrüstungsfragen ist seit 2017 die Japanerin Izumi Nakamitsu), spielte eine wichtige Rolle bei der Einschränkung der Verbreitung von Nuklearwaffen, Abrüstung von atomaren, biologischen sowie chemischen Waffen, Ächtung von Landminen und Eindämmung von Kleinwaffenexporten. Die »Peacebuilding Commission« (mit deutschem Vorsitz 2025) wiederum hat langjährige Expertise in der Prävention und Friedenskonsolidierung. Diese weltumspannenden Foren gilt es zu erhalten, zu stärken und zu reformieren.

UN-Zukunftspakt: Plädoyer für Krisenprävention und Abrüstung

Beim UN-Zukunftsgipfel 2024 in New York haben 143 Staaten einen Reformplan gebilligt (United Nations 2024), der zwar völkerrechtlich nicht verbindlich ist, aber dennoch ein deutliches Plädoyer für die Stärkung des Multilateralismus und für die Weiterentwicklung des UN-Systems enthält (für eine ausführliche Bewertung vgl. Fischer 2024 und Patrick Rosenow in diesem Dossier). Die Unterzeichnenden verpflichten sich, ihre Anstrengungen zum Aufbau von friedlichen, inklusiven und gerechten Gesellschaften zu verdoppeln und die Ursachen von Gewaltkonflikten in den Blick zu nehmen (Aktion 13), und sie kritisieren massiv die weltweit steigenden Rüstungsbudgets. Der UN-Generalsekretär soll für die Generalversammlung eine Analyse erstellen, die die Auswirkungen dieses Trends für die Erreichung der SDGs dokumentiert. Die Staaten wollen zudem Mechanismen zur friedlichen Streitbeilegung und Vertrauensbildung, Frühwarnung und Krisenbearbeitung auf lokaler, regionaler und internationaler Ebene ausbauen, mit den Kapazitäten der UN und ihrer Regionalorganisationen verknüpfen und mit der »UN Peacebuilding Commission« abstimmen (Aktion 16).

Schließlich betont der Pakt die Verpflichtung, die Gefahr eines Atomkriegs zu bannen. Das Endziel sei „eine allgemeine und vollständige Abrüstung unter wirksamer internationaler Kontrolle“, das unmittelbare Ziel, „die Gefahr eines Atomkriegs zu beseitigen und Maßnahmen zur Vermeidung eines Wettrüstens zu ergreifen“. Die Unterzeichnenden vereinbaren, die „nuklearen Abrüstungs- und Nichtverbreitungsverpflichtungen zu beschleunigen (…) durch die Einhaltung einschlägiger internationaler Rechtsinstrumente und durch das Streben nach kernwaffenfreien Zonen“ (United Nations 2024, S. 19). Auch im Hinblick auf biologische und chemische Waffen, neue Technologien (inklusive KI, Cyber Space und im Weltraum) sollen alle Foren der UN für Abrüstung gestärkt werden (Aktion 26 und Aktion 27). Der Zukunftspakt reagiert auf einen weltweiten Aufrüstungstrend, der in einen ungebremsten atomaren und konventionellen Rüstungswettlauf münden könnte. Der würde aufgrund des technologischen Fortschritts die Gefahren des Kalten Kriegs im 20. Jahrhundert noch weit übertreffen. Die Stärkung von Rüstungskontrolle ist daher das Gebot der Stunde.

Rüstungskontrolle ist das Gebot der Stunde

Engagierten Wissenschaftler*innen und Politikberater*innen ist es zu verdanken, dass seit den 1990er Jahren durch Verträge die Nuklearwaffenarsenale erheblich verkleinert wurden. Der amerikanische Physiker und Hochschulprofessor Frank Niels von Hippel (siehe die lesenswerte Autobiographie, von Hippel 2024) war daran maßgeblich beteiligt. Er wurde dafür von der Stiftung Roland Röhl mit dem Göttinger Friedenspreis ausgezeichnet (die Autorin ist Mitglied der Jury des Göttinger Friedenspreises). In seiner Rede am 15.3.2025 beschrieb er die Abrüstungsbemühungen detailliert (von Hippel 2025). Leider wurde der Trend zur Abrüstung seither nicht fortgesetzt, bedauerte der Physiker Prof. Götz Neuneck (2025) in seiner Laudatio. Vielmehr gab es zahlreiche Rückschläge: „Im Jahr 2002 kündigten die USA unter Präsident George W. Bush Junior den ABM-Vertrag, der die Raketenabwehr der USA und Russlands begrenzte. Seitdem wird die strategische und taktische Raketenabwehr weiterentwickelt und blockiert die bilaterale Abrüstung.“ (Neuneck 2025) Zwar unterzeichneten die USA unter Obama mit Russland den New-START-Vertrag zur Begrenzung der strategischen Arsenale, dieser laufe aber im Februar 2026 aus. Der Kernwaffenteststoppvertrag (CTBT), von 178 Ländern ratifiziert, trat nicht in Kraft, weil 9 Staaten (darunter die USA und China) diesen nicht ratifizierten. Der KSE-Vertrag zur Begrenzung der konventionellen Rüstung in Europa wurde 2007 durch Russland suspendiert und der INF-Vertrag über Mittelstreckenwaffen 2018 von US-Präsident Trump aufgekündigt.

Nun seien „einige Dämonen der Vergangenheit“ wieder zurück, meint Neuneck (2025): Es gebe wieder Bestrebungen für eine weltraumgestützte Strategische Verteidigungsinitiative, vormals »SDI«, nun umgetauft in »Golden Dome«; die „Stimmen für neue Nukleartests“ würden lauter, und der Krieg Russlands gegen die Ukraine provoziere neue Aufrüstungsrunden. Zudem würden Atomwaffen wieder „salonfähig“: Im Russland-Ukrainekrieg wurden zivile Nuklearanlagen beschossen und der russische Präsident Wladimir Putin brachte die Möglichkeit eines Einsatzes von taktischen Nuklearwaffen ins Spiel. In einigen Staaten würden Atomwaffen nicht mehr nur als Mittel der Abschreckung, sondern auch der Kriegsführung diskutiert. Dabei ist erwiesen, dass auch regional begrenzte Atomwaffeneinsätze große Umweltkatastrophen, Nahrungsmittelknappheit und weltweite Hungersnöte mit sich bringen würden. Derzeit vollziehe sich ein neues qualitatives Wettrüsten: Neue nuklearbestückte Trägersysteme (Überschallwaffen, Unterwassertorpedos oder nuklearbetriebene Marschflugkörper) befänden sich in der Testphase. Die Proliferationsgefahr im Mittleren Osten nehme zu, ebenso wie die Bedrohung um die koreanische Halbinsel; China wolle neue Sprengköpfe und Trägersysteme stationieren; der US-Kongress diskutiere, die Zahl der US-Sprengköpfe wieder zu erhöhen; und in Europa diskutiere man über eine gemeinsame nukleare Abschreckung gegen Russland, nachdem Zweifel an der Bündnistreue von Donald Trump aufkamen. Die Doomsday-Uhr des »Bulletin of the Atomic Scientists«, die seit 1947 durch ihre Zeigerstellung die Nähe zur Selbstvernichtung der Menschheit symbolisiere, stehe seit 2025 auf 89 Sekunden vor Mitternacht, so Neuneck, und sei noch nie so nah an „High Noon“ gewesen (Neuneck 2025).

Atomwaffenverbotsvertrag und Engagement der Zivilgesellschaft

Vor diesem Hintergrund kommt dem Vertrag über das Verbot von Nuklearwaffen (AVV; s. Fischer 2017), der im UN-Rahmen geschlossen wurde, große Bedeutung zu. Seit Januar 2021 haben diesen 94 Staaten unterzeichnet und mehr als 70 ratifiziert. Einige NATO-Staaten nehmen inzwischen als Beobachter an den Treffen der »Nuclear Ban Treaty«-Staaten teil (Deutschland und Norwegen). Auch scheinen sich Wissenschaftler*innen international erneut zu vernetzen. Im Juli 2024 verabschiedeten 30 Nobelpreisträger*innen in Lindau eine neue »Mainauer-Erklärung« mit der Warnung, dass „in der heutigen zersplitterten und polarisierten Welt (…) diese schrecklichen Waffen entweder versehentlich oder vorsätzlich eingesetzt werden – mit der Wahrscheinlichkeit des Endes der menschlichen Zivilisation, wie wir sie kennen“. In den USA hat sich – nach dem Vorbild der in den 1980ern aktiven Federation of American Scientists – kürzlich ein neues Netzwerk gegründet: die Physicists Coalition for Nuclear Threat Reduction mit etwa 1.500 Mitgliedern. Sie halten Vorträge an den Hochschulen, suchen das Gespräch mit Abgeordneten im US-Kongress und fordern europäische Wissenschaftler*innen auf, die Mitglieder des Europäischen Parlaments zu beraten. Damit verbindet man die Hoffnung, die Pugwash-Konferenzen für ein Brainstorming über nukleare Rüstungskontrolle wieder zu beleben.

Antonio Guterres, Botschaft zum Internationalen Tag der Abrüstung und der Förderung des Bewusstseins für Nichtverbreitung, 5. März 2025

Die Zukunft der Menschheit beruht nicht auf Kriegsgerät, sondern auf Friedensmechanismen.

Dennoch wachsen die globalen Spannungen, steigt die atomare Bedrohung, bröckeln die Schutzvorkehrungen. Zugleich finden Kleinwaffen und leichte Waffen immer größere Verbreitung, während rasch voranschreitende Technologien wie künstliche Intelligenz und Quanteninformatik die Gefahren noch verschärfen.

Am heutigen Internationalen Tag der Abrüstung und der Förderung des Bewusstseins für Nichtverbreitung fordere ich die Führungsverantwortlichen nachdrücklich auf, die gegen die Verbreitung, Erprobung und Nutzung tödlicher Waffen gerichteten präventiven Systeme und Instrumente zu stärken und ihren Abrüstungsverpflichtungen nachzukommen.

Ich fordere darüber hinaus gemeinsame Anstrengungen zur Erfüllung der Abrüstungsverpflichtungen, die im unlängst verabschiedeten Zukunftspakt enthalten sind. Zu diesen Verpflichtungen zählen Maßnahmen zur Verwirklichung einer kernwaffenfreien Welt, neue Strategien zur Prävention des Einsatzes chemischer und biologischer Waffen und Initiativen gegen die Aufrüstung des Weltraums und den Einsatz letaler autonomer Waffensysteme.

Die Staats- und Regierungsoberhäupter müssen nun endlich ihren Worten Taten folgen lassen und in Abrüstungslösungen für eine friedliche Zukunft investieren, die ein jeder Mensch verdient.

https://www.un.org/depts/german/gs/messages/SGM-Day-Disarmament-2025.pdf

Fazit und Ausblick

Ob es gelingt, Gewaltprävention, Friedensförderung, Abrüstung und Rüstungskontrolle im UN-Rahmen weiter zu entwickeln, hängt zum einen von den im Sicherheitsrat vertretenen Mächten ab. Wichtig wäre es zum anderen, Ländern aus dem Globalen Süden eine ständige Vertretung im Sicherheitsrat zu verschaffen. Wenn das nicht realisiert werden kann, muss man die UN-Generalversammlung stärken. Sie bildet weiterhin ein weltumspannendes Forum, in dem sich die Mächtigen erklären und um Unterstützung für ihre Entscheidungen werben müssen. Zudem ist das Engagement von Zivilgesellschaft von Bedeutung. Dazu gehören Physiker*innen und wissenschaftliche Vereinigungen, denn es reicht nicht aus, vor den Gefahren der Hochrüstung zu warnen, es müssen auch sicherheitspolitisch tragfähige Konzepte für die Überprüfung erarbeitet werden. Politisch gilt es, bestehende Abkommen zu bewahren und auf eine Wiederbelebung gekündigter Verträge hinzuwirken. Dabei stellen sich wichtige Fragen: Wie lassen sich Erfahrungen, die mit Rüstungskontrolle und Abrüstung in einer bipolaren Welt gemacht wurden, in ein multipolares System übertragen? Welche Verfahren (für vertrauensbildende Maßnahmen und technische Verifikation) sind erfolgversprechend? Wie lässt sich die Gefahr eines Atomkriegs »aus Versehen« wirksam einhegen? Wäre ein internationales Abkommen der Nuklearstaaten für einen „Ersteinsatzverzicht“ (Takur 2021) politisch wünschenswert, und wie realistisch ist es, Staaten dafür zu gewinnen? Bislang haben nur China und Indien diese Erklärung abgegeben.

Auch wenn eine Realisierung des AVV in weiter Ferne liegen mag, muss man die Beteiligung an diesem Prozess weiterhin einfordern. Dabei kommt es auch auf das Engagement von NGOs an, die sich für Klima- und Umweltschutz sowie für Rüstungsbegrenzung einsetzen. Man müsste beide Themen in Kampagnen überzeugend verbinden. Initiativen eines globalen Netzwerks, die sich in ICAN zusammenfanden (siehe Marian Losse in diesem Dossier), das World Federalist Movement sowie der Weltkirchenrat sind wichtige Akteure in diesem Feld. Zivilgesellschaftliche Organisationen sollten überdies in UN-Prozessen insgesamt viel systematischer (z.B. in Schattenberichtsverfahren) beteiligt werden.

Am Internationalen Tag der Abrüstung und der Förderung des Bewusstseins für Nichtverbreitung (5.3.2025) rief UN-Generalsekretär Guterres die Staaten auf, sich ernsthaft für die Umsetzung des Zukunftspakts zu engagieren. Tatsächlich würde der Einsatz westlicher Länder dafür deren Glaubwürdigkeit in den Augen von Staaten und Zivilgesellschaften im Globalen Süden erhöhen. Gemeinsam sollte man zudem das Konzept »Menschliche Sicherheit« (ausführlich dazu Debiel 2017), das auf UN-Ebene entwickelt und von der Generalversammlung breit akzeptiert wurde, weiterentwickeln und ausbuchstabieren. Gleiches gilt für die »Responsibility to Prevent«, die als erste und wichtigste Säule der »Responsibility to Protect« der Umsetzung harrt. Die »New Agenda for Peace« (United Nations 2023), ein umfangreiches und inspirierendes Papier, das Guterres 2023 zur Vorbereitung des UN-Zukunftsgipfels vorlegte, enthält dafür wichtige Anhaltspunkte. Nicht alle fanden im Abschlusstext des Zukunftsgipfels Eingang. Sie können aber durchaus friedenspolitische Orientierung bieten.

Anmerkung

Pugwash wirkte mit am Raketenabwehrvertrag von 1972, am Übereinkommen über das Verbot biologischer Waffen von 1972, am Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa von 1990 und am Chemiewaffenübereinkommen von 1993.

Literatur

Bundesregierung (2023): Integrierte Sicherheit für Deutschland. Berlin 2023.

Debiel, Tobias 2019: Human Security und die Vereinten Nationen, in: Werkner, Ines-Jacqueline und Oberdorfer, Bernd (Hrsg.): Menschliche Sicherheit und gerechter Frieden. Wiesbaden, S. 13-27.

Fischer, Martina (2024): UN-Zukunftspakt – Hoffnungsschimmer für den Frieden? W&F 4/2024, S. 57-60.

Fischer, Martina (2017): UN-Mitgliedsstaaten beschließen Atomwaffenverbotsvertrag. Blog 7.7.2017.

Jäger, Thomas (2023): Multipolar? Was die Neue Weltordnung für uns und Europa bedeutet. ­Focus-Online, 21.6.2023.

Münkler, Herfried (2023a): Welt im Aufruhr. Berlin: Rowohlt, 2023.

Münkler, Herfried (2023b): Im Gespräch. Tagesspiegel, 13.12.2023, S. 12-13.

Neuneck, Götz (2025): Laudatio Göttinger Friedenspreis, 15.3.2025.

Takur, Ramesh (2021): Weniger ist mehr. IPG-Journal, 12.5.2021.

United Nations (2024): Pact for the Future (A/RES/79/1). New York.

United Nations (2023): A New Agenda for Peace. Our common Agenda. Policy Brief 9.

Von Hippel, Frank N. (2024): Ending the Nuclear Arms Race: A Physicist’s Quest. Boulder (CO): Lynne Rienner.

Von Hippel, Frank N. (2025): Rede bei der Verleihung des Göttinger Friedenspreises am 15.3.2025.

Die UN-Konferenzen 2024/25: Fortschritte und Blockaden

von Patrick Rosenow

Obwohl der globale Problemdruck seit Jahren steigt, befinden sich die Vereinten Nationen in einer der größten Krisen seit ihrer Gründung nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 1945. Dabei wäre eine universelle Organisation zur Bearbeitung der Probleme besonders nötig. Es geht nicht nur darum, dass die Anzahl der Konflikte zunehmen, globale Ungleichheiten steigen und der Klimawandel scheinbar unaufhaltsam voranschreitet – nein, nun wird zudem der größte politische und finanzielle Unterstützer des UN-Systems, die USA, unter US-Präsident Donald Trump 2.0 wegbrechen und sogar die internationale Ordnung ernsthaft gefährden. Im Gegensatz zu Trump 1.0 sind die bisherigen Maßnahmen rascher, durchdachter, umfassender und damit für das UN-System in ihren Ausmaßen maximal bedrohlich: Mit seinem Dekret vom 4. Februar setzte Trump die umfassende Überprüfung aller US-Mitgliedschaften in internationalen Organisationen sowie internationalen Übereinkommen aus – mit der Maßgabe, ausschließlich US-amerikanische Interessen zu wahren. Konkret bedeutete dies etwa schon jetzt den Austritt der USA aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO), den Rückzug aus dem UN-Menschenrechtsrat als Beobachterstaat (Ende 2024 endete die dreijährige Mitgliedschaft der USA) sowie aus dem Klimaübereinkommen von Paris.

Und das ist mit hoher Sicherheit nur der Anfang. Die Zurückhaltung von finanziellen Mitteln ist gegenwärtig der bedrohlichste Faktor: Die USA sind der mit Abstand größte Beitragszahler an das UN-System und leisteten im Jahr 2023 ganze 13 Milliarden US-Dollar, also einen Anteil von ca. 20 Prozent der insgesamt 67,6 Milliarden US-Dollar an freiwilligen Beiträgen und Pflichtanteilen (siehe dazu Platz und Hüfner 2024). Dies führt bereits jetzt dazu, dass UN-Organisationen wie das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR), die Internationale Organisation für Migration (IOM) oder die WHO tausende Stellen einsparen müssen. Parallel dazu geraten UN-Organisationen wie UN Women oder der UN-Bevölkerungsfonds UNFPA unter Druck, wenn sich die US-Regierung gegen Geschlechtergerechtigkeit, Diversität und die Wahrung reproduktiver Rechte von Frauen und Mädchen einsetzt. Diese Forderungen von oftmals autoritären Staaten werden nun von der ältesten und mächtigsten Demokratie der Welt unterstützt. Wenn also der Hauptarchitekt der bisherigen Internationalen Ordnung die Statik dieser Konstruktion infrage stellt und diese sukzessiv unterminiert, droht das Gebäude einzustürzen. Die USA fallen unter Trump für mindestens vier Jahre als Garant der bereits angeschlagenen regelbasierten internationalen Ordnung aus. Andere Staaten wie etwa Russland verachten diese und sehen nur im Sicherheitsrat einen machtpolitischen Nutzen. Aber auch China spielt eine ambivalente Rolle im UN-System und hat bislang kein Interesse daran gezeigt, den Ausfall der USA zumindest finanziell zu kompensieren. Dabei benötigt die Menschheit angesichts der globalen Probleme gerade jetzt eine regelbasierte, gerechte internationale Ordnung sowie ein arbeitsfähiges UN-System. Der Erhalt des internationalen Systems muss tagtäglich von den Regierungen und Bevölkerungen gelebt, verteidigt und konkret mit Ressourcen unterstützt werden.

Der Zukunftsgipfel 2024 – ein Zeichen der Hoffnung

Dass dies zumindest politisch durchaus möglich ist, zeigte der im September 2024 stattgefundene Zukunftsgipfel der Vereinten Nationen, denn bereits vor Trump 2.0 war offensichtlich, dass mittlerweile nicht weniger auf dem Spiel steht als die Zukunft der Menschheit und des Planeten. Zwar versuchte Russland zusammen mit Belarus, Nicaragua, Nordkorea und Syrien noch bis zuletzt, den mühsam erzielten Kompromiss mittels eines auf dem Gipfel vorgelegten Änderungsantrags zu relativieren, scheiterte damit jedoch am Widerstand insbesondere aus der afrikanischen Staatengruppe. Das Ziel des Gipfels war es, einen Zukunftspakt zu verabschieden, um den Multilateralismus neu zu beleben, die UN fit für die Zukunft zu machen und um die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (Agenda 2030) endlich global umzusetzen.

Die Idee von UN-Generalsekretär António Guterres, einen derartigen Gipfel zu organisieren, die er 2021 in seinem Bericht »Unsere Gemeinsame Agenda“ (»Our Common Agenda«) unterbreitete, war folgerichtig: Schon seit einigen Jahren nehmen politische Spannungen auch im UN-System zu, und spätestens die COVID-19-Pandemie führte der Menschheit erneut vor Augen, dass grenzüberschreitende Probleme nur gemeinsam gelöst werden können. Nach nunmehr Jahren der Vorbereitungen, Verhandlungen und auch Verhärtungen der Konfliktlinien konnten durchaus ganze 56 Maßnahmen (Actions) verabschiedet werden. Die Themen des seit Ende letzten Jahres unter der Leitung von Deutschland und Namibia geführten Verhandlungsprozesses waren ehrgeizig. Es ging um Fragen nachhaltiger Entwicklung und Entwicklungsfinanzierung; zu Frieden und internationaler Sicherheit; zu Wissenschaft, Technologie und Innovation und digitaler Zusammenarbeit; zu Jugend und künftigen Generationen sowie zur Transformation der Global Governance, also um die Reform des UN-Systems. Das Ergebnis war der kleinste gemeinsame Nenner hinsichtlich eines effektiven, vernetzten und inklusiven Multilateralismus. Für viele Länder aus dem sogenannten Globalen Süden war es von großer Bedeutung, dass die getroffenen Vereinbarungen sie dabei unterstützen, die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) zu erreichen. Der Pakt umfasst unter anderem die Ziele, zusätzliche Finanzmittel zu mobilisieren, die internationale Finanz- und Schuldenarchitektur zu reformieren, die Konfliktprävention zu stärken sowie digitale und andere technologische Innovationen breiter zugänglich zu machen. Darüber hinaus sollen Solidarität und das Prinzip der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung bekräftigt werden.

Die Umsetzung entscheidend

Es kommt aber selbstverständlich auf den Nachfolgeprozess an, damit das Vereinbarte auch tatsächlich umgesetzt wird. Der Zukunftspakt hat nämlich zwei wesentliche Haken: Zum einen ist er für die Staaten nicht völkerrechtlich verbindlich, und zum anderen hatten sich alle darauf geeinigt, das Dokument im Konsens zu verabschieden. Daher wurden im unmittelbaren Vorfeld des Gipfels konkrete Handlungspassagen oder Kontroverses gestrichen, wodurch das Dokument verwässert wurde. Zudem beinhaltet der Pakt, viele Problemlösungen durch Prüfaufträge an den UN-Generalsekretär in die Zukunft zu verlagern, anstatt sie im Hier und Jetzt für die Zukunft zu lösen. Andersherum könnte man jedoch auch sagen, dass dieser Prozess eine globale Bestandsaufnahme über die gegenwärtige Verfassung der Staatenwelt geboten hat, die zeigt, wo wir stehen. Ein derartiges Dokument fasst die zahlreichen Ideen, Wertvorstellungen, Normen, Visionen für alle einmal schwarz auf weiß zusammen, dokumentiert zugleich, mit welchen Konflikten und Handlungsunfähigkeiten wir konfrontiert sind, d.h. auch, wo innerhalb der internationalen Gemeinschaft Diskussionsbedarf herrscht. Der Zukunftsgipfel konnte dies noch einmal offenlegen. Staaten wie Russland oder Argentinien distanzierten sich vom Pakt; die Unterstützung durch die USA unter Trump 2.0 dürfte nun hinfällig sein, nachdem die US-Regierung Anfang März erstmalig in der Generalversammlung gegen eine Resolution zur Einführung eines Internationalen Tags der friedlichen Koexistenz stimmte, in der auch die Agenda 2030 unterstützt wurde.

Trotz aller Schwächen besitzt der Zukunftspakt – wie die Agenda 2030 – als weitgehendes Konsensdokument eine wichtige, legitimatorisch untersetzte, kollektive Marschroute für eine bessere Welt. Und vor allem aber waren zahlreiche kleine und mittlere Staaten erfreut, mit den Vereinten Nationen das universelle multilaterale Forum zu stärken, in dem sie eine Stimme haben. Denn die Mehrheit der Staaten hat – mitsamt berechtigter Reformforderungen aus dem Globalen Süden nach mehr Gerechtigkeit – ein grundsätzliches Interesse an der bestehenden regelbasierten internationalen Ordnung. Neben der geplanten hochrangigen Überprüfungskonferenz zum Zukunftspakt im Jahr 2028 hat die deutsche Präsidentschaft der 80. UN-Generalversammlung von September 2025 bis September 2026 die historische Gelegenheit, die Vereinbarungen nachzuhalten.

Während des Zukunftsgipfels war das Thema der UN-Friedenssicherung und ihren Missionen eines, das sich mitten in einem Reformprozess befindet. Eine genauere Darstellung dieses Diskussionsprozesses und seiner Ergebnisse findet sich in dem Beitrag von Johann Ivanov in diesem Dossier.

Eine große Sorge, die im Zukunftspakt zum Ausdruck kommt, ist das Risiko eines großen zwischenstaatlichen Krieges, bei dem wichtige neue Technologien wie künstliche Intelligenz – und im schlimmsten Fall Atomwaffen – zum Einsatz kommen könnten. Eine genauere Betrachtung dieser zunehmenden Gefahren und Hinweise, was global getan werden müsste, um Prozesse der Rüstungskontrolle, der Rüstungsreduzierung wieder in Gang zu setzen, enthält der Beitrag von Martina Fischer in diesem Dossier.

Stagnation bei den Nachhaltigkeitszielen

Kaum grundsätzliche Fortschritte gab es auch im Bereich Nachhaltigkeit auf der letzten UN-Klimakonferenz. Die 29. Vertragsstaatenkonferenz (COP-29) des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) im November 2024 in Baku, Aserbaidschan, war mit 67.000 akkreditierten Teilnehmerinnen und Teilnehmern erneut eine der größten UN-Konferenzen, die sich mehr und mehr zu einer Konferenz mit „Eventcharakter“ entwickelt. Zudem leidet die Glaubwürdigkeit einer derartigen Konferenz, wenn der Gastgeber Aserbaidschan ein Ölförderstaat ist und fossile Brennstoffe während des Zusammentreffens offensiv bewirbt. Hauptverhandlungsgegenstand der Konferenz war die Neuverhandlung der Klimafinanzierung. Es geht dabei um die finanziellen Ressourcen, die die sog. Entwicklungsländer zur Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen erhalten sollen. Auf der COP-21 in Paris im Jahr 2015 wurde vereinbart, jährlich 100 Milliarden US-Dollar bereitzustellen und diese Summe nach zehn Jahren neu festzulegen. Bei den Verhandlungen in Baku forderte die Verhandlungsgruppe der Entwicklungsländer, bestehend aus der Gruppe der 77 (G77) und China, eine jährliche Finanzierung von 1,3 Billionen US-Dollar bis 2035. Die Industrieländer schlugen hingegen 250 Milliarden US-Dollar pro Jahr als Ziel für die globale Klimafinanzierung vor. Letztlich einigten sich die Delegierten auf 300 Milliarden US-Dollar pro Jahr, wohlwissend, dass diese Beträge noch von den jeweiligen nationalen Parlamenten genehmigt werden müssen.

Generell zeigt sich auf den UN-Klimakonferenzen, dass die Reduktion von Treibhausgasemissionen derzeit weltweit nicht zu den politischen Prioritäten gehört. Die aktuellen nationalen Klimaschutzpläne führen zu einer Erderwärmung von etwa drei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau und verfehlen damit das angestrebte Ziel von 1,5 bis zwei Grad Celsius deutlich. Obwohl die COP-29 formal nicht als gescheitert gilt, wie es bei früheren Konferenzen der Fall war, steht der UNFCCC-Prozess dennoch an einem Wendepunkt. Der Konflikt zwischen Umweltschutz und Entwicklungsinteressen ist so ausgeprägt, dass ein Lösungsweg kaum erkennbar ist. Nach der Wiederwahl von Donald Trump als US-Präsident ist die Europäische Union (EU), die sich weiterhin als Vorreiterin im Klimaschutz betrachtet, weitgehend isoliert. Ihre Bündnisse beschränken sich vor allem auf kleine Inselstaaten und wirtschaftlich schwache Entwicklungsländer ohne bedeutende fossile Energieressourcen.

Diese Situation spiegelt auch das schwindende globale Gewicht westlicher Staaten in der aktuellen geopolitischen Lage wider. Inzwischen dominieren neben China auch andere BRICS-Staaten, wie Brasilien, Russland, Indien und Südafrika, sowie weitere aufstrebende Schwellenländer den Ton in der internationalen Klimapolitik. Obwohl China inzwischen 30 Prozent der weltweiten Emissionen verursacht und die EU nur noch acht Prozent, halten alle Schwellenländer an der historischen Zweiteilung der Welt in »reiche Industrieländer« und »arme Entwicklungsländer« fest. Diese Einteilung, die auf der UNFCCC-Definition von 1992 beruht, gilt weiterhin, obwohl viele dieser Länder heute über hohe Pro-Kopf-Einkommen und entsprechend hohe Pro-Kopf-Emissionen verfügen. Versuche, vor allem seitens der EU, diese überholte Klassifizierung an die heutigen Realitäten anzupassen, sind bislang gescheitert. Die weltwirtschaftlichen Bedingungen haben sich seit 1992 jedoch grundlegend verändert. Die alten Industrieländer kämpfen mit hoher Staatsverschuldung und wirtschaftlichem Niedergang und sind kaum noch in der Lage, die globale Dekarbonisierung allein oder auch nur maßgeblich zu finanzieren – trotz des weit verbreiteten Erwartungshorizonts der meisten unter »Entwicklungsländer« geführten Staaten. In den Industrieländern ist Klimapolitik längst kein überparteilicher Konsens mehr. Stattdessen sind die finanziellen Kosten zunehmend ein kontroverses innenpolitisches Thema, und die Bereitschaft der Wählerschaft, Milliardenbeträge dafür aufzubringen, nimmt ab.

Der UNFCCC-Prozess muss sich diesen heutigen Realitäten anpassen, um nicht an Bedeutung zu verlieren. Die Vorstellung, auf Klimakonferenzen könne der weltweite Wohlstand einfach umverteilt werden, war von Anfang an unrealistisch. Klimaverhandlungen wurden nicht zu diesem Zweck ins Leben gerufen, und entsprechende Diskussionen führen nicht weiter. Stattdessen prägen nun die aufstrebenden Schwellenländer den Kurs der globalen Klimapolitik. In den wachsenden Volkswirtschaften des Globalen Südens werden Maßnahmen, die sich wirtschaftlich nicht lohnen oder die Entwicklungsmöglichkeiten des Landes einschränken, schlicht nicht umgesetzt. Kohlendioxid­arme Entwicklungsstrategien können sich nicht durchsetzen, wenn sie dauerhaft auf Subventionen oder internationale Klimafinanzierung angewiesen sind. Zukünftige Erwartungen an Klimakonferenzen müssen daher mit diesen Realitäten in Einklang gebracht werden.

Multilaterale Kooperation im Rahmen der UN unersetzbar

Die jüngsten UN-Prozesse sind weiterhin international wichtige Plattformen der multilateralen Zusammenarbeit, die das universelle UN-System bietet. Gleichwohl geraten diese mangels substanzieller Ergebnisse zunehmend unter Druck. Dies hat vor allem drei Gründe: Erstens nimmt der Problemlösungsdruck zu und erfordert dringende, einschneidende Entscheidungen, damit die Staatenwelt überhaupt noch handlungsfähig bleibt. Zweitens befindet sich die Welt in einem nun schon seit mindestens zwei Dekaden machtpolitischen Umbruch, geprägt von geopolitischen Spannungen und bei gleichzeitiger Zunahme selbstbewusster und diverser Akteure. Dies betrifft nicht nur die Staaten im Globalen Süden, sondern auch nichtstaatliche Organisationen (NGOs), Unternehmen und andere. Gleichzeitig ist es aber wichtig, all diese Akteure in multilaterale Verfahren einzubinden, um die Legitimität dieser Prozesse zu erhöhen sowie alle Beteiligten in die Verantwortung zu nehmen. Und drittens sinken die zur Verfügung stehenden Ressourcen, um derartig komplexe UN-Prozesse zu steuern. Die seit mehreren Jahren andauernde Liquiditätskrise der UN ist nur ein Beispiel und Ausdruck dessen. Die Schuldenkrise in Entwicklungsländern – laut dem Internationalen Währungsfonds (IMF) sind 70 Länder akut von Überschuldung bedroht – sowie Kreditvergabeverfahren der vom Globalen Norden dominierten Bretton-Woods-Organisationen bleiben unausgewogen und ein Problem für eine faire globale Lastenverteilung.

Andere Formate als derartige UN-Prozesse könnten diese allenfalls flankieren, aufgrund ihrer Universalität nicht jedoch ersetzen. Unabhängig vom multilateralen Verhandlungsformat bleiben angesichts selbstbewusster und vielfältiger Akteure die Verhandlungsprozesse komplex. Eine ergänzende Variante sind jedoch kleinere, unkonventionelle, themenbezogene Allianzen, die über die klassische Staatenzentriertheit sowie Teilung in Nord und Süd oder Ost und West hinausgehen und ebenfalls vielfältiger sein müssen. Dies betrifft auch die europäischen Staaten inklusive Deutschlands, die sich konsequent für einen – auf Basis des Völker(straf)rechts, der UN-Charta, der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie der Agenda 2030 – gerechteren Multilateralismus einsetzen sollten, um glaubwürdig zu bleiben. Denn nur so gewinnen sie die nötigen Verbündeten für die regelbasierte Weltordnung mit den Vereinten Nationen als Herzstück, die von wenigen, aber mächtigen Staaten, mehr bedroht ist denn je.

Literatur

Internationaler Währungsfonds (IWF) (2025): List of LIC DSAs for PRGT-Eligible Countries, 31. Mai 2025.

Maier, J. (2025): Klimarahmenkonvention, 29. Vertragsstaatenkonferenz 2024. Vereinte Nationen, 73 (1), S. 40f.

Patz, Ronny und Hüfner, Klaus (2024): Deutschlands Finanzbeiträge zum UN-System von 2018 bis 2023. Vereinte Nationen, 72 (6), S. 256-261, hier: S. 258

Rosenow, Patrick (2024): Der richtige Gipfel zur falschen Zeit? IPG-Journal, 19.9.2024.

Vereinte Nationen: Our Common Agenda. Online unter: https://www.un.org/en/common-agenda (abgerufen am 20.04.2025).

UN-Dokumente:

Vereinte Nationen: Our Common Agenda: https://www.un.org/en/common-agenda

Vereinte Nationen: Pact for the Future. Online unter: https://www.un.org/en/summit-of-the-future/pact-for-the-future (abgerufen am 15.5.2025).

Vereinte Nationen: United Nations Peacekeeping Ministerial 2025. Online unter: https://peacekeeping.un.org/en/united-nations-peacekeeping-ministerial-2025 (abgerufen am 15.5.2025).

Mission (Im)Possible: Zukunft der Friedenssicherung

Politik, Debatten, Ansätze

von Johann Ivanov

Wie kaum etwas anderes im Universum der Vereinten Nationen (UN) stehen die Blauhelme für die Sichtbarkeit von Friedenssicherung (»peacekeeping«) und Präsenz der UN in Konfliktkontexten. Die weltweit bekannten Farben der UN, ein helles Blau und ein Weiß, symbolisieren Frieden, Neutralität und Vertrauen. Friedensmissionen mit Blauhelmsoldat*innen und -soldaten bilden ein zentrales Instrument der UN und kamen bereits rund um den Globus mit unterschiedlichen Mandaten zum Einsatz. Im Jahr 1988 erhielten die Blauhelme für ihren Beitrag zum Weltfrieden den Friedensnobelpreis. Sie verkörpern die Essenz der multilateralen Kooperation, den Geist der UN. Im Lichte der gegenwärtigen politischen Angriffe auf den Multilateralismus, so auch Kürzungen von Mitteln für UN-Organisationen durch mächtige Akteure (aber auch Angriffe mit Waffen gegen Blauhelme), ist es für die UN zentral, dass ihr sichtbarstes Instrument weiter funktioniert und zukunftsfähig ist. Angesichts von Herausforderungen und neuer Aufgaben hat sich Friedenssicherung, die zwar vornehmlich mit Blauhelmen assoziiert wird, aber eben auch zivile, menschenrechtliche, politische Komponenten beinhaltet (daraus speist sich die »Multidimensionalität« der Friedensmissionen heute), über die Jahrzehnte stark gewandelt.

Ihre Anfänge fand sie Ende der 1940er Jahre in Nahost. Die Organisation der Vereinten Nationen zur Überwachung des Waffenstillstands (UNTSO) sollte den Frieden zwischen dem neu gegründeten Staat Israel und seinen arabischen Nachbarn sichern. Seitdem wurden mehr als 120 Missionen in über 50 Ländern eingesetzt. Die Friedenssicherung der UN blickt auf eine Geschichte von Erfolgen und Misserfolgen zurück. Zu den letzteren wird insbesondere die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen für Ruanda (UNAMIR) gezählt, die den Völkermord an den Tutsi nicht verhindern konnte – ein dunkles Kapitel in der Geschichte der Friedensmissionen. In jüngerer Vergangenheit wurde auch die Multidimensionale Integrierte Stabilisierungsmission der UN in Mali (MINUSMA), die nach einer dramatisch veränderten politischen Situation keine Unterstützung mehr vor Ort fand, zu einem Beispiel für die Grenzen von multilateraler Kooperation. Zurecht wurde in diesem Zusammenhang gefragt, wie Friedensmissionen effektiv sein können, wenn sie in einem komplexen (geo)politischen Rahmen ablaufen, mit wenig Ressourcen ausgestattet sind und ein unklares Mandat haben.

Neue Mächtekonkurrenz – neue Herausforderung für die UN

Deutlich wird vor allem, dass die zunehmend antagonistischen Beziehungen großer Mächte, die ihre Partikularinteressen über alles stellen, zu Blockierungen im wichtigsten Entscheidungsgremium der UN, dem Sicherheitsrat, der die Entsendung von Blauhelmen beschließt, führen. Auch andere Gründe, wie die Schwierigkeit, sich mit – teilweise undemokratischen – Einsatzländern auf ein Mandat für eine Friedensmission zu einigen, spielen eine wichtige Rolle. Beispiele aus jüngster Vergangenheit zeigen aber auch, dass Durchbrüche gelingen können wie bei der Verlängerung der »Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission« der Vereinten Nationen in der Zentralafrikanischen Republik (MINUSCA) um ein Jahr. Eine der neuesten UN autorisierten Missionen ist die »Multinational Security Support Mission« (MSS) in Haiti, die Ende 2023 ins Leben gerufen wurde. Diese ist allerdings keine traditionelle Friedensmission mit UN-Blauhelmen und wird von Kenia geleitet. Diese jüngsten »Erfolge« des Multilateralismus dürfen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Entschlüsse über größere UN-Friedensmissionen (z.B. MINUSMA 2013 oder MINUSCA 2014) bereits über eine Dekade zurückliegen.

Die Debatten um die Herausforderungen vor denen die UN im Bereich der Friedenssicherung und Friedensmissionen steht, werden seit Jahren intensiv geführt. Ein großes Spektrum an Ideen, Konzepten, Ansätzen und Prozessen wurde dabei vonseiten der UN selbst, aber auch von Mitgliedsstaaten, externen wissenschaftlichen Beratern und zivilgesellschaftlichen Akteuren entwickelt. Dabei setzen einige dieser Empfehlungen auf der strukturellen Ebene an, um Friedenssicherung zu reformieren. Andere richten den Blick eher auf die operative Dimension, auf die praktische Realität von multidimensionalen Friedensmissionen, auf die Blauhelmsoldat*innen und andere Berater »on the ground«. Die Natur der sich verändernden Konflikte, dabei insbesondere die Rolle von nichtstaatlichen Akteuren und terroristischen Vereinigungen, Regionalisierung von Gewalt (»proxy wars«), Ausbreitung krimineller Gruppen, die von Konflikten direkt profitieren, und andere Herausforderungen, treiben die Weiterentwicklung der Theorie und Praxis von Friedenssicherung und Friedensmissionen voran.

So zielt die 2018 ins Leben gerufene Initiative »Action for Peacekeeping« (A4P) darauf ab, mehr Unterstützung bei UN-Mitgliedern für Friedensmissionen zu generieren und Ebenen zu definieren, auf denen Friedensmissionen modernisiert werden könnten. Darunter fällt die Betonung politischer Lösungen von Konflikten, die Stärkung der Rolle von Frauen bei Friedensmissionen und innerhalb der Konflikte, aber auch Erhöhung des Schutzes durch Friedensmissionen und deren Qualität. Weiterhin sollen unter A4P Partnerschaften zwischen der UN und anderen Akteuren (wie beispielsweise AU, aber auch EU), die sich an Friedensmissionen beteiligen, ausgebaut und Rollen geklärt werden. Um die unter der A4P vorgesehenen Schwerpunkte zu implementieren, wurde im Jahr 2021 die »Action for Peacekeeping+« (A4P+) initiiert. Einerseits soll hierdurch der Diskurs rund um die Modernisierung von Friedensmissionen vertieft werden, andererseits sieht die Initiative konkrete Schritte vor, wie die Qualität, Effizienz und Wirksamkeit von Friedensmissionen gestärkt werden können. Über eine Reihe von Verbesserungen in den Bereichen Strategie, Personal (so auch eine stärkere Einbindung von Frauen), Fähigkeiten, Kommunikation und Verantwortung von und gegenüber den Friedenstruppen und Kooperation mit den Ländern, in denen die Einsätze stattfinden, gilt es, Friedensmissionen der UN zukunftsfähig zu machen.

Die »Neue Agenda für den Frieden«

Angesichts der sich verschärfenden geopolitischen Weltlage, anhaltender Kriege und neuer Konfliktherde, unterschiedlicher Interessen großer Mächte und entsprechender Positionen im Sicherheitsrat, finden Verständigung und Konsens im Rahmen der UN nur schwerlich statt. Dies hat unmittelbare Konsequenzen für laufende, aber auch neue Friedensmissionen. Die »New Agenda for Peace«, die friedenspolitischen Empfehlungen mit Blick auf den Zukunftsgipfel der UN und das Abschlussdokument, den »Pact for the Future«, ausspricht, trägt diesem Umstand Rechnung (siehe dazu die Beiträge von M. Fischer und von P. Rosenow in diesem Dossier). Einerseits wird darin verdeutlicht, wie komplex und antagonistisch die internationale Politik derzeit ist, andererseits werden die Notwendigkeit der Kooperation unterstrichen und neue Impulse für Friedenssicherung und Friedensmissionen der Zukunft gesetzt. Wie die zentralen »policy frameworks« A4P und A4P+ und die »New Agenda for Peace« (und der »Pact for the Future«) miteinander in Beziehung gesetzt werden können, um eine einheitliche Politik von Friedensmissionen zu entwickeln, muss noch ausgearbeitet werden. An dieser Stelle müsste das Department of Peace Operations (DPO), das für Friedenssicherung zentrale Organ der UN, für konzeptionelle Klarheit sorgen.

Die »New Agenda for Peace« empfiehlt erstens, dass Friedensmissionen und Maßnahmen zur Friedensdurchsetzung gestärkt werden. Das bedeutet, dass einzelne Friedensmissionen kontinuierliche politische Unterstützung durch den Sicherheitsrat erhalten und klar definierte, realistische Mandate haben müssen. Darüber hinaus bedarf es der Identifikation von neuen wirksamen Modellen der Friedenssicherung (dazu später im Text mehr). Friedensmissionen gilt es in einen größeren Rahmen aus Instrumenten der UN einzubetten und bei laufenden Einsätzen moderne digitale Technologien zu verwenden, um die Konflikttrends besser zu verstehen und die eigene Wirksamkeit messen zu können. Wichtig ist darüber hinaus die Festlegung von Ausstiegsstrategien und weitere Reformen des Instruments, das insgesamt flexibler und agiler ausgestaltet werden soll.

Zweitens wird empfohlen, Maßnahmen zur Friedensdurchsetzung robuster zu machen und Kapazitäten zu erhöhen, um in Konfliktkontexten multinationale Truppen einsetzen zu können, so beispielsweise zur Terrorismus- und Aufstandsbekämpfung – was oft eine Forderung von Staaten ist, in denen Friedenstruppen der UN tätig sind. Länder oder regionale Organisationen, die selbst nicht über ausreichende Ressourcen verfügen, sollen unter Wahrung internationaler Normen ertüchtigt werden, um eigenständig in ihren Kontexten aktiv werden zu können. Drittens richtet die »New Agenda for Peace« ihren Blick explizit auf die Stärkung der Afrikanischen Union (AU), die – um der Zunahme von Krisenherden und bewaffneten Konflikten in Afrika entgegenwirken zu können – systematische Unterstützung und Finanzierung erhalten soll.

Die Empfehlungen aus der »New Agenda for Peace« finden ihren Eingang in die »Action 21« des »Pact for the Future«, in dem der Sicherheitsrat aufgefordert wird, Friedensmissionen entlang klarer politischer Strategien (mit Exit-Optionen) und realistischer Mandate auszurichten. Es wird dabei unterstrichen, dass es eines Prozesses bedarf, um aus Erfahrungen bisheriger Friedensmissionen zu lernen und neue, besser auf die aktuellen Herausforderungen zugeschnittene, Instrumente für die »Toolbox« der Friedenssicherung zu entwickeln. Weitere Komponenten der »Action 21« betreffen Fragen rund um die Planung von Transition von Konfliktkontexten, die Verbesserung der Sicherheit von Personal, das an Friedenseinsätzen beteiligt ist und regelmäßig durchzuführende Treffen zu Friedensmissionen zwischen dem Generalsekretär der UN und seinen Pendants aus regionalen Organisationen. Eine besondere Rolle wird der AU zugetragen, die verstärkte politische und finanzielle Unterstützung für »African Union-led peace support operations« bekommen soll – ganz im Sinne der Sicherheitsratsresolution 2719.

All diese Politikvorschläge und Strategien verdeutlichen eine rege Debatte rund um neue Ideen und technische Komponenten für die Verbesserung von Friedenssicherung. In der Praxis scheitert Friedenssicherung stellenweise an einem Mangel an lokalen Kenntnissen und Expertise bei den verantwortlichen Truppen. Eine gewisse Überheblichkeit agierender Mächte und ein fehlender Wille (oder schlechte Absichten) politischer Eliten vor Ort, deren Legitimität oft kaum ausgeprägt ist, erschwert nachhaltige Konflikttransformation. Die UN-Friedenstruppen, sollten sich davor hüten, in unübersichtlichen politischen Kontexten aktiv eine Seite von Kombattanten zu übernehmen – auch wenn sie von lokalen Regierungen dazu aufgefordert werden.

Brennpunkt der Gewaltkonflikte: Afrika

Keiner anderen Region wird im Diskurs um die Zukunft von Friedensmissionen eine solche Bedeutung beigemessen wie Afrika. Der Kontinent mit dem schnellsten Bevölkerungswachstum der Welt erfährt seit Jahren eine massive Zunahme an bewaffneten Konflikten. Aktuelle Entwicklungen in Ostkongo (Nord-Kivu), so der Angriff auf die Blauhelme der Mission der UN für die Stabilisierung in der Demokratischen Republik Kongo (MONUSCO), bei dem laut UN 14 Soldaten getötet und über 50 verletzt wurden, werfen neue Fragen innerhalb der UN auf, inwiefern Friedensmissionen besser geschützt werden (und mehr zum Schutz der Bevölkerung leisten) können. Der Sicherheitsrat der AU hat in seinem jüngsten Communiqué das gewaltsame Vorgehen der von Ruanda unterstützten Truppen (und anderer Rebellengruppen) in Ostkongo scharf verurteilt und plädiert für eine Rückkehr zu diplomatischen Lösungen.

Was mit MONUSCO passieren soll, ist eine Frage, die bereits seit einiger Zeit diskutiert wird. Mit welchem Mandat die Mission ausgestattet werden kann, ob sie überhaupt noch seitens der kongolesischen Regierung erwünscht ist, wie die Kooperation mit anderen Friedensmissionen (SAMIDRC) und Akteuren (EAC und ICGLR) in der Region funktionieren sollte und welche multilaterale Unterstützung MONUSCO aktuell benötigt, sind aber auch einige der Themen, die von dieser spezifischen Friedensmission her auf die allgemeine Diskussion rund um die Zukunft von Friedenssicherung verweisen. Ähnliche Fragestellungen werden auch bei dem im Mai 2025 in Berlin stattfindenden UN Peacekeeping Ministerial aufgeworfen werden. Das seit 2014 alle zwei Jahre stattfindende Forum richtet seine Aufmerksamkeit auf die Zukunftsfähigkeit und Reformen von Friedensmissionen angesichts einer sich wandelnden sicherheitspolitischen Umgebung. Ein wichtiges Ziel ist hierbei, konkrete Zusicherungen seitens der Mitgliedsstaaten zum Schließen von Fähigkeitslücken bei aktuellen und zukünftigen Friedensmissionen zu generieren. Dafür sollen größere Ressourcen, sowohl personeller als auch technischer Natur, bereitgestellt werden.

Leitend für die Diskussion in Berlin wird aber auch die Frage nach der Ausdifferenzierung des Aufgabenspektrums von Friedensmissionen sein. Im Vorfeld zum Ministerial wurde eine richtungsweisende Studie »The Future of Peacekeeping, New Models, and Related Capabilities« zu verschiedenen neuen Modellen der Friedenssicherung veröffentlicht. Von klassischen Mandaten wie beispielsweise »Ceasefire Monitoring and Observation« zu spezielleren, politischen und technischen, Einsätzen in Zusammenhang mit »Cybersecurity« oder »City Security« werden 30 klar umrissene Ansätze vorgestellt, wie Friedensmissionen in Zukunft aussehen könnten. Auf diese Weise sollen feiner austarierte Antworten auf die zunehmende Komplexität der Aufgaben und Herausforderungen in Konfliktkontexten gegeben werden. Damit würde die »Toolbox« der Instrumente der Friedenssicherung, wie im »Pact for the Future« (und der »New Agenda for Peace«) gefordert, weiter ausformuliert. Es wird zu prüfen sein, ob diese verschiedenen Modelle letztlich operationalisiert werden können und zu effektiveren Einsätzen oder letztlich zu einer neuen Schicht an Komplexität in der Welt der »policies« und Strategien der UN beitragen.

Mehr UN, mehr Diplomatie, mehr regionale Verantwortung

Eine zunehmend antagonistische Außenpolitik vieler großer Player hinterfragt den Multilateralismus und untergräbt Frieden und Verständigung. Zugleich drohen Faktoren wie Klimawandel, Migration und neue Technologien bestehende Konflikte zu verschärfen. Der UN wird mehr abverlangt und sie muss folgerichtig wieder in eine zentrale Stellung gerückt werden. Die neue multipolare Weltordnung ist mit viel Ungewissheiten verbunden. Es führt aber kein Weg daran vorbei, dass in diesem Rahmen – der auch durch das Agieren von neuen Staaten und Staatenbündnissen (wie BRICS) gekennzeichnet ist – über verbindliche Regeln und Normen nachgedacht und gesprochen werden muss. Es ist ein Gebot kluger Diplomatie, dass nicht zuletzt im Rahmen des UN-Sicherheitsrats nach politischen Kompromissen gesucht werden muss. Ohne eine handlungsfähige UN werden viele Probleme nicht gelöst werden können. Dabei erscheint es als zweckmäßig, wenn Aufgaben der Friedenssicherung an regionale Organisationen wie die AU und ihre Suborganisationen delegiert würden, die oft bessere Kenntnisse und Beziehungen innerhalb von Konfliktkontexten haben. Dies darf den Blick nicht verstellen, dass damit zugleich regionale Interessenkonflikte entstehen können.

Nötig ist ein schnelles und flexibles Reagieren auf Krisen, vernetzte Arbeit mit Partnerorganisationen, Aufbau von belastbaren Koordinationsstrukturen und eine pragmatische Mandatsausgestaltung. Angesichts geringerer Ressourcen und abnehmender Bereitschaft vieler traditioneller Unterstützerländer, mehr für Friedenssicherung zu leisten, darf auch eine Debatte um eine effizientere Mittelallokation, schlankere Strukturen und modernere, auf Technologie basierende, Ansätze der Friedenssicherung nicht fehlen. Das aktive Einbinden von Frauen bei der Lösung von Konflikten hat sich in vielen Friedensverhandlungen bewährt.

Die Zukunft der Friedenssicherung wird tendenziell kleinere, genauer zugeschnittene Mandate, aufweisen. Geleitet von regionalen Organisationen oder ad-hoc-Koalitionen und mit Truppen oder Beratern aus dem unmittelbaren Umfeld des Konflikts, werden sich diese Einsätze auch gegen nichtstaatliche Gewaltakteure richten – dabei könnten Fragen von Legitimität eine größere Rolle spielen. Priorisierung und Fokussierung auf konkrete Aufgaben wird zentral sein. Darüber hinaus dürfte es auch zu präventiven Maßnahmen kommen, um Gewalt im Voraus zu verhindern oder Gesellschaften bei ihrer Transition aus größeren Konflikten an der Grenze zu Gewalt zu unterstützen. Die Mühlen der UN mahlen langsam. Multilaterale Kooperation ist schwieriger denn je. Wenn die UN ihre Relevanz und Autorität behalten möchten, muss sie sich um die Zukunft von Friedenssicherung bemühen – nichts betont so deutlich den Erfolg der UN wie Blauhelme, die Frieden effektiv sichern.

Die Partnerschaft von Afrikanischer Union und UNO

von Rubiyat Seid und Alexander Geiger

Die Afrikanische Union (AU) und die Vereinten Nationen (UN) haben ihre Zusammenarbeit in den Bereichen Frieden und Sicherheit schrittweise vertieft, um die komplexen Konflikte des Kontinents zu bewältigen. Vor allem in den vergangenen zwei Dekaden haben verschiedene Rahmenübereinkommen, wichtige Resolutionen des UN-Sicherheitsrats sowie gemeinsame Friedenssicherungseinsätze diese Partnerschaft gefestigt und sie zu einem Eckpfeiler der Konfliktprävention, Mediation und des Wiederaufbaus nach Konfliktbeilegungen in Afrika gemacht.

Die Beziehung zwischen den beiden intergouvernementalen Organisationen wird dabei oft als symbiotisch beschrieben: Während der UN-Sicherheitsrat (UN-SR) die globale Vorrangstellung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit einnimmt, hat sich die AU zu einem führenden Akteur für Frieden und Sicherheit in Afrika entwickelt. Friedensmissionen müssen vom UN-SR autorisiert werden, die AU reklamiert aber eine politische Führung bei Entscheidungen über den Einsatz und die Steuerung der Missionen für sich – und kann hierfür v.a. politische Legitimität auf dem Kontinent sowie das Verständnis für bestimmte Konfliktkonstellationen als Argument anführen. Die Finanzierung der Einsätze wiederum soll nach Auffassung der AU den Vereinten Nationen als oberster Instanz für Frieden und Sicherheit obliegen.

„Afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme“

In jüngeren Jahren hat vor allem das 2017 unterzeichnete »UN-AU Gemeinsames Abkommen für eine verstärkte Zusammenarbeit bei Frieden und Sicherheit« den partnerschaftlichen Ansatz unterstrichen und zu einer Konsolidierung der politischen und technischen Zusammenarbeit geführt. Die UN-SR-Resolution 2719 vom Dezember 2023 schließlich kann als Erfolg der AU und der afrikanischen Staatengruppe bei den UN gesehen werden, endlich Klarheit auch beim Thema der Finanzierung von Friedenseinsätzen erreicht zu haben.

Die AU und ihre Mitgliedsstaaten behalten es sich vor, erster Ansprechpartner zu Fragen von Frieden und Sicherheit auf dem afrikanischen Kontinent zu sein. Dabei ist der Friedens- und Sicherheitsrat der AU (Peace and Security Council; PSC), der sich aus für 2 bis 3 Jahre gewählten 15 Mitgliedsländern zusammensetzt, das oberste Gremium, um Positionen zu inter- wie intrastaatlichen Konflikten zu formulieren sowie Interventionen zu beschließen. Bis heute wirkt aber auch das Trauma des Libyen-Einsatzes 2011 nach: damals hatte sich die AU um eine politische Lösung bemüht, während zeitgleich die Mitglieder des UN-SR hierüber hinweggingen, eine Flugverbotszone verhängten und ein militärisches Vorgehen autorisierten. In der Folge wurden insbesondere die drei afrikanischen Sitze im SR (die sogenannten A3) in eine strategischere Abstimmung einbezogen: seit 2013 findet ein jährliches High-Level Seminar on Peace and Security zwischen den alten und neuen A3 sowie den 15 PSC-Mitgliedern statt. 2016 beauftragte die AU »ihre« A3 per Gipfelbeschluss damit, die Entscheidungen und Positionierungen des PSC in den UN-SR zu tragen. Innerhalb des UN-SR genießen die A3 ohnehin eine hervorgehobene Legitimität, da die AU die einzige Regionalorganisation weltweit ist, die ihre Kandidaten für jeweils freiwerdende Sitze vornominiert und diese damit bereits das Gewicht der »kontinentalen« Unterstützung mitbringen.

Friedensmissionen in Afrika: Wer führt?

UN-geführte Friedenseinsätze waren für lange Zeit die Norm, seit 2016 nimmt aber sowohl die Zahl der Einsätze als auch der Umfang (sowohl hinsichtlich Budgets als auch Truppenstärke) stetig ab. Derzeit sind noch fünf Missionen aktiv, wobei die bereits beschlossene Beendigung von MONUSCO (Demokratische Republik Kongo) aufgrund der Eskalation des Konflikts vorerst gestoppt ist. Zeitgleich ist die Zahl regional geführter Missionen auf zehn angewachsen. Allein im Jahr 2022 hatten die AU und die Regionalen Wirtschaftsgemeinschaften (Regional Economic Communities; RECs) vier neue Einsätze autorisiert (zum Vergleich: Die UN setzten letztmals im Jahr 2014 eine Friedensmission in Afrika ein). Die zehn aktiven Missionen erstrecken sich über insgesamt 17 Länder mit einer Gesamttruppenstärke von 70.000 Soldaten. Die afrikanisch geführten Missionen unterscheiden sich dabei in drei Typen: AU-geführte Missionen (wie AMISOM/ATMIS bzw. nun unter dem Namen ­AUSSOM in Somalia), REC-geführte (Regional Economic Communities) Missionen wie die gerade beendete SADC-Mission SAMIDRC in der Demokratischen Republik Kongo sowie sogenannte Ad-hoc-Koalitionen wie die Multinational Joint Task Force (MNJTF) in der Tschadsee-Region.

Allein die Tatsache, dass sich die Einsätze unter Führung regionaler Akteure im vergangenen Jahrzehnt derart ausgeweitet haben, deutet darauf hin, dass bestimmte Merkmale der Missionen als Erfolge betrachtet werden können. Hierzu zählen die schnelle Einsatzfähigkeit und ein hohes Maß an Flexibilität, um auf die jeweilige Konfliktsituation angemessen zu reagieren. Die regional autorisierten Einsätze ächzen v.a. auch nicht unter einem (zu?) breiten multidimensionalen Ansatz, sondern sind in der Regel eher schlank und pragmatisch. Hierin liegt teilweise aber auch eine Schwäche: UN-Missionen setzen sich erst in Bewegung, wenn ein Rahmen für eine friedliche Beilegung des Konflikts erarbeitet wurde. Die regional geführten Missionen greifen mitunter direkt in »heiße Konflikte« ein und finden keinen »exit« mehr, wenn die gewaltsamen Auseinandersetzungen anhalten. Schlimmstenfalls werden sie selbst in den Konflikt hineingezogen und so zur Partei.

Resolution 2719 als letzte Chance?

Alle Friedensmissionen der letzten Jahrzehnte mussten immer wieder um Budgets und Ausstattung kämpfen. Dies trifft insbesondere auf regional geführte Einsätze außerhalb des UN-Peacekeepings zu – obwohl diese eine immer wichtigere Funktion übernehmen und an die Stelle von UN-Missionen treten. Wenn das Hauptaugenmerk der jeweiligen Verantwortlichen aber die nächste Budget-Deadline ist (also der drohende »shutdown«), wird es kaum gelingen, dem lokalen Kontext angemessene politische Konfliktlösungskonzepte mit dem notwendigen »langen Atem« zu implementieren. Insofern stellt die im Dezember 2023 vom UN-SR beschlossene Resolution 2719 einen möglichen Wendepunkt dar: hierin wird der AU die Rolle zuteil, Friedenseinsätze auf dem Kontinent zu autorisieren und mandatieren – mit einem festen Budgetsockel von 75 % aus UN-Mitteln. Diese Resolution bedeutet also v.a. erstmal eine Stärkung der AU als zentralem Akteur für Frieden und Sicherheit auf dem afrikanischen Kontinent. Zudem schafft sie ein höheres Maß an Budgetsicherheit, als dies in der Vergangenheit für regional geführte Missionen der Fall war. Dennoch sind die verbleibenden 25 % noch immer eine immense Summe, die die AU gemeinsam mit Mitgliedstaaten und ggf. internationalen Partnern aufbringen muss. Die Fortschritte, die in den vergangenen zwei Jahren beim Befüllen des »Peace Fund« der AU erzielt wurden, könnten sich hier auszahlen (inkl. bereits fest zugesagter weiterer Zuschüsse wird der Fonds bis Ende 2026 auf über 600 Mio. USD anwachsen). Hier muss die AU schnell den Willen zeigen, neben den »gewohnten« Mitteleinwerbungen bei internationalen Partnern – allen voran der EU – auch selbst eigene Mittel einzubringen, wenn es um den Erhalt von Frieden und Sicherheit auf dem eigenen Kontinent geht.

Europäische Sicherheit nach dem Ukrainekrieg

Zwischen Multipolarität und Multilateralismus

von Hans-Georg Ehrhart

Die Welt befindet sich in einer Übergangsphase zu einer stärker multipolar geprägten Struktur, zu der sich Europa verhalten muss. Die Staaten des Globalen Südens gewinnen an Selbstbewusstsein, Macht und Einfluss, die Beziehungen zwischen Nord und Süd werden transaktionaler. Allianzen verlieren an Bindekraft, zugleich verdichtet sich die Notwendigkeit multilateraler regionaler und globaler Zusammenarbeit, weil viele Herausforderungen nur so bewältigt werden können (Gurol-Haller/Plagemann 2025). Bei den folgenden Überlegungen zur Zukunft der europäischen Sicherheit gehe ich von drei Annahmen aus: Erstens, die gegenwärtig in Europa zu beobachtenden Renationalisierungstendenzen können zugunsten von mehr Kooperation wieder gestoppt werden. Zweitens, die Entfremdung zwischen der EU und den USA nimmt vor dem Hintergrund des Wandels von einer benevolenten zu einer tributären US-Hegemonie zu. Drittens, der Ukrainekrieg endet in einem Patt, das die russische Aggression de facto belohnt, aber die Existenz einer unabhängigen Ukraine, die über circa 80 Prozent ihres Staatsgebiets verfügt, ermöglicht. Vor diesem Hintergrund ist die Stärkung des europäischen Multilateralismus Voraussetzung für eine größere europäische Souveränität, die wiederum zu einer stabileren globalen Struktur beitragen könnte und sollte.

Europa am Scheideweg in einer multipolaren Welt

Ein Vierteljahrhundert nach Ende des Ost-West-Konflikts endete die Phase kooperativer Sicherheit 2014 in Europa. Es begann ein neuer Zeitabschnitt, der zunächst von einer Mischung aus Koexistenz und Konfrontation bestimmt war, in der kollektive Verteidigung und antagonistische Sicherheit dominierten. Katalysator dieses Prozesses war die russische Annexion der Krim und der Ukrainekonflikt. Mit der zweiten Präsidentschaft von Donald Trump beginnt sich eine multipolare Weltordnung deutlicher zu manifestieren. Bereits viel früher war deutlich geworden, dass immer mehr Risse durch den sogenannten »Westen« verliefen und sich längst neue Zentren wie die »BRICS-Plus-Staaten« oder die »Shanghai Cooperation Organization« herausgebildet haben. Die wirtschaftliche Dynamik hat sich in den asiatischen Raum verlagert und die Vertreter des Globalen Südens beanspruchen mehr Eigenständigkeit und Einfluss. Die von Trump beschleunigte Konzentration der USA auf China als Hauptkonkurrenten und auf ihre parochialen nationalen Eigeninteressen führt nicht notwendig in eine neue Bipolarität – auch wenn dieses Modell nicht auszuschließen ist (Rogers/Rowlands 2025) –, sondern gibt den Blick frei auf eine sich entwickelnde multipolare Welt, in der Europa, wenn es denn nicht selbst in einen gefährlichen Nationalismus hineingeraten will, enger vereint seinen Platz finden muss.

Es hat die Wahl, den bisherigen Vasallenstatus gegenüber den USA zu weitaus höheren Kosten aufrecht zu erhalten oder die europäische Integration voranzutreiben und damit die Freiheit der Eigenentwicklung zu sichern. Die letztgenannte Option erfordert allerdings, die Wirtschafts- und Währungsunion zu vollenden und die Sicherheits- und Verteidigungsunion deutlich voranzubringen. Europa müsste sich in die Lage versetzen, alleine hinreichend verteidigungsfähig zu sein, um eine eigenständige Kooperationspolitik auch mit autoritären Staaten führen zu können. Insgesamt müsste es im Sinne des klassischen Multilateralismus die Souveränität Europas durch den Ausbau seiner Institutionen ermöglichen. Der Weg dahin könnte durch einen selektiven Multilateralismus über die Bildung eines »European Caucus« innerhalb einer reformierten Nato laufen, deren europäisches Hauptquartier »SACEUR« von einem Europäer übernommen würde. Die USA würden ihre Präsenz in Europa verringern, aber in der NATO engagiert bleiben, weil sie Deutschland als Drehscheibe für Einsätze im Nahen- und Mittleren Osten benötigen und die Präsenz in Europa zur Absicherung ihrer Gegenküste im Hinblick auf den potenziellen Rivalen in Moskau nutzen wollen. Ein anderes Format des selektiven Multilateralismus bestünde darin, das 2024 ins Leben gerufene »Weimarer Dreieck-Plus« (Frankreich, Deutschland, Polen, plus Italien, Spanien, Großbritannien, Ukraine, EU-Kommission und Hoher Repräsentant für Außen- und Sicherheitspolitik) zu vertiefen. Wichtigster Kern eines solchen Vorgehens wäre eine umfassende Revitalisierung des deutsch-französischen Tandems, das sich für den Ausbau der internationalen Rechtsordnung und einen stabilen Frieden einsetzt (Ehrhart 2022).

Trumps rücksichtsloses Vorgehen bei der Beendigung des Ukrainekriegs demonstrierte zweierlei: Die Schwäche Europas und die Notwendigkeit, eine eigene Position zur Ukraine zu definieren und umzusetzen. Die amerikanischen Zugeständnisse vor Beginn der Verhandlungen mögen unklug gewesen sein, gleichwohl treffen sie zwei Kernprobleme, deren Regelung aus russischer Sicht unverzichtbar sind: Gebietsabtretungen und Verzicht auf eine ukrainische Mitgliedschaft in der NATO. Die Aufregung in den europäischen Hauptstädten war wohl auch deshalb so groß, weil man die Lage zuvor lange Zeit falsch eingeschätzt und die Augen vor diesen Entwicklungen verschlossen hatte. Solange man sich noch hinter den USA verstecken konnte, lautete das Mantra der großen Schar der »Siegespolitiker*innen« immer: Die Ukraine muss gewinnen! Nun liegen die Kernpunkte auf dem Verhandlungstisch, an dem Europa bislang noch nicht einmal einen Platz hat. Um diesen zu erringen, müsste es sich auf eine gemeinsame Ukrainestrategie einigen, die auch russische Sicherheitsinteressen berücksichtigt. Kernpunkte wären etwa eine politische (jedoch keine völkerrechtliche) Anerkennung der territorialen Realitäten, der Status der bewaffneten Neutralität, die Fortsetzung des Integrationsprozesses in die EU, der Verzicht auf NATO-Mitgliedschaft, Sicherheitsgarantien durch alle Vertragsstaaten, sowie UN-Präsenz in einer Entflechtungszone (Ehrhart 2024).

Gesamteuropäische Sicherheit in Perspektive

Nach einem Waffenstillstand stellt sich die Frage, wie dieser in einen stabilen Frieden überführt werden kann. Friedens­ordnungen müssen wachsen, brauchen also Zeit. Ein Sicherheitssystem lässt sich stiften. Es ist offensichtlich, dass ein neuer Kalter Krieg zwischen Ost und West unzureichend wäre, aber kurz- und mittelfristig immer noch besser als ein heißer. Er sollte also langfristig in einen Kalten Frieden im Sinne eines friedlichen Wettkampfs der Systeme überführt werden. Analog zur Entwicklung des Ost-West-Konflikts müsste sich das Verhältnis von Konfrontation und Kooperation graduell zugunsten der Zusammenarbeit auf der Grundlage der Anerkennung der territorialen Realitäten und des Gewaltverzichts verschieben. Zwei miteinander verwobene Probleme müssten in bi- und multilateralen Verhandlungen geregelt werden: die Absicherung des Waffenstillstands und der Beginn eines Prozesses, der den Aufbau einer gesamteuropäischen Sicherheitsordnung zum Ziel hat.

Washington hat bereits klargestellt, dass es keine Bodentruppen zur Absicherung eines Waffenstillstands zur Verfügung stellen wird. Das schließt andere US-amerikanische Beiträge, etwa aus der Luft oder von See, nicht aus. Offensichtlich ist jedoch, dass die Europäer die Hauptlast des Wiederaufbaus und der militärischen Absicherung der Ukraine tragen müssen. Es ist sehr fraglich, ob die in Paris und London bislang angedachten 10.000-30.000 Soldat*innen ausreichen, um einen Waffenstillstand zu sichern, zumal sie dies nur unter der Voraussetzung tun wollen, dass die US-Streitkräfte als Rückversicherung zur Verfügung stehen. Überdies akzeptiert Moskau bislang keine Truppen aus NATO-Staaten in der Ukraine. Zudem ist zu fragen, ob die Europäer auch bereit wären, im schlimmsten Fall die Ukraine zu verteidigen, also einen Krieg mit der größten Nuklearmacht der Welt zu riskieren. Da es unverantwortlich wäre, dieses nicht auszuschließende Risiko einzugehen, böte sich die Möglichkeit an, eine UN-Blauhelmtruppe in die Entflechtungszone zu entsenden. Diese sollte Truppenteile aus den »BRICS-Plus-Staaten« umfassen, die sich bislang mehr oder weniger neutral verhalten haben, und zu denen Russland ein gutes Verhältnis bewahren will. Vielleicht wären auch europäische Blauhelme für Moskau akzeptabel. Erste notwendige Maßnahmen zur Sicherung des Waffenstillstands sind Risikokontrolle durch Truppenentflechtung an der Kontaktlinie und die Stationierung von Blauhelmen, sowie die Überwachung des Gebiets aus der Luft.

Die Stabilisierung des Waffenstillstands erfordert die Aufnahme von Verhandlungen über die Neuordnung der europäischen Sicherheitslandschaft. Dabei wird es sich um einen längeren Prozess handeln. Analog zum »KSZE-Prozess« bietet sich zunächst eine Verständigung über die Grundlagen des künftigen Verhältnisses zwischen Europa und Russland an. Denn die Statik eines Bauwerkes ist von einem soliden Fundament abhängig. Der Dekalog der Helsinki-Schlussakte könnte wieder als Richtschnur dienen, bringt er doch verschiedene, partiell zu­einander in Spannung stehende Prinzipien in Einklang, wie das Recht auf politische Unabhängigkeit und territoriale Integrität, die Gleichberechtigung der Völker und ihr Selbstbestimmungsrecht, das Gebot zur friedlichen Streitbeilegung und die Pflicht zum Gewaltverzicht, die Unverletzlichkeit der Grenzen und die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten. Zudem verschränkte der Helsinki-Prozess wichtige Themenbereiche zur wirtschaftlichen, technologischen, wissenschaftlichen und humanitären Zusammenarbeit im Sinne eines nachhaltigen, umfassenden Sicherheitsverständnisses.

Nach einem Krieg ist das gegenseitige Misstrauen immer sehr groß. Es dominieren Gefühle von Hass und Feindschaft. Darum sind vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen unverzichtbar. Diese stützen sich nicht nur auf Absichtserklärungen, sondern auf deren Übereinstimmung mit praktischem Handeln. Vertrauen kann nur langsam und schrittweise aufgebaut werden. Zentral sind vereinbarte Maßnahmen, die Transparenz schaffen über militärische Strukturen und Aktivitäten, wie beispielsweise Manöver, und Kontrolle durch reguläre und durch unangemeldete Verdachtsinspektionen ermöglichen. Das Ganze müsste eingebettet sein in regionale und subregionale Rüstungskontrolle, die ein zentrales Mittel sind, um Spannungen abzubauen, Vertrauen zu verstetigen und die Rüstungslasten zu reduzieren. Es existiert ein großer Erfahrungsschatz an entsprechenden Maßnahmen durch die früheren »MBFR-Verhandlungen« über konventionelle Truppenreduzierung. Diese fanden von 1973-1989 in Wien statt und wurden 1989 durch die Verhandlungen über konventionelle Streitkräfte in Europa abgelöst, welche in einem Vertrag mündeten, der zu drastischen Reduzierungen der Bestände an Waffen führte (Mutz 2019).

So unrealistisch aus heutiger Sicht ein solcher gesamteuropäischer Prozess erscheinen mag, so hat die Geschichte des Kalten Kriegs doch gezeigt, dass und wie er möglich ist. Er bedarf eines aktiven Multilateralismus auf der Basis von Realismus und politischer Bereitschaft zur Kooperation mit dem politischen Systemgegner. Wenn die Systemfrage ausgeklammert wird und der territoriale Status quo als Ausgangspunkt akzeptiert wird, bedarf es des politischen Willens aller Beteiligten, gemeinsame Sicherheit durch die Nutzung bestehender Strukturen wie der »OSZE« oder den Aufbau Neuer zu praktizieren. Dies könnte eine »win-win-Situation« ermöglichen, die zu mehr Sicherheit, geringeren Kosten und größerer europäischer Stabilität führt. Dadurch könnten sich neue Handlungsmöglichkeiten in einer multipolaren Welt eröffnen, in der Europa zusammen mit Russland, den USA, China, Indien und anderen eine stabilere Weltordnung bilden könnte.

Literatur

Ehrhart, H.-G. (2022). Für ein „gaullistisches“ Deutschland in einem Europa der Vaterländer, in: Brandt. P.; Gießmann, H.-J.; Neuneck, G. (Hrsg.). „…aber eine Chance haben wir“. Zum 100. Geburtstag von Egon Bahr. Dietz-Verlag: Bonn, S. 250-264.

Ehrhart, H.-G. (2024). Ukrainekrieg ohne Ende? Neun Thesen für ein Kriegsende. Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik, Nr. 4, S. 415-435.

Gurol-Haller J.; Plagemann, J. (2025). Der Globale Süden und die deutsche Außenpolitik: Was auf die neue Bundesregierung zukommt. GIGA Focus Global, Nr. 1.

Heinrich, J. (2017). Konzepte und Kernwaffen. In: Wille, J. (Hrsg): Rüstung und Rüstungskontrolle in Asien. Wiesbaden: Springer VS.

Mutz, R. (2019): Konventionelle Stabilität auf niedrigem Niveau: von MBFR zu KRK. In: Jaberg, S. (Hrsg.): Schießen wie die anderen? Beiträge für eine friedenverträgliche Sicherheits- und eine sicherheitsverträgliche Friedenspolitik Baden-Baden: Nomos, S. 372-387.

Rogers, J.; Rowlands, K. (2025): Geostrategic Rethink. Internationale Politik Quaterly, 13.02.2025.

Weltordnungsdiskussionen – eine Einführung

von Sascha Werthes

In Krisenzeiten kann man beobachten, wie die Zahl von Zukunftsbeschreibungen der Weltpolitik zunimmt. Insbesondere wenn sie mit politischen Machtumbrüchen verbunden sind, wird über kommende oder verschwindende »Welt(un)ordnungen« nachgedacht. Auch in gegenwärtigen Publikationen werden die Rückkehr der Geopolitik und ein Ende des Multilateralismus, in Form von Kassandrarufen beschrieben. Die Szenarien reichen von der Befürchtung eines Dritten Weltkriegs über die Erwartung eines neuen Kalten Kriegs, einschließlich der Gefahr eines Atomkriegs bis zu verhalten optimistisch präsentierten Hoffnungen von sich verändernden Kooperationsbeziehungen in einer globalisierten Welt mit globalen Herausforderungen.

Im Folgenden soll das Phänomen von Welt-Ordnungs-Diskursen kritisch reflektiert werden. Allzu pessimistischen Erwartungen, dass die derzeitigen »Turbulenzen in den internationalen Beziehungen« zugleich ein Ende jeglicher Erfolgsaussichten für Versuche des »globalen Regierens« bedeuten müssten, soll zudem eine zwar optimistischere, zugleich jedoch auch nicht naive, sondern realistische Perspektive entgegengehalten werden.

Kritische Anmerkungen zu (gegenwärtigen) Welt-Ordnungs-Diskursen

Nach dem 2. Weltkrieg prägte eine ideologisch-antagonistische Politik zweier Supermächte die Weltpolitik und führte zu einer als bi-polar beschriebenen Ordnungsstruktur in den internationalen Beziehungen. Diese Phase war mit Strategien der militärischen Machtprojektion inklusive einer nuklearen Abschreckung verbunden. Verteidigungsallianzen wurden gebildet. Autokratisch-diktatorische Regime wurden stabilisiert und alimentiert; sofern sie dem eigenen Bündnis nahestanden oder nützlich schienen. Stellvertreterkriege wurden geführt, um zu verhindern, dass Länder »sozialistisch« oder »kapitalistisch« würden und dabei einen »Domino-Effekt« in Nachbarschaftsregionen auslösen könnten. Diese bi-polare Konstellation war somit hochbrisant, da sie ein hohes Maß an emotionalisierter »politischer Feindschaft« produzierte und wechselseitige Fehlperzeptionen begünstigte. Besonders bedrohlich: Beide Seiten standen einander mit immer weiter perfektionierten Massenvernichtungswaffen gegenüber (von Bredow 1994, S. 19), die Gefahr eines nuklearen Krieges war real. Paradoxerweise wirkte diese sich stabilisierende, bi-polare Machtkonfiguration entlang eines fragilen Gleichgewichts des Schreckens bis zu einem gewissen Grade auch konflikt-eindämmend. Die Gefährlichkeit der Rüstungstechnologien und die gegenseitig zugesicherte Vernichtungsfähigkeit brachte die Protagonisten auch zu einer »antagonistischen Kooperation« (vgl. ebd.). Illustrativer Ausdruck eines Bemühens um antagonistische Kooperation, welche die entstandene Ordnung zumindest in Teilen konstruktiver gestaltete und durchaus stabilisierte, war die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (»KSZE«). Die »KSZE« diente während des Kalten Kriegs als Forum für Konsultationen zwischen Ost und West und etablierte Dialogstrukturen zur politischen Annäherung und Vertrauensbildung, aber auch zur Verständigung über Möglichkeiten einer themenorientierten Zusammenarbeit.

Als diese Phase im Kontext der »Zeitenwende« 1989/90 zu Ende ging, verbanden viele Menschen dies mit der Hoffnung, dass nun geopolitische Fragen des Territoriums oder auch um geopolitische Einflusssphären ein Ende finden würden. Francis Fukuyama (1989) prognostizierte ein “Ende der Geschichte“, welches – so könnte man zugespitzt sagen – durch eine zunehmende Etablierung einer liberalen Weltordnung, einhergehend mit fortschreitender multilateraler Kooperation und Verrechtlichung der internationalen Beziehungen charakterisiert sei. Viele hofften auch, dass die in der ganzen Welt beobachtbaren Demokratisierungsschübe eine Friedensdividende mit sich bringen würden.

Wenn sich jedoch eine bestehende geopolitische Ordnung beginnt aufzulösen und sich eine andere herausbildet, dann hat man es, das zumindest lehrt die historische Erfahrung, in der Regel mit einer chaotischen Phase des Übergangs zu tun, bis sich die neuen Machtverhältnisse [und neuen Spielregeln: Anm. des Verf.] durchgesetzt haben“, so resümierte jüngst der ehemalige Außenminister Joschka Fischer (2025, S. 17) die damaligen und heutigen Turbulenzen in der Weltpolitik. Wobei es angebracht scheint, an die Mahnung von von Bredow (1994, S. 19) zu erinnern, dass es sinnvoll sei, die Beschreibung von Übergangssituationen als turbulent oder chaotisch „nicht gleich in katastrophische oder gar apokalyptische Ängste einzudrapieren“. So skizzierte beispielsweise Mearsheimer (1990) ein dystopisches Szenario für Europa, sollte das (vollständige) Ende der Bipolarität in einer multipolaren Konfiguration münden. Hiergegen argumentierte Hoffmann (1990, S. 192) in einer Replik auf Mearsheimer, ob Konflikte zukünftig eher kriegerisch oder friedlich ausgetragen würden, hänge mehr von den politischen Systemen und der politischen Kultur der zentralen Akteure, als von der uni-, bi- oder multipolaren Struktur des (anarchischen) internationalen Systems ab.

Am Ende führten die Disruptionen gegen Ende des Kalten Kriegs zu einer historischen Phase, die Krauthammer (1990/91) als “unipolaren Moment“ bezeichnete. Der »Westen«, beziehungsweise die verbliebene Supermacht USA, befanden sich in einer (als vorübergehend zu betrachtenden) vorteilhaften Position, wo sie versuchen konnten, die geopolitisch turbulente Übergangssituation zu dominieren und hegemonial – und im besten Falle zum Vorteil aller bzw. der Menschheit – zu gestalten.

Zwei Aspekte von Welt-Ordnungs-Diskursen werden in dieser kurzen Skizzierung deutlich:

Erstens: Hinsichtlich der in ihnen thematisierten utopischen oder dystopischen Zukunftsbeschreibungen bleiben Welt-Ordnungs-Diskurse spekulativ – bei unterschiedlicher Plausibilität. Solche Zukunftsszenarien sind grundsätzlich kontingent, ihr Eintreten ist weder notwendig noch unmöglich. Brisant ist jedoch: Werden diese Spekulationen zu wirkmächtigen, den politischen Diskurs dominierenden Narrativen und mit entsprechenden Handlungsempfehlungen verknüpft, besteht immer die Gefahr, dass sie zu einer sich selbsterfüllenden Prophezeiung werden.

Zweitens: Beschreibungen einer vorhandenen oder entstehenden Weltordnung, allein mit Blick auf die dort identifizierte Polaritätsstruktur (uni-, bi-, multi-polar), reichen nicht aus, um fundierte Aussagen darüber machen zu können, wieviel »Global Governance« und welche Variationen des »globalen Regierens« stattfinden könnten. Anders formuliert: Die Beobachtung einer Veränderung der Konfiguration der Machtverteilung im internationalen System allein verrät zunächst einmal noch nichts darüber, wie relevante Akteure die internationalen Beziehungen (aus-)gestalten werden. Jede Konfiguration birgt somit sowohl Chancen und Risiken, enthält jedoch immer Handlungsspielräume für komplexe Formen globaler Kooperationen zur Bearbeitung globaler Probleme.

Global Governance als politisches Chamäleon

»Global Governance« ist ein schillernder Begriff, dem nach wie vor eine allgemein akzeptierte Definition fehlt. Konzeptionell ist die Begrifflichkeit dem Umstand geschuldet, dass es keine zen­trale Weltregierung gibt, die mit einem Gewaltmonopol und Legitimität ausgestattet wäre. Man kann damit jedoch “komplexe Formen globalen Regierens“ zur Bearbeitung jeweils zeithistorisch relevanter Problemlagen beschreiben. Insofern kann »Global Governance«, in Anlehnung an Carl von Clausewitz’ Beschreibung von Krieg, als ein politisches Chamäleon bezeichnet werden. Will man das politische Chamäleon begreifen und analysieren, muss man es zeithistorisch in Relation zu den politischen, sozialen, ökonomischen und kulturellen Bedingungen setzen, unter denen komplexe Formen trans- und internationaler Kooperation stattfinden.

Für Weiss (2013: 2) kann »Global Governance« als die Summe der informellen und formellen Werte, Normen, Verfahren und Institutionen verstanden werden, die allen Akteuren – Staaten, zwischenstaatlichen Organisationen, der Zivilgesellschaft, transnationalen Unternehmen und Einzelpersonen – helfen, grenzüberschreitende Probleme zu erkennen, zu verstehen und zu bearbeiten. Folgt man diesen Überlegungen, macht es keinen Sinn, »Global Governance« ausschließlich mit der nach Ende des Kalten Kriegs entstandenen »liberalen internationalen Ordnung« in Bezug zu setzen. Vielmehr lassen sich »Variationen von Global Governance« als historische Gestaltungsversuche beschreiben, um eine bestimmte, zumeist normativ fundierte internationale Ordnung aufzubauen bzw. fortzuschreiben und fortzuentwickeln. Die hierbei entstehenden Regelungen und Insti­tutionen können dabei im wahrsten Sinne »global« oder zunächst auch nur (sektoraler, politikfeldspezifischer, regionalbegrenzter oder akteurszentrierter) Teil einer größeren politischen Vision sein. Immer jedoch adressieren sie responsiv zeitgeschichtlich relevante Herausforderungen.

Die jeweils beteiligten Akteure rechtfertigen ihre Gestaltungsversuche meist mit dem Anspruch, dem gemeinsamen Interesse eines Kollektivs oder – stärker noch – dem Gemeinwohl zu dienen (vgl. Zürn 2018, S. 3ff). Dahinter können sich jedoch auch problematische (akteursspezifische) Interessen verbergen, wie unter anderem die Geschichte des Kolonialismus zeigt. Die Verhandlungen und das Abschlussdokument der Berliner Konferenz (1884/85) legten gewissermaßen die völkerrechtlichen »Spielregeln« fest, welche die Grundlage für die Aufteilung Afrikas in Kolonien im folgenden »Wettlauf um Afrika« waren. Sie sollten zugleich dabei helfen, kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den Kolonialmächten zu verhindern.

Dieses Beispiel soll die Ambiguität des Chamäleons »Global Governance« provokativ veranschaulichen und vor allzu naiven Vorstellungen warnen. In Relation zu den jeweiligen zeithistorischen Rahmenbedingungen muss immer wieder neu ausgehandelt werden, auf welchen Prinzipien, Werten und Normen komplexe Formen globalen Regierens beruhen können und/oder beruhen sollten. Die jüngsten Turbulenzen in den internationalen Beziehungen verdeutlichen, dass aktuell eine Vielzahl von Akteuren einige grundlegende Prinzipien, Werte und Normen, auf denen komplexe Formen globalen Regierens in den letzten Jahrzehnten grundsätzlich beruhten, infrage stellen. Dies bedeutet eine erneute Phase, in der »globales Regieren« besonders erschwert, vielfach verhindert, aber, wie in anderen historischen Phasen auch, deswegen keinesfalls unmöglich wird.

Sapere aude!

Welt-Ordnungs-Diskurse sind eng mit der Frage verbunden, wie internationale Zusammenarbeit angesichts weltpolitischer Konfigurationen gelingen könnte oder warum sie nicht gelingen kann. So wurde die Konfiguration des Kalten Kriegs häufig als Hindernis für eine weitreichendere Zusammenarbeit innerhalb der Vereinten Nationen (VN) beschrieben. Dennoch gab es – sofern gemeinsame Interessen identifiziert werden konnten – auch die Systemrivalität überwindende trans- und international organisierte Zusammenarbeit in verschiedensten Politikfeldern, welche sich unter anderem in der Schaffung neuer internationaler Organisationen und der Formulierung internationaler Übereinkünfte manifestierte, die wirkmächtig politisches Handeln beeinflussten. Auch das »Peacekeeping« der VN entstand in dieser Zeit.

Das Ende des bi-polaren Antagonismus war wiederum mit der Hoffnung verbunden, dass die VN nun endlich vollumfänglich das Epizentrum »globalen Regierens« werden könnten als welches sie angedacht waren. In der Tat deuteten eine Vielzahl von neu beschlossenen Kapitel VII-Maßnahmen (u.a. multidimensionale Friedensmissionen, Sanktionen), aber auch diverse im Kontext der VN initiierte Weltkonferenzen zur Bearbeitung globaler Herausforderungen unter Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteure, auf ein vermehrtes und substanzielleres Engagement einer Vielzahl von Akteuren hin. Es gab jedoch auch Schattenseiten – insbesondere im Zusammenhang mit dem globalen »Krieg gegen den Terrorismus«, aber auch hinsichtlich verpasster Chancen zu institutionellen Reformen. So hatten Länder des »Globalen Südens« erfolglos notwendig erachtete Veränderungen institutioneller Strukturen, Partizipationsmöglichkeiten und »fairerer« Politiken in etablierten Manifestationen der »liberalen internationalen Ordnung« angemahnt. Hierbei deuteten sich schon erste Anzeichen für einen „umstrittenen Multilateralismus“ an (Morse & Keohane 2014). „Umstrittener Multilateralismus“ beschreibt eine Situation, die sich aus der Verfolgung von Strategien durch Staaten, zwischenstaatlichen Organisationen und nichtstaatlichen Akteuren ergibt, die multilaterale Institutionen – bestehende oder neu geschaffene – nutzen, um die Regeln, Praktiken oder Aufgaben bestehender multilateraler Institutionen in Frage zu stellen. Er wird sichtbar, wenn Koalitionen, die mit den bestehenden Institutionen unzufrieden sind, Forderungen nach (mehr) Mitsprache stellen oder einen Ausstieg androhen oder gar die Schaffung alternativer Institutionen vorbereiten, um eine Politik und Praxis zu forcieren, die sich von derjenigen der bestehenden Institutionen unterscheidet. Hieraus kann jedoch auch eine neue Variation von »Global Governance« entstehen. Bedenkenswert ist, dass derzeit nicht nur eine als „Achse der Autokraten“ (Applebaum 2024) bezeichnete Gruppe mit den Strukturen und Ergebnissen des Status Quos einer »westlich« dominierten liberalen internationalen Weltordnung unzufrieden ist und mit »illiberalen« Alternativen liebäugelt.

Schließlich wird angesichts des Aufstiegs Chinas vor der Rückkehr eines bi-polaren Systems, gar eines neuen Kalten Kriegs, gewarnt. Ebenso nährt der aggressive und kriegerische Revisionismus Putins Befürchtungen über nukleare Eskalationsdynamiken. Ein Aufmerksamkeitsfokus hierauf führt schnell zu Überlegungen, die vor allem eruieren, wie Bedingungen für eine »antagonistische Kooperation«, im Sinne einer Ausbalancierung eines Gleichgewichts des Schreckens, geschaffen werden könnte. Es sei dahingestellt, ob bi-laterale Systeme leichter als tri- oder multipolare Systeme ausbalanciert werden können. Ein solch angstgetriebener Fokus übersieht jedoch in jedem Falle schnell die Politikfelder jenseits der Sicherheitspolitik (u.a. Klimapolitik) und Arenen (z.B. G 20), wo gemeinsame Interessen jenseits der systemischen Rivalität identifiziert und Politikabsprachen ausgehandelt werden könnten (s. hierzu Bremmer 2023). Ebenso bleiben dabei die Potenziale von Initiativen jenseits von rein intergouvernementaler Zusammenarbeit wie das »Resilient Cities Networks« oder eines »Forest Stewardship Council« unentdeckt. Auch die Erfahrungen des »Ottawa-Prozesses« zum Verbot von Anti-Personen-Landminen oder des »Kimberley Prozesses« (Konfliktdiamanten) blieben dann unberücksichtigt.

Wenn Szenarien als kontingente Möglichkeiten einer nicht schicksalshaft vorbestimmten Zukunft diskutiert werden, halten sie den Diskurs über politische Gestaltungsspielräume offen und die Diskussion dieser Szenarien ist dann hilfreich, um alternative Handlungsoptionen zu identifizieren, abzuwägen und zu diskutieren, die »globales Regieren« angesichts neuer Rahmenbedingungen ermöglichen. Wenn sie dagegen als deterministische Beschreibungen daherkommen, besteht die Gefahr, dass sie das kritisch reflektierte Denken limitieren und zu sich selbsterfüllenden Prophezeiungen werden. Insofern hieran orientierte Handlungsempfehlungen als einzig denkbare und »unbedingt« notwendige Reaktionen präsentiert werden, besteht das Risiko von pfadabhängigem Denken und der Verhinderung von »out of the box«-Überlegungen.

Die Geschichte zeigt, dass »Variationen des globalen Regierens« durch engagierte Akteure jederzeit – und auch zukünftig – in Relation zu den jeweiligen Rahmenbedingungen gestaltet werden können. Minilaterale Initiativen, transnationale Arrangements öffentlich-privater Partnerschaften, aber auch »antagonistische Kooperation« zeigen Wege auf, wie »Global Governance« entstehen kann. Sapere aude! Es gilt den Mut zu haben, sich des Verstandes zu bedienen und vorherige sowie neue kreative Wege zu identifizieren, die »globales Regieren« angesichts der aktuellen turbulenten internationalen Beziehungen ermöglichen.

Literatur

Applebaum, A. (2024): Die Achse der Autokraten. Korruption, Kontrolle, Propaganda: wie Diktatoren sich gegenseitig an der Macht halten. München: Siedler.

von Bredow, W. (1994): Turbulente Welt-Ordnung. Internationale Politik am Ende des 20. Jahrhunderts. Stuttgart: Kohlhammer.

Bremmer, I. (2023): The power of crisis. How three threats – and our response – will change the world. New York: Simon & Schuster Paperbacks.

Fischer, J. (2025): Die Kriege der Gegenwart und der Beginn der neuen Weltordnung. Köln: Kiepenheuer & Witsch.

Fukuyama, F. (1989): The End of History? The National Interest, No. 16, S. 3-18.

Hoffmann, S. (1990): Correspondence: Back to the Future, Part II: International Relations Theory and Post-Cold War Europe. International Relations of the Asia-Pacific, 15 (2): 191-199.

Morse, J. C.; Keohane, R. O. (2014): Contested multilateralism. The Review of International Organizations, 9 (4), S. 385-412.

Krauthammer, C. (1990/91): The Unipolar Moment. Foreign Affairs, 70 (1), S. 23-33.

Mearsheimer, J. J. (1990): Back to the Future: Instability in Europe after the Cold War. International Security, 15 (1), S. 5-56.

Weiss, T. G. (2013): Global Governance. What? Why? Whither? Cambridge: Polity Press.

Zürn, M. (2018): A theory of global governance. Authority, legitimacy, and contestation. Oxford: Oxford University Press.

Recht gegen Realpolitik

Zur Verteidigung einer liberalen Idee in polarisierten Zeiten

von Hendrik Simon

Das Völkerrecht steht unter Beschuss: Seine zentralen Normen werden in eklatanter Weise gebrochen. Zudem verweisen die geopolitischen Ambitionen Putins, Trumps und Xis auf die Rückkehr neo-imperialer Großraumpolitik. Zeit für einen Abgesang auf die „liberalen Träume“ (Mearsheimer 2018; Masala 2022) der internationalen Verrechtlichung?

Keineswegs! Ohne Frage steht das Recht unter Druck. Doch seine normative Kraft, zwischen legitimer und illegitimer Gewalt zu unterscheiden, bleibt ungebrochen. Die meisten sog. »realistischen« Perspektiven auf das Völkerrecht erweisen sich bei näherer Betrachtung weder als originell noch als überzeugend. Heute geht es darum, den Herausforderungen einer multipolaren Welt mit einer stringenten Völkerrechtspolitik zu begegnen.

Das Völkerrecht unter Beschuss

Die auf Landnahme und politische Unterwerfung der Ukraine zielende Vollinvasion (full scale-invasion) Russlands vom 24. Februar 2022 war ein Schock. Putin führt einen Eroberungskrieg in Europa. Hier steht die Zentralnorm des Völkerrechts, das Verbot jeder „gegen die territoriale Unversehrtheit (…) eines Staates gerichtete (…) Androhung oder Anwendung von Gewalt“ nach Art. 2 (4) der UN-Charta, unter Druck. Fatal ist auch das jüngste Säbelrasseln Donald Trumps gegenüber Grönland (und Dänemark), Panama, Mexiko, Kanada und Gaza. Trump hat nicht ausgeschlossen, Grönland oder den Panama-Kanal gewaltsam unter seine Kontrolle zu bringen. »Make America Great Again« ließe sich dann wörtlich als neo-imperiales Programm zur territorialen Expansion bzw. wirtschaftlicher Einverleibung deuten. Ob Trump in diesen Fällen militärische Gewalt einsetzen will, wissen wir nicht. Er bevorzugt es, seine Machtziele durch Erpressung zu erreichen. Aber auch dies steht im eklatanten Widerspruch zum Geist der UN-Charta. Und: Schon eine Gewaltandrohung stellt einen Verstoß gegen das Gewaltverbot der UN-Charta dar.

Hinzu kommen in der jüngeren Gegenwart zahllose Verletzungen des Humanitären Völkerrechts, also des Rechts in bewaffneten Konflikten: so etwa in der Ukraine, im Irak, in Syrien, in Israel, in Gaza, in Ruanda oder im Sudan. Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Die Zahl der zivilen Opfer geht in die Millionen. Ein Grund: die Entgrenzung der Gewalt in asymmetrischen Kriegen. Nicht-staatliche Akteure greifen Zivilisten gezielt in Terrorakten an. Staatliche Akteure wiederum unterscheiden im »Kampf gegen den Terror« unzureichend zwischen Kämpfern und Zivilist*innen.

»Weltunordnung«? Zur Rückkehr der Realpolitik

Unter diesem Eindruck der mannigfaltigen Völkerrechtsverletzungen könnte man zu dem Schluss kommen: Nicht die Stärke des Rechts, sondern das Recht des Stärkeren regiert die Welt. Es ist offenbar nicht die universelle Weltrechtsordnung, die für China, Russland und die USA auf der Tagesordnung steht – sondern der eigene neo-imperiale Groß(t)raum.

Es mag daher kaum überraschen, dass in der Politikwissenschaft derzeit jene Stimmen besonders gehört werden, die auf das Primat der »Realpolitik« in der gegenwärtigen “Weltunordnung“ (Masala 2022) verweisen. So argumentiert etwa Herfried Münkler (2022), dass anstelle „von Vertrauen und vertrauensfördernden Maßnahmen generalisiertes Misstrauen angezeigt ist.“ Das mit der Weltgemeinschaft könnten wir uns jedenfalls „abschminken“, so Münkler. Wasser auf die Mühlen von Neo-Realisten, die davon ausgehen, dass Staaten aufgrund der anarchischen Struktur des internationalen Systems stets nach Macht(balance) oder Hegemonie streben. Das Völkerrecht gilt ihnen allenfalls als ein “Traum“ (Mearsheimer 2018, Masala 2022: 156) – und (frei nach Generalfeldmarschall v. Moltke) nicht einmal ein schöner: Denn das Recht sei durch die Geschichte hindurch bloß ein Mittel der Großmächte zur Disziplinierung kleinerer Mächte gewesen. Ansonsten sei es mangels einer überstaatlichen Autorität kaum durchsetzbar und damit weitgehend wirkungslos.

Nun geht es mir hier nicht darum, alle »Realist*innen« über einen Kamm zu scheren. Es handelt sich beim »Realismus« um eine lange Denktradition, in der zuweilen konträre Perspektiven vertreten werden: Carlo Masala etwa widerspricht entschieden John Mearsheimers These, der »Westen« sei Schuld am Krieg in der Ukraine. Zudem haben »Realist*innen« einen Punkt, wenn sie, wie etwa auch de-koloniale Ansätze, auf den hochpolitischen Charakter des Völkerrechts verweisen. Richtig ist auch, dass Friedens- und Sicherheitspolitik einander nicht ausschließen, zumal in einer Situation, in der sich Europa in Verteidigungsfragen nicht mehr auf die USA verlassen kann – auch wenn, wie Lothar Brock und ich andernorts argumentiert haben, das Nachdenken über Frieden im polarisierten innerdeutschen Diskurs zwischen vermeintlichen “Kriegstreibern“ und “Friedensträumern“ zuweilen zu kurz kommt (Simon und Brock 2025).

Macht und Normativität

Worum es hier aber durchaus geht, ist eine argumentative Verteidigung des Rechts gegen unterkomplexe Lesarten und hartnäckige Missverständnisse, die insbesondere im »Neo-Realismus« anzutreffen sind. Um ein Missverständnis thesenhaft anzusprechen: Anders als von »Realist*innen« seit jeher behauptet wird, hängt die Autorität des Völkerrechts nicht primär von seiner Durchsetzung ab. Macht ein Verstoß gegen das völkerrechtliche Gewaltverbot Letzteres obsolet? Nein. Wer würde nach einem – vielleicht dazu noch unaufgeklärten – Diebstahl das Diebstahlverbot nach § 242 StGB in Frage stellen? Richtig ist, dass es keine Weltpolizei gibt, die Rechtsbrüche ahndet. Richtig ist auch, dass der UN-Sicherheitsrat, dem nach Art. 39 der UN-Charta die Wahrung bzw. Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zukommt, aufgrund von Machtinteressen seiner Mitglieder häufig blockiert ist. So auch im Falle der Ukraine, weil der russische Aggressor als ständiges Mitglied mit Veto-Recht im Sicherheitsrat sitzt. Es ist daher an der Ukraine, sich im Sinne des Art. 51 der UN-Charta selbst zu verteidigen – und damit, mit ihren Verbündeten, das Recht durchzusetzen.

Entscheidender als die Durchsetzung aber ist die ordnende Funktion des Völkerrechts, zwischen legitimer und illegitimer Gewalt zu unterscheiden. Wie Lothar Brock und ich in einem historisch breit angelegten Forschungsprojekt am »Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung« (PRIF) gezeigt haben, haben selbst mächtige Staaten durch die Geschichte hindurch stets den Versuch unternommen, ihre militärische Gewalt auf internationaler Ebene zu rechtfertigen (Brock und Simon 2021; Simon 2024). Die Geschichte des Krieges ist also zugleich eine Geschichte seiner Rechtfertigung. Ohne Frage: Dabei liegt Kriegsrechtfertigungen immer auch machtpolitisches Kalkül zugrunde, wie »Realist*innen« zu Recht einwenden. Natürlich dienen sie der Manipulation und Propaganda.

Aber auch das ist eine unterkomplexe Argumentation: Denn eine Gewaltrechtfertigung macht nur dann überhaupt Sinn, wenn ein Akteur davon ausgehen kann, mit seiner Begründung einen legitimatorischen Effekt zu erzielen. Ein Staat versucht also in einer Rechtfertigung, seine Gewalt jedenfalls potenziell als anerkannte Ausnahme vom Gewaltverbot auszuweisen. So konnten wir in unserer Forschung zeigen, dass quer durch die Geschichte nicht nur Gewalt gerechtfertigt wird – sondern dass in diesen Rechtfertigungen stets auch auf Normen der internationalen Ordnung verwiesen wird. Das gilt übrigens, anders als bis heute angenommen wird, auch schon für die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg (Simon 2024).

Diese Praxis der Kriegsrechtfertigung unterstreicht, dass Staaten in ihrer Entscheidung für oder wider Krieg nicht völlig frei sind. Sie lassen sich durchaus von Normen leiten. Es geht in Rechtfertigungen mithin immer um beides: Normativität und Macht (Forst 2015).

Warum wir das Völkerrecht brauchen

Seine Funktion, zwischen legitimer und illegitimer Gewalt zu unterscheiden, hat das Völkerrecht auch heute mitnichten verloren. Das wird einerseits in den Versuchen Russlands deutlich, seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg als individuelle bzw. kollektive Selbstverteidigung auszuweisen. Der Ukraine wird unterstellt, einen Genozid in Luhansk und Donezk begangen zu haben. Dabei handelt es sich freilich um faktenwidrige Propaganda. Aber auch dieser klägliche Versuch verweist auf die diskursive Autorität völkerrechtlicher Normen.

Dass die (de-)legitimatorische Funktion des Völkerrechts keineswegs wirkungslos ist, zeigt sich besonders deutlich in den Reaktionen der internationalen Gemeinschaft: 141 Staaten verurteilten im März 2022 die russische Aggression, und 143 Staaten erklärten im Oktober 2022 die russischen Annexionen in der Ukraine für ungültig. Zudem hat der »Internationale Gerichtshof« (IGH) im März 2022 eine sofortige Beendigung der russischen Gewalt in der Ukraine angeordnet. Und der Internationale Strafgerichtshofs (IStGH) hat am 17. März 2023 einen Haftbefehl gegen Putin wegen der rechtswidrigen Deportation von ukrainischen Kindern nach Russland erlassen.

Es macht also durchaus einen Unterschied, ob die Gewalt eines Akteurs international als legitim oder illegitim angesehen wird. Das Völkerrecht dient dabei als zentraler Maßstab – allen Einwänden gegen die Politisierbarkeit und mangelnde Durchsetzbarkeit des Rechts zum Trotz.

Völkerrechtspolitik jenseits von Doppelstandards

Damit das so bleibt, sollten die europäischen Mittelmächte im Verbund mit Partnern in Afrika und Asien entschieden gegen eine Aushöhlung der Rechtsordnung durch Russland, China und die USA eintreten. Dafür aber braucht es eine konsistente Völkerrechtspolitik Europas selbst – jenseits von Doppelstandards, auch in hochgradig polarisierten Debatten, wie sie hierzulande seit dem brutalen Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 und den folgenden massiven Militärschlägen Israels im Gazastreifen geführt werden. Ein selektives Befürworten des Völkerrechts (IStGH-Haftbefehl gegen Putin) bei gleichzeitigem Abwägen mit der »Staatsraison« (IStGH-Haftbefehl gegen Netanjahu) ist nicht hinnehmbar und schadet der Glaubwürdigkeit der europäischen Politik im Globalen Süden.

Denn Europa braucht mehr als Waffen, um zusammenzuhalten und sich und seine Werte zu verteidigen. Es muss sich gerade gegenüber den kleineren und mittleren Mächten als vertrauenswürdiger und verlässlicher Partner erweisen, um in der multipolaren Welt der Zukunft bestehen zu können. Das Recht gegen »Realpolitik« zu verteidigen, hat hierbei oberste Priorität.

Literatur

Brock, L.; Simon, H. (2021) (Hrsg.): The Justification of War and International Order. Oxford: Oxford University Press.

Masala, C. (2022): Weltunordnung. Die globalen Krisen und die Illusionen des Westens. München: C.H. Beck.

Mearsheimer, J. J. (2018): The Great Delusion: Liberal Dreams and International Realities. New Haven-London: Yale University Press.

Münkler, H. (2022): Das mit der Weltgemeinschaft können wir uns abschminken. Herfried Münkler im Gespräch mit Ute Welty. Deutschlandfunk, 25. Februar 2022.

Simon, H. (2024): A Century of Anarchy? War, Normativity, and the Birth of Modern International Order. Oxford: Oxford University Press.

Simon, H.; Brock, L. (2025): Frieden oder Sicherheit? Für ein „Mehr“ in den öffentlichen Debatten über den Ukraine-Krieg. PRIF Blog, 15. Januar 2025.

Demokratische Bewegungen für eine multipolare Weltordnung?

von Kavita Krishnan

Es ist kein Normalzustand, dass es nur eine unipolare Macht auf der Welt gibt. Am Ende werden wir zu einem Punkt zurückkehren, an dem die Welt eine multipolare ist, wo mehrere Großmächte in verschiedenen Teilen des Planeten existieren, die schon immer ihre Interessen verfolgt haben. Da, wo Interessen nicht übereinstimmen und Konflikte entstehen, ist es die Aufgabe der Diplomatie, diese Interessen zu unterstützen und Konflikte zu vermeiden.1

Diese Aussage bringt die Doktrin des Realismus auf den Punkt, nach der die internationalen Beziehungen ein Zusammenspiel der Großmächte (»Pole«) sind, die jeweils ihre rationalen Interessen verfolgen. Sie ist aber auch deckungsgleich mit der Antikriegsposition die von Aktivist*innen und Intellektuellen weltweit zur Invasion in der Ukraine eingenommen wird, einschließlich derjenigen, die sich mit linker, demokratischer, feministischer und antiimperialistischer Politik identifizieren.

Das Zitat stammt indes von Marco Rubio, dem Außenminister von US-Präsident Donald Trump, der damit Trumps »America First«-Außenpolitik erklärte. Die linke Version dieser These geht davon aus, dass eine, durch den Aufstieg Chinas und Russlands als »Pole« der Großmächte repräsentierte, »Multipolarität« zu begrüßen sei, da sie Bestrebungen des durch die USA angeführten »Westens«, seine »unipolare Hegemonie« aufrechtzuerhalten, entgegenstehen würde. Ein Wortführer der indischen Linken und Generalsekretär der Kommunistischen Partei Indiens (CPI-ML) Dipankar Bhattacharya formuliert dies in einem Essay vom September 20222:

„Unabhängig vom internen Charakter der konkurrierenden globalen Mächte ist eine multipolare Welt für fortschrittliche Kräfte und Bewegungen weltweit in ihrem Streben nach einer Umkehrung der neoliberalen Politik, sozialem Wandel und politischem Fortschritt sicherlich vorteilhafter.“

Ein Tyrann alleine auf dem »Spielfeld« ist eine Bedrohung, so die Argumentation mancher Linken: Wäre es nicht besser, er bekäme Konkurrenz von zwei oder drei weiteren Tyrannen seiner Größe? Würden sich mehrere Tyrannen nicht gegenseitig davon abhalten, Krieg zu führen, und so die Voraussetzungen für Frieden schaffen?

Heute werden diese Annahmen durch die weltweiten Entwicklungen drastisch widerlegt. Zwei der größten Tyrannen auf dem Spielfeld (die USA und Russland) verbünden sich, um die Schwachen zu »verprügeln«, anstatt sich gegenseitig zu bekämpfen. Sie sind weit davon entfernt, Kriege zu verhindern, und ermöglichen und stärken die Invasionen und Besetzungen der Ukraine durch Russland, in Palästina durch das von den USA unterstützte Israel und möglicherweise Grönlands durch die USA.

Linke Realisten versuchen diese Kehrtwende als bloßen Ausdruck der »aktuellen Prioritäten des US-Imperialismus« zu verklären, der sich mit Russland verbündet, um seinen Angriff auf China zu konzentrieren. Solche Erklärungen lassen das ideologische Element völlig außer Acht, die Frage nämlich, wie jedes dieser Regime die Demokratie sieht und wie sich das auf ihre Außenpolitik auswirkt. Wie die realistischen Anhänger der Multipolarität, John Mearsheimer und Samuel Huntington, plädieren auch Teile der Linken für eine multipolare Welt »unabhängig« vom inneren Charakter der konkurrierenden Großmächte. Den Erstgenannten mag es ins Konzept passen, für Kriegsgegner*innen und Linke ist es jedoch eine seltsame Position, insistieren sie doch gemeinhin auf einem gewissen Entsprechungsverhältnis von innerer Verfasstheit von Gesellschaften, dem politischen System und der Außenpolitik von Staaten.

Heute fordern alle Tyrannen – China, Russland und die USA unter der Führung von Trump, sowie Ungarns Orban-Regime, aber auch Indiens Regierungschef Modi – eine multipolare Weltordnung – und es ist klar, dass sie damit eine illiberale, demokratiefreie Ordnung meinen. Diese Mächte mögen in vielen Fragen miteinander konkurrieren. Aber sie stimmen in dem gemeinsamen Projekt überein, universelle Normen der Menschenrechte und die Demokratie zugunsten von kulturell-zivilisatorischen Nationalismen zu demontieren.

Frieden ohne Demokratie und Gerechtigkeit = Krieg mit anderen Mitteln?

Die Doktrin der Multipolarität lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Die Starken nehmen sich, was sie können, die Schwachen fügen sich, wie sie eben müssen. Eine solche Doktrin schließt Freiheit und Gleichheit für alle Nationen aus und erkennt nur die Interessen der »Großmächte« als stichhaltig und relevant an. Aber ein Frieden, der auf Erpressung beruht, kann in der Regel kein gerechter Frieden sein. Es stellt sich die Frage, warum antikriegerische, feministische Linke solche Rezepte für den »Frieden« (z.B. in der Ukraine) unterstützen, und dabei die Tatsache außer Acht lassen, dass diese auf einer Idee beruhen, in der Demokratie und Gerechtigkeit als »wishful thinking«, aber als nicht realitätsgemäß eingestuft werden?

Meine linken, säkularen und progressiven Freunde in Indien verbreiten weiterhin Mearsheimer-Videos als die »wahre Geschichte« der Ereignisse in der Ukraine. Sie halten ihn für einen Wahrheitsverkünder aus dem Bauch der Bestie: ein anti-linker Chomsky gewissermaßen. Da gab es einen unvoreingenommenen Experten, linker Sympathien unverdächtig, der bestätigte, was sie schon immer vermutet hatten: Das Streben der USA nach unipolarer Macht sei verantwortlich dafür, dass der ukrainische Präsident 2014 durch einen pro-westlichen Staatsstreich abgesetzt wurde, und die Krim anschließend für den Anschluss an Russland gestimmt habe. Putin wäre niemals in die Ukraine einmarschiert, wenn die USA nicht aktiv die NATO-Mitgliedschaft des Landes angetrieben hätten. Der Krieg hätte beendet werden können, wenn die USA die Bewaffnung der Ukraine eingestellt und stattdessen darauf bestanden hätten, dass die Ukraine mit Putin verhandelt. Last but not least: eine multipolare Weltordnung sei unvermeidlich und die USA sollten sie akzeptieren.

Mearsheimer war es schon lange klar (und ist es bis heute) dass ein Friedensabkommen mit Putin nicht nur ukrainisches Territorium betreffen würde, sondern auch einen Regimewechsel in der Ukraine voraussetzen würde. Genau eine Woche nach Putins Invasion im Februar 2022 sagte er in einem Interview, Putin sei „daran interessiert, zumindest den Donbass und vielleicht noch weitere Gebiete und die Ostukraine einzunehmen, und zweitens will er in Kiew eine prorussische Regierung einsetzen, eine Regierung, die auf Moskaus Interessen abgestimmt ist… Er ist daran interessiert, Kiew mit dem Ziel eines Regimewechsels einzunehmen“.3 Amerikas Strategie, „die Ukraine in eine pro-amerikanische liberale Demokratie zu verwandeln“, sei „aus russischer Sicht … eine existenzielle Bedrohung“, sagte er. Der Interviewer fragte ihn, was wäre, wenn die Menschen in der Ukraine in einer pro-amerikanischen liberalen Demokratie leben wollten? Wäre es nicht Imperialismus, ihnen zu sagen, dass sie keine liberale Demokratie sein können? Mearsheimer antwortete in bester Realistenmanier: „Das ist kein Imperialismus, das ist Großmachtpolitik. Wenn man ein Land wie die Ukraine ist und direkt neben einer Großmacht wie Russland lebt, muss man genau darauf achten, was die Russen denken, denn wenn man ihnen mit einem Stock ins Auge sticht, werden sie zurückschlagen.“ Demokratie sei in einer multipolaren Welt einfach nicht realistisch, so Mearsheimer: „In einer idealen Welt wäre es wunderbar, wenn die Ukrainer ihr eigenes politisches System und ihre eigene Außenpolitik wählen könnten. Aber in der realen Welt ist das nicht machbar.“

Trump will Putin den von ihm gewünschten Regimewechsel ermöglichen, indem er mit ukrainischen Oppositionsführern über den Sturz von Selenskyj spricht. Was dabei auffällt ist, dass Linke, die so sicher sind, dass der Maidan 2014 ein von den USA unterstützter »Regimewechsel« war, zu Trumps offenem Gerede über einen Regimewechsel in der Ukraine heute schweigen.

Mearsheimer et al. halten eine liberale, wertegebundene Weltordnung für nicht machbar, daher für obsolet. In einem Papier aus dem Jahr 2019 schreibt Mearsheimer, dass „der Fall der liberalen internationalen Ordnung die westlichen Eliten entsetzt“, diese aber „zum Scheitern verurteilt“ sei, weil „liberale internationale Ordnungen nur in unipolaren Systemen entstehen können, in denen der führende Staat eine liberale Demokratie ist“.4

Es scheint überdies kein Zufall zu sein, dass westliche Anhänger der multipolaren Ordnung wie Mearsheimer und Huntington, um es vorsichtig auszudrücken, starke Vorbehalte gegen die Demokratie im »Westen« selbst haben.

„Die liberale Geschichte, die in ihrem Kern individualistisch ist, behauptet, dass jeder Mensch eine Reihe von unveräußerlichen oder natürlichen Rechten hat“, sagt er. Daher seien Liberale (Liberal hier im US-amerikanischen Sinne verstanden und alle linken Vorstellungen einbeziehend) in der Regel zutiefst besorgt um die Rechte der Menschen auf der ganzen Welt, unabhängig davon, in welchem Land sie leben. Wenn eine unipolare Macht eine liberale Demokratie sei, werde sie mit ziemlicher Sicherheit versuchen, eine internationale Ordnung zu schaffen, die darauf abzielt, die Welt nach ihrem eigenen Bild umzugestalten.5 Die „aufstrebende multipolare Welt“, die laut Mearsheimer aus einer auf dem Realismus basierenden internationalen Ordnung bestehen wird“, kann jedoch keine Menschen gebrauchen, die „zutiefst besorgt über die Rechte der Menschen auf der ganzen Welt“ sind. Der ultrarechte Ideologe Alexandr Dugin lobt Mearsheimer, indem er auf X postet: Der Hauptvertreter des amerikanischen Realismus im Fach Internationale Beziehungen, … John Mearsheimer, erkennt die Authentizität des Realismus von Trump und Vance an. Das ist sehr bedeutsam.6

Eine neue »zivilisations­basierte« Weltordnung?

In linker Analyse gilt Samuel Huntington als „der wichtigste intellektuelle Architekt des »Kampfes der Kulturen« nach 9/11“ 7 und damit als maßgeblicher Ideologe der westlichen Unipolarität nach dem Ende des Kalten Krieges. Aber genauer betrachtet gilt für ihn dasselbe wie für Mearsheimer: Er befürwortet eine Multipolarität, die auf allgemeiner zivilisatorischer Grundlage basieren solle, aber die universelle Idee von Freiheit aufgibt. Genau deshalb zitiert ihn Xi Jinping in seiner Antwort auf die Frage: „Warum sollten wir uns klar gegen die sogenannten »universellen Werte« des Westens stellen?“ 8 Er, Huntington, stelle fest, dass „der Universalismus die Ideologie des Westens gegen die nicht-westlichen Gesellschaften ist“. Weit davon entfernt, einen Kampf der Kulturen zu propagieren, spreche er sich für eine »zivilisationsbasierte Weltordnung«9 aus, in der der »Westen« die Idee der liberalen Demokratie aufgeben müsste, sowohl in der Geopolitik als auch in der nationalen Regierungsführung. Und tatsächlich behauptet Huntington: „Der Multikulturalismus im Inland bedroht die Vereinigten Staaten und den Westen; der Universalismus im Ausland bedroht den Westen und die Welt. Beide leugnen die Einzigartigkeit der westlichen Kultur“. Diese Einzigartigkeit ist seiner Meinung nach nicht die liberale Demokratie, sondern der mehrheitliche monokulturelle Nationalismus. Die USA und der »Westen« müssten zu Hause bleiben und illiberal sein, und das gelte auch für den Rest.

Die primäre Gefahr für die westliche Zivilisation, so Huntington, sei der Zustrom von „Einwanderern aus anderen Zivilisationen“ (besondere Erwähnung finden hier Muslime in Europa und Hispanics in den USA), „die die Assimilation ablehnen und weiterhin an den Werten, Bräuchen und Kulturen ihrer Heimatgesellschaften festhalten und diese propagieren“ 10. Zweitens: Die westliche Zivilisation könnte auch durch die Schwächung ihres zentralen Bestandteils, des Christentums, untergraben werden.” 11

Dugin behauptete in der gleichen Manier: “Aufhören, ein Hegemon zu sein, ist nicht nur im Interesse aller nicht-westlichen Zivilisationen, sondern auch im Interesse des Westens selbst.“ Er fährt fort: „Der wirkliche Sieg der Multipolarität wird nicht die Niederlage des kollektiven Westens sein, sondern seine Rettung, seine Rückkehr zu seinen eigenen – westlichen – traditionellen (nicht pervertierten) Werten, zu seiner Kultur (nicht zur Abschaffung der Kultur), zu seinen klassischen griechisch-römischen, christlichen Wurzeln.“ Sobald er sein liberales multikulturelles Joch abwerfe, sagt Dugin, gäbe es nichts, was den »Westen« daran hindern könnte, „ein respektierter Pol der multipolaren Welt zu werden.” 12 Putin sieht dies ähnlich. Es gibt „zwei Westen“, sagt er. Der eine sei „der Westen der traditionellen, vor allem christlichen Werte, der Freiheit, des Patriotismus, der großen Kultur und jetzt auch der islamischen Werte“. Dieser »Westen«, sagt er, sei zivilisatorisch mit dem von Russland geführten Eurasien verwandt: „Wir teilen mit ihm gemeinsame, sogar uralte Wurzeln.” 13

Die westlichen Mächte, so Putin, sind als zivilisatorischer Pol in der multipolaren Welt willkommen, solange ihre Regime „den echten, traditionellen Westen“ 14 repräsentieren und sie liberale Werte als elitär, fremd und degeneriert erkennen.

Der ungarische Autokrat Orbán hat sich immer wieder für ein christliches Europa eingesetzt: „Europa kann nur gerettet werden, wenn es zur Quelle seiner wahren Werte, zu seiner christlichen Identität, zurückfindet.” 15 Er wolle eine „illiberale Demokratie“ 16 aufbauen.

Bereits 2013 hatte Putin beklagt, dass „viele der euro-atlantischen Länder die christlichen Werte, die die Grundlage der westlichen Zivilisation bilden“ ablehnen würden und damit „moralische Grundsätze und alle traditionellen Identitäten verleugnen: nationale, kulturelle, religiöse und sogar sexuelle.” 17

Trumps Vizepräsident J.D. Vance hat im Februar 2025 in seiner Rede in München auf einer Konferenz zur europäischen Sicherheit erklärt, dass Europa keine äußere Bedrohung durch Russland zu befürchten habe, sondern nur eine »innere Bedrohung« – Einwandernde und die liberale demokratische Führung, die sie nach Europa lässt. Die europäischen Wähler*innen rebellieren gegen „den Rückzug Europas von einigen seiner grundlegendsten Werte: Werte, die es mit den Vereinigten Staaten von Amerika teilt“, sagte er.18 Trumps Stellvertreter legte großen Wert darauf, Putins und Orbáns Ansichten darüber, wie Europa aussehen sollte, exakt wiederzugeben.

Vance hielt den europäischen Staats- und Regierungschefs das Thema Einwanderung vor: „Kein Wähler auf diesem Kontinent ist an die Wahlurne gegangen, um die Schleusen für Millionen illegaler Einwanderer zu öffnen. Aber wissen Sie, wofür sie gestimmt haben? In England haben sie für den Brexit gestimmt. Und ob Sie dem zustimmen oder nicht, sie haben dafür gestimmt. Und immer mehr Menschen in ganz Europa stimmen für Politiker, die versprechen, der unkontrollierten Migration ein Ende zu setzen.” 19

Laut Philippe Sands, der internationales Menschenrecht praktiziert und dessen Ursprünge untersucht, war das internationale Recht vor 1945 darauf ausgerichtet, die Souveränität mächtiger Staaten zu schützen, nicht aber die Menschenrechte der einzelnen Bürger und Minderheiten. „Kurz gesagt“, schreibt er, “konnte der Staat mit seinen Staatsangehörigen machen, was er wollte. Er konnte diskriminieren, foltern oder töten.” 20 Seit 1945 setzt das Völkerrecht dem, was der Staat dem Einzelnen antun kann und dem, was der Staat der Gruppe antun kann, Grenzen“. 21 Die Staaten sind seitdem rechtlich verpflichtet, die Menschenrechte von Einzelpersonen und Minderheiten zu schützen. Nicht wenige Anhänger der Multipolarität lehnen die Legitimität solcher Normen ab. Im Jahr 2021 erklärten die Botschafter Chinas und Russlands in den USA in einer gemeinsamen Erklärung, dass „kein Land das Recht hat, die riesige und vielfältige politische Landschaft der Welt mit einem einzigen Maßstab zu beurteilen“, und der »Westen« kein Recht habe, zu verlangen, dass „andere Länder das (westliche) politische System kopieren“. 22

Alexandr Dugin schreibt, dass „die universelle Moral der »Menschenrechte«“ eine „rassistische“ Idee ist, die „die Geschichte und die Werte der westlichen und insbesondere der amerikanischen Gesellschaft“ – wie „Demokratie, Parlamentarismus, Individualismus, Menschenrechte“ – als „gleichwertig mit universellen Gesetzen“ behandelt.23

Für Palästina oder die Ukraine, für religiöse, ethnische oder sexuelle/geschlechtliche Minderheiten innerhalb von Nationen und für Nationen, die im Schatten von Imperien stehen, ist die Wahl zwischen »Multipolarität« und »Unipolarität« eine bewusste Täuschung.

Aldous Huxley hatte geschrieben, dass „zynischer Realismus die beste Entschuldigung des intelligenten Mannes dafür ist, in einer unerträglichen Situation nichts zu tun“.

Indem die multipolar ausgerichtete Linke der Ukraine sagt, sie müsse sich Russland fügen und sich dem Unerträglichen beugen, sendet sie die gleiche Botschaft an alle Unterdrückten weltweit.

Anmerkungen

1) Rubio, Marco (2025): What „America First“ Foreign Policy Will Look Like, Interview with Megyn Kelly. YouTube, 30. January 2025.

2) Bhattacharya, Dipankar (2022): On the Current Juncture in India and the International Context. Liberation, 27 September 2022.

3) Chotiner, Isaac (2022): Why John Mearsheimer Blames the U.S. for the Crisis in Ukraine. The New Yorker, 1. März 2022.

4) Mearsheimer; John J. (2019): Bound to Fail: The Rise and Fall of the Liberal International Order. International Security, 43 (4), S. 7-50.

5) ebd.

6) Dugin, Alexandr (2025), post on X, 19. Februar 2025.

7) Bakan, Abigail B.; Abu-Laban, Yasmin (2019): Palestinian resistance and international solidarity: the BDS Campaign. Race and Class 51(1), S: 29-54.

8) “Questions and Answers on the Study of Xi Jinping’s Thoughts on Socialism with Chinese Characteristics in the New Era” in: People’s Daily (2021): Xi Jinping’s writings and speeches as serialised, Instalment 34, 2. September 2021.

9) ebd.

10) ebd.

11) Dugin, Alexandr (2024): Anti-Liberal Russian Philosopher Dugin At Multipolarity Forum: ‘The Era Of The West‘s Sole Hegemony Has Ended’, Memri, 1. März 2024.

12) Putin, Vladimir (2022), Valdai International Discussion Club 2022.

13) ebd.

14) Orbán, Victor (2019): Europe can only be saved if it finds its way back to its Christian identity, Rede auf der 2. Internationale Konferenz über die Verfolgung von Christen, 26. November 2019.

15) Sierakowski, Sławomir (2016): The Illiberal International. Project Syndicate, 9. September 2016.

16) Putin, Vladimir (2013), Rede auf der Sitzung des Valdai International Discussion Club, 19 September 2013.

17) Vance, JD (2025)

18) Vance, JD (2025): Full speech on the fall of Europe, The Spectator, 14. Februar 2025.

19) Sands, Philippe (2016): East West Street: On the Origins of “Genocide” and “Crimes Against Humanity. New York: Alfred A. Knopf.

20) Philippe Sands on international law, and its future, UkraineWorld Podcast, 10. November 2022.

21) Gang, Qin; Antonov, Anatoly (2021): Russian and Chinese Ambassadors: Respecting People’s Democratic Rights. Zhe National Interest, 27. November 2021.

22) Dugin, Alexandr (2012): The Fourth Political Theory. London: Arktos.

23) Shulman, David (2018): The Last of the Tzaddiks, The New York Review of Books, 28. Juni 2018.

Zivilgesellschaft zwischen Mitgestaltung und Abhängigkeit

von Marian Losse

Zivilgesellschaftliche Akteure können den Multilateralismus stärken und weiterentwickeln. Sie gestalten ihn mit – aber sind zugleich auf ihn angewiesen. Wenn Staaten sich aus der Verantwortung ziehen, müssen wir die Idee multilateraler Kooperation verteidigen. Nicht als staatliches Projekt. Sondern als kollektive Aufgabe einer globalen Gesellschaft.

Die aktuelle Krise multilateraler Zusammenarbeit ist real und vielschichtig. Internationale Institutionen geraten unter Druck, Abkommen scheitern an politischem Willen, nationale Alleingänge werden als Lösung inszeniert, wichtige Akteure verlassen bestehende Verträge oder ratifizieren sie nie. Internationale Gerichtsurteile verhallen ungehört, wenn sie politisch nicht opportun sind. Frieden wird in geheimen Gesprächen zwischen Männern mit autokratischem Machtanspruch verhandelt und nicht mehr am Verhandlungstisch der UN. Demokratische Staaten verlieren anscheinend an Einfluss: Frankreichs Präsident Macron und der britische Premier Starmer fühlen sich offenbar gezwungen, ihre Atomwaffen zu betonen, um diplomatisch ernst genommen zu werden. In der UN stehen gleichzeitig angeblich Aufzüge still, weil Mitgliedstaaten ihre Beiträge nicht mehr zahlen. Dabei war die UN lange der Ort, an dem internationale Konflikte bearbeitet wurden – mit Mandaten, Legitimität und der Kraft gemeinsamer Prinzipien. Nicht perfekt, oft zu spät, manchmal machtlos – aber immerhin eine Bühne für kollektives Handeln.

Doch wer bleibt, wenn Staaten sich aus multilateralen Mechanismen verabschieden? Wer trägt den Multilateralismus, wenn seine traditionellen Träger*innen versagen?

Dass zivilgesellschaftliche Akteure Bestandteil des multilateralen UN-Systems sind, ist schon länger anerkannt. Sie sollten aber nicht nur schmückendes Beiwerk sein. Ihre mahnende Funktion ist wichtig, aber nicht ausreichend. Unsere Vorstellungen von Multilateralismus sind gerade jetzt zu erweitern. Zu notwendigen globalen Kooperationsbeziehungen gehören nicht nur staatliche sowie zwischenstaatliche Akteure und einzelstaatliche NGOs, sondern aktive, global vernetzte Akteure der Zivilgesellschaft, egal ob in einer staatlich anerkannten Rechtsform oder aufgrund von Repression anders organisiert. Sie sollten als Faktor, der die internationale Politik mitgestaltet, anerkannt werden.

Innovation von unten

Es ist, wenn man so will, eine zweite Ebene des Multilateralismus, getragen von nicht-staatlichen Akteuren: NGOs, Wissenschaftler*innen, Aktivist*innen. Auch zivilgesellschaftliche Gemeinschaften vernetzen sich global, setzen Themen, fordern Gerechtigkeit ein – und verändern den Multilateralismus von innen. Ihre Beteiligung ist nicht nur ein Korrektiv, sondern manchmal tragen sie erst dazu bei, internationale Einigungen zu ermöglichen.

Ein Beispiel ist die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN). Aus einer zivilgesellschaftlichen Initiative wurde eine Bewegung, die den Vertrag über das Verbot von Atomwaffen mitgestaltete. ICAN war dabei nicht nur Kampagnenplattform, sondern auch diplomatischer Akteur – informell, aber wirksam. Das Buch »Banning the Bomb, Smashing the Patriarchy« von Ray Acheson (2021) zeigt eindrucksvoll, wie feministische, marginalisierte und transnationale Perspektiven in Verhandlungen eingebracht wurden, welche zuvor lange von staatlichen Sicherheitslogiken dominiert waren. Die Bewegung veränderte, wie über Atomwaffen und ihre Wirkung in diesen diplomatischen Kreisen gesprochen wurde. Anstatt zu akzeptieren, dass die Waffen Teil der Abschreckungslogik anderer Staaten sind, rückte die fortbestehende und permanent angedrohte humanitäre Katastrophe ins Zentrum der Debatte. ICAN brachte Opferperspektiven ein, mobilisierte öffentliche Meinung und überzeugte Staaten, Verantwortung zu übernehmen.

Die Entstehung des Atomwaffenverbotsvertrages (AVV) ist auch eine Folge des schon lange stagnierenden Verhandlungsprozesses im Rahmen bestehender »traditioneller« multilateraler Institutionen: Die Atomwaffenstaaten versprachen im Rahmen des Nichtverbreitungsvertrages (NVV) immer wieder, abrüsten zu wollen. Doch wenn es alle 5 Jahre bei den Überprüfungskonferenzen überhaupt einen gemeinsamen Abschlusstext gab, enthielt dieser anstatt eines Abrüstungsvertrages nach Art. 6 NVV wahlweise »stepping stones«, »Action Plans« oder »practical steps«. In den nächsten Konferenzen konnte dann festgestellt werden, dass diese nicht hinreichend umgesetzt und die Hoffnungen enttäuscht wurden. Es mussten also neue kreative Wege gefunden werden.

Wenn Abrüstung statt Abschreckung als »normal« verstanden wird, öffnen sich solche Wege auch ohne, dass sich zuvor materielle Gegebenheiten ändern. ICAN will den politischen Druck erhöhen und mehr Staaten zum Beitritt zum AVV bewegen – auch solche ohne eigene Atomwaffen – und damit bezeugen, dass Sicherheit ohne Atomwaffen der Wille und die Normalität der Mehrheit der Weltbevölkerung und ihrer staatlichen Repräsentationen ist. Auf diese Weise müssen wir nicht auf atomar bewaffnete Staaten warten, sondern stärken einen multilateralen Vertrag und seine Norm, was langfristig auch jene zum Umdenken bewegen könnte.

Die Zivilgesellschaft hat entscheidend dabei mitgeholfen, Inhalte, Formate und Dynamiken multilateraler Prozesse zu transformieren und neue Wege zu eröffnen. Beim AVV funktionieren Konferenzen und Verhandlungen anders als im NVV, auch weil Blockierer fehlen. Statt sich von den Atomwaffenstaaten und ihrer Hinhaltetaktik abhängig zu machen, können Mitgliedsstaaten und von Atomwaffentests betroffene Gemeinschaften hier in den Austausch treten und konkrete Lösungen für z.B. Entschädigung und Umweltsanierung implementieren.

Die strukturellen Grenzen zivil­gesellschaftlicher Beteiligung

Doch dieses Transformationspotenzial ist prekär. Die Zivilgesellschaft bleibt auf die multilateralen Räume angewiesen, die Staaten ihr überhaupt öffnen. Bei UN-Konferenzen kann Beteiligung zugestanden, aber auch entzogen werden. Selbst in stabilen Rechtsformen organisierte NGO-Vertreter*innen sind in multilateralen Räumen oft nur Gäste auf Zeit. Sie erhalten Redezeit am Ende, Beobachter*innenstatus auf einer Zuschauer*innentribüne – aber kein Mitbestimmungsrecht. Ihre Teilnahme hängt von institutionellen Hürden ab: Visa, Akkreditierung, finanzielle Mittel, Mobilität. Wer kein Geld, kein Netzwerk, keine Plattform hat, bleibt außen vor. Globale Zivilgesellschaft ist deshalb kein homogenes Kollektiv, sondern selbst geprägt von massiver Ungleichheit.

Außerdem sind manche zivilgesellschaftlichen Organisationsformen enorm vom multilateralen Status quo abhängig. Wir treffen uns auf UN-Konferenzen das einzige Mal im Jahr über die Bewegung hinweg, tauschen Wissen aus, lernen uns kennen, entwickeln Strategien. Nicht zuletzt fußt auch viel der Bildungsarbeit und des Fundraisings auf solchen wahrgenommenen Höhepunkten, auch wenn die meiste Arbeit davor und danach stattfindet, denn hier kulminiert sich die Aufmerksamkeit für unsere Themen. Doch was würden diese Organisationen machen, wenn wegen fehlender Mittel oder Teilnahme einiger wichtiger Staaten solche Konferenzen demnächst drohen ganz auszufallen? Wir haben gelernt diese Räume zu nutzen, und manche NGOs dadurch sogar verlernt, sich andere zu schaffen.

Am Ende bleiben viele Entscheidungen in der Hand von Regierungen. Selbst wenn wissenschaftlicher Konsens und zivilgesellschaftlicher Druck vorhanden sind – wie bei der Klimakrise – können Staaten trotzdem blockieren. Die UN-Klimakonferenzen bringen oft nur Minimalkonsense hervor, während die Krise eskaliert. Ohne exekutive Machtmittel bleibt der Einfluss zivilgesellschaftlicher Akteure begrenzt auf die Auswirkungen von Protesten, Kampagnen, Appellen an Moral und Öffentlichkeit.

Doch es gibt kreative Auswege. Wenn offizielle UN-Klimakonferenzen (wie die UNFCCC COP) stagnieren, entstehen alternative Räume wie die »Anti-COP«: zivilgesellschaftliche Gegenveranstaltungen, mit einem konkreten Angebot: es wird Wissen geteilt, werden Visionen entwickelt und Entscheidungen getroffen. Diese Entscheidungen sind nicht völkerrechtlich bindend, doch sie können durch Medien, politische Kampagnen und eigene praktische Umsetzung ihre Wirkmacht entfalten.

Eine notwendige Asymmetrie

Zivilgesellschaftliche Akteure verfolgen oft universelle Werte – Menschenrechte, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit – während Staaten sich derzeit eher an nationalen Interessen und geopolitischen Strategien orientieren. Das führt zu Spannungen, etwa wenn Staaten wirtschaftliche Vorteile über klimapolitische Verpflichtungen stellen, oder wenn geopolitische Machtinteressen gegen menschliche Sicherheit ausgespielt werden. Dieser Gegensatz kann aber auch fruchtbar sein, wenn er in einem gemeinsamen multilateralen Prozess produktiv gemacht wird. Doch wenn Staaten sich aus diesem Prozess zurückziehen oder ihn blockieren, ist die Zivilgesellschaft als aktiver Motor für internationale Kooperation stark gefordert.

Ein Multilateralismus, der sich nur auf Staaten beschränkt, riskiert, im Streit um Einzelinteressen stecken zu bleiben und droht in der Logik von Blockaden und Kompromissen zu verharren. Einem Multilateralismus ohne Staatenbeteiligung fehlten die Machtoptionen Entscheidungen auch umzusetzen. Ein Multilateralismus, der die Zivilgesellschaft aktiv in staatliche Prozesse einbezieht, könnte ambitionierter, innovativer und nachhaltiger sein. Gerade im Feld der internationalen Entwicklungszusammenarbeit wurde hier schon viel erprobt und gelernt. So könnten Gemeinschaftsinteressen in den Vordergrund gestellt werden – und neue Wege eröffnet, globale Probleme tatsächlich zu lösen. Die Herausforderung liegt in der strukturellen Ungleichheit beider Akteursgruppen: Staaten entscheiden, Zivilgesellschaft empfiehlt. Doch erlaubt dies Letzteren eine höhere Dynamik und die Freiheit zur Kreativität.

Zivilgesellschaft kann den staatsorientierten Multilateralismus nicht ersetzen – aber sie kann ihn am Leben halten, wenn Staaten scheitern. Sie kann Normen verteidigen, Öffentlichkeit schaffen, Netzwerke knüpfen und alternative Wege des Handelns aufzeigen.

Zivilgesellschaftliches Engagement ist vitaler Bestandteil internationaler Politik. Doch dafür braucht es mehr als gute Ideen: Es braucht Zugang, Ressourcen, Anerkennung – und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen, wenn alte Pfade versperrt sind. Deswegen darf sich Zivilgesellschaft nicht zu sehr auf bestehende Institutionen verlassen. Sie muss unabhängig, wach und innovativ bleiben – und ihre eigenen Räume schaffen, wenn die alten verschwinden.

Zivilgesellschaftliche Netzwerke, die Wissen teilen, Normen etablieren, konkrete Lösungen entwickeln, können politische Realitäten verändern. Sie tun das bereits: in Klimabündnissen, in Menschenrechtskampagnen, in der globalen Gesundheitsversorgung. Sie üben Druck aus, wo Regierungen zögern, und entwerfen Visionen, wo der politische Horizont zu kurz ist.

Die Zivilgesellschaft ist heute mehr denn je gefragt, nicht nur Forderungen zu stellen, sondern auch Strukturen zu gestalten. Sie muss sich unabhängig halten, ohne sich zu isolieren. Und sie muss immer wieder neue Allianzen bilden – lokal, regional, global.

Die Autor*innen

Martina Fischer, Dr., Politikwissenschaftlerin in Berlin und Hamburg, war wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Berghof Stiftung (Berlin) zu Konflikttransformation und Friedensförderung, Referentin für Frieden und Konfliktbearbeitung bei Brot für die Welt.

Hans Georg Ehrhart Dr., Senior Fellow am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg.

Alexander Geiger, Leiter des Büros der Friedrich Ebert-Stiftung für Kooperation mit der Afrikanischen Union.

Johann Ivanov, Referent für Frieden und Sicherheit bei der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Kavita Krishnan, indische Publizistin und Herausgeberin. Aktivistin für Frauen und Menschenrechte.

Marian Losse, studiert Friedens- & Konfliktforschung in Marburg und ist derzeit im Vorstand von ICAN Deutschland e.V. ehrenamtlich aktiv. In dieser Rolle begleitete er bereits vier UN-Konferenzen des Atomwaffenverbotsvertrages und des Nichtverbreitungsvertrages.

Patrick Rosenow, Dr., Politikwissenschaftler und leitender Redakteur der Zeitschrift VEREINTE NATIONEN, die von der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. (DGVN) herausgegeben wird.

Paul Schäfer, Mitglied der Redaktion von Wissenschaft und Frieden.

Rubiyat Seid, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Büros der FES für Kooperation mit der Afrikanischen Union.

Hendrik Simon, Dr., Projektleiter und wissenschaftlicher Koordinator am Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ), Standort Frankfurt am Main, sowie assoziierter Forscher am Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung (PRIF).

Sascha Werthes, Dr., AkadOR, Dozent für Internationale Beziehungen und Friedens- und Konfliktforschung an der Universität Trier.

Impressum

Herausgeber:
Herausgegeben von der Informationsstelle Wissenschaft und Frieden e.V.

Dieses Dossier wurde finanziert von der Friedrich­-Ebert-Stiftung (FES).

V.i.S.d.P.: David Scheuing, redaktion@wissenschaft-und-frieden.de

Erscheint als Beilage der Zeitschrift Wissenschaft und Frieden 2/2025.

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Satz und Layout: EP Knaab, Marburg

Druck: Häuser Druck, Köln

Bildnachweis: Titel: World Flag, Mohamed Mahmoud Hassan / publicdomainpictures | S. 3: United Nations Photo | S. 6: Manuel Elías / Unit­ed Nations Photo | S. 9: Cia Pak / United ­Nations Photo | S. 12/13: Martine Perret / United Nations Photo | S. 17: Eskinder Debebe / United Nations Photo | S. 25: United Nations Photo | S. 27: Manuel Elías / United Nations Photo