Tschad: Hirse, Schwarzes Gold und Menschenrechte
von Barbara Dietrich
in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Frieden in Forschung und Lehre an den Fachhochschulen
„Shell: der schmutzige Krieg im Ogoni Land“, „ 30 Jahre Ölausbeutung contra Umweltschutz“, „Todesurteil gegen Ken Saro-Wiwa“ – so oder ähnlich lauteten die Schlagzeilen, als im Oktober 1995 in den Medien über einen Strafprozeß in Nigeria berichtet wurde, in dessen Verlauf neun Angeklagte, darunter der bekannte Autor und Bürgerrechtler Ken Saro-Wiwa, von einem Sondergericht zum Tode verurteilt worden waren und die Todesstrafe – trotz weltweiter Proteste – umgehend vollstreckt wurde.
Ken Saro-Wiwa war führendes Mitglied einer Anfang der neunziger Jahre im Niger- Delta entstandenen »Bewegung für das Überleben der Ogoni« (Movement for the Survival of the Ogoni People – MOSOP), eines Zusammenschlusses von Intellektuellen und Ogoni-Dorfbevölkerung mit dem Ziel politischer Autonomie und gerechter Verteilung der Einnahmen aus der Ölförderung. Das Gebiet der Ogoni, ca. 1.000 km2 groß und von ca. 500.000 Menschen bewohnt, ist nur ein kleiner Teil des Niger-Deltas und eines der ersten Fördergebiete der Firma Shell-Niger, welche die Ölförderung dort bereits seit 1958 betreibt (Danler/Brunner, 1996: 34; Shell, 1995: 3) und die 14 % ihrer gesamten weltweit organisierten Ölproduktion aus dem Niger-Delta bezieht (Danler/Brunner, 1996: 11). Die durch die Ölausbeutung im Niger-Delta verursachten Umweltschäden sind massiv und vielfältig: permanente und zeitweilig auftretende Ölaustritte bewirken die Verschmutzung / Kontaminierung von Böden, Flüssen und schließlich des Trinkwassers, die Ölschicht auf Wasser und Land entzündete sich an manchen Stellen und brannte, ohne daß die Verantwortlichen bei Shell dagegen einschritten (Danler/Brunner, 1996: 26).
Durch das Abfackeln des mit dem Öl assoziierten Erdgases über 24 Stunden am Tag entsteht schwerer Ruß, der sich auf Haut, Schleimhäute und Atemwege der im Delta lebenden Bevölkerung legt, sich auf Feldern und Gewässern absetzt und somit auch in die Nahrung gelangt. Das mit der Abfackelung entstehende Methan-Gas – 12 Mio. t im Jahr – gilt als wichtigster Verursacher des Treibhauseffekts und wird – trotz seit 1996 bestehenden Verbots – fortgesetzt (Danler/Brunner, 1996: 28 f.).
Ein umweltverträgliches Konzept für die Müllentsorgung fehlt: Der bei den Bohrungen zutage geförderte – teilweise kontaminierte – Schlamm wird meist in die nahen Flußläufe gekippt oder im Land vergraben, darin enthaltene Salze, Chemikalien etc. geraten ebenfalls ins Wasser. Auch anderer Müll wird vergraben, verbrannt oder in Flüsse und Sümpfe entsorgt (Danler/Brunner, 1996: 25 ff.). Es ist nur folgerichtig, wenn 80 % der gemeldeten Krankheiten auf verunreinigtes Trinkwasser zurückgeführt worden sind (Danler/Brunner, 1996: 15).
Andere Folgeprobleme der Ölproduktion sind z.B. die Landnahme, die seitens Shell und anderer Ölgesellschaften (z.B. Chevron, Mobil etc. (Danler/Brunner, 1996: 5,10)) ohne weiteres erfolgt, seit durch das Landnutzungsdekret der nigerianischen Regierung im Jahre 1978 sämtliches Land einschließlich der darunter liegenden Rohstoffe – aller bisherigen Tradition zuwider – zu staatlichem Eigentum deklariert worden war (Danler/Brunner, 1996: 7,14 f.).
Nachdem im Januar 1993 etwa 300.000 Menschen an einem von der MOSOP initiierten Protestmarsch gegen die Umweltzerstörung teilgenommen hatten, wurde die Organisation und ihre Anliegen in weiten Teilen Nigerias und international bekannt und damit eine wachsende Gefahr für die Militärregierung, der es bislang gelungen war, etwaige Proteste mit militärischen Mitteln im Keim zu ersticken.
Nachdem Ken Saro-Wiwa als führender Oppositioneller seine Kandidatur für die Constitutional Conference erklärt und MOSOP zuvor Shell zur Zahlung von Gewinnanteilen und von Schadensersatz für die vergangenen 30 Jahre Ölförderung aufgefordert hatte, wurden Ken Saro-Wiwa und einige Mitstreiter unter dem Vorwurf der Anstiftung zum Mord an Gegnern der MOSOP verhaftet. Der Vorwurf gegen Ken Saro-Wiwa war insbesondere deshalb absurd, weil er sich zur Tatzeit nachweisbar nicht an Ort und Stelle aufgehalten hatte (Danler/Brunner, 1996: 35). Gegen die Todesurteile, die gegen Ken Saro-Wiwa und acht weitere Angeklagte ausgesprochen wurden, gab es keine Rechtsmittel, vielmehr wurden sie alsbald vom Obersten Militärrat bestätigt und am 10.11.1995 vollstreckt.
<-2>Die Verurteilung und Hinrichtung der Angeklagten wurde begleitet von einem Feldzug des Militärs gegen die BewohnerInnen der Ogoni-Dörfer: Mord, Schläge, Brandstiftungen waren an der Tagesordnung; Ziel war es, die MOSOP zu zerschlagen (Danler/Brunner, 1996: 35).
In einer von Shell-London im Jahre 1995 herausgegebenen Studie »Die Erdölindustrie in Nigeria« verweist Shell zu seiner Rechtfertigung darauf, Anfang 1995 eine Umweltstudie »Niger Environment Survey« in Auftrag gegeben, bis Ende 1994 Rohrleitungen im Umfang von 1.300 km Länge erneuert zu haben und neue Ansätze hinsichtlich des Exports von Erdgas mit zu entwickeln (Shell, 1995: 6 ff.). Was die politische Lage in Nigeria betrifft, so propagiert Shell als der größte und einflußreichste der in Nigeria tätigen Ölkonzerne (Danler/Brunner, 1996: 5,10; Shell, 1995: 2) die »stille Diplomatie« gegenüber der Militärregierung mit dem Ziel, mäßigend auf die sozialen Konflikte im Land einzuwirken bzw. mit der Bitte um Nachsicht „aus humanitären Gründen“ im Falle Ken Saro-Wiwas (Shell, 1995: 8 ff). Jedenfalls im letzteren Fall ohne Erfolg.
Tschad – (k)ein neues Ogoni-Land ?
Droht im Tschad eine Entwicklung, die der in Nigeria vergleichbar ist? Oder nutzt die Regierung im Tschad die Chance, maximale Gewinne aus der geplanten Ölförderung für das eigene Land zu reklamieren, zum Nutzen der benachteiligten Bevölkerung einzusetzen und damit auch die Demokratisierung zu entwickeln?
Tschad, seit 1960 formal unabhängig, Nachbarland von Nigeria, Nachbar auch von Sudan, Libyen, Niger, Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik: ein Land ohne eigenen Zugang zum Meer.
Der äußerste Norden mit fast 50 der Gesamtfläche des Tschad – etwa zweieinhalbmal so groß wie Frankreich –, ist Wüste, der mittlere Teil – der Norden genannt wird – ist Teil der semiariden Sahelzone. Im Süden – tropisches bzw. randtropisches Gebiet – konzentrieren sich auf 25 der Gesamtfläche ca. 60 der insgesamt 6,4 Mio. Einwohner des Tschad (1995). An Verkehrswegen besitzt der Tschad insgesamt ca. 250 km asphaltierte Straßen; im Süden gibt es wegen des Baumwollanbaus und der Vermarktung dieses Produkts ein regelmäßig gewartetes Pistennetz (Matthes, 1993: 488; Fischer Weltalmanach, 1997: 705).
Im Tschad leben – Resultat der kolonialen Grenzziehung – ca. 200 Ethnien. Es gibt zwölf verschiedene Sprachgruppen mit mindestens 110 Sprachen und Dialekten. Französisch ist Amtssprache, seit 1982 auch arabisch.
<-2>In der Sahelzone leben Angehörige islamisch-sunnitischen Glaubens, die – teilweise nomadisierend – Viehzucht und Handel betreiben. Im Süden leben dagegen christlich und animistisch orientierte Ethnien, die Ackerbau treiben (Ki-Zerbo, 1992: 579). Die Ethnie der seßhaften Sara dominiert im Süden (1 Mio.) und stellt bis heute die administrative Elite, wiewohl seit 1982 ein Muslim Präsident ist (Matthes, 1993: 489; Nohlen, 1993: 679f.).
Wirtschaftlich zählt der Tschad zu den ärmsten Ländern der Welt und ist als LLDC (Least Developed Country) klassifiziert (Klassifikation nach UN-Kriterien, vgl. Michler, 1991: 42; ab 1992 gelten modifizierte Kriterien, vgl. Beermann, 1992: 58f.). Als Indikatoren hierfür seien genannt (Angaben für 1995):
- Bevölkerungswachstum 1985 – 1995: durchschnittlich 2,5 pro Jahr.
- Kindersterblichkeit: 15,2 (Fischer Weltalmanach, 1997: 705).
- Schulbesuch der Kinder: 25 (Duppel/Petry, 1997: 1).
- Analphabetenrate: 52 (Fischer Weltalmanach, 1997: 705).
- <-3>Zugang zu sauberem Trinkwasser: 1/3 der Bevölkerung (Duppel/Petry, 1997: 1).
- Durchschnittseinkommen pro Kopf 1993: 210 US $ jährlich (amnesty international, 1993: 6).
- <-2>Bruttosozialprodukt: 1.144 Mio. US $.
- Auslandsverschuldung: 908 Mio. US $ (Fischer Weltalmanach, 1997: 705f.).
Importprodukte sind Industriegüter, Maschinen, Transportausrüstungen, Nahrungsmittel, Brennstoffe. Exportgüter sind Baumwolle (mit 80 Anteil), Erdnüsse, Gummi Arabicum sowie Produkte aus der Viehzucht (Fischer Weltalmanach, 1997: 706).
Der Tschad besitzt bisher nicht erschlossene Bodenschätze: Uran, Gold, Zinn, Bauxit im äußersten Norden (Nohlen, 1993: 680), in dem von Libyen ehemals besetzten Azouzou-Streifen (SIPRI, 1988: 178 f.; Herz, 1988: 94 f.) sind es Wolfram, Zinn, Blei und Uran (Matthes, 1993: 488 f.), vor allem aber ist es Erdöl (dazu i. e. unten).
Der mehr als 30 Jahre dauernde Krieg und Bürgerkrieg und die Dürre der Jahre 1982 bis 1985, während der 80 des Viehbestandes zugrunde ging, haben zu Migrationsbewegungen größeren Umfangs geführt (Herz, 1988: 95): von Norden nach Süden (ca. 500.000 Flüchtlinge), dort vor allem in die Städte und in andere Nachbarländer. Dort lebten Tausende von Flüchtlingen in Lagern. Die Überschwemmungen durch die beiden großen Flüsse im Jahre 1988 machten ca. 50.000 Personen obdachlos, die ebenfalls im Süden Zuflucht suchten. Dadurch verschob sich das Ungleichgewicht zwischen Norden und Süden erneut nach Süden, mit der Folge, daß die ohnehin unzulänglich entwickelte Infrastruktur hier, z.B. im Hinblick auf Gesundheits- und Wohnungsversorgung, Ausbildungs- und Transportmöglichkeiten, total überlastet wurde (Matthes, 1993: 489; Nohlen, 1993: 680).
Politisch wird der Tschad durch den im Jahre 1990 nach einem Militärputsch an die Macht gekommenen Idriss Déby regiert, der durch die Wahl vom Juli 1996 in seinem Amt bestätigt wurde . Allerdings wurden bei Durchführung der Präsidentschaftswahlen u.a. zwei aussichtsreiche Kandidaten gerichtlich von der Teilnahme ausgeschlossen, ein anderer Kandidat wurde inhaftiert und mußte seinen Wahlkampf vom Gefängnis aus führen (Auswärtiges Amt, 1995: 1).
In der neuen Verfassung des Tschad vom März 1996 ist das Prinzip der Gewaltenteilung verankert. Der Katalog der Grundrechte enthält zugleich die Verpflichtung des Staates, diese zu achten und zu schützen. Willkürliche Verhaftungen sind verboten, es gilt die Unschuldsvermutung; die Möglichkeit der Verteidigung wird garantiert, ebenso wie der Anspruch des Einzelnen auf rechtliches Gehör. Auch Polizei und Gendarmerie werden zur Beachtung der Menschenrechte verpflichtet. Die Regierung des Tschad hat überdies die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UN von 1948, die Banjul Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker von 1981, das Übereinkommen gegen Folter von 1984 sowie andere internationale Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte unterzeichnet und hat durch Gesetz vom August 1994 eine nationale Menschenrechtskommission etabliert, welche die Regierung in Angelegenheiten der Menschenrechte, in Frauen- und Minderheitenfragen beraten soll (Auswärtiges Amt, 1995: 1f.).
Menschenrechte stehen nur auf dem Papier
Diese rechtsstaatlich-liberalen Grundpositionen stehen jedoch nur auf dem Papier. Das von Déby bei Amtsantritt und in Abgrenzung zu seinem Vorgänger, dem seit 1982 diktatorisch herrschenden Oberst Hissène Habré, abgegebene Versprechen der Demokratisierung von Staat und Gesellschaft wurde nicht umgesetzt (amnesty international, 1993: 4 ff.). Vertreter von tschadischen Menschenrechtsorganisationen sowie MitarbeiterInnen von amnesty international und anderen Organisationen berichten seit Débys Amtsantritt kontinuierlich und detailliert von
- willkürlichen Verhaftungen
- Langzeitinhaftierungen ohne Anklage bzw. Gerichtsverfahren
- Isolationshaft
- Verschwinden von Personen
- Überfällen auf Häuser, Wohnungen oder ganze Dörfer
- Morddrohungen
- außergerichtlichen und öffentlichen Hinrichtungen
- Vergewaltigungen und Mißhandlungen von Frauen
seitens der Sicherheitskräfte, von einer Zunahme unterschiedlicher Erscheinungsformen von Gewalt also, bei der die Täter unverfolgt und unbestraft blieben (amnesty international, 1993; amnesty international, 1996a; Beassemda: 3 f.; amnesty international, 1997b: 1; amnesty international, 1997c). Einen vorläufigen Höhepunkt erreichte die Gewaltspirale Ende 1996, als der Generaldirektor der Gendarmerie mit Unterstützung des Präsidenten Déby anordnete, Taschendiebe, die auf frischer Tat ertappt werden, sofort zu erschießen, ein Befehl, dem Anfang 1997 seitens Polizei und Militär in zahlreichen Fällen Folge geleistet wurde (amnesty international, 1996b: 1; Fischer Weltalmanach,1997: 706; amnesty international, 1997c: 1).
Die Ursachen für die gravierende Mißachtung der Menschenrechte sind vielfältig: Sie resultieren aus der kolonialen Vergangenheit ebenso wie aus bestehenden krassen ökonomischen und politischen Disparitäten. Nicht zuletzt aber sind die Ende der achtziger Jahre entdeckten Ölvorkommen im Umfang von ca. 930 Mio. t Grund für eine weitere Zunahme von massiven Verletzungen der Menschenrechte (Horta, 1997: 1; Bauchmüller, 1997: 63). Die Ölfelder, deren Ausbeutung anvisiert wird, liegen im Tschad-See (Sidigui) und im Doba-Becken im südlichen Tschad (Miandoum, Bolobo, Komé) (Zint, 1997: 3; Ngarlejy, 1997: 1). Ein Konsortium von Esso (Exxon; 40 ), Shell (40 ) und elf aquitaine (20 ) (Horta, 1997: 3) bereitet auf der Grundlage eines Vertrages mit der Regierung des Tschad vom Februar 1995 die Ölförderung vor: Die Vorkommen sollen mit 300 Bohrbrunnen erschlossen und ab dem Jahr 2001 täglich 225.000 barrel gefördert werden (Horta, 1997: 2; Rademaker, 1997: 1). Der Abtransport des Öls wird mittels einer neuen unterirdisch geplanten Pipeline erfolgen, die 170 km durch tschadisches und knapp 1.000 km durch kamerunisches Territorium geführt werden soll. Sie geht mitten durch das Siedlungsgebiet von Pygmäen und endet in Kribi, einer kamerunischen Hafenstadt, die von Naturschutzgebiet umgeben ist (Leurres, 1997: 6 ff.; Horta, 1997: 9). Dort wird das Öl zum Weitertransport auf Schiffe verladen (Bauchmüller, 1997: 63). Die Mitbenutzung der bereits vorhandenen Pipeline nach Limbé, die ausschließlich durch anglophones kamerunisches Gebiet führt, wurde von elf aquitaine abgelehnt, weil die neue Pipeline ausschließlich durch den frankophonen Teil Kameruns geführt und damit gleichzeitig dem französischen Militär ein rascher Zugangsweg zum Tschad für den Fall künftig notwendiger Kriseninterventionen eröffnet werden soll (Horta, 1997: 9; Ngarlejy, 1997: 1).
Die Weltbank soll mitfinanzieren
Nach Vorbereitungsarbeiten für die Ölförderung wird die Durchführung des mindestens 3,5 Mrd. US $ teuren Projekts seitens des Konsortiums von der externen Mitfinanzierung durch die Weltbank und ihre Tochtergesellschaften IDA (International Development Association) und IFC (International Finance Corporation) abhängig gemacht (Rademaker, 1997: 1; Ngarlejy, 1997: 1; Deutsche Bundesbank, 1992: 54 f.). Dabei wollen sich die Ölgesellschaften den Ruf der Weltbank, nur ethisch integere Projekte zu fördern, zunutze machen (Bauchmüller, 1997: 1). Nicht zuletzt sichert eine Beteiligung seitens der Weltbank ihnen auch die Möglichkeit, nachfolgend weitere Kredite auf dem internationalen Kapitalmarkt zu erlangen (Koordinationsbüro Erdölprojekt, 1998a: 1).
Von seiten der Weltbank wurde das Projekt als eines der Kategorie A identifiziert, als ein Projekt also, dessen Umweltverträglichkeit fraglich ist und vor der Entscheidung über die Kreditvergabe umfassender Prüfung bedarf (Tschad-Kamerun, 1998: 1; Commission for environmental impact assessment, 1998: 2).
Riesige Probleme für Menschen und Umwelt
Die Probleme, die durch die Erdölförderung im Tschad hervorgerufen werden, sind immens. Das Doba-Becken, als Zentrum der Ölförderung vorgesehen, ist das fruchtbarste Gebiet im Tschad: Hier wird der größte Teil der Nahrungsmittel, vor allem Hirse, Sorghum, Maniok, Süßkartoffeln produziert – ebenso wie Baumwolle, das wichtigste Exportprodukt (Zint, 1997: 2; Nohlen, 1993: 680).
Landenteignungen für die Herstellung der erforderlichen Infrastruktur haben bereits begonnen: Aus den Fördergebieten werden mindestens 1.500 Familien vertrieben werden, weitere werden der projektierten Pipeline weichen müssen (Ngarlejy,1997; Horta, 1997). Damit einher geht die Zerstörung von Häusern, Bäumen, fruchtbaren Feldern, also die Gefährdung der ausreichenden Versorgung mit Nahrungsmitteln (Rademaker, 1997: 2; WEED, 1997: 2). Der von ESSO zur Vorlage bei der Weltbank konzipierte »Compensation and Resettlement Plan« vom Februar 1998 wirft vielfältige Probleme auf hinsichtlich der Voraussetzungen, des Umfangs und des Verfahrens der Entschädigung. Bemerkenswert erscheint zudem, daß die Bevölkerung vor Ort in die Kontrolle der Entschädigungs- und Umsiedlungsprogramme nicht einbezogen wird, die Kontrolle selber nur punktuell stattfinden soll. Es besteht begründeter Anlaß zu der Annahme, daß die zuvor für die Betroffenen vorhandenen Reproduktionsmöglichkeiten mittels dieser Programme nicht adäquat ersetzt bzw. wiederhergestellt werden (Schönegg, 1998: 1 ff.).
Es ist außerdem – auch wiederum mit Rücksicht auf die im Niger-Delta gemachten Erfahrungen – vorhersehbar, daß sich die bestehenden sozialen Strukturen grundlegend verändern werden: Die geplante Erdölförderung wird zusätzliche Arbeitskräfte erfordern, zusätzliches Geld wird in die Region fließen, Korruption, Kriminalität und auch die Ausbreitung von AIDS werden damit wahrscheinlich einher gehen, bisher bestehende Familien- und Dorfstrukturen zerstört werden (Danler/Brunner, 1996: 15,19; 36, S.2).
Experten gehen überdies davon aus, daß – auch bei Einsatz modernster Technik – Lecks entstehen, Öl in den Boden sickern wird, und Grundwasser, Flüsse sowie Böden im Umfeld der Pipeline kontaminiert werden, eine Konsequenz, die besonders schwer wiegt, weil der Tschad mit seinem trockenen und heißen Klima auf das vorhandene Wasser existentiell angewiesen ist. Daß die Pipeline unterirdisch verlegt wird, erschwert zudem Reparaturen, die angesichts erhöhter Korrosionsgefahren um so notwendiger sein werden (36, S.2; Horta, 1997: 9f.).
Das Ölprojekt birgt aber auch politische Gefahren, wurde es doch – gemessen an den von der Weltbank aufgestellten Kriterien partizipatorischer Entwicklung (Adams/Rietbergen-McCracken, 1994: 36 f.) – ohne Einbeziehung der Betroffenen vorbereitet (Dames and Moore, 1997: 15; Zint/Petry, 1997: 19 f.; urgewald, 1998a: 2.; Tschad-Kamerun, 1998: 1) bzw. wurden Ansätze zur Information der betroffenen Bevölkerung vor Ort unter militärischer Präsenz durchgeführt (Commission for environmental impact assessment, 1998: 9; Zint, 1998a), eine Konstellation, die eher geeignet ist, die Bevölkerung abzuschrecken bzw. zu vertreiben. Ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor ist die Tatsache, daß die Angehörigen der Armee überwiegend aus der Ethnie rekrutiert werden, welcher der Präsident angehört, bzw. aus verbündeten Ethnien (Horta, 1997: 5; amnesty international, 1993: 23).
Schließlich gibt es in verschiedenen Landesteilen einen bewaffneten Widerstand: Z.B. die in der südlich gelegenen Doba-Region operierende Rebellenbewegung, die einen föderativen Staatsaufbau zu ihrem Hauptziel erklärt hat. Der in Aussicht stehende Ölreichtum aus den Förderquellen des Südens hat nämlich Forderungen nach größerer Autonomie dieses Landesteils bzw. nach einem föderativen Staatsaufbau reaktualisiert, nicht zuletzt, weil die Entscheidungen über die Verwendung der Gewinne aus der Ölförderung ausschließlich im Norden gefällt werden (Horta, 1997: 5; WEED, 1997: 2).
Die Bevölkerung – soweit sie über die Ölvorkommen informiert ist – verbindet Hoffnung mit deren Ausbeutung: Hoffnung auf Förderung des Wirtschaftswachstums und der Infrastruktur, auf Arbeitsplätze und eine Verbesserung der Lebensbedingungen. Die Chancen hierfür sind minimal. Zum einen, weil die Gelder der Weltbank-Organisationen nicht in konkrete soziale Projekte fließen, sondern in den Bau der Pipeline und anderer Infrastruktureinrichtungen im Kontext des Ölprojekts bzw. an das Konsortium direkt ausbezahlt werden sollen (WEED, 1997: 1; Bauchmüller, 1997: 64). Erst Einnahmen aus dem Ölgeschäft sollen in einen staatlichen Entwicklungsfonds zur Bekämpfung der Armut eingezahlt werden. Doch allein die tschadische Regierung entscheidet über die Verwendung dieses Geldes, so daß begründete Zweifel bestehen, ob es tatsächlich all jenen zugute kommt, die es am dringendsten brauchen (Horta, 1997: 3 f.; Bauchmüller, 1997: 64f.).
Diese Zweifel werden verstärkt durch die Tatsache, daß die Regierung dem Konsortium – mit Rücksicht auf die hohen Kosten für den Bau der Pipeline und den Erdölhafen von Kribi – hohe und total unangemessene Steuervorteile eingeräumt hat: Während der ersten dreißig Jahre der Ölförderung resultiert daraus ein Verzicht auf Steuereinnahmen in Höhe von 21 Mrd. US $. De facto bezahlt somit der Tschad dafür, daß elf aquitaine sich geweigert hat, die bereits vorhandene Pipeline zu nutzen. 3 Mrd. US $ – Tantiemen aus dem Verkauf des Erdöls – bezahlt die Regierung außerdem an das Konsortium für die Errichtung einer kleinen Raffinerie am Tschad-See, von der aus das dort gewonnene Öl nach N’Djamena gepumpt und im Tschad verbraucht werden soll (Ngarlejy, 1997: 1 f.). Schließlich sieht das Übereinkommen zwischen der tschadischen Regierung und dem Konsortium vor, daß der Tschad Ausgleichszahlungen leisten muß im Fall, daß der Ölpreis 17 $ pro Barrel unterschreiten wird (Le pipeline Phantom, 1997). Die derzeitigen jährlichen Einnahmen des Staates betragen hingegen lediglich etwa 100 Mio. US $ für die Erteilung der Erdöllizenzen (Ngarlejy, 1997: 1f; 36, S.2).
Pipeline Verträge im Interesse der Ölkonzerne
An dieser Stelle sollen wichtige Regelungen vorgestellt werden, die in dem Vertrag zwischen der Regierung der Republik Kamerun einerseits und der Cameroon Oil Transportation Company (COTCO) andererseits enthalten sind und der am 7.8.1997 per Gesetz anerkannt worden ist (FERN, 1998: 1).
In COTCO sind auf der einen Seite die Regierungen Tschads und Kameruns zu je 25 vertreten, auf der anderen Seite ein Konsortium der Ölgesellschaften Shell, ESSO und elf aquitaine zu insgesamt 50 (FERN, 1998: 1). Der Vertrag zwischen den Parteien wird als privater Vertrag verstanden, der 25 Jahre lang gelten soll und auf Wunsch von COTCO um 25 Jahre verlängert werden kann: Eine demokratische Mitbestimmung Betroffener zumindest bei der Festlegung der Nutzungsbedingungen für die folgenden 25 Jahre ist nicht vorgesehen, so daß zwischenzeitlich aufgetretene Probleme keine Berücksichtigung finden (FERN, 1998: 1).
Der Vertrag selbst enthält umfangreiche Ermächtigungen zugunsten von COTCO, z.B. was die Nutzung der Umwelt betrifft. Darüber hinaus erhält COTCO das Recht, sich in dringenden Notfällen oder im Falle plötzlicher Gefahr für Menschen oder Umwelt in ausschließlich eigener Verantwortung Zugang zu jedwedem privaten oder öffentlichen Land zu verschaffen, um die Ursachen für die Gefahrenlage herauszufinden bzw. ihr abzuhelfen. Nach Ansicht von FERN, einer NGO in Belgien, die den Vertrag analysiert hat, handelt es sich hier um eine Ermächtigung, die COTCO weitestreichende Kompetenzen verleiht, bis hin zu paramilitärischen Interventionen, z.B. für den Fall, daß sich irgendein Widerstand gegen das Pipeline-Projekt oder seine Folgen entwickeln wird (FERN, 1998: 3).
Abschließend legt der Vertrag zwischen der Regierung Kameruns und COTCO fest, daß nationales Recht der Republik Kamerun gegenüber dem Vertrag nachrangig ist, soweit es diesem Vertrag widerspricht . Die gleiche Regelung wird im Verhältnis zum internationalen Recht getroffen (FERN, 1998: 3). Unabhängig davon, ob dieser Vertrag oder einzelne seiner Bestimmungen überhaupt rechtswirksam sind, dokumentieren sie jedenfalls eindeutig die Machtverhältnisse und das Rechtsverständnis der beteiligten Vertragsparteien.
Ein analoger Vertrag zwischen der Regierung des Tschad und der privaten Gesellschaft TOTCO (Tchad Oil Transportation Company) ist in Vorbereitung (Commission for environmental impact assessement, 1998, Appendix 2), sein Inhalt bisher nicht bekannt. Es besteht allerdings Grund zu der Annahme, daß in ihm ebenso weitreichende Befugnisse zugunsten des Ölkonsortiums enthalten sein werden.
Wege aus der Gewalt: Die Arbeit der Menschenrechts- organisation ATNV (Association Tchadienne Non Violente)
Die krassen Erscheinungsformen physischer und struktureller Gewalt haben zur Entstehung aktiver zivilgesellschaftlicher Organisationen im Tschad geführt. Sie arbeiten mit dem Ziel, der Gewalt entgegenzuwirken, den Schutz und die Erhaltung der Umwelt zu sichern, zur Entwicklung der Demokratie im Land beizutragen und für die bestehende Pressefreiheit zu kämpfen (Horta, 1997: 4; amnesty international, 1993: 7; EIRENE, 1998a: 2).
Stellvertretend soll hier die ATNV vorgestellt werden, die im Jahre 1991, kurz nachdem sich Präsident Déby an die Macht geputscht hatte, von Christen im südlichen Tschad als erste gewaltfreie Organisation in Anknüpfung an Theorie und Praxis der Gewaltlosigkeit bei Gandhi und in der christlichen Tradition gegründet wurde.
Die Gründer setzen sich für den Frieden im Land, für Freiheit und Menschenrechte, für Versöhnung und Demokratie, gegen Unwissenheit, Elend und Unterentwicklung ein. Heute hat die Organisation 5.000 aktive Mitglieder und 61 lokale Komitees. Auch Frauen sind in dieser Organisation aktiv (Beassemda, 1997).
Die ATNV hat im Konflikt zwischen Ackerbauern und Viehzüchtern aktiv vermittelt mit dem Ziel, ihn ohne weitere Gewalt einer Lösung zuzuführen. Nachdem die lokalen »Dialog-Komitees« zunächst mit beiden Parteien getrennt zusammen gekommen waren, um die jeweiligen Sichtweisen kennenzulernen, und nachdem sie die durch die Nomaden-Viehzüchter verursachten Schäden auf den Feldern inspiziert hatten, brachten sie die Konfliktparteien zusammen, um über Schaden und Entschädigung gemeinsam zu beraten und zu beschließen.
Ähnlich ging die Organisation bei der Konfliktvermittlung zwischen Rebellen und Regierung vor, jeweils Schlichtungstraditionen, wie sie in afrikanischen Gesellschaften existieren, mit einbeziehend. Im April 1997 führte diese Mediation zum Friedensschluß zwischen der Regierung und den Rebellen. Ein Friedensschluß, der zwar nur wenige Monate andauerte, der aber dennoch ein erstes Beispiel praktischer und – zumindest zeitweilig – effektiver Mediations- und Friedensarbeit darstellt. Vor allem aber wird daran deutlich, welche Bedeutung und Einflußmöglichkeiten zivilgesellschaftliche Organisationen im Tschad inzwischen erlangt haben.
Neben der aktuellen Konfliktlösung ist es Ziel der Arbeit von ATNV, dauerhafte Strukturen zu entwickeln, die dazu geeignet sind, immer dann, wenn Konflikte erstmals auftreten oder erneut aufbrechen, zwischen den Kontrahenten zu vermitteln. Den in diesem Zusammenhang auftauchenden Gegensatz zwischen dem neu geschaffenen »Dialog der Kontrahenten« und den gesellschaftlich tradierten »Chef-Strukturen« , bei denen die Dorfchefs – oftmals stark parteiisch – als Schlichter fungieren, versuchen die Mitglieder der ATNV produktiv aufzulösen. Sie führten z.B. Seminare für die Chefs du Village und Unterpräfekten durch und legten dabei das inhaltliche Hauptgewicht auf die Verwirklichung der Menschenrechte für alle am Konflikt Beteiligten und auf die Entwicklung und Förderung gewaltfreier Konfliktlösungen zwischen ihnen (FR, 1998: 1f.).
Neben Mediationsarbeit ist die ATNV bestrebt, in die Öffentlichkeit hineinzuwirken: Sie prangert Menschenrechtsverletzungen an, appelliert an die Regierung, die in der Verfassung garantierten Grundrechte zu beachten, fordert die Ahndung repressiver und gewaltsamer Menschenrechtsverstöße seitens der Sicherheitskräfte und macht der Bevölkerung ihre Rechte und Pflichten als Staatsbürger in einer Demokratie bewußt. So übersetzt sie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UN in lokale Sprachen und macht die Menschen in öffentlichen Versammlungen mit deren Inhalt vertraut. Sie macht die Frauen mit ihren spezifischen Rechten nach tschadischen Gesetzen und aufgrund internationaler Konventionen bekannt (Beassemda, S.2; Equipe du CEFOD, 1994; Association pour la promotion).
Im Kontext der Öffentlichkeitsarbeit ist auch das Bildungszentrum vorzustellen, das ATNV in Moundou seit 1996 einrichtet mit dem Ziel, der Idee der gewaltlosen Konfliktregelung weiterreichende Geltung zu verschaffen. Dieses – Martin-Luther-King-Zentrum genannt – soll zu einem Treffpunkt in der Region werden und soll Raum bieten für eine Beratungsstelle, für Versammlungen und Bildungskonferenzen, sowie für eine Dokumentationsstelle zu Menschenrechten, Gewaltlosigkeit, Erdölförderung, etc.. Außerdem sollen im MLK-Zentrum Menschen aus verschiedenen Teilen der Sahel-Zone und aus dem gesamten Land zusammengeführt werden, um miteinander ins Gespräch und in Austausch kommen zu können (Duppel/Petry, 1997: 4; Beassemda, S.4).
<-3>Aus Protest gegen schwere Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und Militär organisierten ATNV und andere Menschenrechtsorganisationen seit 1993 immer wieder die Aktion »ville morte« – gestorbene Stadt, eine afrikanische Version gewaltfreien Widerstandes. Alle in einer Region oder Stadt lebenden Menschen verweigern die Arbeit, bleiben zu Hause, kaufen nicht ein. Die Form des Generalstreiks wurde von vielen Menschen mitgetragen und machte die Organisationen und ihre Zielsetzungen in der Bevölkerung bekannt (Duppel/Petry, 1997: 3; 38; amnesty international, 1998b: 1).
<-2>Die Organisation hat auch gegen die Einführung der Todesstrafe für Taschendiebe öffentlich und scharf protestiert und erreicht, daß sie zumindest vorübergehend suspendiert wurde (Beassemda, 1997).
Bereits seit 1994 beschäftigen sich die MitarbeiterInnen von ATNV – ebenso wie andere Menschenrechts- und Umweltorganisationen im Tschad – mit dem Erdölprojekt. Anlaß hierfür war damals die Erschießung eines Bauern, der zu einem Esso-Flugplatz gelaufen kam, weil er die Landung eines Flugzeugs beobachten wollte. Die Erschießung durch die für die Sicherheit von ESSO zuständige Gendarmerie wurde mit der Behauptung legitimiert, es habe sich bei dem Getöteten um einen Rebellen gehandelt. Nachforschungen durch ATNV und andere Organisationen ergaben die Unwahrheit dieser Behauptung; eine Strafverfolgung der Täter und eine Entschädigung der Familie des getöteten Bauern blieben trotzdem aus (Beassemda: 4; Zint, 1997: 6).
Folgeschäden des Erdölprojekts minimieren
ATNV geht nicht davon aus, daß das Erdölprojekt verhindert werden kann. Im Gegenteil: Auch ihre MitarbeiterInnen versprechen sich davon einen wirtschaftlichen Aufschwung im Lande, vorausgesetzt, ein großer Teil des erwarteten Gewinns kommt dem Tschad zugute und wird insbesondere zugunsten der Betroffenen verwendet (Beassemda, 1997: 5). Vor allem aber geht es ATNV und anderen Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) darum, die vorprogrammierten Folgeschäden des Ölabbaus zu verhindern bzw. zu minimieren. Durch beharrliche Öffentlichkeitsarbeit und Forderung nach Offenlegung hat ATNV in Kooperation mit anderen bereits einige Erfolge zu verzeichnen. So wurde z.B. die Entscheidung der Weltbank über deren finanzielle Beteiligung am Ölprojekt von September 1997 auf Ende 1998 verschoben, nachdem die NGOs darauf hingewiesen hatten, daß die tschadische Bevölkerung über das Projekt bisher so gut wie nicht informiert wurde (Collectif des Assiciations, 1998: 2; Beassemda, 1997; Bauchmüller, 1997: 64 f.), dies aber im Widerspruch zu den Förderrichtlinien der Weltbank stehe, in denen als Voraussetzung für die Kreditvergabe u.a. die Information und Partizipation der betroffenen Bevölkerung festgeschrieben sei (Adams/Rietbergen-McCracken, 1994: 36 ff.; Rademaker, 1997: 1; Koordinationsbüro Erdölprojekt, 1998a: S.2). Eine Umweltverträglichkeitsstudie wurde – statt von der tschadischen Regierung – von Esso, der führenden Gesellschaft innerhalb des Konsortiums, in Auftrag gegeben (urgewald, 1998a: 2), Ende 1997 der Weltbank überreicht und veröffentlicht. Auch hier wurde der Forderung der zivilgesellschaftlichen Organisationen nach Information Rechnung getragen (Dames and Moore, 1997; EIRENE, 1997).
Liest man allerdings die zusammenfassenden Ergebnisse dieser Auftragsstudie, so entsteht der Eindruck, daß eine Reihe von Problemen, die das Ölprojekt mit sich bringt (Sicherheitslage, Folgen des Projekts für die ansässige Bevölkerung, insbesondere im Hinblick auf Reproduktionsbedingungen, Folgen für die Umwelt), thematisiert, sie aber zugleich als mehr oder minder gelöst dargestellt bzw. verharmlost werden (Dames and Moore, 1997): Eine »Verträglichkeitsstudie« also, im wahrsten Sinne dieses Wortes.
Im Kontext des Ölförderungsprojekts haben sich die tschadischen Menschenrechts- bzw. Umweltorganisationen untereinander vernetzt und verstärkt. Gleichermaßen ist die Kooperation mit anderen afrikanischen und europäischen Organisationen weiterentwickelt worden, um die Probleme in Tschad und Kamerun einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen und vielseitige Unterstützung zu initiieren. Um die Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit in der BRD zu intensivieren, haben sich amnesty international, Brot für die Welt, WEED, urgewald, Misereor und andere NGOs auf die Durchführung gemeinsamer Aktionen -vor allem bezogen auf Öffentlichkeitsarbeit – verständigt (EIRENE, 1997: 1; Koordinationsbüro Erdölprojekt, 1998a).
Im Januar 1998 organisierten ATNV und andere lokale Organisationen eine Zusammenkunft im südtschadischen Donia – in der Förderregion gelegen –, an der Repräsentanten von Esso, der Weltbank, der tschadischen Regierung, Gäste aus Nigeria, Kamerun und Europa sowie mehr als 100 Repräsentanten/innen von NGOs teilnahmen.
Wiederum die Erfahrungen in Nigeria als Präzedenzfall vor Augen, wurde die Umweltverträglichkeitsstudie auf der Konferenz seitens der NGO-Vertreter heftig kritisiert. Auf der Grundlage dieser Kritikpunkte und ihres Selbstverständnisses initiierten sie den Dialog mit Regierung, Konsortium und Weltbank und forderten u.a. Rahmenbedingungen für die friedliche und sichere Durchführung des Ölprojekts zu schaffen unter Einbeziehung der betroffenen Bevölkerung und der Nutzung ihrer Kompetenzen vor Ort. Dazu müßten gesetzliche Regelungen bezüglich des Umweltschutzes und der Ölgewinnung formuliert, die Einnahmen aus dem Projekt kontrolliert werden und eine Entschädigung in adäquater Höhe erfolgen. Außerdem müßten weitere Untersuchungen zu den soziokulturellen und anderen Folgeproblemen seitens der Regierung in Auftrag gegeben werden. Die Weltbank wird aufgefordert, strengstens auf Einhaltung der von ihr aufgestellten Verfahrensregelungen und Vergabekriterien zu bestehen und die Regierung in Richtung auf eine Verhandlungslösung mit der Rebellenbewegung zu beeinflussen. Kompetente und erfahrene Fachleute sollten eingesetzt werden, um die Kontrolle der Ölförderung zu sichern (Zint, 1998a; Zint, 1998b; Zint, 1998c; siehe auch Erklärung von Donia im Kasten).
Diese Forderungen werden mittlerweile auch von der GCA (Groupe de Concertation et d’Action sur le Projét Pétrolier et d’Oléoduc Tchad-Cameroun), einem Zusammenschluß tschadischer und kamerunischer NGOs, und von fachkompetenten Organisationen im Ausland vertreten, nachhaltig unterstützt und um weitere Forderungen ergänzt (Commission for environmental impact assessment, 1998; Centre pour l’Environment, 1998; Tschad-Kamerun, 1998).
Brutale Gewalt soll Widerstand brechen
Seit Ende des Jahres 1997 hat sich die politische Situation im Tschad nochmals dramatisch und kontinuierlich verschärft:
Im November 1997 führten die Sicherheitskräfte eine geplante Militäraktion in der Region Moundou durch, bei der es 98 Tote sowie Verletzte, Verhaftete, Gefolterte und Verschleppte gab. Auch das Haus des Vorsitzenden der ATNV wurde zerstört. Anlaß dieser Gewaltaktion war der Aufenthalt führender Mitglieder der Rebellenbewegung FARF (Forces Armées pour la République Fédérale), die sich zur Unterzeichnung des mit der Regierung im April 1997 geschlossenen Friedensabkommens in Moundou aufhielten (EIRENE, 1998a: 2; amnesty international, 1997a: 1; amnesty international, 1998a: 1; Collectif des Associations, 1997).
Ende März 1998 verbot die Regierung jegliche Aktivitäten von Menschenrechts-Organisationen (amnesty international, 1998b). Zuvor – Anfang März – wurden bei Kämpfen im Süden des Landes mehr als 100 Menschen, zumeist unbewaffnete Zivilisten, getötet (amnesty international, 1998a; FR, 1998).
Mitte März wurden 12 Dorfvorsteher und andere Personen vom stellvertretenden Präfekten von Benoye, einem Ort nördlich von Moundou, zu Gesprächen über Steuerprobleme geladen. Am Ort der Zusammenkunft wurden sie von Sicherheitskräften festgenommen und mit anderen Personen zusammen erschossen. Uniformierte Truppen durchsuchten etwa zur gleichen Zeit das Dorf Talade – ebenfalls in der Region der Ölförderung gelegen –, 25 Einwohner wurden gefesselt und ermordet (amnesty international, 1998c: 2).
<-2>Am 18.3.1998 stürmten Militärs die Kathedrale von Moundou, nahmen den Abt und die anwesenden Personen fest. Der Abt wurde nach schweren Mißhandlungen mit einigen anderen freigelassen, die übrigen GottesdienstbesucherInnen verschwanden spurlos (AG Erdölförderung, 1998). Am folgenden Tag wurde ein Stadtteil in Moundou von Militärs durchsucht. Alle Jugendlichen wurden zusammengetrieben und ermordet, ihre Beerdigung vom Militär verboten (Koordinationsbüro Erdölprojekt, 1998b).
Am 22.3.1998 stürmten Militärs das Haus eines führenden Menschenrechtlers. Er mußte fliehen, ebenso wie Vertreter anderer lokaler Menschenrechtsorganisationen und der Vorsitzende des ATNV, der vorübergehend aus Angst um sein Leben untertauchen mußte (Koordinationsbüro Erdölprojekt, 1998b; amnesty international, 1998b).
All die genannten schwersten Menschenrechtsverletzungen weisen darauf hin, daß die Regierung neuerdings und mit großer Zielgenauigkeit daran geht, jegliche Opposition, insbesondere den Widerstand gegen das Ölprojekt, mit brutalster militärischer Gewalt niederzuschlagen bzw. im Keim zu ersticken, um so die Region zu befrieden und den Weg für die Ölförderung freizumachen (EIRENE, 1998b; 38; FR, 1998; FAZ, 1998).
Das Europäische Parlament hat in seinen Sitzungen vom Februar 1997 und Juni 1998 die anhaltenden Verletzungen der Menschenrechte im Tschad scharf verurteilt und die Regierung aufgefordert, für die Einführung rechtsstaatlicher Verhältnisse, insbesondere in Polizei und Justiz zu sorgen (Zint, 1998d: 2).
<-3>Für den Fall einer positiven Entscheidung der Weltbank fordert das Europäische Parlament von der tschadischen Regierung bzw. dem Konsortium u.a. eine umfassende Information der Öffentlichkeit, Inkraftsetzung und Einhaltung strengster Vorschriften zum Schutz der Umwelt, lokale Reinvestition eines angemessenen Anteils der Gewinne aus der Ölförderung. Die Mitgliedstaaten der EU werden aufgefordert, Druck auf die Regierung des Tschad auszuüben, damit sie die Militäraktionen im Süden des Landes beende. Das EP verlangt überdies von den EU-Staaten, ihre weitere Kooperation mit und Hilfe für den Tschad von der Einhaltung der Menschenrechte seitens der tschadischen Regierung abhängig zu machen (Europäisches Parlament, 1998: Ziff. F).
Europäische Bedenken gegen Erdölprojekt
Am 13. Februar 1998 war der Außenminister des Tschad, Annadi, zu Gesprächen mit dem Außenminister und dem Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Bonn. Von deutscher Seite wurden Bedenken gegen das Projekt zur Ölförderung im Hinblick auf potentielle Umweltschäden geäußert, Bedenken auch im Hinblick darauf, daß die Erträge möglicherweise nicht der Bevölkerung zugute kämen, daß gegen die Opposition mit Repressionen vorgegangen werde und ein neuer Bürgerkrieg entstehen könne (FAZ, 1998).
Bedenken sind keine Bedingungen – das hat die Entwicklung nach diesen Gesprächen allzu deutlich gezeigt. Die Regierung der BRD könnte eine gewichtige Rolle im Hinblick auf die von der Weltbank zu treffende Entscheidung über die Beteiligung am Ölprojekt im Tschad übernehmen, ist Bonn doch einer der größten Geldgeber der Weltbank und ihrer Tochtergesellschaften IDA und IFC und ständiges Mitglied in den Exekutivdirektorien dieser Organisationen mit Stimmrecht in Relation zur Höhe des eingezahlten Kapitalanteils (Deutsche Bundesbank, 1992: 56 ff., 83 ff., 88 ff.).
Demgemäß hat der Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung des Deutschen Bundestages im Juni 1998 einem Entschließungsantrag zugestimmt, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, ihre Zustimmung zu einer Beteiligung der Weltbank am Tschad-Kamerun-Ölprojekt davon abhängig zu machen, daß das Vorhaben umweltverträglich und unter Beteiligung der Betroffenen durchgeführt wird, daß es zur Entwicklung der Volkswirtschaft und zur Bekämpfung der Armut beiträgt und die Menschenrechte Beachtung finden (Deutscher Bundestag, 1998: 3).
Immerhin hat die Bundesregierung inzwischen die von ESSO vorgelegte Umweltverträglichkeits-Studie überprüfen lassen und das Ergebnis an die Weltbank übersandt.
Die Regierung der Niederlande hat ein unabhängiges Fachgremium mit der Erstellung einer Expertise beauftragt: Sie bezieht sich auf die Umweltprobleme in Tschad und Kamerun. Die Autoren empfehlen im Falle der Förderung des Projekts seitens der Weltbank, eine internationale interdisziplinäre Beraterkommission einzusetzen, die dazu beitragen soll, die Weltbank in der Umsetzung ihrer Politik des Umweltschutzes, der Armutsbekämpfung, der Wiederansiedlung und der Partizipation der Betroffenen zu unterstützen (Commission for environmental impact assessment, 1998: 2). Die Regierung der Niederlande selbst hat der Weltbank eine Vertagung der Entscheidung empfohlen (urgewald, 1998a: 2f.).
Am 3.6.1998 wurde der Parlamentarier Ngarlejy Yorongar zusammen mit zwei Journalisten wegen angeblicher Verleumdung des Präsidenten der Nationalversammlung verhaftet. Er hatte jenem vorgeworfen, Geld zur Finanzierung seines Wahlkampfes von elf aquitaine angenommen zu haben. Die Interparlamentarische Union in Genf untersuchte diesen Fall und kam zum Ergebnis, daß Yorongars Meinungsäußerung durch das Abgeordnetenmandat gedeckt sei (Resolution zu Cas No. CHD/01- Ngarlejy Yorongar – Tchad) (amnesty international, 1998e; AG Erdölprojekt Tschad-Kamerun, 1998). Yorongar ist schärfster Kritiker der tschadischen Regierung und des Ölprojekts: Er stand damals kurz vor einer Reise nach Brüssel zum Vortrag über die Probleme dieses Vorhabens (urgewald, 1998b; Telkämper, 1998; Collectif des Associations, 1998).
Das Europäische Parlament hat auch die Verhaftung Yorongars entschieden verurteilt und die tschadische Regierung aufgefordert, ihn sofort frei- sowie eine demokratische Diskussion über die Lage im Land und über das Ölprojekt zuzulassen (Europäisches Parlament, 1998: Ziff.F 2). Am 20. Juli 1998 wurde Yorongar nach einem Verfahren unter Vorenthaltung elementarer Verteidigungsrechte zu 3 Jahren Haft verurteilt: Das Strafmaß übersteigt die gesetzlich für Beleidigung vorgesehene Haftstrafe um ein Jahr! Die beiden Journalisten erhielten jeweils eine Geldstrafe: auch sie ist doppelt so hoch wie die gesetzlich vorgeschriebene Höchstsumme (amnesty international, 1998e).
Nach Ansicht des Generaldirektors von ESSO-Tschad, Jean-Pierre Petit, handelt es sich bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen und Menschenrechtsverletzungen um eine innere Angelegenheit des tschadischen Staates, welche die Planungen des Konsortiums nicht tangiert (Zint, 1998d). Aus dieser Sicht ist es nur konsequent, daß mit den Vorbereitungsarbeiten – Bau der Camps und der Zufahrtsstraßen – für die Verlegung der Pipeline bereits begonnen wurde (AG Erdölprojekt Tschad-Kamerun, 1998b). Die Röhren für die Pipeline werden von Mannesmann und Preußag geliefert.
Menschenrechtsverletzungen im Tschad
Entschließung des Europa-Parlaments vom 20.02.1997
Das Europäische Parlament,
A…beunruhigt über die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen im Tschad, einem Land, in dem Militär- und Polizeiangehörige systematisch ohne vorheriges Gerichtsverfahren Hinrichtungen an Bürgern vornehmen, die der Zugehörigkeit zu Oppositionsgruppen verdächtigt oder als Straftäter angesehen werden,
B…bestürzt darüber, daß Vergewaltigung auch zu den üblichen Repressions- und Einschüchterungsmitteln gegenüber Opfern gehört, und über die alltägliche Anwendung der Folter, bei der einige traditionelle und besonders grausame Formen – wie »Arbatachar« von den Ordnungskräften als völlig normale Amtshandlungen betrachtet werden,
C…betroffen über das Telegramm mit Weisungen an die »Gruppierungen der Spezialeinheiten«, durch das mit dem Befehl zur physischen Vernichtung aller auf frischer Tat ertappten Diebe willkürlichste staatliche Gewalt legalisiert wurde,
D…in der Erwägung, daß einige Mitgliedstaaten der Regierung des Tschad politische, finanzielle und vor allem militärische Hilfe gewährt haben, ohne die Folgen der Menschenrechtsverletzungen für die Opfer zu berücksichtigen,
E…unter Hinweis auf die derzeit im Land laufenden Wahlen und die Tatsache, daß der Tschad das Abkommen von Lomé unterzeichnet hat, das zur vollen Achtung der Menschenrechte verpflichtet,
Das Europäische Parlament,
1…verurteilt alle im Tschad gegenwärtig weiterbestehenden Formen der Gewalt wie Hinrichtungen, willkürliche Verhaftungen, Folter und Vergewaltigung;
2…verlangt die sofortige und bedingungslose Freilassung aller politischen Häftlinge, Journalisten und Menschenrechtsaktivisten;
3…fordert die Behörden des Tschad auf, die Weisungen an die »Gruppierungen der Spezialeinheiten« unverzüglich zu widerrufen und sich für einen Rechtsstaat und eine auf die Achtung der Menschenwürde gegründete Justiz einzusetzen;
4…betont, daß es unerläßlich ist, den Menschenrechtsverletzungen ein Ende zu setzen, die dafür Verantwortlichen vor Gericht zu stellen und das Gerichtssystem und die Ordnungskräfte zu reformieren, und fordert den Rat und die Kommission auf, diese Reformen im Richtprogramm des Tschad vordringlich zu unterstützen;
5…fordert den Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ihrer Verantwortung angesichts der Lage im Tschad nachzukommen, ihre Zusammenarbeit von der Einhaltung der Menschenrechte durch die Behörden abhängig zu machen und insbesondere darüber zu wachen, daß die Militärhilfe nicht zur Begehung von Menschenrechtsverletzungen mißbraucht wird;
6…ist der Auffassung, daß der Status des Tschad als Empfänger von Hilfsleistungen gemäß dem Abkommen von Lomé im Lichte der Fortschritte, die die künftigen Machthaber des Landes hinsichtlich der Achtung der Menschenrechte erzielen, überprüft werden muß;
7…beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Regierung des Tschad, den Kopräsidenten der Paritätischen Versammlung AKP-EU, der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen und der OAE zu übermitteln.
Deklaration des Seminares von Donia
Am 20.-25.1.1998 trafen sich in Donia im Süden des Tschad ca. 130 Teilnehmer aus Nichtregierungsorganisationen, Menschenrechtsorganisationen, Bauernvereinigungen, religiöse und lokale Führer zu einem Informationsseminar über das Erdölprojekt. ESSO-Vertreter, ein Weltbankmitarbeiter und Mitarbeiter des Energie- und des Umweltministeriums standen Rede und Antwort. Im Mittelpunkt stand die Umweltverträglichkeitsstudie. Am Ende des Seminares erklärten die Teilnehmenden:
Wir, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Informations- und Austauschseminars über das tschadische und kamerunische Erdöl, versammelt am 20.-25.1.1998 in Donia im Tschad haben folgenden Zustand festgestellt:
Die Dokumentation der Zone – genauer gesagt: präzise Daten über die natürlichen Ressourcen und die Bevölkerung, Karten der Förderzone, die Größe der zu erwartenden Auswirkungen des Erdöls – steht jetzt zur Verfügung.
Zweiter positiver Aspekt ist die geistige Offenheit für den Dialog bei der Regierung, den Mitgliedern des Konsortiums, der Weltbank und der Zivilgesellschaft, die Fähigkeit der Vertreter der Regierung, des Konsortiums, der Zivilgesellschaft, der Weltbank und der Basisgemeinden zuzuhören und sich positiv auszutauschen.
Demgegenüber haben wir folgende Mängel festgestellt:
- Einige Etappen des Verfahrens der Weltbank im Bereich der Konsultation und Leitung des Projektes wurden von dem Konsortium und der Regierung nicht respektiert.
- Es gibt Mängel in der Umweltverträglichkeitsstudie und im Umweltmanagementplan.
- Vernachlässigung sozio-kultureller Aspekte.
- Die schwache Bewertung und Bedeutung lokaler Kompetenzen, namentlich des CIRAD, des ONDR (Organisation National pour la Development Rural) und der Nichtregierungsorganisationen.
- Die Nichtexistenz eines Umweltrechts.
- Das permanente Klima der Unsicherheit, das den Tschad und insbesondere die Zone, in der das Öl gefördert wird, regiert.
- Unangemessene Entschädigungs- und Ausgleichsmaßnahmen.
- Fehlende Klarheit über die Verwaltung der Einnahmen aus der Erdölförderung.
- Negative Effekte, die das Erdölprojekt auf biophysischer, sozio-ökonomischer und kultureller Ebene haben könnte.
Aus dem, was voraus geht, haben wir einige Vorschläge gewonnen...:
Wir schlagen der Weltbank vor, die Einhaltung ihrer Richtlinien und Verfahrensweisen schärfstens zu kontrollieren.
Wir schlagen der Regierung vor:
- vor Beginn des Erdölprojektes eine Studie über sozio-ökonomische Begleitauswirkungen durchzuführen,
- juristische Texte über das Umweltmanagement und die Erdölförderung zu erarbeiten,
- alles in ihrer Macht stehende zu tun, um Frieden und Sicherheit zu schaffen,
- die Zivilgesellschaft in der Verwaltung, Begleitung und Kontrolle der Erdöleinnahmen zu beteiligen,
- eine kompetente und erfahrene Equipe einzusetzen, um die Begleitung und Kontrolle des Projektes sicherzustellen.
Wir schlagen der Regierung und dem Konsortium vor, ein System angemessener Entschädigungen und Ausgleichszahlungen zu schaffen, das allen betroffenen Werten, Gütern und Erbgütern Rechnung trägt.
Die Nichtregierungsorganisationen laden wir ein,
- ihre Informationsprogramme zu intensivieren, um die betroffenen Gemeinschaften zu sensibilisieren und zu informieren,
- Mechanismen zu schaffen, um bei der Verwaltung der Ressourcen – bei Kompensationen und Entschädigungen – zu helfen,
- ein Informationsnetzwerk über das Erdölthema auf lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene zu entwickeln.
Zuletzt laden wir die Nichtregierungsorganisationen und die lokalen Gemeinschaften ein, eine neue Strategie für den Umgang mit der Umwelt vor Ort zu entwickeln.
Donia, den 25.1.1998.
(Abschrift vom Band auf Französisch: Martin Zint, Übersetzung: Günter Schönegg)
Europa-Parlament zur Lage im Tschad
Das Europäische Parlament beschloß am 18.6.1998 „unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zur Lage im Tschad,
- in Anbetracht der schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen im Tschad seit Oktober 1997, die mit dem Massaker an 100 unbewaffneten Zivilisten in der Region Logone im März 1998 ihren Höhepunkt gefunden haben und gekennzeichnet durch Hinrichtungen, willkürliche Inhaftierungen und Folter durch die tschadischen Sicherheitskräfte, wie Amnesty International und tschadische Menschenrechtsorganisationen anprangern,
- in der Erwägung, daß Ngarlejv Yorongar, Mitglied der Opposition im tschadischen Parlament, am 2. Juni 1998 aufgrund einer Anklage wegen Diffamierung verhaftet wurde,
- zutiefst besorgt über die kürzliche Inhaftierung der Journalisten Koumbo Synga und Polycarpe Togamessi,
- in der Erwägung, daß Ngarlejv Yorongar ein vehementer Kritiker des Tschad-Kamerun-Ölförderungs- und Pipelineprojektes gewesen ist, das von einem internationalen Konsortium angeführt wird und bei der Weltbank anhängig ist, die ihre Bewilligung an den Abschluß einer Umweltverträglichkeitsprüfung geknüpft hat, die noch vor Herbst 1998 erfolgen soll,
- in der Erwägung, daß das internationale Konsortium öffentlich erklärt hat, daß es ohne Beteiligung der Weltbank das Projekt nicht weiterbetreiben will,
- unter Hinweis auf die prekäre Situation der örtlichen Gemeinschaften in dem Projektgebiet, die auf die fortdauernde politische Instabilität und die Menschenrechtsverletzungen zurückzuführen ist, sowie unter Hinweis auf die Bedeutung dieser Region für die nationale Landwirtschaft,
- fordert (das Europäische Parlament) den Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Druck auf die tschadische Regierung auszuüben, die Menschenrechte und die Gesetze im ganzen Land anzuerkennen und die militärischen Aktionen im Süden unverzüglich zu beenden;
- verlangt (das europäische Parlament) die sofortige Freilassung von Ngarlejv Yorongar und fordert die tschadische Regierung ferner auf, demokratische Diskussionen sowohl über die Lage im Land als auch über das geplante Ölprojekt in der Doba-Region zuzulassen;
- fordert (das Europäische Parlament) die tschadische Regierung und das internationale Konsortium auf, das Ölförderprojekt nur im Falle einer positiven Bewertung durch die Weltbank fortzusetzen und u.a. folgende Garantien zu geben:
- umfassendere Unterrichtung der Öffentlichkeit über das Ölförderprojekt;
- Schutz der einheimischen Bevölkerungsgruppen und angemessener Ausgleich für die Menschen, die gezwungen sind, ihren Wohnort zu verlassen, und zwar unter strikter Wahrung der Menschenrechte;
- überaus strenge Umweltschutzvorschriften, die sich auf Verhütung von Ölaustritt, Streckenführung der Pipelines, Luftqualität, »Disease-Control« und Unfallverhütung erstrecken;
- lokale Reinvestition eines angemessenen Anteils der Projektgewinne;
- beauftragt (das Europäische Parlament) seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen der Mitgliedstaaten, den Regierungen und Parlamenten des Tschad und Kameruns sowie der Weltbank zu übermitteln.“
Für die Überlassung von Materialien und Dokumenten und für Diskussion bei der Abfassung des Manuskripts danke ich Susanne Breitkopf (urgewald), Martin Petry (Brot für die Welt), Günter Schönegg (EIRENE) und Martin Zint (Journalist).
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urgewald (1998b): To Mr. James D. Wolfensohn, President, The World Bank, Washington; Subject: Urgent – Arrest of Opposition Parlamentarian Mr. Yorongar in Connection with the Chad/Cameroon Oil and Pipeline Projekt, Brief vom 4.6.1998, Sassenberg.
WEED (Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung e.V.) (1997): Weltbankpräsident Wolfensohn zu Besuch in der Bundesrepublik, Der Tschad: Mit der Weltbank auf dem Weg in ein neues Ogoniland?, Pressemitteilung vom 14. November.
Yorongar à la barré (1998) in: N’Djaména Hebdo No. 331 du 28 Mai 1998.
Zint, Martin (1997): Ölrausch im Tschad – die Christen und das Erdöl, Hörfunkfeature, Hessischer Rundfunk, 2. Programm, Maschinen Manuskript, 12. Februar.
Zint, Martin (1998a): Neues aus Westafrika, Moundou, Maschinen Manuskript, 26. Januar.
Zint, Martin (1998b): Déclaration du séminaire de Donia, Donia, Maschinen Manuskript, 25 Januar.
Zint, Martin (1998c): Bedenken gegen Ölprojekt, Umweltschützer in Tschad sehen Landwirtschaft in Gefahr, in: Frankfurter Rundschau, 2. Februar 1998, S. 6.
Zint, Martin (1998d): Die tödliche Wohlstandsquelle, Milliardeneinnahmen aus dem Ölexport sollen den bitterarmen Wüstenstaat Tschad reich machen, in: die tageszeitung, 14. Mai, S. 13.
Zint, Martin/ Petry, Martin (1997): Manna oder Gift, in: Eine Welt 2/1997, S. 17 f.
Prof. Dr. Barbara Dietrich lehrt am FB Sozialwesen der FH Wiesbaden